Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (15. Kammer) - 15 A 122/12

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem gewährte BAföG-Leistungen in Höhe von 823,-- € zurückgefordert werden.

2

Mit Bescheid vom 29.11.2010 sind der Klägerin Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von 62,-- € monatlich für den Bewilligungszeitraum September 2010 bis Juli 2011 bewilligt worden. Mit weiterem Bescheid vom 28.02.2012 wurden für den Bewilligungszeitraum August 2011 bis Februar 2011 Leistungen in Höhe von 29,-- € monatlich bewilligt. Mit Bescheid vom 15.03.2002 wurden der Bewilligungsbescheid vom 29.11.2010 für den Bewilligungszeitraum Oktober 2010 bis Juli 2011 sowie der Bescheid vom 28.02.2012 vollständig aufgehoben. Gleichzeitig wurden überzahlte Beträge in Höhe von 620,-- € sowie 203,-- € zurückgefordert, wobei der Bescheid vom 15.03.2012 (Bl. 3) einen (nicht nachvollziehbaren) Rückforderungsbetrag von 869,-- € aufweist.

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Grund für die Neuberechnung und Rückforderung war, dass dem Beklagten zwischenzeitlich durch das Bundesamt für Finanzen bekanntgegeben worden war, dass die Klägerin im Jahre 2010 Freistellungsbeträge in Höhe von insgesamt 1.044,-- € in Anspruch genommen hatte, bei der BAföG-Antragstellung jedoch lediglich eigenes Vermögen in Höhe von 6.125,-- € angegeben worden war. Aus den zwischenzeitlich eingereichten Unterlagen ergab sich, dass die Klägerin über ihr im Antrag angegebenes Vermögen hinaus über ein weiteres Sparguthaben in Höhe von 17.523,36 € (Stand 17.11.2011) verfügte.

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Gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 15.03.2012 legte die Klägerin mit Schreiben vom 19.03.2012 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, beim zusätzlichen Vermögen handele es sich um ein Vermächtnis ihres verstorbenen Großvaters, über das sie laut Erbvertrag erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres am 06.04.2012 habe verfügen können. Eine Anrechnung als Vermögen zum BAföG-Antrag vom September 2010 sei deshalb nicht möglich.

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Im eingereichten Erbvertrag vom 15.12.1999 heißt es dazu zunächst, dass der Großvater der Klägerin seinen Sohn - den Vater der Klägerin - zu seinem Erben einsetzt. Darüber hinaus heißt es:

6

„...
Seiner Enkeltochter A., geb. am ... setzt er als Vermächtnis aus, das Sparguthaben bei der Volksbank ..., Konto-Nr. ... und Wachstumszertifikat Nr. ..., mit der Maßgabe, dass die Vermächtnisnehmer über die Einlagen auf den Sparkonten erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres verfügen dürfen.“

7

Den eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.2012 zurück. Im Widerspruchsbescheid wurde zunächst der Rückforderungsbetrag - zutreffend - mit 823,-- € benannt. Inhaltlich führte der Beklagte des Weiteren aus, beim angesprochenen Vermächtnis handele es sich um eine BAföG-rechtlich zu berücksichtigende Forderung der Klägerin gegen ihren Vater. Diese Forderung bestehe seit dem Erbfall im Jahre 2010. Auch wenn das Konto aufgrund der testamentarischen Verfügung bis zum 18. Geburtstag der Klägerin gesperrt gewesen sei, sei sie im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG-rechtlich nicht gehindert gewesen, diese Forderungen zu verwerten. Insoweit sei nicht ausschlaggebend, dass weder die Klägerin noch ihr Vater bis zum Eintritt der Volljährigkeit sich das Sparvermögen hätten auszahlen lassen können. Die Klägerin hätte jedoch zum Zeitpunkt der BAföG-Antragstellung mit Zustimmung ihrer Eltern die damals noch nicht realisierbare Forderung zur Sicherung eines Darlehens abtreten können. Mit einem solchen Darlehen hätte sie die notwendigen Kosten während der Ausbildung bestreiten können. Die Zustimmung durch den Vater hätte zur Sicherung des Lebensunterhaltes der Tochter erteilt werden müssen.

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Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unbilligen Härte lägen nicht vor, Vertrauensschutzgesichtspunkte seien nicht gegeben. Das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes wiege höher als das Interesse der Klägerin am Fortbestand der Bescheide.

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Gegen den am 18.05.2012 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 07.06.2012 die vorliegende Anfechtungsklage erhoben. Sie führt zur Begründung aus, dass Vermächtnis ihres am 26.01.2010 verstorbenen Großvaters hätte durch die Beklagte nicht als verwertbares Vermögen im Sinne von § 27 BAföG berücksichtigt werden dürfen. Der BAföG-Leistungszeitraum sei im Februar 2012 zu Ende gegangen, sie habe ihr 18. Lebensjahr jedoch erst am 06.04.2012 vollendet. Damit habe sie bis zum Ende des Bewilligungszeitraumes insoweit nicht über verfügbare Vermögenssituationen verfügt, die sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes hätte einsetzen können. Bedingung des Vermächtnisses sei gewesen, dass erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres darüber hätte verfügt werden können. Bis zu diesem Zeitpunkt sei das Vermächtnis also noch gar nicht angefallen und hätte auch nicht dazu verwertet werden können, durch Abtretung ein Darlehen zu erhalten. Vielmehr sei die Ausnahmeregelung von § 2177 BGB als erfüllt anzusehen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Bescheide vom 15.03.2012 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2012 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er verweist zur Begründung auf seinen Verwaltungsvorgang. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges Bezug genommen.

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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

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Die Klage ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

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Der angefochtene Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 15.03.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

19

Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass nach dem Inhalt des Widerspruchsbescheides (nur noch) ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 823,-- € im Streit steht. Der im Ausgangsbescheid ursprünglich genannte Rückforderungsbetrag von 869,-- € ist nicht nachvollziehbar. Es handelt sich um einen offensichtlichen Schreib-/Rechenfehler.

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Die Rückforderung von 823,-- € überzahlter BAföG-Leistungen ist nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der - vorliegend allein streitigen - Frage der Einbeziehung des Vermächtnisses des Großvaters der Klägerin als Vermögen im Sinne von § 27 BAföG. Das Gericht folgt deshalb zunächst der Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides und sieht insoweit gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

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Ergänzend ist hinzuzufügen, dass sich auch nach Durchführung des gerichtlichen Verfahrens kein anderes Bild ergibt.

22

Beim Vermächtnis ihres Großvaters handelte es sich - auch schon bei Stellung des BAföG-Antrages - um verwertbares Vermögen im Sinne von § 27 Abs. 1 BAföG.

23

Zwar konnte zu diesem Zeitpunkt weder die Klägerin selbst noch ihre Erziehungsberechtigten oder ihr Vater als Erbe des am 26.01.2010 verstorbenen Großvaters direkt über die Konten bzw. das Guthaben verfügen, dies steht jedoch einer (indirekten) Verwertung durch ihre Erziehungsberechtigten zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes nicht im Wege.

24

Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass entgegen der Auffassung der Klägerin der Ausnahmefall des § 2177 BGB vorliegend nicht gegeben ist. Nach dieser Norm erfolgt, wenn das Vermächtnis unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins angeordnet ist und die Bedingung oder der Termin erst nach dem Erbfall eintritt, der Anfall des Vermächtnisses mit dem Eintritt der Bedingung oder des Termins und nicht - wie im Regelfall des § 2176 BGB mit dem Erbfall. Eine derartige Bedingung oder Befristung ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Bereits dem Erbvertrag ist zu entnehmen, dass lediglich eine Verfügungsbeschränkung gewollt war, nicht aber der Anfall des Vermächtnisses auf die Vollendung des 18. Lebensjahres der Klägerin verschoben werden sollte. Die Anordnung, dass ein Vermächtnisnehmer das Vermächtnis erst nach Erreichung eines bestimmten Lebensalters erhalten solle - ein sog. betagtes Vermächtnis - steht nicht der Annahme entgegen, dass das Vermächtnis bereits mit dem Erbfall angefallen ist (vgl. Münchener Kommentar - Skibbe , § 2176, Rd. 5, Soergel - Wolf, BGB, § 2177, Rd. 6, jeweils mit Hinweis auf reichsgerichtliche Rechtsprechung aus dem Jahre 1913; vgl. auch Palandt, BGB, § 2177, Rd. 4).

25

Allerdings ergibt sich selbst dann, wenn man mit der Klägerin den Anfall des Vermächtnisses erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres annehmen will, kein anderes Ergebnis. Gemäß § 2179 BGB besitzt nämlich der Bedachte während der Schwebezeit zwischen den Erbfall und dem Anfall des Vermächtnisses bereits eine rechtlich geschützte Anwartschaft, die wirtschaftlich verwertet werden kann (vgl. Münchener Kommentar - Skibbe , § 2179, Rd. 7, Palandt, BGB, § 2177, Rd. 4).

26

Insoweit hätte die Klägerin in diesem Fall durch ihre Erziehungsberechtigten die Möglichkeit gehabt, zwar nicht das Vermächtnis selbst, jedoch die bereits vorhandene Anwartschaft wirtschaftlich für die Bestreitung ihres Lebensunterhaltes einzusetzen. Auch insoweit hätte dieser Wert demnach im Sinne von § 27 Abs. 1 BAföG eingesetzt werden müssen.

27

Nach alledem hat der Beklagte die vorherige Bewilligungsbescheide zu Recht aufgehoben und einen überzahlten Betrag in Höhe von 823,-- € zu Recht zurückgefordert.

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Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.

29

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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