Urteil vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße (1. Kammer) - 1 K 591/17.NW

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Obergerichtsvollzieher im Bezirk des Pfälzischen OLG Zweibrücken. Die Beteiligten streiten über die Bürokostenentschädigung (BKE) für die Jahre 2014 und 2015, die sich aus einem prozentualen Anteil der vom Kläger vereinnahmten Gebühren errechnete.

2

Die Höhe dieses prozentualen Anteils wurde bis einschließlich 2015 jährlich nach der aufgrund § 49 Bundesbesoldungsgesetz erlassenen Landesverordnung zur Abgeltung der Bürokosten der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher vom 3. Juli 1998 festgesetzt (i.F.: BKE-VO). Der Gebührenanteil orientierte sich an den Sach- und Personalkosten eines durchschnittlich ausgelasteten Gerichtsvollzieherbüros und wurde jeweils rückwirkend für das vergangene Jahr festgesetzt. Für das Jahr 2014 erfolgte dies mit der 17. Landesverordnung zur Änderung der BKE-VO (i.F.: 17. Änderungsverordnung) vom 14. September 2015 (GVBl. S. 256), für das Jahr 2015 durch die 18. Änderungsverordnung vom 29. März 2017 (GVBl. S. 83). Bis zum Erlass der jeweiligen Änderungsverordnung galt der Gebührenanteil des Vorjahres vorläufig weiter. In Höhe dieses Prozentsatzes behielt der Gerichtsvollzieher den Anteil aus den vereinnahmten Gebühren vorläufig ein. Die endgültige Festsetzung der Gebührenanteile für ein Kalenderjahr wurde in einer sog. Jahresnachweisung nach Erlass der Änderungsverordnung für das zurückliegende Jahr festgesetzt durch den zuständigen Direktor des Amtsgerichts. Je nach Erhöhung oder Absinken des Prozentsatzes der Gebührenanteile ergaben sich Nachforderungen für den Gerichtsvollzieher oder zu viel einbehaltene Beträge, die von ihm an den Dienstherrn auszukehren waren.

3

Für das Jahr 2013 belief sich der Gebührenanteil der Gerichtsvollzieher nach der 16. Änderungsverordnung vom 16. September 2014 (GVBl. S. 225) auf 48,4 % der vereinnahmten Gebühren. Dieser Anteil wurde vom Kläger aus den Gebühreneinnahmen im Jahr 2014 vorläufig einbehalten. Durch die 17. Landesverordnung vom 14. September 2015 sank der Prozentsatz des Gebührenanteils für das Jahr 2014 auf 41,5% ab. Vom zuständigen Amtsgerichtsdirektor wurde die Jahresnachweisung 2014 für den Kläger unter dem 5. Oktober 2015 erstellt und darin der für 2014 vom Kläger einzuziehende Betrag auf 3.014,75 € festgesetzt. Die endgültig zustehenden und vorläufig einbehaltenen Gebührenanteile sowie der Betrag der insgesamt im Jahr 2014 von ihm vereinnahmten Gebühren waren dem beigefügt. Die Jahresnachweisung wurde dem Kläger ohne Rechtsmittelbelehrung formlos zugeleitet. Die Landesjustizkasse forderte mit Schreiben vom 29. Oktober 2015 den Einziehungsbetrag (eischließlich eines gesondert festgesetzten Betrags für das 3. Quartal 2015 in Höhe von 121,36 €) beim Kläger zur Zahlung an.

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Eine Nachweisung für das 4. Quartal und das Jahr 2015 wurde unter dem 12. Februar 2016 (als Datum genannt: 12. Februar 2014) erstellt. Dabei wurde der Gebührenanteil nach der noch geltenden 17. Änderungsverordnung errechnet und ein vom Kläger einzuziehender Betrag in Höhe von 123,31 € festgesetzt. Die entsprechende Zahlungsaufforderung der Landesjustizkasse datiert auf den 29. April 2016.

5

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten an den Präsidenten des Pfälzischen OLG vom 18. Mai 2016 bat der Kläger um Erläuterung der Bürokostenentschädigung und der Rechtsgrundlage für die Rückforderungen. Der Präsident des OLG legte im Antwortschreiben vom 20. Juni 2016 die Rechtsgrundlagen und Berechnungen nach der BKE-VO dar und verwies im Übrigen auf den Verordnungsgeber, das Ministerium der Justiz. Unter dem 12. Juli 2016 bat die Bevollmächtigte dort um Offenlegung der Berechnungen zur Bürokostenentschädigung für die Jahre 2014 und 2015, mit Antwort vom 21. Juli 2016 kam das Ministerium dem nach. Daraufhin rügte die Bevollmächtigte mit Schreiben vom 20. Dezember 2016 die Rechtswidrigkeit der für 2014 und 2015 erfolgten Rückforderungen der Bürokostenentschädigung, „äußerst vorsorglich“ erhob sie Widerspruch gegen die Rückforderungen und forderte das Ministerium auf, die Auskehrung der zu Unrecht zurückgeforderten Beträge zu veranlassen. Die Rückforderungen seien nicht in einem ordnungsgemäßen Bescheid erfolgt. Die Entschädigung sei nicht realitätsnah an den tatsächlich anfallenden notwendigen Sach- und Personalkosten ausgerichtet. Der 17. Änderungsverordnung lägen keinerlei aktuelle Erhebungen zugrunde. Insoweit sei sie rechtswidrig und nichtig und könne keine tragfähige Grundlage für die Rückforderung von Bürokostenentschädigung sein.

6

Mit Schreiben vom 5. Januar 2017 erläuterte das Ministerium der Justiz das Ergebnis seiner Erhebungen zu den tatsächlichen Kosten aller Gerichtsvollzieherbüros im Jahr 2015. Danach hätten sich die durchschnittlichen Personal- und Sachkosten bei voller Belastung auf 15.489,19 € belaufen. Der bei Festsetzung des Gebührenanteils unverändert in Ansatz gebrachte Jahreskostenbetrag von 20.274,00 € liege deutlich darüber.

7

Unter dem 22. Februar 2017 lehnte das Ministerium der Justiz sodann gegenüber dem Kläger den Antrag auf Abänderung der 17. Änderungs-VO zur BKE-VO und Rückzahlung abgelieferter Beträge für das Jahr 2014 ab. Der Antrag werde als Antrag auf Änderung der Verordnung auf das Niveau der für 2013 geltenden Beträge verstanden. Für diese Entscheidung sei das Ministerium der Justiz sachlich und funktionell zuständig. Die in der 17. Änderungsverordnung festgesetzten Gebührenanteile von 41,5 % seien aber rechtmäßig. Die Ablieferungsaufforderungen seien auch aus formellen Gründen nicht zu beanstanden. Die Ablieferungspflicht des Klägers finde ihre Rechtsgrundlage in der allgemeinen beamtenrechtlichen Dienst- und Treuepflicht. Die endgültige Abrechnung 2014 sei sachlich und rechnerisch nicht zu beanstanden.

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Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch: Die 2016 durchgeführten Erhebungen könnten schon in zeitlicher Hinsicht nicht Grundlage der Jahreskostenrechnungen 2014 und 2015 sein, das Gleiche gelte für die Sachkostenerhebungen im Jahr 2006 und die Personalkostenerhebungen 2010/2011.

9

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2017 unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 22. Februar 2017 zurück und führte ergänzend aus: Es bestehe keine Veranlassung dafür, in sehr kurzen Zeitabständen neue Bürokostenerhebungen durchzuführen. Der Rückforderungsbetrag für das Jahr 2015 werde nach der 18. Änderungsverordnung vom 29. März 2017 umgehend neu berechnet und sei nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Zudem sei das Zahlungsbegehren des Klägers unbegründet, weil das Ministerium der Justiz hierfür nicht richtiger Antragsgegner sei. Insoweit müsse Widerspruch bei der Behörde erhoben werden, die den Verwaltungsakt erlassen habe, Widerspruchsbehörde sei der Präsident des Pfälzischen OLG. Der Bescheid über die Jahresabrechnung 2014 dürfte bestandskräftig geworden sein. Gründe für seine Nichtigkeit seien nicht ersichtlich.

10

Der Kläger hat nach Zustellung des Widerspruchsbescheids (21. April 2017) am 19. Mai 2017 Klage erhoben.

11

Am 31. Mai 2017 erging die endgültige Jahresnachweisung für 2015 gegenüber dem Kläger, hiergegen hat der Kläger Widerspruch erhoben.

12

Er trägt vor: Sein Widerspruch gegen die Rückforderung sei vom Beklagten nicht verworfen, sondern sachlich beschieden worden, dies schließe die Berufung auf eine Bestandskraft aus. Für das Jahr 2014 sei ihm kein ordnungsgemäßer Bescheid bekannt gegeben worden. Die Kassenanweisung enthalte keine Rechtsgrundlage, keine Rechtsmittelbelehrung und keine Berechnungsgrundlagen, ihr Zugang und das Zugangsdatum seien nicht nachgewiesen. Der Beklagte habe mit Bescheid vom 22. Februar 2017 einen feststellenden Verwaltungsakt erlassen, bei dessen Aufhebung könne das Gericht die Rückgängigmachung der Vollziehung aussprechen. Für die Klage gegen die angefochtenen Bescheide sei der Beklagte passiv legitimiert. Im Hinblick auf das Jahr 2015 sei durch die endgültige Jahresnachweisung vom 31. Mai 2017 keine Erledigung der vorläufigen Festsetzung eingetreten, da zusätzliche Nachforderungen erhoben würden. Die Rückforderungen seien rechtswidrig. Die Bürokostenentschädigung müsse aufgrund wirklichkeitsnaher Schätzung pauschaliert werden, woran es in mehrfacher Hinsicht fehle.

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Der Kläger beantragt:

14

Der Bescheid vom 22. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2017 wird aufgehoben.

15

Der Beklagte zahlt an den Kläger den mit Schreiben der LJK Mainz vom 29. Oktober 2015 für das Jahr 2014 und das III. Quartal 2015 zurückgeforderten Betrag in Höhe von Euro 3.136,11 sowie den mit Schreiben der LJK Mainz vom 29. April 2016 für das Jahr 2015 zurückgeforderten Betrag in Höhe von Euro 123,31 als weitere Entschädigung und Vergütung zurück.

16

Hilfsweise: Unter Aufhebung der Bescheide vom 22. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2017 wird der Beklagte verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.

17

Weiter hilfsweise: Den Bescheid vom 22. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die 17. Änderung zur Gerichtsvollziehervergütungsverordnung abzuändern.

18

Der Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Er trägt vor: Die Leistungsklage sei unzulässig. Lediglich für die Normerlassklage sei das Ministerium zuständig. Gegen die Rechtsverordnung selbst sei nur die Normenkontrolle möglich. Die Jahresnachweisungen seien verbindliche Regelungen im Sinne eines Verwaltungsakts. Bisher liege kein Widerspruch gegen die Jahresnachweisung 2014 beim zuständigen OLG-Präsidenten vor. Der beim Ministerium vorsorglich erhobene Widerspruch sei ins Leere gegangen. Die Jahresnachweisungen seien wirksam, insbesondere sei die Bekanntgabe der Jahresnachweisung 2014 an den Kläger nach Mitteilung des Direktors des Amtsgerichts innerhalb einer Woche erfolgt. Hierüber könne Zeugenbeweis angeboten werden. Rein vorsorglich sei ihm die Jahresnachweisung 2014 erneut bekannt gegeben worden für den Fall, dass bisher keine wirksame Bekanntgabe erfolgt sei. Die vorläufige Festsetzung für das Jahr 2015 sei mittlerweile durch die endgültige Jahresnachweisung ersetzt worden, sodass erstere ihre Erledigung gefunden habe. Die vorläufigen Beträge für 2015 seien nämlich angerechnet worden als voll abgeliefert, weshalb die Klage insoweit unzulässig sei. Falle die 17. BKE-Änderungsverordnung als Rechtsgrundlage für die Bürokostenentschädigung weg, könne allenfalls ein Anspruch auf eine tatsächlich auskömmliche Entschädigung des Klägers aus Art. 33 Grundgesetz bestehen. Die vorangegangene 16. Änderungsverordnung gelte in diesem Fall nicht weiter. Die 17. BKE-Änderungsverordnung sei im Übrigen nicht rechtswidrig oder nichtig.

21

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

22

Die Klage ist in allen zur Entscheidung gestellten Anträgen unzulässig.

23

Für die Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 22. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2017, verbunden mit einem allgemeinen Leistungsantrag fehlt dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis. Denn durch die Aufhebung des Bescheides vom 22. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2017 kann der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die begehrte Wiederauskehrung bzw. Rückzahlung der von ihm an den Beklagten ausgekehrten Gebührenanteile erreichen.

24

Für die Gebührenanteile aus 2015 gilt das schon deshalb, weil dieses Kalenderjahr nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist, was aus beiden ausdrücklich hervorgeht. Soweit durch die Jahresnachweisung vom 12. Februar 2015 Gebührenanteile für das Jahr 2015 aufgrund vorläufiger Weitergeltung der 17. Änderungsverordnung festgesetzt wurden, kann es zudem kein Rechtsschutzinteresse des Klägers daran geben, über einen Rückzahlungsanspruch zu entscheiden, nachdem am 30. Mai 2017 die endgültige Festsetzung für das Jahr 2015 auf der Grundlage der 18. Änderungsverordnung erfolgt ist. Auch wenn mit der Nachweisung vom 31. Mai 2017 lediglich der Rest der für 2015 endgültig ermittelten Gebührenanteile festgesetzt wurde – und also die zuvor vorläufig festgesetzten Gebührenanteile als bereits gezahlt angerechnet wurden –, müsste eine Rückzahlung der vorläufig festgesetzten Beträge nämlich zwangsläufig zu einer entsprechenden Erhöhung der endgültigen Abrechnungsbeträge führen. Im Ergebnis kann sich mithin die Rechtsposition des Klägers durch einen solchen Ausspruch des Gerichts keinesfalls verbessern. Über die Rechtmäßigkeit der für 2015 insgesamt und endgültig festgesetzten Gebührenanteile wird indessen im Widerspruchsverfahren gegen die Jahresnachweisung für 2015 entschieden.

25

Aber auch für eine (Wieder)Auskehrung der Gebührenanteile 2014 bestünde aufgrund einer gerichtlichen Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom 22. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2017 keine Rechtsgrundlage. Dem steht nämlich die bestandskräftige Festsetzung der Gebührenanteile für 2014 gegenüber dem Kläger durch die Jahresnachweisung des zuständigen Direktors des Amtsgerichts vom 5. Oktober 2015 entgegen.

26

Diese erfüllt alle Tatbestandsmerkmale eines Verwaltungsakts gemäß § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i. V. m. § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG –. Sie stellt unzweifelhaft eine Entscheidung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen dar. In ihr werden nämlich für den Einzelfall des Klägers die nach öffentlich-rechtlichen Normen des Landesbesoldungsgesetzes, der BKE-VO in Gestalt der 17. Änderungsverordnung und dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis des Klägers an den Beklagten auszukehrenden Gebührenanteile für das Jahr 2014 mit verbindlicher Regelungswirkung nach außen festgesetzt. Der Bescheid ist durch Bekanntgabe gegenüber dem Kläger wirksam geworden, § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Eine förmliche Zustellung ist für die Qualifizierung einer Verfügung als Verwaltungsakt nicht notwendig. Der Bescheid ist auch nicht nach § 43 Abs. 3, § 44 VwVfG unwirksam, da die hierin normierten Nichtigkeitsgründe nicht vorliegen.

27

Insoweit rügt der Kläger, dass die Jahresnachweisung keine Rechtsmittelbelehrung enthalte, keine Rechtsgrundlage benenne und die Berechnung der Gebührenanteile nicht erläutere. Diese Bedenken treffen teilweise schon nicht zu – denn aus dem beigefügten Zahlenmaterial lässt sich die Berechnung des Gebührenanteils aus den eingenommenen Gebühren und damit eine Begründung jedenfalls im Ansatz entnehmen –, sie führen aber auch nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts. Eine Rechtsmittelbelehrung muss dem Verwaltungsakt nicht zwingend beigefügt sein, was sich schon aus § 58 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ergibt. Danach verlängert sich nämlich im Fall einer fehlenden Rechtsmittelbelehrung lediglich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr. Die übrigen Rügen des Klägers betreffen lediglich die Begründung des Verwaltungsakts. Die fehlende oder nicht ausreichende Begründung gehört nicht zu den Nichtigkeitsgründen des § 44 VwVfG. Sie stellt insbesondere keinen besonders schwerwiegenden, offenkundigen Fehler des Verwaltungsakts dar und kann dementsprechend gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG nachträglich gegeben werden.

28

Der Kläger hat gegen die Jahresnachweisung 2014 nicht rechtzeitig Widerspruch erhoben und es sind keine Gründe erkennbar, die eine Wiedereinsetzung in das Festsetzungsverfahren als möglich erscheinen ließen.

29

Der Kläger hat erstmals mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 20. Dezember 2016 an das Ministerium der Justiz „höchst vorsorglich“ Widerspruch gegen „die Rückforderungen für 2014 und 2015“ erhoben. Ob darin ein ausreichend bestimmter Widerspruch gegen die Jahresnachweisung des Direktors des Amtsgerichts vom 5. Oktober 2015 gesehen werden kann – die Jahresnachweisung wird nicht als solche und konkret nach Datum und erlassender Behörde benannt – kann letztlich offen bleiben. Wenn das Schreiben entsprechend zu verstehen war, konnte das Ministerium der Justiz sich wohl schwerlich darauf zurückziehen, der Widerspruch gehe „ins Leere“, weil er bei der falschen Behörde innerhalb der Justizverwaltung erhoben wurde. Unerachtet dessen hat der Kläger den Widerspruch aber erst nach Eintritt der Bestandskraft der Jahresnachweisung 2014 und damit verfristet erhoben.

30

Wie ausgeführt, wurde der Bescheid über die Festsetzung der Gebührenanteile für 2014 dem Kläger formlos und ohne Rechtsmittbelehrung bekannt gegeben, weshalb die Widerspruchsfrist sich gemäß § 58 Abs. 2 VwGO auf ein Jahr nach der Bekanntgabe verlängerte. Aufgrund der fehlenden Zustellung lässt sich zwar ein exaktes Bekanntgabedatum aus den Verwaltungsakten nicht nachvollziehen. Der Beklagte hat unwidersprochen unter Bezugnahme auf eine Bestätigung des Amtsgerichtsdirektors vorgetragen, dass die Jahresnachweisungen innerhalb einer Woche über das Gerichtsvollzieherpostfach zugeleitet wurden. Der Kläger hat nie bestritten, dass er die Nachweisung in der Weise tatsächlich erhalten hat. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der bereits am 5. Oktober 2015 unterzeichnete Bescheid des Direktors des Amtsgerichts dem Kläger erst nach dem 19. Dezember 2015 zugegangen sein sollte. Das hat dieser selbst nicht behauptet. Dem aktenkundigen Stempelaufdruck auf der Nachweisung ist zu entnehmen, dass sie am 16. Oktober 2015 bei der Landesjustizkasse eingegangen ist. Es spricht mithin alles dafür, dass sie spätestens zu diesem Zeitpunkt auch dem Kläger bekannt gegeben war. Eine vom Beklagten angebotene Beweisaufnahme durch Zeugeneinvernahme zu den Umständen und dem Zeitpunkt der Bekanntgabe bedarf es mithin nicht. Der Beklagte hat durch die rein „vorsorglich“ erfolgte erneute Bekanntgabe der Jahresnachweisung im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits auch keine neue Widerspruchsfrist in Gang gesetzt, denn er hat keinen Zweitbescheid erlassen, sondern lediglich die Bekanntgabe wiederholt für den Fall, dass eine ordnungsgemäße Bekanntgabe nicht vorlag, wovon indessen, wie dargelegt, nicht auszugehen ist.

31

Wiedereinsetzungsgründe in die versäumte Widerspruchsfrist sind nicht erkennbar. Insbesondere greift hier § 45 Abs. 3 VwVfG nicht ein. Danach gilt die Versäumung einer Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet, wenn einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung fehlt – was der Kläger hier geltend macht – und dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsakts versäumt worden ist. Dem Bescheid war indessen eine Darstellung der Gebühren und Gebührenanteile beigefügt, womit die Begründung nicht vollständig fehlte. Im Übrigen ist hier auch auszuschließen, dass der schon zum damaligen Zeitpunkt anwaltlich vertretene Kläger durch eine nicht ausreichende Begründung gehindert gewesen sein könnte, rechtzeitig Widerspruch gegen die Festsetzung zu erheben. Dies gilt umso mehr, als er gemäß § 54 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG – ein Widerspruchsverfahren in jedem Fall durchführen musste, d. h. auch dann, wenn er bzw. seine Bevollmächtigte die Rechtsqualität der Festsetzung als Verwaltungsakt bezweifelte.

32

Schließlich hat das Ministerium der Justiz nachfolgend mit dem Bescheid vom 22. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2017 auch keinen feststellenden Verwaltungsakt über die Festsetzung der Gebührenanteile des Klägers für das Jahr 2014 getroffen. Dafür bestand schon gar kein Anlass. Der Tenor des Bescheides lehnt auch eindeutig nur den Antrag auf Abänderung der 17. Änderungsverordnung vom 14. September 2015 (GVBl. Seite 256) und Rückzahlung abgelieferter Beträge ab. Das betrifft einen anderen Streitgegenstand als die Festsetzung der Gebührenanteile durch die Jahresnachweisung des Direktors des Amtsgerichts. Aus der Begründung des Bescheids vom 22. Februar 2017 und des Widerspruchsbescheids vom 18. April 2017 wird ebenfalls aus dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont hinreichend deutlich, dass lediglich über den – so verstandenen – Antrag des Klägers auf eine Normänderung der 17. Änderungsverordnung entschieden wurde. Da dieser Antrag vom Beklagten abgelehnt wurde, war auch die vom Kläger unter Berufung auf die Nichtigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der 17. Änderungsverordnung verlangte Rückzahlung abgelieferter Gebührenanteile abzulehnen, was dementsprechend vom Beklagten unter Bezugnahme auf die Ablieferungspflicht des Klägers gleichfalls abgelehnt wurde. Darin liegt keine feststellende Entscheidung des Ministeriums der Justiz über die Rechtmäßigkeit der Jahresnachweisung des Direktors des Amtsgerichts. Auch der letzte Satz der Begründung im Bescheid vom 22. Februar 2015 („Die endgültige Abrechnung 2014 ist sachlich und rechnerisch richtig“) kann nicht dahingehend verstanden werden, denn er stellt lediglich ein Begründungselement dar und nimmt an der Regelungswirkung des Bescheides nicht teil.

33

Aufgrund des beschriebenen Streitgegenstands des Bescheides vom 22. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2017 wäre im vorliegenden Klageverfahren allein ein Normänderungsbegehren des Klägers statthaft in Form einer Feststellungs- oder allgemeiner Leistungsklage (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2002 – 2 C 13/01 –, juris; OVG RP, Urteil vom 27. August 2007 – 2 A 364/07.OVG –). Darauf beziehen sich wohl schon der erste, jedenfalls aber der in der mündlichen Verhandlung formulierte zweite Hilfsantrag. Diese sind aber hier aufgrund der Umstände des Einzelfalls ebenfalls unzulässig.

34

Eine Unzulässigkeit des zweiten Hilfsantrags ergibt sich zwar nicht bereits unter dem Aspekt einer unzulässigen Klageänderung. Denn bei verständiger Würdigung des Klagebegehrens, des ersten Hilfsantrags und der Klagebegründung – und vor allem vor dem Hintergrund der angefochtenen Bescheide des Beklagten – war dieses Begehren von der am 19. Mai 2017 erhobenen Klage der Sache nach von vornherein erfasst, so dass der zweite Hilfsantrag lediglich der Klarstellung der Anträge diente.

35

Aber auch der Erfolg der Hilfsanträge scheitert am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis des Klägers. Denn er könnte aus einer Feststellung des Gerichts zur Rechtswidrigkeit der 17. Änderungsverordnung bzw. einer Verurteilung des Beklagten zur Vornahme einer Normänderung oder zur Neubescheidung des Änderungsantrags keinen rechtlichen Vorteil mehr erlangen. Eine Änderung der Rechtsverordnung könnte nämlich nachträglich nicht mehr zu einer Verminderung der von ihm für das Jahr 2014 abzuliefernden Gebührenanteile führen. Diese stehen durch die bestandskräftige Jahresnachweisung 2014 vom 5. Oktober 2015, wie oben ausgeführt, endgültig fest und es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte eine etwaige Normänderung zum Anlass nehmen müsste oder würde, die bestandskräftige Festsetzung wieder aufzuheben. Die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten dienen dem gewichtigen öffentlichen Interesse an Rechtssicherheit, in das aufgrund einer nachträglichen, nicht fristgebundenen Normänderungsklage eingegriffen würde. Dafür ist kein rechtfertigender Grund erkennbar. Dasselbe gilt für einen möglichen Antrag des Klägers auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG, der beim Direktor des Amtsgerichts zu stellen wäre. Auch damit würde nach einer nicht fristgebundenen Normänderungsklage in die für Verwaltungsakte geltenden Anfechtungsfristen und die damit gewährleistete Rechtssicherheit eingegriffen, wogegen schon § 51 Abs. 2 VwVfG spricht. Danach ist der Antrag nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen – hier die Rechtswidrigkeit der 17. Änderungsverordnung – durch Rechtsbehelf geltend zu machen. Der Kläger hatte neben dem rechtzeitigen Widerspruch und einer nachfolgenden Klage gegen die Jahresnachweisung 2014 zusätzlich die Möglichkeit, gemäß § 47 VwGO, § 4 Abs. 1 AGVwGO RP innerhalb eines Jahres eine Normenkontrolle gegen die Rechtsverordnung zu erheben. Damit standen für ihn zwei selbständige Wege zur Verfügung, die Rechtmäßigkeit der 17. Änderungsverordnung gerichtlich überprüfen zu lassen. Aus dem Gesichtspunkt eines effektiven Rechtsschutzes besteht nach alledem kein Bedürfnis, hier die Möglichkeit einer Normänderungsklage trotz bestandskräftiger Festsetzung der Gebührenanteile für 2014 zu eröffnen.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

37

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO.

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