Urteil vom Verwaltungsgericht Minden - 11 K 928/17
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladene jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von sieben Windenergieanlagen (WEA) vom Typ Enercon E-115 in der Gemarkung F. , Flur 12, Flurstücke 31, 33 und 40, Flur 13, Flurstücke 1, 9, 44 und 77, sowie Flur 14, Flurstücke 4 und 22, im Außenbereich der Stadt C. . Die Anlagen haben eine Gesamthöhe von jeweils 206,94 m bei einer Nabenhöhe von 149,08 m und einem Rotordurchmesser von 115,71 m; ihre Nennleistung beträgt 3.000 kW.
3Der Kläger ist Eigentümer des im Rubrum bezeichneten Wohngrundstückes in C. -F. , auf dem er auch einen Pensionsbetrieb führt. Das Grundstück liegt außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans. Die Entfernung zur nächstgelegenen WEA FLE12 der Beigeladenen beträgt 2.320 m.
4Die Beigeladene hatte am 20.10.2015 beim Beklagten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für insgesamt zwölf WEA beantragt. Das Verfahren wurde nach § 10 BImSchG durchgeführt und der Antrag am 16.03.2016 im Amtsblatt des Beklagten öffentlich bekannt gemacht; die Offenlage erfolgte im Zeitraum vom 24.03.2016 bis zum 25.04.2016. Der Kläger erhob schriftlich Einwendungen und nahm an dem stattfindenden Erörterungstermin am 07.06.2016 teil.
5Unter dem 27.12.2016, öffentlich bekannt gemacht am 04.01.2017, erteilte der Beklagte der Beigeladenen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für sieben WEA mit der Auflage, dass die Anlagen entsprechend den in den Schallimmissionsprognosen der reko GmbH & Co. KG vom 19.10.2015 und 16.11.2016 angegebenen Leistungsdaten zu betreiben sind und ein Schallleistungspegel von 107,0 dB(A) nicht überschritten werden darf. Das gemeindliche Einvernehmen der Stadt C. wurde ersetzt. Am 03.02.2017 ordnete der Beklagte die sofortige Vollziehung der Genehmigung an.
6Der Kläger hat am 03.02.2017 Klage erhoben und am 08.06.2017 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Die erkennende Kammer hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 04.08.2017 – 11 L 1196/17 – abgelehnt. Die hiergegen erhobene Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 30.01.2018 – 8 B 1060/17 – zurückgewiesen.
7Der Kläger ist zunächst der Auffassung, die Genehmigung sei bereits deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte sich offenkundig an die Vorgaben des Windenergie-Erlasses NRW gebunden gefühlt habe, obwohl dieser europarechtswidrig und daher nichtig sei.
8Die der Genehmigungserteilung zugrunde liegenden Schallimmissionsprognosen seien fehlerhaft. Es sei nicht erkennbar, dass bei der Ermittlung der Vorbelastung durch vorhandene WEA zutreffende Daten eingestellt worden seien. Die Vorbelastung aufgrund des Verkehrslärms der B 68 und der A 33 sowie des Flughafens Paderborn sei nicht berücksichtigt worden. Die Schallimmissionsprognosen seien auf der Grundlage des alternativen Verfahrens erstellt und deshalb zu hohe Bodendämpfungswerte angesetzt worden. Beeinträchtigungen durch tieffrequenten Schall bzw. Infraschall seien nicht ermittelt worden. Es hätte ein Zuschlag für Ton- und Impulshaltigkeit erfolgen bzw. eine Sonderfallprüfung wegen des pulsierenden Rotorschlags durchgeführt werden müssen. Neben den Richtwerten der TA Lärm hätten die Richtwerte der NNGL der WHO berücksichtigt werden müssen, um sicherzustellen, dass von den Immissionen der WEA keine Gesundheitsgefahren ausgehen. Jedenfalls seinem Beherbungsbetrieb sei vor dem Hintergrund des Gebots der Rücksichtnahme ein besonderer Schutzanspruch zuzubilligen.
9Von der Anlage der Beigeladenen gehe eine optisch bedrängende Wirkung sowohl für sein Wohnhaus als auch für seine Pension aus. Wesentliche Räumlichkeiten seien nach Süden ausgerichtet, sodass die Anlagen in das Zentrum des Blickfeldes rücken würden. Bislang noch vorhandene Blickkorridore in die freie Landschaft würden verstellt. Aufgrund der Dimensionierung der neuen WEA könne die Faustregel, wonach bei einem mehr als das Dreifache der Gesamthöhe einer WEA betragenden Abstand zum Wohnhaus keine optisch bedrängende Wirkung gegeben sei, nicht mehr angewandt werden.
10Die Umweltverträglichkeitsprüfung weise in Bezug auf den Artenschutz – im Einzelnen benannte – schwerwiegende Mängel auf, was in unionsrechtskonformer Auslegung des § 4 UmwRG zur Aufhebung der Genehmigung führen müsse.
11Das Vorhaben der Beigeladenen liege außerhalb der mit der 23. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt C. ausgewiesenen Windkonzentrationszonen, sodass § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB greife. Die Vorschrift sei drittschützend.
12Nachdem einzelne Nebenbestimmungen im Genehmigungsbescheid vom 27.12.2016 durch Bescheid vom 12.10.2018 geändert worden waren, beantragt der Kläger nunmehr,
13die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 27.12.2016 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 12.10.2018 aufzuheben.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er ist der Auffassung, die Klage sei bereits unzulässig. Der Kläger sei weder im Hinblick auf die von der Anlage ausgehenden Immissionen noch wegen ihrer optischen Wahrnehmbarkeit klagebefugt. Auch nach dem UmwRG ergebe sich keine mögliche Rechtsverletzung des Klägers. Im Übrigen sei die die Klage unbegründet.
17Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
18die Klage abzuweisen.
19Sie meint ebenfalls, die Klage sei mangels Klagebefugnis des nicht zulässig. Dazu legt sie eine Berechnung der reko GmbH & Co. KG vom 14.03.2017 vor, wonach die von den sieben genehmigten WEA ausgehende Zusatzbelastung am Wohnhaus des Klägers 28,5 dB(A) beträgt. Bei einer damit mehr als 15 dB(A) unter dem Richtwert liegenden Zusatzbelastung sei eine Rechtsverletzung des Klägers durch Lärmimmissionen ausgeschlossen. – Im Beschwerdeverfahren reicht die Beigeladene zwei weitere Schallausbreitungsberechnungen ein. Die Berechnung vom 22.09.2017 weist bei einer Außerachtlassung jeglicher Bodendämpfung eine Gesamtbelastung von 39,6 dB(A) für das Grundstück des Klägers aus. Die unter dem 07.11.2017 - ebenfalls ohne Berücksichtigung einer Bodendämpfung - erstellte Schallberechnung ermittelt als Gesamtbelastung 38,4 dB(A) und als Zusatzbelastung 32,4 dB(A), ohne Bodendämpfung und meteorologische Korrektur ergeben sich 39,7 dB(A) Gesamt- und 33,2 dB(A) Zusatzbelastung.
20Abgesehen davon, dass die Ausweisung von Vorrangzonen in C. nicht wirksam erfolgt sei, vermittle § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB keinen Drittschutz.
21Da der Kläger keine mögliche Verletzung subjektiver Rechte geltend machen könne, sei die Klage auch unzulässig, soweit sie sich auf § 4 UmwRG stütze.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen die Inhalte der Gerichtsakte, der elektronisch geführten Verfahrensakte 11 L 1196/17 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten. Sämtliche Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
23Entscheidungsgründe:
24Der am selben Tage bei Gericht eingegangene Schriftsatz des Klägers vom 14.12.2018 mit dem u.a. eine von einer Familie E. im Juni 2017 verfasste Beschreibung ihrer Situation in F. und sie betreffende ärztliche Atteste vorgelegt wurden, gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Für den Ausgang des Verfahrens relevante Informationen sind nicht enthalten.
25Die Klage hat keinen Erfolg.
26Das Gericht lässt offen, ob sie zulässig ist.
27Dass und weshalb Infraschall bzw. tieffrequenter Schall oder eine optisch bedrängende Wirkung der Anlagen auch mit Blick auf die vom Kläger dazu formulierten Beweisanträge keine Klagebefugnis begründen können, folgt aus den Gründen des Beschlusses vom 11.12.2018.
28Eine zur Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO, führende mögliche Rechtsverletzung des Klägers ergibt sich allenfalls unter dem Aspekt einer unzulässigen Belastung seines Grundstücks durch Lärm. Es spricht zwar auf der Grundlage der Erwägungen, die die erkennenden Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 04.08.2017 im zugehörigen Eilverfahren 11 L 1196/17 angestellt hat und auf die verwiesen wird Einiges dafür, dass die Zusatzbelastung mehr als 15 dB(A) unter dem zulässigen Richtwert von 45 dB(A) nachts liegt und sich das Grundstück daher nicht mehr im Einwirkungsbereich der Anlagen befindet. Das sog. alternative Verfahren, auf dessen Grundlage die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Schallimmissionsprognosen erstellt wurden, war zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung Stand der Technik und daher maßgebliche Beurteilungsgrundlage. Zu der Erkenntnis, dass es bei Entfernungen ab 500 m vom Anlagenstandort bei der Anwendung dieses Verfahrens zu einer Überschätzung der Bodendämpfung kommen kann mit der Folge, dass tatsächlich höhere Lärmimmissionen als prognostiziert auftreten, gelangte man erst im Laufe des Jahres 2017. Die vor diesem Hintergrund im weiteren Verlauf des gerichtlichen Verfahrens vorgelegte Schallberechnung der reko GmbH & Co. KG vom 07.11.2017 hat bei einer auf Null gesetzten Bodendämpfung eine Zusatzbelastung von 32,4 dB(A) prognostiziert; danach befindet sich das Grundstück des Klägers im (erweiterten) Einwirkungsbereich der Anlagen. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in seinem Beschluss vom 30.01.2018 – 8 B 1060/17 – allerdings ungeachtet dessen die Auffassung vertreten, bei einer Gesamtbelastung, die mit 39,7 dB(A) ohne Berücksichtigung einer Bodendämpfung und meteorologischer Korrektur den zulässigen (Nacht-)Richtwert um 5 dB(A) unterschreite, sei eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Klägers durch Lärm – ebenso wie in jeder anderen Hinsicht – ausgeschlossen.
29Die Klage ist jedenfalls unbegründet.
30Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 27.12.2016 ist nicht in einer die subjektiven Rechte des Klägers verletzenden Weise rechtswidrig, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
31Insoweit wird zur Vermeidung entbehrlicher Wiederholungen entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO auf die Gründe des Beschlusses im zugehörigen Eilverfahren 11 L 1196/17 vom 04.08.2017 und des die Beschwerde des Klägers hiergegen zurückweisenden Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30.01.2018 – 8 B 1060/17 – verwiesen.
32Ergänzend sei in Bezug auf die Schallimmissionsprognosen bzw. -berechnungen noch ausgeführt, dass Nr. A.2.5.2 und A.2.5.3 des Anhangs der TA Lärm Zuschläge für tonhaltige (KT) oder impulshaltige (KI) Geräusche nur dann vorsehen, wenn Töne hervortreten bzw. Impulse vorliegen. Wenn dies nicht der Fall ist, ist KT bzw. KI mit 0 dB anzusetzen. Eine Notwendigkeit, in die Lärmprognose für eine einzelne Anlage eines Typs einen Impuls- oder Tonhaltigkeitszuschlag einzustellen, besteht nicht, wenn keine Erkenntnisse über eine generelle Impuls- oder Tonhaltigkeit des betreffenden Anlagentyps vorliegen.
33Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.02.2017 – 8 A 2293/13 –, n.v.; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 12.07.2013 – 12 A 174/12 –, juris Rn. 24.
34Vorliegend bestätigt der Schalltechnische Bericht der Kötter Consulting Engineers vom 01.06.2016 (Anhang 3 zum Schallgutachten vom 16.11.2016, BA I) – im Beschluss der Kammer vom 11.12.2018 wurde fehlerhaft der 08.04.2016 als Datum genannt – das mangelnde Erfordernis entsprechender Zuschläge für den Anlagetyp E-115 im Betriebsmodus Os, da bei allen drei Messungen weder eine Ton- noch eine Impulshaltigkeit der Schallemissionen feststellbar war.
35Zu von WEA ausgehendem Infraschall bzw. tieffrequenten Schall gibt es, wie bereits im Beschluss vom 11.12.2018 dargelegt, keine wissenschaftlich gesicherte Hinweise darauf, dass von dem von WEA verursachten Infraschallanteil, der unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des menschlichen Gehörs liegt, eine Gesundheitsgefahr oder eine erhebliche Belästigung ausgeht. Davon gehen nicht nur die Fachbehörden verschiedener Länder aus,
36vgl. LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz in Baden-Württemberg, Tieffrequente Geräusche inkl. Infraschall von Windkraftanlagen und anderen Quellen, Bericht über Ergebnisse des Messprojektes 2013 – 2015, abrufbar unter
37https://www4.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/257896,
38Bayrisches Landesamt für Umwelt (LfU), Windenergieanlagen – beeinträchtigt Infraschall die Gesundheit? 2014, abrufbar unter:
39https://www.lfu.bayern.de/buerger/doc/uw_117_windkraftanlagen_infraschall_gesundheit.pdf,
40Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Faktenpapier Windenergieanlagen und Infraschall (Stand 16.12.2015), abrufbar unter
41https://www.umwelt.nrw.de/fileadmin/redaktion/PDFs/klima/windenergieanlagen_infraschall_faktenpapier.pdf,
42sondern auch das Umweltbundesamt, das auf der Grundlage weiterer, auch ausländischer Studien ausführt: „Nach aktueller Studienlage liegen dem Umweltbundesamt keine Hinweise über chronische Schädigungen vor, die vor dem Hintergrund einer tragfähigen Wirkungshypothese in einen Zusammenhang mit Infraschallemission von Windenergieanlagen gebracht werden könnten. Nach Einschätzung des Umweltbundesamtes stehen daher die derzeit vorliegenden Erkenntnisse zum Infraschall einer Nutzung der Windenergie nicht entgegen.“
43Vgl. Umweltbundesamt, Position November 2016, Mögliche gesundheitliche Effekte von Windenergieanlagen (S. 4), abrufbar unter
44https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1968/publikationen/161128_uba_position_windenergiegesundheit.pdf.
45Dass die vom Kläger im gerichtlichen Verfahren benannten Studien – nur – Teil eines wissenschaftlichen Diskurses sind, der noch keine Rückschlüsse auf eine Änderung des aktuellen Erkenntnisstands zulässt, hat die Kammer ebenfalls bereits im Beschluss vom 11.12.2018 ausgeführt, ebenso, dass weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Ergebnisse der vom Kläger zitierten Studien auch noch in einer Entfernung von mehr als 2.300 m vom Anlagenstandort Gültigkeit beanspruchen.
46Sollten nach Inbetriebnahme der Anlage relevante tieffrequente Geräusche tatsächlich auftreten, kommt nach entsprechender Überprüfung der Anlage im Rahmen der Überwachung im Übrigen ggf. die Anordnung nachträglicher Minderungsmaßnahmen nach § 17 BImSchG in Betracht.
47Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.02.2017 – 8 A 2293/13 –, S. 13 des Entscheidungsabdrucks, n.v.
48Der Kläger kann sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Genehmigung unter Verstoß gegen Vorschriften des UVPG ergangen ist, sodass ihm ein Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – UmwRG) in der seit dem 02.06.2017 geltenden Fassung vom 29.05.2017 (BGBl I S. 1298) zusteht. Es liegt weder ein absoluter Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 UmwRG vor noch kann sich der Kläger auf einen relativen Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1a UmwRG berufen.
49Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG unter anderem verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des UVPG erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder erforderliche Vorprüfung des Einzelfalles weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist (Nr. 1), eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 UVPG oder im Sinne von § 10 BImSchG weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist (Nr. 2) oder ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der nicht geheilt worden ist, nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind (Nr. 3).
50Da das Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung und eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde, kann der Kläger zunächst nicht mit Erfolg geltend machen, es sei eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. (UVP) Vorprüfung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG) oder eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG) unterblieben oder eine UVP-Vorprüfung nach § 7 UVPG nicht in einer den Anforderungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG genügenden Weise durchgeführt worden (§ 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG).
51Ein (absoluter) Verfahrensfehler i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG liegt ebenfalls nicht vor. Unabhängig von der Schwere des behaupteten Verfahrensfehlers (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. b UmwRG) fehlt es jedenfalls an der kumulativ zu erfüllenden weiteren Voraussetzung, dass durch den behaupteten Verfahrensfehler die Beteiligungsrechte des Klägers als Teil der betroffenen Öffentlichkeit verkürzt wurden, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. c UmwRG. Die Aufhebung der Entscheidung könnte der Kläger nach § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG nur dann verlangen, wenn ihm die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen wurde. Davon kann nicht ausgegangen werden. Der Kläger hat im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung vielmehr Einwendungen erhoben und am Erörterungstermin teilgenommen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, inwiefern die von ihm behauptete unzulängliche artenschutzrechtliche Prüfung seine Beteiligungsrechte verkürzt haben könnte. Insofern kann dahinstehen, ob – unterstellt – ein solcher Mangel überhaupt ein Verfahrensfehler i.S.d. UmwRG sein kann.
52Vgl. dazu - dies bejahend - OVG NRW, Beschluss vom 20.02.2018 – 8 B 840/17 –, juris Rn. 15 ff.
53Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehören dagegen nur Verstöße gegen Rechtsvorschriften, die die äußere Ordnung des Verfahrens, d.h. den Verfahrensablauf als solchen betreffen, wie etwa die Regelungen über den Beginn des Verfahrens, die Beteiligung anderer Behörden und der Öffentlichkeit sowie sonstige Verfahrensschritte, wie etwa die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung. Demgegenüber ist nicht äußerer Verfahrensgang in diesem Sinne der durch materiell-rechtliche Vorgaben gesteuerte Prozess der Willens- und Entscheidungsbildung, der sich – namentlich im Fachplanungsrecht – regelmäßig auf der Grundlage von Fachgutachten vollzieht.
54Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.11.2017 – 7 A 17/12 –, juris Rn. 29; so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.10.2018 – 1 A 10581/16 –, juris Rn. 76 ff.
55Ein Aufhebungsanspruch nach § 4 Abs. 1a UmwRG besteht ebenfalls nicht. Die erfolgreiche Geltendmachung eines (relativen) Verfahrensfehlers nach dieser Vorschrift setzt bei natürlichen Personen wie dem Kläger eine subjektive Rechtsverletzung
56voraus, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Verstöße gegen artenschutzrechtliche Verbotstatbestände nach § 44 BNatSchG vermitteln mangels nachbarschützenden Charakters keine subjektiven Rechte.
57Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.09.2018 – 8 A 2523/17 –, abrufbar unter www.nrwe.de, dort Rn. 12 ff., und vom 20.02.2018 – 8 B 840/17 –, juris Rn. 34 ff.
58Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren für erstattungsfähig zu erklären, weil sie einen eigenen Sachantrag gestellt und sich damit am Kostenrisiko beteiligt hat
59Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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