Urteil vom Verwaltungsgericht Münster - 1 K 30/18
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger begehrt als Vorsitzender des Bezirksausschusses für den Stadtbezirk Nordost der Stadt C. und Mitglied der Beklagten die Feststellung, durch Beschlüsse der Beklagten in ihm zugewiesenen organschaftlichen Rechten verletzt zu sein.
3Im November 2016 führte der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber eine zusätzliche Aufwandsentschädigung für Vorsitzende von Ausschüssen des Gemeindesrats ein. Hierzu erweiterte er den Kreis der Berechtigten in § 46 GO NRW um Vorsitzende von Ausschüssen des Rates mit Ausnahme des Wahlprüfungsausschusses (§ 46 Satz 1 Nr. 2 GO NRW in der ab dem 29. November 2016 gültigen Fassung). Nach § 46 Satz 2 GO NRW der neu gefassten Norm können in der Hauptsatzung weitere Ausschüsse von der Regelung in § 46 Satz 1 Nr. 2 GO NRW ausgenommen werden.
4In Anbetracht der hieraus erwachsenden Belastung des städtischen Haushalts beschloss die Beklagte in ihrer Sitzung vom 21. Dezember 2016 unter Punkt 8.1 in Anwesenheit des Klägers einstimmig (44 Ja-Stimmen, 0 Nein-Stimmen, 0 Enthaltungen), die Hauptsatzung der Stadt C. dahingehend zu ergänzen, dass im einzelnen aufgelistete Ausschüsse von der Regelung einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung für Ausschussvorsitzende ausgenommen werden. Bei den aufgelisteten Ausschüssen handelte es sich um sämtliche Ausschüsse der Beklagten mit Ausnahme der Bezirksausschüsse. Der fehlenden Auflistung der Bezirksausschüsse lag die Auffassung zu Grunde, dass diese von der Regelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 GO NRW nicht erfasst würden. Die entsprechende Sitzungsvorlage (Vorlage-Nr. 0244/2016) enthielt u.a. eine Übersicht über die Anzahl der Sitzungen der jeweiligen Ausschüsse in den Jahren 2015 und 2016 sowie Ausführungen dazu, dass eine Entscheidung unter Abwägung des Aufwandes der einzelnen Ausschussvorsitzenden, etwa unter Zugrundelegung der Häufigkeit und Länge der Ausschusssitzungen erfolgen könne. Sie enthielt den Vorschlag, angesichts des Zeitdrucks zunächst alle Ausschüsse von der Gewährung einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung auszunehmen und zugleich eine Arbeitsgruppe zu bilden, in der erörtert werden könne, ob künftig eine andere Regelung für einzelne Ausschüsse gelten solle. Nach den im Sitzungsprotokoll dokumentierten Wortmeldungen bestand innerhalb der Beklagten Einigkeit darüber, dass zumindest zunächst auf die Bildung einer Arbeitsgruppe verzichtet werden könne, es könnten alle Ausschüsse von der Regelung ausgenommen werden. Nicht nur die Vorsitzenden der Ausschüsse, sondern auch die Gremienmitglieder hätten viel Arbeit. Der Kläger meldete sich in der Beratung nicht zu Wort.
5Mit Runderlass vom 13. Februar 2017 gab das (seinerzeitige) Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen (MIK NRW) verschiedene Hinweise zur Auslegung (u.a.) von § 46 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 GO NRW. Danach handele es sich auch bei den Bezirksausschüssen um Ausschüsse i.S.d. § 46 GO NRW. Zudem sei die Frage, welche Ausschüsse von der Gewährung einer Aufwandsentschädigung an den jeweiligen Vorsitzenden ausgenommen werden könnten, nicht in das unbegrenzte freie Ermessen des Rates gestellt. Die gesetzliche Regelung spiegele ein Regel-Ausnahmeverhältnis wider. Grundsätzlich seien alle Ausschüsse in die Gewährung der Aufwandsentschädigung einzubeziehen. Es bestehe eine gesetzliche Ausnahme zulasten des Wahlprüfungsausschusses. Weitere Ausnahmen seien zulässig, soweit – ähnlich dem Wahlprüfungsausschuss – eine geringe Tagungshäufigkeit anzunehmen sei. Eine Umkehrung dieses Regel-Ausnahmeverhältnisses, insbesondere dergestalt, in der Hauptsatzung pauschal alle Ausschüsse von der Gewährung der Aufwandsentschädigung auszunehmen, dürfte jedenfalls im Regelfall nicht zulässig sein.
6In der Folge wandte sich der Kläger an eine Mitarbeiterin des Bürgermeisters der Stadt C. und erkundigte sich nach der Überweisung der Aufwandsentschädigung für den Vorsitz im Bezirksausschuss Nordost für die Monate Januar und Februar. Daraufhin wurde ihm mitgeteilt, dass das Ergebnis der folgenden Sitzung der Beklagten abgewartet werden solle, in der über eine Änderung der Hauptsatzung bzw. einen freiwilligen Verzicht auf die Aufwandsentschädigungen beraten und beschlossen werden solle. Hierauf teilte der Kläger in einer an einen Mitarbeiter des Büros des Bürgermeisters gerichteten E-Mail vom 16. März 2017 mit, er halte die Entscheidung der Beklagten vom 21. Dezember 2016 für rechtswidrig. Sollte die dort getroffene Regelung auf die Bezirksausschüsse erweitert werden, bleibe für ihn die Rechtswidrigkeit bestehen. Er sei zwar bereit, mit dem Mehrheitswillen seiner Fraktion der Vorlage zuzustimmen. Jedoch werde er sich aufgrund seiner Zweifel an der Rechtmäßigkeit vor oder nach der kommenden Sitzung der Beklagten an die Kommunalaufsicht wenden. Dies habe er auch seiner Fraktion so mitgeteilt.
7In ihrer Sitzung vom 5. April 2017 beschloss die Beklagte unter Punkt 4 in Anwesenheit des Klägers einstimmig (42 Ja-Stimmen, 0 Nein-Stimmen, 0 Enthaltungen) eine Änderung der Hauptsatzung der Stadt C. , nach der auch die Bezirksausschüsse von der Regelung einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung für Ausschussvorsitzende ausgenommen werden. Die entsprechende Sitzungsvorlage (Vorlage-Nr. 0043/2017) enthielt u.a. eine Übersicht über die Anzahl der Sitzungen der einzelnen Bezirksausschüsse in den Jahren 2014, 2015 und 2016 und der für das Jahr 2017 geplanten sowie Ausführungen dazu, dass eine Entscheidung unter Abwägung des Aufwandes der einzelnen Ausschussvorsitzenden, etwa unter Zugrundelegung der Häufigkeit und Länge der Ausschusssitzungen erfolgen könne. Der Kläger meldete sich in der Beratung zu dem entsprechenden Tagesordnungspunkt nicht zu Wort.
8Im weiteren Verlauf wandte sich der Kläger zunächst an den Landrat des Kreises C1. sowie später an die Bezirksregierung Münster als Kommunalaufsichtsbehörden, insbesondere um die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse der Beklagten vom 21. Dezember 2016 und 5. April 2017 überprüfen zu lassen. Hierzu berief er sich im Wesentlichen auf den Inhalt des Runderlasses vom 13. Februar 2017 des MIK NRW, wonach die Ausnahme aller Ausschüsse von der Regelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 GO NRW nicht zulässig sei. Der Landrat des Kreises C1. und die Bezirksregierung Münster sahen auf der Grundlage einer eingeholten Stellungnahme der Stadt C. keinen Anlass für kommunalaufsichtliches Einschreiten.
9Der Kläger hat am 3. Januar 2018 Klage erhoben.
10Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Klage sei als Feststellungsklage zulässig. Er könne in seiner Funktion als Bezirksausschussvorsitzender Feststellungsklage mit der Behauptung erheben, die Ausnahme der Bezirksausschüsse von der Gewährung einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung für Ausschussvorsitzende verletzte ihn in seinen Rechten. Es bestehe zwischen ihm und der Beklagten ein im kommunalverfassungsrechtlichen Organstreit feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, weil sie über die Rechtsmäßigkeit der Beschlüsse der Beklagten vom 21. Dezember 2016 und 5. April 2017 und damit aus Anlass eines konkreten Sachverhalts über Bestand und Reichweite organschaftlicher Rechte und Pflichten stritten. Er sei klagebefugt, weil es denkbar sei, dass er durch die genannten Beschlüsse und die damit einhergehende Satzungsänderung in seinem Recht aus § 46 Satz 1 GO NRW i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 6 Entschädigungsverordnung (EntschVO) verletzt sei. Hierbei handele es sich um ein organschaftliches Recht, weil die zusätzliche Aufwandsentschädigung die Ausübung des Mandats gerade erst ermöglichen solle. Wie auch das Behinderungs- und Benachteiligungsverbot (§ 44 Abs. 1 GO NRW) und das Recht auf Freistellung (§ 44 Abs. 2 GO NRW) gehöre es zu den elementaren Rechten eines Mandatsträgers, der durch sein kommunalpolitisches Engagement keine finanziellen Nachteile erleiden solle. Das Teilnahme-, das Rede- und das Fragerecht gehörten gleichermaßen hierher. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage in derartigen Fällen ergebe sich auch aus verschiedenen (näher benannten) gerichtlichen Entscheidungen. Ihm fehle auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Ihm könne kein rechtsmissbräuchliches bzw. treuwidriges Verhalten vorgeworfen werden. Zwar habe er selbst für die Änderung der Hauptsatzung der Stadt C. gestimmt. Aber er habe seiner Pflicht zur Organtreue folgend bereits frühzeitig in seiner E-Mail an das Büro des Bürgermeisters vom 16. März 2017 auf seine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse hingewiesen und angekündigt, diese durch die Kommunalaufsicht überprüfen zu lassen. Damit habe es dem Bürgermeister oblegen, seine, des Klägers, Bedenken in der Sitzung der Beklagten zu thematisieren. Außerdem habe er sich letztlich vor dem Hintergrund der Fraktionsdisziplin für sein Abstimmungsverhalten entschieden. Im Übrigen könne von einem Ratsmitglied nicht verlangt werden, sich bei jedem Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen zu enthalten oder gar gegen den Antrag zu stimmen.
11Die Klage sei auch begründet. Durch den Ausschluss der Bezirksausschüsse von den entschädigungspflichtigen Ausschüssen sei er in seinen Rechten als Bezirksausschussvorsitzender verletzt, weil er um seinen Anspruch auf Erhalt einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung gebracht werde. Die Beklagte habe mit der Entscheidung, sämtliche Ausschüsse von der Regelung des § 46 Satz 1 GO NRW auszunehmen, das ihr gemäß § 46 Satz 2 GO NRW eingeräumte Ermessen überschritten. Es handele sich um eine unzulässige pauschale Herausnahme aller Ausschüsse der Beklagten auch wenn diese im Einzelnen benannt würden. Außerdem beruhe die Entscheidung der Beklagten nicht auf einem fehlerfreien Abwägungsprozess, weil lediglich die „Tagungshäufigkeit“ – und diese auch nur zum Schein – sowie die Erwägung, dass auch die Gremienmitglieder viel Arbeit hätten, in die Abwägung einbezogen worden seien. Das Gros der Ausschüsse, so auch die Bezirksausschüsse, tage häufiger als der gesetzlich ausgenommene Wahlprüfungsausschuss, wobei zwischen den einzelnen Ausschüssen große Unterschiede bestünden. Eine Einzelfallbetrachtung sei nicht vorgenommen worden. Die Erwägung, auch die übrigen Gremienmitglieder hätten viel Arbeit, wiederspreche der gesetzgeberischen Wertung.
12Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
13festzustellen, dass die Beschlüsse der Beklagten vom 21. Dezember 2016 unter dem Tagesordnungspunkt 8.1 sowie vom 5. April 2017 unter dem Tagesordnungspunkt 4, mit welchen sämtliche Ausschüsse der Beklagten von der Gewährung einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung für Ausschussvorsitzende ausgenommen werden, rechtswidrig sind und ihn in seinen organschaftlichen Rechten als (Bezirks-)Ausschussvorsitzender verletzen.
14Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
15die Klage abzuweisen.
16Sie ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig. Weil sich der Kläger unmittelbar gegen die Hauptsatzung der Stadt C. wende, sei der Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO die richtige Verfahrensart. Zudem fehle dem Kläger das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil er ohne zuvor von seinem Rede- und Antragsrecht Gebrauch zu machen beiden Beschlüssen zugestimmt habe. Sich nun gegen diese Beschlüsse zu wenden, sei rechtsmissbräuchlich. Die E-Mail vom 16. März 2017 sei allein an den Büroleiter des Bürgermeisters gesandt worden. Für den Bürgermeister habe keine Veranlassung bestanden, die Beklagte in der Sitzung über die E-Mail zu informieren, weil der Kläger selbst anwesend gewesen sei. Im Übrigen handele es sich rechtlich gesehen um eine Abstimmung unter Mentalreservation. Rechtlich maßgeblich sei die Äußerung, die der Kläger in Form seiner Zustimmung zur Satzungsänderung getätigt habe, und nicht der geheim gehaltene tatsächliche Wille. Es bestehe kein Fraktionszwang. Außerdem habe der Kläger auch in anderen Fällen abweichend von den übrigen Fraktionsmitgliedern abgestimmt.
17Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 30. Juni 2020 und die Beklagte mit Schriftsatz vom 17. Juni 2020 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
21Die Klage ist unzulässig.
22Unabhängig von der Frage, ob dem Kläger in diesem Verfahren ein Rechtsschutzinteresse zur Seite steht, fehlt es jedenfalls am für die als („kommunalverfassungsrechtliche“) Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO erhobene Klage erforderlichen (organschaftlichen) Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten bzw. an der notwendigen Klagebefugnis des Klägers. Der Kläger ist nämlich nicht – wie insoweit erforderlich – in einem subjektiven Organrecht nachteilig betroffen.
23Nach § 43 Abs. 1, 1. Alt. VwGO kann mit der Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Unter einem Rechtsverhältnis in diesem Sinne sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aufgrund der Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen konkreten Sachverhalt für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht.
24Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Mai 2006 – 15 A 817/04 -, Städte- und Gemeinderat 2007, Nr 5, 37 = juris, Rn. 40 ff. m.w.N.
25An einem – hier in Rede stehenden – konkreten organschaftlichen Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO beteiligt sein können nicht nur natürliche oder juristische Personen, sondern auch kommunale Organe oder Organteile als Träger organisationsinterner Rechte. Der Begriff des Rechtsverhältnisses ist nicht auf Außenrechtsverhältnisse beschränkt. Er umfasst ebenso die Rechtsbeziehungen innerhalb von Organen einer juristischen Person, also auch einer kommunalen Vertretungskörperschaft. Auch ein Ratsbeschluss kann im Rahmen eines kommunalrechtlichen Organstreits überprüft werden, wenn und soweit er die Rechte kommunaler Organe oder Organteile konkretisiert oder nachteilig betrifft.
26Vgl. OVG NRW, Urteile vom 17. Februar 2017 – 15 A 1676/15 -, KommJur 2017, 410 = juris, Rn. 55, und vom 2. Mai 2006 – 15 A 817/04 -, Städte- und Gemeinderat 2007, Nr 5, 37 = juris, Rn. 42 ff.; jeweils m.w.N.
27Darüber hinaus ist eine Klage auf Feststellung des Bestehens eines organschaftlichen Rechtsverhältnisses innerhalb kommunaler Organe in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn es sich bei der geltend gemachten Rechtsposition um ein durch das Innenrecht eingeräumtes, dem klagenden Organ oder Organteil zur eigenständigen Wahrnehmung zugewiesenes wehrfähiges subjektives Organrecht handelt. Geht es – wie vorliegend – um die Rechtmäßigkeit eines Ratsbeschlusses, setzt die Klagebefugnis dementsprechend voraus, dass dieser ein subjektives Organrecht des klagenden Organs oder Organteils nachteilig betrifft. Das gerichtliche Verfahren dient nicht der Feststellung der objektiven Rechtswidrigkeit des Ratsbeschlusses, sondern dem Schutz der dem klagenden Organ oder Organteil durch das Innenrecht zugewiesenen Rechtsposition. Ob eine solche geschützte Rechtsposition im Hinblick auf die Beschlussfassung des Rates besteht, ist durch Auslegung der jeweils einschlägigen Norm zu ermitteln.
28Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Februar 2017 – 15 A 1676/15 -, KommJur 2017, 410 = juris, Rn. 57 m.w.N.
29Hieran gemessen fehlt es an einem konkreten organschaftlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten bzw. ist der Kläger nicht klagebefugt, weil er nicht in einem subjektiven Organrecht nachteilig betroffen ist.
30Der Kläger macht als Vorsitzender eines Bezirksausschusses und Mitglied der Beklagten mit der Klage geltend, durch deren Beschlüsse vom 21. Dezember 2016 unter dem Tagesordnungspunkt 8.1 sowie vom 5. April 2017 unter dem Tagesordnungspunkt 4 in ihm zugewiesenen organschaftlichen Rechten verletzt zu sein. Mit den Beschlüssen hat die Beklagte unter Berufung auf § 46 Satz 2 GO NRW (in der seinerzeitigen Fassung) im Einzelnen aufgezählte Ausschüsse von der Regelung einer zusätzlichen Aufwandsentschädigung für Ausschussvorsitzende ausgenommen.
31Die vorgenannten Beschlüsse betreffen kein subjektives Organrecht des Klägers nachteilig. Dies folgt für den Beschluss der Beklagten vom 21. Dezember 2016 schon daraus, dass der Kläger nicht Vorsitzender eines der mit diesem von der Regelung nach § 46 Satz 2 GO NRW ausgenommenen Ausschüsse war. Aber auch unabhängig davon bzw. im Hinblick auf den Beschluss der Beklagten vom 5. April 2017 fehlt es an einem betroffenen organschaftlichen Recht des Klägers. Bei dem von ihm insoweit geltend gemachten Anspruch auf Aufwandsentschädigung für seine Tätigkeit als Bezirksausschussvorsitzender aus § 46 Satz 1 Nr. 2 GO NRW handelt es sich nämlich nicht um ein organschaftliches Recht des Ausschussvorsitzenden. Die Entschädigung dient der Kompensation von Nachteilen, die den Einzelnen in seinem privaten Vermögen durch die Mandatswahrnehmung treffen. Der Kläger ist demgemäß in seinen privaten finanziellen Belangen berührt und nicht in seinem kommunalverfassungsrechtlichen Status als Ausschussvorsitzender.
32Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. Dezember 2018 – 1 K 6741/17 -, juris, Rn. 14 m.w.N. zur Aufwandsentschädigung nach § 45 Abs. 5 GO NRW; so auch Smith, in: Kleerbaum/Palmen, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, 2. Auflage 2013, § 45 VI. (S. 629); siehe auch Frenzen, in: Dietlein/Heusch, BeckOK Kommunalrecht NRW, § 43 GO NRW, Rn. 9 (12. Edition, Stand: 1. Juni 2020).
33Der Anspruch auf Aufwandsentschädigung zählt – wie weitere vom Kläger angeführte Rechte (Behinderungs- und Benachteiligungsverbot [§ 44 Abs. 1 GO NRW], Recht auf Freistellung [§ 44 Abs. 2 GO NRW]) – zu den gewissermaßen arrondierenden Rechten zur Sicherung der Mandatsausübung und nicht zu den mitgliedschaftlichen Mitwirkungsrechten, deren Verletzung durch andere gemeindliche Organe oder Organteile im Wege des „Kommunalverfassungsstreits“ gerichtlich geltend gemacht werden kann.
34Vgl. Smith, in: Kleerbaum/Palmen, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, 2. Auflage 2013, § 43 IV. (S. 566 f.); Frenzen, in: Dietlein/Heusch, BeckOK Kommunalrecht NRW, § 43 GO NRW, Rn. 8 f. (12. Edition, Stand: 1. Juni 2020).
35Hier steht gerade nicht die Abgrenzung der Rechtsstellung des Ausschussvorsitzenden gegenüber anderen Organen oder Organteilen inmitten, die Aufwandsentschädigung nach § 46 Satz 1 Nr. 2 GO NRW betrifft nicht das Binnenverhältnis der Organe oder Organteile der Gemeinde untereinander.
36Demgemäß ist der Kläger darauf verwiesen, einen etwaig bestehenden Anspruch auf Zahlung einer Aufwandsentschädigung nach § 46 Satz 1 Nr. 2 GO NRW nicht gegenüber der Beklagten, sondern als natürliche Person gegenüber der Stadt C. geltend zu machen. Hiergegen sprechen auch nicht die vom Kläger benannten gerichtlichen Entscheidungen. Diese,
37vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. Januar 1990 – 2 A 88/89 -, DÖD 1990, 197 = juris; VG Weimar, Urteil vom 17. September 2014 – 3 K 1346/12 We -, ThürVBl 2015, 174 = juris; VG Magdeburg, Urteil vom 25. September 2008 – 9 A 147/07 -, juris,
38bestätigen vielmehr die hier zu Grunde gelegte Rechtsauffassung, weil dort jeweils der auf Aufwandsentschädigung klagende ehrenamtliche Bürgermeister gerade keine Verletzung organschaftlicher Rechte durch den Gemeinderat geltend gemacht, sondern seine Klage als natürliche Person gegen die jeweilige Gemeinde gerichtet hat. Nichts anderes ergibt sich schließlich aus dem vom Kläger angeführten Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen. Denn auch dort,
39vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Juni 1994 – 15 A 2449/91 -, NWVBl 1994, 414 = juris,
40richtete sich der Kläger, ein Fraktionsvorsitzender, mit seinem auf eine im Vergleich zu anderen Fraktionsvorsitzenden gleich hoch bemessene Aufwandsentschädigung zielenden Begehren gegen die Gemeinde und nicht – wie hier der Kläger – unter Berufung auf organschaftliche Rechte gegen den Rat.
41Es sind auch sonst keine organschaftlichen Rechte des Klägers ersichtlich, die durch die Beschlüsse der Beklagten vom 21. Dezember 2016 und vom 5. April 2017 berührt werden. Ebenso wenig kann der Kläger in diesem Verfahren – von den dargelegten Maßstäben ausgehend – die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der genannten Beschlüsse der Beklagten losgelöst von der Betroffenheit in einem subjektiven Organrecht begehren.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
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