Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (3. Kammer) - 3 A 14/17

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Rettungsdienstvertrag vom 15.10.2003 / 15.01.2004 über den 31.12.2018 hinaus fortbesteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger und der Beklagte tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst sowie jeweils die Hälfte der Gerichtskosten.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger erbringt aufgrund eines Übertragungsvertrages Rettungsdienstleistungen für den Beklagten, den Träger des öffentlichen Rettungsdienstes im Kreis Segeberg, möchte dies auch in der Zukunft tun und wendet sich deshalb gegen eine vom Beklagten verfolgte Neuordnung des Rettungsdienstes im Kreis Segeberg.

2

Der öffentliche Rettungsdienst im Kreis Segeberg (Notfallrettung und Krankentransport) hat sich seit dem Jahre 1981 wie folgt entwickelt:

3

Durch einen Vertrag vom 15.01.1981, der einen Vertrag aus dem Jahre 1967 ersetzt, übertrug der Beklagte dem N. die Durchführung des Rettungsdienstes für das gesamte Gebiet, mit Ausnahme der Bereiche, für die andere Kreise aufgrund öffentlich-rechtlicher Verträge die Aufgabe wahrnahmen. Es gab damals zwei Rettungsleitstellen: eine Rettungsleitstelle befand sich in A-Stadt für das Stadtgebiet und eine weitere Rettungsleitstelle befand sich in I-Stadt für das übrige Kreisgebiet. Der Kläger (A) war im Bereich der Stadt Norderstedt außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes für Rettungsdienstleistungen zugelassen.

4

Im Januar 2004 kam es im Kreis Segeberg zu einer Neuordnung des Rettungsdienstes:

5

- Mit einem Vertrag vom 15.01.2004 wurde der A mit der Durchführung des Rettungsdienstes im Bereich der Stadt Norderstedt beauftragt (nunmehr also in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe statt als private Tätigkeit in Konkurrenz zum öffentlichen Träger),

6

- mit einem weiteren Vertrag vom 15.01.2004 wurde der I.-Kreisverband erneut mit der Erbringung von Rettungsdienstleistungen beauftragt, allerdings wurde das Gebiet der Stadt Norderstedt wegen der vorgenannten Beauftragung des A ausgenommen,

7

- mit einem weiteren Vertrag vom 15.01.2004 (Vertragspartner: Kreis, I., A und Stadt Norderstedt) wurde mit der Stadt Norderstedt vereinbart, dass sie eine Rettungsleitstelle für das gesamte Kreisgebiet betreibt. Die Abrechnung gegenüber den Kostenträgern erfolge auf der Grundlage von Kosten-Leistungsnachweisen direkt durch das I. und den A. Die Stadt Norderstedt erhält danach für den Betrieb der Leitstelle Ausgleichszahlungen vom I. und vom A.

8

Das Rechnungsprüfungsamt bemängelte diese Lösung immer wieder mit der Begründung, im Grunde sei die ganze Aufgabe aus der Hand gegeben und es handele sich um ein nach dem Rettungsdienstgesetz Schleswig-Holstein (RDG) unzulässiges Konzessionsmodell.

9

Der Kreistag des Kreises Segeberg beschloss am 04.10.2007 eine Beendigung der bisherigen Lösung. Mit zwei Schreiben vom 16.11.2007 kündigte der Beklagte die Verträge mit dem A und dem I. zum 14.01.2009.

10

Am 30.04.2008 kam es beim I.-Kreisverband zu einem Spaltungs- und Übernahmevertrag, wonach der Bereich Rettungsdienst vom I.-Kreisverband auf eine gGmbH - die Beigeladene zu 2. - ausgegliedert wurde. Dies wurde im Handelsregister eingetragen.

11

Es kam danach zu folgenden Vereinbarungen:

12

- Vereinbarung vom 23.06.2008 zwischen dem A, dem Beklagten, dem I.-Kreisverband und der Stadt Norderstedt zur Regelung der Rettungsdienstleistungen in der Übergangszeit und mit dem Ziel eines Verzichts auf Rechte aus der Kündigung.

13

- Vereinbarung vom 28.11.2008 zwischen dem Kreis, dem A und dem I.-Kreisverband sowie der Stadt Norderstedt, wonach die Rechtsfolgenwirkung der Kündigung vom 16.11.2007 erst zum 31.12.2011 eintreten soll.

14

- Vereinbarung aus Oktober 2009 zwischen dem Kreis Segeberg, der Stadt Norderstedt, der I.-Rettungsdienst Segeberg gGmbH und dem A, mit der diese Parteien vereinbarten, dass die Rechtsfolgenwirkung der vom Kreis am 16.11.2007 ausgesprochenen Kündigung vorerst nicht am 31.12.2011 eintreten würden. In dieser Vereinbarung findet sich folgende Regelung:

15

„2. Die Rechtsfolgenwirkung der Kündigung gemäß Abs. 1 kann von jeder der Vertragsparteien mit einer Frist von zwei Jahren zu einem Jahresende erneut ausgelöst werden. Dies ist schriftlich gegenüber den anderen Vertragsparteien zu erklären und kann erstmalig bis zum 31.12.2009 – mit Wirkung zum 31.12.2011 – erfolgen.“

16

Inzwischen wird vom Beklagten angestrebt, die bisherige Lösung zu beenden und die Rettungsdienstaufgabe wie vier andere Kreise auch von der RFirma durchführen zu lassen. Dies ist eine Gesellschaft, deren Gesellschafter die Kreise Dithmarschen, Rendsburg-Eckernförde, Pinneberg und Steinburg sind, und die den Rettungsdienst für diese Kreise ausführt. Der Beklagte sieht darin eine inhouse-Vergabe, die keiner Ausschreibung bedarf.

17

Hierzu gibt es eine Beschlussvorlage der Kreisverwaltung vom 03.11.2016 (DrS-2016/244) mit folgendem wesentlichen Inhalt:

18

- Es werde empfohlen, die Rechtsfolgenwirkung der Kündigungen vom 16.11.2007 fristgerecht zum 31.12.2018 auszulösen und die Verwaltung zu beauftragen, Verhandlungen zum Beitritt zur R aufzunehmen.

19

- Das Rechnungs- und Prüfungsamt habe in den Berichten für 2010 und 2011 die Übertragung der Finanzverantwortung, die einem Konzessionsmodell entspreche und nicht beibehalten werden könne, beanstandet.

20

- Der Beitritt zur R sei bei Betrachtung mehrerer möglicher Optionen die beste Lösung, zumal damit ein Vorteil der Professionalisierung sowie eine starke Verhandlungsposition gegenüber den Krankenkassen verbunden sei.

21

- Nach dem Beitritt zur R könne die Vergabe als in-House-Geschäft nach § 108 Abs. 4 GWB geschehen. Allerdings sehe § 4 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages der R vor, dass private Kapitalbeteiligungen möglich seien; es sollte eine Änderung des Vertrages vor der Vergabe geprüft werden.

22

Der Kläger trat der Absicht des Beklagten mit Schreiben vom 06.12.2016 entgegen. Er führte aus, dass das neue Konzept aus mehreren Gründen rechtswidrig sei und bewarb sich für den Fall der Kündigung um einen Folgeauftrag.

23

Der Kreistag des Kreises Segeberg beschloss am 08.12.2016 die Rechtsfolgenwirkung der Kündigungen fristgerecht zum 31.12.2018 auszulösen und Verhandlungen zum Beitritt mit der R aufzunehmen.

24

Daraufhin erklärte der Beklagtenvertreter mit drei Anwaltsschreiben vom 21.12.2016 gegenüber dem A und dem I. die Rechtsfolgenwirkung der Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt – nach seiner Berechnung zum 31.12.2018 – werde ausgelöst. Beigefügt war diesem Schreiben jeweils eine vom Landrat unterschriebene Vollmacht zum Thema „Rettungsdienst“. Die Stadt Norderstedt erhielt keine solche Erklärung; sie wurde von einem Beklagtenmitarbeiter mit gesondertem Schreiben vom 23.12.2016 über den vorstehenden Sachverhalt informiert.

25

Am 12.01.2017 hat der Kläger Klage erhoben.

26

Der Kläger trägt vor:

27

Die „Kündigung“ des bestehenden Vertrages zwischen dem Kläger und dem Beklagten sei unwirksam und eine entsprechende Feststellung könne mit einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO beansprucht werden. Die Kündigung vom 21.12.2016 sei bereits deshalb unwirksam, weil die Formerfordernisse des § 174 BGB nicht erfüllt seien und sie deshalb wirksam zurückgewiesen worden sei. Die der Kündigung beigefügte Vollmacht habe sich nur allgemein auf den „Rettungsdienst“ bezogen und sei damit zu unbestimmt.

28

Im Übrigen sei die Kündigungsmöglichkeit wegen der zwischenzeitlichen Entwicklung verwirkt und das Kündigungsschreiben decke sich auch nicht mit dem Kreistagsbeschluss.

29

Außerdem hätte die Kündigung auch gegenüber der Stadt Norderstedt erklärt werden müssen, da die Stadt Norderstedt Partei des mehrseitigen Vertrages sei. Die in Rede stehenden Verträge würden wechselseitig Bezug aufeinander nehmen, daher könnten sie auch nur einheitlich gekündigt werden.

30

Die zusätzlich gestellten Unterlassungsanträge seien als Konkurrentenklagen zulässig, denn das besondere Rechtsschutzinteresse für vorbeugenden Rechtsschutz liege vor. Ein Beitritt des Beklagten zur R stehe unmittelbar bevor und dem Kläger drohten wegen der Beeinträchtigung ihrer Teilnahme am Wettbewerb irreparable Nachteile. Seine Grundrechte aus Art. 12 GG und Art 3 GG würden verletzt, es gehe um seine Existenz. Die beteiligten Kreistage hätten bereits entsprechende Beschlüsse gefasst, so z. B. der Kreis Segeberg mit Kreistagsbeschluss vom 07.06.2017. Zugleich sei eine Änderung des Gesellschaftsvertrages der R in Arbeit, wonach die Beteiligungsmöglichkeit Privater entfallen solle.

31

Die Unterlassungsklagen seien auch begründet, denn der Kläger habe einen Anspruch darauf, dass ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren eingehalten werde, dass der Beklagte der R nicht als Gesellschafter beitrete und dass die R nicht mit dem Rettungsdienst im Kreis Segeberg betraut werde, ohne dass es zuvor ein Vergabeverfahren gegeben habe.

32

Diese Ansprüche folgten aus dem Grundrecht des Art. 12 GG (Wettbewerbsfreiheit als Teil der Berufsausübung) und ergäben sich aus den drittschützenden Vorschriften des Rettungsdienstgesetzes, des Kommunalwirtschaftsrechts, des Vergaberechts und des Beihilferechts.

33

Die Direktvergabe an die R sei nach dem Rettungsdienstgesetz Schleswig-Holstein nicht zulässig und verstoße zudem gegen drittschützende Vorschriften des Kommunalwirtschaftsrechts. Mit den Vorgaben der §§ 101, 102 Abs. 1 Gemeindeordnung iVm § 57 Kreisordnung lasse sich das beabsichtigte Vorgehen nicht vereinbaren. Der Rettungsdienst könne privat wirtschaftlicher erfüllt werden, die Beauftragung des R werde zur Verschwendung öffentlicher Mittel führen. Daher liege ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 102 Abs. 1, § 101 Abs. 1 Nr. 3 Gemeindeordnung vor. Hierzu verweist der Kläger auf einschlägige Rechtsprechung und Literatur (u.a. OVG Münster, Beschluss vom 13.08.2003, NVwZ 2003, 1520; Hohling, NVwZ 2009, 226; Brüning NVwZ 2015, 689).

34

Dass sich der Beklagte wegen des Verzichts auf eine Wirtschaftlichkeitsanalyse letztlich für eine unwirtschaftliche Lösung entschieden habe, zeige auch ein Gutachten der Kanzlei B. für den Landkreis Potsdam Mittelmark; auf die hierzu vom Kläger vorgelegte Unterlage wird Bezug genommen.

35

Da die R den Rettungsdienst in mehreren Kreisen ausführe, würde ein Beitritt des Beklagten zum R zu einer unzulässigen Betätigung außerhalb des Kreisgebiets führen. Es bestehe dabei das Problem, dass bevölkerungsstarke Kreise die schwachen finanzieren würden, denn die Beteiligung der Gesellschafter sei gleich bei höchst unterschiedlichen Einwohnerzahlen der beteiligten Kreise. Dabei ergebe sich kein angemessenes Verhältnis zur eigenen Leistungsfähigkeit und Größe des Beklagten.

36

Die beabsichtigte Neuorganisation ohne Ausschreibung und ohne Wirtschaftlichkeitsprüfung verstoße auch gegen das Erfordernis eines Vergabeverfahrens nach § 97 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Das Vergaberecht sei auch bei Rettungsdienstleistungen anzuwenden, zumal die EU-Schwellenwerte hier überschritten seien und es in der Rechtsprechung insbesondere des EuGH anerkannt sei, dass das Vergaberecht grundsätzlich auch von öffentlichen Einrichtungen zu beachten sei (EuGH, Urteil vom 18.12.2014, C-568/13). Dementsprechend schreibe auch § 5 Abs. 2 RDG bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen an Dritte ein Vergabeverfahren im Rettungsdienstbereich vor. Es sei auch keine Ausnahme von den vergaberechtlichen Vorschriften unter dem Gesichtspunkt einer öffentlichen Zusammenarbeit nach § 108 GWB anzuerkennen. Die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 108 Abs. 4 GWB würden nicht vorliegen, da der Gesellschaftsvertrag der R die Beteiligung Privater erlaube, so dass hier eine Privatisierung durch die Hintertür möglich sei. Ohne Änderung des Gesellschaftsvertrages sei eine Beteiligung des Beklagten an der R daher rechtswidrig.

37

Darüber hinaus würde die beabsichtigte Direktvergabe ohne Ausschreibung als rechtswidrige Beihilfe nach Art. 107, 108 Abs. 3 Satz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu bewerten sein. Das unionsrechtliche Beihilferecht gehe als Primärrecht dem sekundärrechtlichen Vergaberecht vor, so dass ein Rechtsverstoß hier selbst dann anzunehmen sei, wenn die Voraussetzungen des Vergaberechts erfüllt wären. Beihilferechtlich sei der Rettungsdienst nicht privilegiert. Der entsprechende Freistellungsbeschluss der Kommission zu Art. 106 Abs. 2 AEUV (Amtsbl. 2012 L 7, 3) erfasse den Rettungsdienst nicht. Der Beklagte müsse beihilferechtlich zumindest die Europäische Kommission unterrichten nach Art. 108 Abs. 3 AEUV und vor einer solchen Modifizierung sei eine Vergabe nicht zulässig. Die engen Grenzen für ein Absehen von einer Ausschreibung ergäben sich in diesem Zusammenhang insbesondere aus der Altmark Trans Entscheidung des EuGH (EuGH, Entscheidung vom 24.07.2003, Rs. C-280/90).

38

Da sich der Beklagte ohne hinreichenden Grund für eine unwirtschaftliche Lösung entschieden habe und keine Ausschreibung vornehmen wolle, werde im Übrigen gegen gemeinschaftliche Grundfreiheiten verstoßen (Transparenz und Chancengleichheit, Diskriminierungsverbots und Niederlassungsfreiheit). Damit verbunden sei eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung und damit unlauterer Wettbewerb. Es handele sich um eine ungerechtfertigte Bevorzugung des R und damit einen erheblichen Verstoß gegen das Willkürverbot und den Gleichbehandlungsgrundsatz. Ein einmal eröffneter Wettbewerb dürfe später nicht wieder eingeschränkt werden, wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebe (BVerfG, Beschluss vom 08.06.2010, 1 BvR 2011/07 Rn. 100).

39

Ein Übertragungsvertrag auf den R würde nach § 125 LVwG unwirksam sein, da der Kläger einer solchen Vertragsübertragung nicht zugestimmt habe.

40

Ferner führe das Vorgehen des Beklagten zu einem Verstoß gegen Art. 33 Abs. 4 GG, verletze Art. 51 Abs. 1 der Grundrechtscharta und subjektive Ansprüche des Klägers aus der Dienstleistungsrichtlinie.

41

Der Kläger beantragt:

42

1. Es wird festgestellt, dass der Rettungsdienstvertrag vom 15.01.2003 / 15.01.2004 über den 31.12.2018 hinaus fortbesteht.

43

2. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Rettungsdienstleistungen oberhalb der Schwellenwerte ohne ein gemeinschaftskonformes Verfahren an Dritte zu vergeben.

44

3. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, der RFirma als Gesellschafter beizutreten.

45

4. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die RFirma mit dem Rettungsdienst für den Kreis Segeberg zu betrauen, insbesondere einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Erbringung von Rettungsdienstleistungen mit der r ohne ein vorheriges gemeinschaftskonformes Vergabeverfahren abzuschließen.

46

5. Die Beklagte wird verurteilt, über den Antrag des Klägers auf Beteiligung am Rettungsdienst im Landkreis ermessensfehlerfrei zu entscheiden.

47

Der Beklagte beantragt,

48

die Klage abzuweisen.

49

Der Beklagte trägt vor:

50

Der Klageantrag zu 1. könne keinen Erfolg haben. Es sei zunächst festzuhalten, dass die Erklärung vom 21.12.2016 keine Kündigung gewesen sei, denn diese sei im Jahre 2007 bereits erklärt worden. Es habe sich nur um die Ausübung des Rechts zur einseitigen Bestimmung des Zeitpunkts des Eintritts der Rechtsfolgenwirkung der Kündigung gehandelt. Diese Erklärung habe nicht nach § 174 BGB zurückgewiesen werden können, da eine Vollmachtsurkunde vorgelegt worden sei, die inhaltlich auch hinreichend bestimmt gewesen sei.

51

Auch die übrigen Einwände gegen die Wirksamkeit dieser Erklärung seien unbegründet. Insbesondere sei es nicht erforderlich gewesen, eine Erklärung über die Auslösung der Rechtsfolgenwirkung der Kündigung auch gegenüber der Stadt Norderstedt zu erklären. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass ursprünglich zwei Verträge über die Durchführung des Rettungsdienstes geschlossen worden seien, an denen die Stadt Norderstedt nicht beteiligt gewesen sei. Die Stadt Norderstedt sei nicht Vertragspartnerin der Verträge zur Durchführung des Rettungsdienstes geworden. Die Vereinbarung aus Oktober 2009 könne vor diesem Hintergrund nur so verstanden werden, dass die Rechtsfolgenwirkung der Kündigung nur gegenüber den Vertragsparteien der bilateralen Verträge hätten erklärt werden müssen. Dafür spreche auch, dass in der Vereinbarung aus 2009 geregelt worden sei, dass die Verträge vom 15.01.2004 mit gleicher Maßgabe fortgeführt würden. Ferner würden in der Vereinbarung aus Oktober 2009 die Vertragspartner jener Vereinbarung als „die vorgenannten Parteien“ bezeichnet, während im Zusammenhang mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses von den „Vertragsparteien“ gesprochen werde. Daher wäre es nicht sinnvoll gewesen, gegenüber der Stadt Norderstedt eine entsprechende Willenserklärung abzugeben. Abgesehen davon reiche die schriftliche Mitteilung vom 23.12.2016 an die Stadt Norderstedt aus, die Rechtsfolgenwirkung der Kündigung auszulösen.

52

Die auf Unterlassung gerichteten Klageanträge seien bereits unzulässig, da das besondere Rechtsschutzbedürfnis für einen präventiven Rechtsschutz hier nicht anzunehmen sei. Der Beklagte sei der R bisher nicht beigetreten und eine Direktvergabe stehe nicht unmittelbar bevor. Ein Beitritt zur R wäre für sich genommen auch nicht geeignet, Rechte des Klägers zu verletzen.

53

Im Übrigen sei die Klage unbegründet.

54

Das vom Beklagten verfolgte Konzept sei rechtmäßig.

55

Ein Verstoß gegen Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts insbesondere gegen § 102 Gemeindeordnung iVm § 57 Kreisordnung sei nicht ersichtlich. Die Behauptung, die Erfüllung der Aufgaben als Träger des Rettungsdienstes habe bisher zu einem günstigeren Preis erfolgen können, als dieser von der R angeboten werden könne, sei zurückzuweisen. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Durchführung von Leistungen des Rettungsdienstes um eine dauernde Tätigkeit handele und nach den Bestimmungen des Rettungsdienstgesetzes die gesetzlichen Krankenkassen und ihre Verbände unter Einbezug des Verbandes der privaten Krankenversicherung gemeinsam mit den Trägern des Rettungsdienstes fortlaufend verpflichtet seien, die Wirtschaftlichkeit des Rettungsdienstes zu überprüfen.

56

Die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 Gemeindeordnung seien erfüllt und die Kommunalaufsicht habe das Vorgehen auch entsprechend nicht beanstandet. Die gesetzliche Bestimmung sage ganz klar, dass eine Gründung oder Beteiligung an einer Gesellschaft möglich sei, wenn ein wichtiges öffentliches Interesse gegeben sei und die Aufgabe dauerhaft mindestens ebenso gut und wirtschaftlich wie in der Organisationsform des öffentlichen Rechts erfüllt werde. Die Erbringung von derartigen Leistungen durch eine Gesellschaft sei in wirtschaftlicher Hinsicht als ebenso gut anzusehen, wenn sich dies im Verhältnis zu einer Organisationsform des öffentlichen Rechts als vergleichbar wirtschaftlich darstelle. Da die Kosten des Rettungsdienstes durch mit den Krankenkassen / Verbänden zu vereinbarende Entgelte im Rettungsdienst gegenfinanziert würden und im Rahmen dieser Verhandlungen auf eine wirtschaftliche Erbringung der Leistungen zu achten sei, sei die Erbringung der Leistungen durch die R für den Beklagten nicht unwirtschaftlicher als die Erbringung durch den Beklagten selbst, aber auch nicht unwirtschaftlicher die Erbringung der Leistungen durch den Kläger und das I..

57

Der Beitritt zu einer Gesellschaft, die sich auch außerhalb des Kreisgebietes betätige, sei nicht verboten, zumal ein Bezug zu Aufgaben im Kreisgebiet bestehe. Gemäß § 101 Abs. 2 Satz 1 Gemeindeordnung sei eine solche Betätigung außerhalb des Kreisgebietes zulässig.

58

Das Vergaberecht nach dem GWB sei nach § 108 Abs. 4 GWB hier unanwendbar, da es um eine öffentlich-öffentliche Kooperation gehe. Auch der Gesichtspunkt einer privaten Kapitalbeteiligung stehe dem nicht entgegen, denn der bisherige Gesellschaftsvertrag der R habe dies zwar nicht ausgeschlossen, es habe eine solche Beteiligung aber bisher nicht gegeben. Im Übrigen stehe eine Änderung des Gesellschaftsvertrages dahingehend bevor, dass nach § 4 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages Gesellschafter nur Kreise und kreisfreie Städte sein könnten.

59

Eine Verletzung der Vorschriften des Beihilferechts sei nicht ersichtlich, weil die beabsichtigte Neukonzeption des Rettungsdienstes im Kreis Segeberg nicht mit einer Beihilfe im Sinne des Unionsrechts verbunden sei. Es sei auch kein Verstoß gegen gemeinschaftliche Grundfreiheiten ersichtlich, insbesondere sei nicht nachvollziehbar, warum hier ein grenzüberschreitendes Interesse vorliegen sollte.

60

Auch dem Vorbringen des Klägers zu Verstößen gegen Art. 33 Abs. 4 GG, zu Art. 51 der Grundrechtscharta und der Dienstleistungsrichtlinie könne nicht gefolgt werden.

61

Auch der Antrag zu 5. bzgl. einer ermessensfehlerfreien Entscheidung über den Antrag auf Beteiligung am Rettungsdienst könne keinen Erfolg haben, denn das Begehren sei auf der 1. Stufe der Organisationsentscheidung des Beklagten erwogen und abgelehnt worden.

62

Die Beigeladene zu 2. und der Beigeladene zu 4. tragen vor:

63

Die Klage sei zulässig und begründet.

64

Die Rechtsfolgenwirkung der bereits ausgesprochenen Kündigung sei vom Beklagten mit den Erklärungen vom 21.12.2016 nicht wirksam ausgelöst worden, weil gegenüber der Stadt Norderstedt keine entsprechende Erklärung abgegeben worden sei, obwohl auch sie Vertragspartnerin gewesen sei. Sie habe nur eine Information (Wissenserklärung) erhalten. Die Vereinbarung aus Oktober 2009 sei eine Kompromisslösung gewesen, denn es sei die Rechtmäßigkeit des Ausspruchs der Kündigungen im Jahre 2007 durch Vereinbarung zwischen allen Vertragsparteien außer Streit gestellt worden, was aber nur bei einer Gesamtwirkung gelte. Im Übrigen sei das Recht, die Rechtsfolgenwirkungen auslösen zu können, aufgrund der zwischenzeitlichen Entwicklung verwirkt. Die Willenserklärung vom 21.12.2016 sei auch unwirksam, weil sie aus rechtlich zu missbilligenden Gründen abgegeben worden sei. Für den Beklagten würden die Grundsätze des Vorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes gelten, so dass es für ihn verboten sei, öffentlich-rechtliche Verträge aus rechtlich zu missbilligenden Gründen zu kündigen. Daher sei hierzu zu berücksichtigen, dass die Beteiligung an der R erfolge, um die in § 5 RDG vorgesehene Einhaltung des Vergaberechts zu umgehen. Die R sei Dritter iSv § 5 RDG, solange keine inhouse-Vergabe stattfinde. Die R sei bei einer inhouse-Vergabe jedoch wiederum nicht ein Dritter iSv § 5 RDG. Die Durchführung des Rettungsdienstes über eine Tochtergesellschaft sei im RDG gerade nicht vorgesehen und daher unzulässig.

65

Im Übrigen wäre eine inhouse-Beauftragung nach der derzeit noch gültigen „Satzung“ der R nicht zulässig, da danach die Beteiligung privater Dritter möglich sei. Ob die Satzung der R tatsächlich entsprechend dem inzwischen vorliegenden Entwurf geändert werde, könne dahinstehen, weil es für die Beurteilung der Frage, ob die Erklärung zur Herbeiwirkung der Rechtsfolgenwirkung der Kündigung wegen einer rechtswidrigen Zweckverfolgung rechtlich missbilligt werde, allein auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Abgabe der Erklärung ankomme. Dies sei der 08.12.2016 und sei durch eine spätere Satzungsänderung nicht heilbar. Aber auch dies könne dahinsehen, da der Satzungsentwurf gravierende Mängel ausweise, die einem inhouse-Auftrag entgegenstehen würden. Ein inhouse-Auftrag setze voraus, dass an der Gesellschaft nur öffentliche Auftraggeber beteiligt seien (§ 108 Abs. 5 GWB). Die Gesellschaft müsse durch die öffentlichen Auftraggeber beherrscht werden. Zu den öffentlichen „Auftraggebern“ gehörten allerdings nicht solche juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die der R keine Aufträge erteilten. Es fehle dann an der Eigenschaft „Auftraggeber“. Rechtlich stünden juristische Personen des öffentlichen Rechts, die keine Auftraggeber der R seien, einem privaten Dritten gleich. Die Satzung der R sehe aber eine Gesellschafterstellung von Kreisen und kreisfreien Städten vor, auch wenn in den betroffenen Gebieten die R nicht mit der Durchführung des Rettungsdienstes beauftragt worden sei oder ein entsprechender Auftrag ende. Für den Fall der Beendigung eines Durchführungsvertrages sehe die Satzung kein Recht zur Einziehung des Geschäftsanteils vor. Betroffene Kreise blieben also Gesellschafter der R, es sei denn, sie kündigten in ihre Gesellschafterstellung, wonach sie nach der Satzung gerade nicht verpflichtet seien.

66

Nach wie vor würden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst. Der Beklagte könne also bei Beschlussfassungen über Maßnahmen iSd § 4 Abs. 2 Satz 1 des Satzungsentwurfs überstimmt werden. Er müsse in diesem Fall finanzielle Mittel im erforderlichen Umfang zur Verfügung stellen, gegen deren Verwendung er sich ausdrücklich ausgesprochen und gesperrt habe. Zusätzlich bestehe eine Nachschusspflicht. Gerade im Hinblick auf diese Regelungen sei erkennbar, dass der Hinweis des Klägers auf einen Verstoß gegen § 102 GO SH vollkommen zutreffend sei. Ein wichtiges Interesse zu der Begründung einer Beteiligung an der R sei nicht ersichtlich und im Übrigen auch nicht iSd § 102 Abs. 2 Satz 1 GO und vermutlich auch nicht im Rahmen des § 108 Abs. 1 Nr. 2 GO dargestellt. Ein wichtiges Interesse bestehe insbesondere nicht in der Umgehung des Vergaberechts. Als Gesellschafter einer GmbH könne der Beklagte gezwungen werden, in dem Kreisgebiet Segeberg in der Gesellschafterversammlung der R beschlossene Vorgaben zur Durchführung des Rettungsdienstes umzusetzen, auch wenn diese Entscheidungen üblicherweise in die Kompetenz des Beklagten als Träger des Rettungsdienstes fallen würden. Er könne damit kraft Gesellschafterstellung die Herrschaftsgewalt und damit auch die Aufgabenverantwortung als Träger des Rettungsdienstes im Kreisgebiet verlieren. Beihilferechtlich sei außerdem zu berücksichtigen, dass der Beklagte nicht nur einen derzeit privaten Wettbewerber des Klägers mit zusätzlichen finanziellen Mitteln iHv 25.000,-- € zzgl. der Nachschusspflichten ausstatte, er wolle der R zudem nach eigenen Bekunden unter Ausnutzung seiner Stellung als Träger des öffentlichen Rettungsdienstes zu Buchwerten das rettungsdienstbezogene Vermögen des I. Segeberg verschaffen, wohingegen andere Wettbewerber Anschaffungen zu Verkehrswerten vornehmen müssten. Auch dies stelle einen unlauteren Wettbewerbsvorteil dar, der vom Recht missbilligt werde.

67

Es bleibe somit festzuhalten, dass der Entschluss, die Rechtsfolgenwirkung der Kündigung vom 16.11.2007 auszulösen, auf der rechtlich missbilligten Entscheidung beruhe, dass in § 5 Abs. 2 RDG ausdrücklich zur Anwendung vorgesehene Vergaberecht durch einen u.a. nach § 102 GemO unzulässigen Beitritt zu der R zu umgehen und diese rechtswidrig mit der Durchführung des Rettungsdienstes zu beauftragen.

68

Die Beigeladene zu 3. (Stadt Norderstedt) trägt vor:

69

Das Schreiben vom 23.12.2016 habe man verwaltungsintern so verstanden, dass eine Kündigung erfolgt sei. Die Auffassung, das sei keine ausreichende Erklärung im Sinne der Vereinbarung aus Oktober 2009, sei unzutreffend.

70

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger hilfsweise zwei Beweisanträge gestellt; insoweit wird auf die Verhandlungsniederschrift Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge.

Entscheidungsgründe

71

Die Klage ist bezüglich des Klageantrages Nr .1 als Feststellungsklage nach § 43 VwGO zulässig und begründet. Bezüglich der Klageanträge zu Nr. 2., 3. und 4. ist die Klage unzulässig, aber auch unbegründet. Bezüglich des Klageantrages Nr. 5 ist die Klage zulässig, aber unbegründet.

72

Der Verwaltungsrechtsweg ist vorliegend bzgl. aller Klageanträge gegeben, da es hier um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art iSd § 40 VwGO geht. Streitentscheidend sind insbesondere die öffentlich-rechtlichen Vorschriften nach § 2 ff. RDG, nach denen hier die vom Kläger geltend gemachten Abwehrrechte bzw. Ansprüche zu beurteilen sind.

73

Der Umstand, dass die Beteiligten auch über vergaberechtliche Aspekte streiten, begründet keine Sonderzuweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit nach § 156 Abs. 2 GWB, da es hier nicht in diesem Sinne um die Vornahme oder Unterlassung einer Handlung „in einem Vergabeverfahren“ geht. Zwar ist auch bei der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen im Zusammenhang mit dem Rettungsdienst bei Überschreitung des Schwellenwertes – wie hier - eine ausschließliche Zuständigkeit der Vergabekammern in Betracht zu ziehen und zwar auch dann, wenn der Dienstleistungsauftrag durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag erteilt wird (vgl. z.B. Sächsisches OVG, Beschluss vom 09.02.2016, 5 B 315/15). Vorliegend geht es aber nicht um einen Streit in einem laufenden Vergabeverfahren, sondern um einen Streit darüber, ob trotz Überschreitung der Schwellenwerte eine Vergabe ohne Ausschreibung zulässig ist. Solche Streitigkeiten im Vorfeld einer evtl. Vergabe sind nicht von den Vergabekammern zu entscheiden (Bundeskartellamt Bonn, Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 27.07.2016, VK 2-63/16; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.03.2014, VII Verg 11/14). Soweit mit einer Klage wie hier auch nichtvergaberechtliche Regelungen – etwas das Europäische Beihilfenrecht – geltend gemacht werden, werden sie ohnehin nicht im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren geprüft (OLG Schleswig, Vergabesenat, Beschluss vom 04.11.2014, 1 Verg. 1/14).

74

Auch der ordentliche Rechtsweg nach § 13 GVG ist hier nicht wegen der vergaberechtlichen Aspekte des Falles gegeben. Die derzeit zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Rechtsbeziehungen beruhen auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag und auch die von dem Kläger angegriffenen künftigen Rechtsbeziehungen zwischen dem Beklagten und der R werden auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, so dass der Streit hier von öffentlich-rechtlichen und nicht von privatrechtlichen Rechtsbeziehungen geprägt ist. Der Beklagte und die Beigeladenen haben bzgl. des beschrittenen Verwaltungsrechtsweges auch keine Einwände erhoben.

75

Klageantrag Nr. 1: Feststellung des Fortbestehens des zwischen den Parteien bestehenden Vertrages.

76

Die auf Feststellung des Fortbestehens des zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestehenden Vertrages über den 31.12.2018 hinaus gerichtete Klage ist nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse für eine gerichtliche Klärung des Streits der Beteiligten über dieses Rechtsverhältnis liegt vor, da für den Kläger wegen der ihn treffenden wirtschaftlichen Folgen der vom Beklagten angestrebten Vertragsbeendigung ein schützenswertes Interesse an einer gerichtlichen Herstellung von Rechtsklarheit anzunehmen ist.

77

Die Klage ist auch begründet, und zwar allein deshalb, weil die von dem Beklagten im Dezember 2016 abgegebenen Willenserklärungen nicht ausreichten, um die Rechtsfolgenwirkung der vom Kreis am 16.11.2007 ausgesprochenen Kündigungen der Verträge mit dem A und dem I. zur Durchführung des Rettungsdienstes auszulösen.

78

Maßgebend für die Beurteilung des Klageantrages Nr. 1 ist der im Oktober 2009 geschlossene öffentlich-rechtliche Vertrag, denn darin werden im Zusammenhang mit einer zwischen den Beteiligten gefundenen Kompromisslösung die Voraussetzungen geregelt, unter denen die bis auf Weiteres suspendierte Wirkung der bereits ausgesprochenen Kündigung von öffentlich-rechtlichen Rettungsdienstverträgen in der Zukunft ausgelöst werden kann. Mit dieser Vereinbarung sind die ursprünglichen Vereinbarungen zu einer ordentlichen Kündigung abgewandelt worden, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass bereits Kündigungen ausgesprochen wurden. Eine solche vertragliche Disposition über die Wirkung einer bereits ausgesprochenen Kündigung ist ungewöhnlich, gegen ihre Wirksamkeit bestehen aber angesichts des auch hier anwendbaren Grundsatzes der Privatautonomie keine Bedenken.

79

Es kommt daher darauf an, ob gemäß Ziff. 2 dieser Vereinbarung aus Oktober 2009 die Rechtsfolgenwirkung der Kündigung vom Beklagten wirksam zum 31.12.2018 ausgelöst wurde. Dies hängt nach Auffassung der Kammer allein davon ab, ob vom Beklagten im Jahre 2016 schriftlich entsprechende Willenserklärungen „gegenüber den anderen Vertragsparteien“ abgegeben wurden.

80

Das ist nicht der Fall.

81

Erforderlich zur Auslösung der Rechtsfolgenwirkung der vorliegenden Kündigungen zum 31.12.2018 wären nach dem Wortlaut des Vertrages entsprechende - noch im Jahre 2016 zugegangene - Willenserklärung des Beklagten gegenüber allen anderen Vertragsparteien, also auch gegenüber der Stadt Norderstedt, gewesen. Zu den Vertragsparteien gehört auch die Stadt Norderstedt, da sie an dem Vertragsschluss im Oktober 2009 beteiligt war. Gegenüber der Stadt Norderstedt ist jedoch im Jahre 2016 keine schriftliche Willenserklärung dahingehend abgegeben worden, die Rechtsfolgenwirkung der Kündigung auszulösen; die Stadt Norderstedt hat lediglich eine schriftliche Information über Willenserklärungen gegenüber anderen Beteiligten erhalten. Die allein vorliegenden Willenserklärungen des Beklagten vom 21.12.2016 gegenüber dem Kläger und gegenüber dem I. reichten somit nicht aus, um die Rechtsfolgenwirkung der Kündigung vom 16.11.2007 zum 31.12.2018 auszulösen.

82

Die Auffassung des Beklagten, Vertragsparteien im Sinne der in Rede stehenden Vertragsklausel seien neben ihm nur der A und das I., und deshalb sei eine Willenserklärung gegenüber der Stadt Norderstedt nicht erforderlich gewesen, ist unzutreffend.

83

Gegen eine solche Auslegung des Begriffs „Vertragsparteien“ im Rahmen der Nr. 2 der Vereinbarung aus Oktober 2009 spricht bereits der Wortlaut der Vereinbarung, denn dieser Begriff bezeichnet im allgemeinen Personen, die an einem Vertragsabschluss als Partner beteiligt sind. Das ist bezüglich der Stadt Norderstedt der Fall, die im Zusammenhang mit dem bisherigen Konzept des Rettungsdienstes Pflichten übernommen hatte, von einem Auslaufen der Durchführungsverträge in ihren Interessen berührt worden wäre und deshalb an der Vereinbarung aus Oktober 2009 beteiligt wurde. Ohne Zustimmung der Stadt zu einer modifizierenden Vereinbarung zu den Wirkungen einer bereits gegenüber dem A und dem I. ausgesprochenen Kündigung wäre eine rechtssichere Fortsetzung des bisherigen Konzeptes nicht möglich gewesen. Daher ist die Stadt Norderstedt folgerichtig bereits in die Vereinbarung vom 28.11.2008 über den Aufschub der Kündigungswirkung einbezogen worden Es entspricht daher auch Sinn und Zweck der Vereinbarung aus Oktober 2009, die Stadt Norderstedt als gleichberechtigte Vertragspartei anzusehen.

84

Auch der Umstand, dass in Ziffer 1 der Vereinbarung von „Parteien“ die Rede ist, während in Ziffer 2 der Vereinbarung von „Vertragsparteien“ gesprochen wird, rechtfertigt keine abweichende Auslegung, denn diese Begriffe sind ersichtlich synonym verwendet worden. Hierauf deutet die in der Vereinbarung zitierte Vereinbarung zur Durchführung des Rettungsdienstes im Kreis Segeberg vom 23.06.2008 hin, an der alle vier in Rede stehenden Körperschaften beteiligt waren, und im Rahmen derer ebenfalls ohne erkennbares System zum Teil von „Parteien“ (vgl. Ziff. 3 der Vereinbarung) und zum Teil von „Vertragsparteien“ die Rede ist (vgl. Ziff. 7 und Ziff. 11 der Vereinbarung). Im Rahmen der Vereinbarung vom 23.06.2008 wird die Stadt Norderstedt auch zu den „Vertragsparteien“ gezählt. So heißt es im letzten Satz dieser Vereinbarung, dass jede Vertragspartei eine Ausfertigung im Original erhalten habe; da alle Unterzeichner des Vertrages – auch die Stadt Norderstedt - eine Ausfertigung erhalten haben, besteht kein Grund zu der Annahme, dass der Begriff „Vertragspartei“ als engerer Begriff im Verhältnis zu dem z.T. auch verwendeten Begriff „Parteien“ gemeint gewesen sein könnte. Dass der Begriff „Vertragsparteien“ neben dem Beklagten nicht etwa auf das I. und den A als Durchführer des Rettungsdienstes beschränkt sein sollte, ergibt sich besonders deutlich aus Ziff. 7 dieser Vereinbarung. Danach vereinbaren die „Leistungserbringer I. und A“, dass sie gegenüber „allen Vertragsparteien“- also auch gegenüber der Stadt Norderstedt - ihre Kosten offenlegen. Eine Abgrenzung des I. und des A gegenüber der Stadt Norderstedt erfolgte somit in jener Vereinbarung nicht über eine Differenzierung zwischen den Begriffen „Partei“ und „Vertragspartei“, sondern über die spezielle Bezeichnung „Leistungserbringer“ für den A und das I.. Diese Differenzierung ist in der Vereinbarung aus Oktober 2009 nicht aufgegriffen worden.

85

Der von dem Beklagten hervorgehobene Umstand, dass der Kläger und das I. die hauptsächlichen Leistungserbringer des Rettungsdienstes aufgrund zweier separater Dienstleistungsaufträge sind, ist nicht entscheidend, denn die Beteiligten haben sich bereits mit den im Jahre 2008 getroffenen Vereinbarungen dafür entschieden, die Stadt Norderstedt in das mehrpolige Konzept zur vorläufigen Fortsetzung einer bereits aufgekündigten Lösung miteinzubeziehen. Dies war aufgrund der Vertragsfreiheit ebenso möglich wie die anschließende Einbeziehung der Stadt Norderstedt in die Vereinbarung aus Oktober 2009, die eine Möglichkeit zur Auslösung der Rechtsfolgenwirkung der bereits ausgesprochenen Kündigung für die Zukunft beinhaltet.

86

Dass die Stadt Norderstedt angibt, nach Erhalt des Informationsschreibens intern von einer Kündigung ausgegangen zu sein, ist unerheblich, da nach den Umständen und auch nach der Darstellung des Beklagten kein Zweifel darin besteht, dass das Informationsschreiben an die Stadt Norderstedt keine Willenserklärung, sondern nur eine Wissenserklärung sein sollte. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es bei der Frage, ob eine Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie hat, darauf an, welcher tatsächliche Wille des Erklärenden bei der Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung festgestellt wird, und ob der andere Teil die Erklärung ebenfalls in diesem Sinne verstanden hat. Wird der tatsächliche Wille des Erklärenden bei Abgaben einer empfangsbedürftigen Willenserklärung bewiesen oder sogar zugestanden und hat der andere Teil sie ebenfalls in diesem Sinne verstanden, dann bestimmt dieser Wille den Inhalt des Rechtsgeschäfts, ohne dass es auf weiteres ankommt (BGH, Urteil vom 07.12.2001, V ZR 65/01; Urteil vom 26.10.1983, IVa ZR 80/82). Entscheidend ist daher vorliegend, dass der Beklagte nach seinem eigenen Vorbringen gegenüber der Stadt Norderstedt keine Willenserklärung im Sinne einer Vertragsbeendigung abgeben wollte, weil er dies nicht für erforderlich hielt. Hierzu ist in der mündlichen Verhandlung vom Beklagtenvertreter erläutert worden, es sei unklar, wie man überhaupt gegenüber A-Stadt eine entsprechende Willenserklärung hätte gestalten können. Damit ist der fehlende Erklärungswille unstreitig.

87

So erklärt sich auch die differenzierte Vorgehensweise des Beklagten: Für die Auslösung der Rechtsfolgenwirkung der Kündigungen gegenüber dem A und dem I. wurde ein Anwalt beauftragt, der ihnen gegenüber entsprechende Erklärungen abgegeben hat, während die bloße Information der Stadt Norderstedt vom Beklagten selbst erledigt wurde. Dass dies kein Zufall, sondern eine bewusste Differenzierung war, ergibt sich aus der aktenkundigen Erklärung des Beklagtenvertreters gegenüber der Verwaltung, es sei eine gute Idee, zwischen der anwaltlich ausgesprochenen Kündigung einerseits und der von der Behörde selbst vorgenommenen Information an die Stadt Norderstedt zu unterscheiden (vgl. Inhalt der nicht paginierten Beiakte B).

88

Somit war vom Beklagten keine Erklärung einer Vertragsbeendigung gegenüber der Stadt Norderstedt gewollt, weil dies rechtsirrig nicht für erforderlich gehalten wurde. Die Stadt Norderstedt hatte im Übrigen nach dem Inhalt des Informationsschreibens auch keinen Anlass, dies anders zu sehen. Wie ihre Stellungnahme im vorliegenden Verfahren zeigt, ging sie selbst nicht von der Notwendigkeit einer entsprechenden Erklärung ihr gegenüber aus, sondern hielt das Vertragsverhältnis ohne weiteres für beendet. Auch das beruht jedoch auf einem Rechtsirrtum.

89

Daraus folgt, dass die Rechtsfolgenwirkung der Kündigung nicht wirksam ausgelöst worden ist. Für eine Auslösung der Rechtsfolgenwirkung der Kündigung wären neue Erklärungen nötig, die bei entsprechendem Handeln vor Ablauf dieses Jahres frühestens mit Ablauf des 31.12.2019 wirksam werden könnten.

90

Klageanträge Nr. 2, 3 und 4:

91

Alle drei vorbeugenden Unterlassungsklagen sind unzulässig, weil die Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen solchen vorbeugenden Rechtsschutz hier nicht vorliegen. Eine Klage zur Abwehr möglicher künftiger Beeinträchtigungen ist nur zulässig, wenn ein besonders schützenswertes Interesse gerade an einer Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht, wenn mit anderen Worten der Verweis auf den nachgängigen Rechtsschutz – einschließlich des einstweiligen Rechtsschutzes – mit für den Kläger unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (BVerwG, Urteil vom 22.10.2014, 6 C 7/13). Dies würde voraussetzen, dass schon die kurzfristige Hinnahme der befürchteten Handlungsweise geeignet ist, den Betroffenen in seinen Rechten in besonders schwerwiegender Weise zu beeinträchtigen, so dass eine Verweisung auf den nachträglichen Rechtsschutz unzumutbar ist.

92

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

93

Eine unmittelbar drohende wirtschaftliche Existenzgefährdung des Klägers oder die Schaffung irreversibler Zustände bzw. eine unmittelbar bevorstehende Grundrechtsverletzung ist nicht nachvollziehbar dargetan worden, zumal nach dem jetzigen Erkenntnisstand anzunehmen ist, dass das Vertragsverhältnis mit dem Beklagten nach dem jetzigen Stand wohl noch mindestens zwei weitere Jahre fortbestehen wird.

94

Es besteht auch kein Grund zu der Annahme, dass bei der vorliegenden Fallkonstellation ein wirksamer nachträglicher Rechtsschutz nicht möglich ist. Eine § 168 Abs. 2 GWB entsprechende Regelung, nach der in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren ein wirksam erteilter Zuschlag nicht mehr aufgehoben werden kann, existiert außerhalb des förmlichen Vergaberechts im Hinblick auf den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge nicht (so zutreffend VG Düsseldorf, Beschluss vom 15.09.2016, 7 L 411/16). Wenn es zu einer Auftragsvergabe an die R kommen sollte, und dies Rechte des Klägers verletzen sollte, kann er sich somit auch nach Vertragsschluss noch auf eine schwebende Unwirksamkeit des Vertrages nach § 125 Abs. 1 LVwG berufen und dies gerichtlich klären lassen (vgl. hierzu OVG Lüneburg, Beschluss vom 12.11.2012, 13 ME 231/12). Aus § 125 Abs. 1 LVwG ergibt sich, dass die Wirksamkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, der in Rechte Dritter eingreift, von dessen schriftlicher Zustimmung abhängt. Ein solcher Eingriff in Rechte Dritter wäre bei einem subordinationsrechtlichen Vertrag anzunehmen, wenn der Dritte einen Verwaltungsakt gleichen Inhalts erfolgreich anfechten könnte (vgl. z.B. OVG Lüneburg, aaO). Der Kläger, der eine solche Rechtsverletzung annimmt, könnte also gegen einen solchen Vertrag vorgehen und ist deshalb nicht auf vorbeugenden Rechtsschutz angewiesen. Dass ein Beitritt zur R für sich genommen irreparable Wirkungen für den Kläger haben könnte, wurde nicht überzeugend dargetan.

95

Aus den vorgenannten Gründen hat die Kammer den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisanträgen des Klägers nicht entsprochen, denn ausgehend von dem Rechtsstandpunkt der Kammer kommt es auf die unter Beweis gestellten Behauptungen nicht an.

96

Die Unterlassungsklagen sind aber jedenfalls auch unbegründet, wobei es auch insoweit ausgehend vom Rechtsstandpunkt der Kammer nicht auf die Tatsachen ankommt, die mit den Hilfsbeweisanträgen des Klägers unter Beweis gestellt wurden.

97

Die Unterlassungsbegehren des Klägers lassen sich nicht auf den laufenden Rettungsdienstvertrag stützen. Es besteht derzeit kein Grund zu der Annahme, dass dem Kläger die tatsächliche Durchführung des Rettungsdienstes noch während der Laufzeit des Vertrages aufgrund einer Vergabe an Dritte entzogen wird. Was den Zeitraum nach Vertragsbeendigung angeht, ist ein Anspruch auf weitere Durchführung des Rettungsdienstes derzeit nicht anzunehmen. Ein einmal geschlossener Rettungsdienstvertrag begründet keinen Anspruch darauf, dass in Zukunft in gleicher Weise verfahren wird. Es obliegt vielmehr dem Gestaltungsermessen des Beklagten, wie er die ihm als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe obliegende Aufgabe des öffentlichen Rettungsdienstes im Kreis Segeberg organisiert und wahrnimmt. Eine Beendigung der bestehenden vertraglichen Beziehungen vorausgesetzt, kann der Beklagte wählen, ob er – wie bisher - private Rettungsdienstleister beauftragen will, oder ob er die Aufgabe künftig vollständig selbst erledigen will. Im ersteren Fall ist das einzuschlagende Verfahren durch das im GWB geregelte Vergaberecht vorgezeichnet, wozu auch die Teilbereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB gehört. Entscheidet er sich für eine eigene Aufgabenerledigung, steht es ihm im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften frei, eine öffentlich-rechtliche Organisationsform zu wählen, oder die Durchführung des Rettungsdienstes zu privatisieren; dazu gehört auch die Möglichkeit, den Rettungsdienst durch eine gemeinsam mit anderen Trägern beherrschte GmbH durchführen zu lassen. Abwehrrechte privater Dienstleister gegen die Entscheidung, eine öffentliche Aufgabe in einer der möglichen Organisationsformen selbst zu erledigen, bestehen grundsätzlich nicht.

98

Der Kläger als privatwirtschaftliches Unternehmen auf dem Gebiete des Rettungsdienstes hat in einem solchen Fall der beabsichtigten Eigenerledigung weder einen Anspruch darauf, dass der Träger des Rettungsdienstes ihn iSv § 5 Abs. 1 RDG mit den operativen Aufgaben des Rettungsdienstes betraut, noch einen Anspruch darauf, dass eine einmal vereinbarte Beauftragung nach Ablauf des öffentlich-rechtlichen Vertrages fortgesetzt wird.

99

Auch aus Grundrechten oder drittschützenden gesetzlichen Vorschriften ableitbare Abwehransprüche bestehen für den Kläger vorliegend nicht. Die vom Kläger und den Beigeladenen zu 2) und 4) hierzu vertretene Rechtauffassung teilt die Kammer nicht.

100

Die mit der Klage im Kern auf Art. 12 GG und wettbewerbsrechtliche Aspekte gestützten Unterlassungsansprüche bestehen nicht, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte für die vom Kläger und den Beigeladenen zu 2) und 4) geäußerte Annahme bestehen, dass der vom Beklagten angestrebte Beitritt zur R und die nachfolgende Beauftragung der R nach Beendigung der bisherigen Vertragslösung Rechte der bisherigen Rettungsdienstleister verletzen würde.

101

Eine Verletzung von Art. 12 GG ist hier fernliegend, denn aus dem Schutzbereich dieses Grundrechtes lässt sich nicht die Verpflichtung des Staates ableiten, sich privater Unternehmen bei der Erledigung öffentlicher Aufgaben zu bedienen. Ein Unterlassen der vom Beklagten beabsichtigten Beauftragung der R mit der Durchführung des Rettungsdienstes und der Beitritt zu dieser Gesellschaft kann vom Kläger weder in landesrechtlicher, noch in bundesrechtlicher oder unionsrechtlicher Hinsicht verlangt werden.

102

Das Rettungsdienstgesetz in der Fassung der am 25.05.2017 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung (GVOBl. S. 256) steht dem vom Beklagten verfolgten Konzept (künftige Beauftragung der R), für das er sich im Rahmen seines Organisationsermessens einwandfrei entschieden hat, nicht entgegen.

103

Die Tätigkeit der am 01.01.2005 gegründeten R für die Kreise Dithmarschen, Pinneberg, Rendsburg-Eckernförde und Steinburg beruhte ursprünglich auf § 6 Abs. 3 des Rettungsdienstgesetzes vom 29.11.1991 (GVOBl. S. 579) in der Fassung des Gesetzes vom 24.07.2015 (GVOBl. S. 304), wonach die Kreise und kreisfreien Städte die Durchführung des Rettungsdienstes Hilfsorganisationen und juristischen Personen des öffentlichen Rechts ganz oder teilweise sowie natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts teilweise übertragen durften. Diese Vorschrift gewährt den mit der pflichtigen Selbstverwaltungsaufgabe des Rettungsdienstes betrauten Rettungsdienstträgern neben der Wahl öffentlich-rechtlicher Organisationsformen auch die Möglichkeit, private Rettungsdienstleister im Rahmen eines Sukzessionsmodells hinzu zu ziehen, oder die Möglichkeit, die Aufgabe vollständig selbst durch Beauftragung einer vom Rettungsdienstträger beherrschten juristischen Person des Privatrechts zu erfüllen. Entsprechendes gilt für eine Eigenerledigung der Aufgabe in der vom Beklagten angestrebten Form. In der Kommentarliteratur wird die Tätigkeit der R für mehrere Rettungsdienstträger als ein Beispiel für eine nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 RDG a.F. zulässige Organisationsform angeführt (Hanitzsch, RDG-Kommentar, Stand Dezember 2016, § 6 Anm. 3).

104

Hieran hat auch die am 25.05.2017 in Kraft getretene gesetzliche Neuregelung des Rettungsdienstrechts (GVOBl. S. 256) nichts geändert. Gemäß § 5 Rettungsdienstgesetz ist nunmehr vorgesehen, dass der Rettungsdienstträger Dritte damit beauftragen kann, die operativen Aufgaben des Rettungsdienstes zu erfüllen. Eine Einschränkung der Handlungsoptionen ist damit nicht verbunden, insbesondere steht diese Gesetzesfassung nicht der Aufgabenübertragung auf z.B. eine eigene GmbH entgegen, denn auch eine solche GmbH wäre eine selbständige juristische Person, die als Dritte im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG bezeichnet werden kann. In der Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung wird hierzu klargestellt, dass die Regelung über die Möglichkeit der Beauftragung Dritter mit der operativen Durchführung des Rettungsdienstes bestehen bleiben soll (Drucksache 18/4586, S. 38).

105

Die Kammer hat bereits mit Beschluss vom 21.09.2006 (3 B 132/06) zu § 6 RDG a.F. entschieden, dass das Rettungsdienstgesetz die Rechtsposition interessierter privater Dienstleister bezüglich der Einbeziehung in den öffentlichen Rettungsdienst nur schwach ausgestaltet hat. Es sei zu beachten, dass es beim Rettungsdienst um Aufgaben der Daseinsvorsorge bzw. der Gefahrenabwehr gehe, hinter denen letztlich überragend wichtige Gemeinschaftsgüter (Leben und Gesundheit der Patienten, für die der Staat eine Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG treffe) stünden. Vor diesem Hintergrund stünde dem Träger des Rettungsdienstes ein weites Ermessen sowohl hinsichtlich der Frage, wie ein Auswahlverfahren gestaltet werde, als auch hinsichtlich der endgültigen Übertragung der Durchführung der Aufgaben des Rettungsdienstes zu. Die Kammer gehe davon aus, dass eine Hilfsorganisation bzw. ein sonstiger Anbieter von Leistungen des Rettungsdienstes einen Anspruch darauf habe, dass über seine Bewerbung bzw. den Umgang mit seiner Bewerbung ermessensfehlerfrei entschieden werde. Dieses letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Recht beinhalte allerdings vor dem Hintergrund des weiten Ermessens des Trägers des Rettungsdienstes kein Recht darauf, auf der 1. Stufe der Entscheidung über die Beauftragung in jedem Fall bereits miteinbezogen zu werden. Vielmehr bestehe auch hinsichtlich der Verfahrungsgestaltung ein Ermessen, welches die Möglichkeit einschließe, bereits auf dieser Ebene einzelne Interessenten von der Beteiligung auszuschließen, sofern dies sachlich gerechtfertigt sei.

106

Hieran ist bezüglich der Ausführungen zum Ermessen im Grundsatz festzuhalten, auch wenn das Thema „Vergabe von Rettungsdienstleistungen“ inzwischen durch die Rechtsprechung umfassend fortentwickelt und durch geänderte Rechtsnormen umfassend umgestaltet worden ist (vgl. dazu die ausführliche Darstellung der Entwicklung von Hanitzsch, in RDG-Kommentar, § 6, Rdnr. 3 ff). Der vom Kläger eingenommene Gegenstandpunkt berücksichtigt nicht hinreichend, dass es aufgrund des im Rahmen der Selbstverwaltung zulässigen Beschlusses zu einer Eigenerledigung keinen Sinn machen würde, die Dienstleistung auszuschreiben. Auch in der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass der Unterschied zwischen einer Aufgabenerledigung des Rettungsdienstträgers durch eine Eigengesellschaft und der Vergabe von Rettungsdienstleistungen an private Dritte nicht vernachlässigt werden darf. In einem Fall, in dem es ebenfalls um einen Rechtsbehelf eines privaten Dienstleisters gegen die Einbeziehung der R ging, hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt (OVG Schleswig, Beschluss vom 11.12.2006, 4 MB 103/06):

107

„Bei Übertragung der Durchführung des Rettungsdienstes auf eine Eigengesellschaft der Träger verbleibt auch die Aufgabenerfüllung in der Hand und im alleinigen Kontroll- und Verantwortungsbereich der Träger und ist mit der Heranziehung eines privaten Dritten zur Aufgabenerfüllung nicht vergleichbar.“

108

So sieht dies auch die Kammer.

109

Wie sich aus der bereits zitierten Verwaltungsvorlage des Beklagten ergibt, ist die Option der Fortsetzung des bisherigen Modells mit den bisherigen Beteiligten gesehen und abgewogen worden, letztlich jedoch nicht ausgewählt worden. Dieses Ergebnis und die Gründe dafür sind dem Kläger auch vermittelt worden. Jedenfalls ergibt sich aus der Klagebegründung, dass dem Kläger die Hintergründe der Konzeptänderung und die Erwägungsgründe des Beklagten bekannt sind. Weitergehende Rechte hat der Kläger nicht, so dass ihm auch kein Abwehrrecht bzgl. der vom Beklagten nun verfolgten Lösung zusteht.

110

Soweit nach § 5 RDG die Beauftragung Dritter durch öffentlich-rechtlichen Vertrag als Dienstleistungsauftrag „unter Beachtung des Vergaberechts“ erfolgt, handelt es sich, wie der Wortlaut („Beachtung“) und die Gesetzesbegründung zeigen, um eine Rechtsgrundverweisung auf die geltenden Regeln des Vergaberechts im weiteren Sinne, d.h. die bundesrechtlichen und unionsrechtlichen Regeln des Vergaberechts werden nicht erweitert. Eine Verletzung der bundesrechtlichen und unionsrechtlichen Regeln des Vergaberechts droht hier nicht, worauf nachfolgend gesondert eingegangen wird.

111

Ohne Erfolg bemängelt der Kläger, die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Betätigung und privatrechtlichen Beteiligung der Gemeinde nach dem 3. Abschnitt des 6. Teils der Gemeindeordnung (GO) würden nicht vorliegen.

112

Die speziellen Vorgaben des § 57 KreisO iVm § 101 Abs. 1 GO für wirtschaftliche Unternehmen von Kommunen sind hier nicht einschlägig, da der öffentliche Rettungsdienst kein wirtschaftliches Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift ist. Ein kommunales Unternehmen ist nur dann als wirtschaftliches Unternehmen anzusehen, wenn es sich um eine Einrichtung oder Anlage der Gemeinde handelt, die auch von einem Privatunternehmen mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden könnte (vgl. hierzu z.B. OVG Schleswig, Urteil vom 11.07.2013, 2 LB 32/12). Der öffentliche Rettungsdienst ist gemäß § 1 RDG als öffentliche Pflichtaufgabe und hoheitlich ausgestaltet, so dass diese Aufgabe nicht von einem Privatunternehmen mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden könnte. Dementsprechend liegen die Voraussetzungen von § 101 Abs. 4 GO vor, wonach als wirtschaftliche Unternehmen im Sinne des 3. Abschnitts der Gemeindeordnung nicht Einrichtungen gelten, zu denen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist.

113

Es ist in dem vorliegenden Fall daher allein die Vorgabe des § 101 Abs. 4 Satz 2 GO zu beachten, wonach die pflichtgemäß betriebenen Einrichtungen nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu verwalten sind, was allerdings allein öffentlichen Interessen dient und keine subjektiven Rechte privater Dienstleistungsunternehmen begründet.

114

Ein Unterlassungsanspruch des Klägers lässt sich auch nicht aus § 57 Kreisordnung iVm § 102 GO idF vom 21.06.2016 ableiten. Gemäß § 102 Abs. 1 GO darf die Gemeinde unmittelbar oder mittelbar Gesellschaften gründen, sich an der Gründung von Gesellschaften beteiligten oder sich an bestehenden Gesellschaften beteiligen, wenn ein wichtiges Interesse der Gemeinde an der Gründung oder der Beteiligung vorliegt und die kommunale Aufgabe dauerhaft mindestens ebenso gut und wirtschaftlich wie in Organisationsformen des öffentlichen Rechts erfüllt wird.

115

Eine Verletzung von Rechten des Klägers aufgrund dieser Vorschrift kommt nicht in Betracht, weil diese Vorschrift allein öffentlichen Interessen dient und keine subjektiven Rechte Dritter schützt. Die Kommunen können Unternehmungen grundsätzlich wahlweise in öffentlich-rechtlichen oder in privatrechtlichen Organisationsformen führen (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 11. Juli 2013, 2 LB 32/12). Gerade wenn es – wie hier – um die Erfüllung von hoheitlichen Pflichtaufgaben geht, steht dabei das öffentliche Interesse an einer effektiven Aufgabenerledigung im Vordergrund. Der Schutz subjektiver Rechte Dritter auf eine bestimmte Ausübung des Wahlrechts bzw. auf Berücksichtigung ihrer Interessen ist im Rahmen von § 102 GO ebenso wenig angelegt wie im Rahmen von § 101 Abs. 1 GO.

116

Soweit der Kläger unter Hinweis auf Rechtsprechung und Literatur hierzu einen anderen Rechtsstandpunkt vertritt, vermag dies nicht zu überzeugen. Zutreffend ist zwar, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 13.08.2003 (15 B 1137/03) bzgl. der Regelung in § 107 Abs. 1 GO NRW entschieden hat, die Vorschrift über die Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung der Gemeinden für die örtlichen Wirtschaftsteilnehmer habe drittschützenden Charakter. Dies knüpft jedoch an eine besondere Fassung des nordrhein-westfälischen Landesrechts an, wonach die Zulässigkeit gemeindlicher wirtschaftlicher Betätigung in Form der Gründung von bzw. Beteiligung an Unternehmen an eine Marktanalyse u.a. über die Auswirkungen auf das Handwerk und die mittelständige Wirtschaft geknüpft wird. Eine vergleichbare Regelung findet sich im schleswig-holsteinischen Landesrecht nicht. Auch ist die Subsidiaritätsklausel im nordrhein-westfälischen Landesrecht anders als in Schleswig-Holstein geregelt, indem die Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung nach § 107 Abs. 1 Nr. 3 GO NRW daran geknüpft wird, dass der öffentliche Zweck „durch andere Unternehmen“ nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann. In Schleswig-Holstein kommt es im Rahmen einer viel schwächeren Ausprägung der Subsidiaritätsklausel demgegenüber darauf an, ob der Zweck besser und wirtschaftlicher „auf andere Weise“ erfüllt werden kann.

117

Entsprechendes gilt für das rheinland-pfälzische Kommunalrecht. Auch hier liegt mit der vom Kläger zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz vom 28.03.2000 (VGH N 12/98) zwar eine gerichtliche Entscheidung vor, wonach der entsprechenden Vorschrift des § 85 Abs. 1 Nr. 3 GO Rheinland-Pfalz eine drittschützende Wirkung zugemessen wird. Auch diese kommunalwirtschaftliche Vorschrift in Rheinland-Pfalz ist deutlich anders gefasst als die entsprechende Vorschrift in Schleswig-Holstein, denn gemäß § 85 Abs. 1 Ziffer 3 GO Rheinland-Pfalz idF vom 20.12.2013 ist es im Rahmen der Subsidiaritätsklausel maßgebend, ob der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich „durch einen privaten Dritten“ erfüllt wird oder erfüllt werden kann. Bei einer solchen Regelung, wonach die Interessen privater Dritter ausdrücklich in das Prüfungsprogramm einer Kommune einbezogen werden, besteht in der Tat Anlass zu der Annahme, dass der Landesgesetzgeber privaten Konkurrenten entsprechende Abwehrrechte vermittelt wollte, insbesondere dann, wenn – wie in Rheinland-Pfalz geschehen – in der Gesetzesbegründung ausdrücklich hervorgehoben wird, dass die Privatwirtschaft vor einer Beeinträchtigung ihrer Interessen geschützt werden soll. In Schleswig-Holstein ist dieser Weg vom Landesgesetzgeber nicht gewählt worden. Weder in der Gesetzesfassung, die die kommunalwirtschaftlichen Vorschriften der §§ 101 ff. GO durch die Neuregelung vom 21.06.2016 gefunden haben, noch in der entsprechenden Gesetzesbegründung des Gesetzes zur Stärkung der Kommunalwirtschaft (Drs. 18/3152) findet sich eine klare Grundlage für die Annahme, dass der Landesgesetzgeber subjektive Rechte für die Privatwirtschaft schaffen wollte. Das spricht dafür, dass es im Rahmen von § 102 Abs. 1 GO um eine allein dem öffentlichen Interesse dienende Abgrenzung der privaten kommunalen Aufgabenerfüllung von einer Aufgabenerfüllung in Organisationsformen des öffentlichen Rechts geht.

118

Entsprechendes gilt für das Vorbringen des Klägers und der Beigeladenen zu 2. und 4., es liege eine unzulässige Betätigung außerhalb des Kreisgebiets vor, die Beherrschbarkeit der Aufgabenerledigung sei beeinträchtigt, es werde gegen Art. 33 GG verstoßen und die Kostenabrechnungen würden nicht dem Anteil des Beklagten entsprechen. Auch insoweit geht es um objektives Recht, aus dem der Kläger keine eigenen Rechte herleiten kann.

119

Da es wie ausgeführt um eine Form der Eigenerledigung der Rettungsdienstaufgabe geht, beruft sich der Kläger auch ohne Erfolg auf das Vergaberecht nach dem GWB. Die vom Beklagten nun verfolgte Lösung im Rettungsdienst beinhaltet eine öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit in Form eines inhouse-Geschäftes mit einer von öffentlich-rechtlichen Körperschaften beherrschten GmbH und unterliegt gemäß § 108 Abs. 4 GWB nicht den vergaberechtlichen Vorschriften des Teils 4 des GWB. Die Vorschriften des GWB über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sind gemäß § 108 Abs. 4 GWB nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, bei denen der öffentliche Auftraggeber iSv § 99 Abs. 1 bis 3 GWB über eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts zwar keine Kontrolle iSd § 108 Abs. 1 Nr. 1 GWB ausübt, aber

120

1. der öffentliche Auftraggeber gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern über die juristische Person eine ähnliche Kontrolle ausübt wie jeder der öffentlichen Auftraggeber über seine eigenen Dienststellen,

121

2. mehr als 80 % der Tätigkeiten der juristischen Person der Ausführung von Aufgaben dienen, mit denen sie von den öffentlichen Auftraggebern oder von einer anderen juristischen Person, die von diesen Auftraggebern kontrolliert wird, betraut wurde und

122

3. an der juristischen Person keine direkte private Kapitalbeteiligung besteht.

123

Diese gesetzlichen Voraussetzungen, die den Vorgaben der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und Rates vom 26.02.2014 entsprechen, liegen hier vor. Wie sich aus dem Gesellschaftsvertrag der R vom 24. Juni 2009 ergibt, sind ihre Gesellschafter bisher der Kreis Dithmarschen, der Kreis Rendsburg-Eckernförde, der Kreis Pinneberg und der Kreis Steinburg, für die die R im Rahmen des Gesellschaftsvertrages alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Durchführung des Rettungsdienstes und des qualifizierten Krankentransportes wahrnimmt. Gemäß § 8 des Gesellschaftsvertrages nimmt die Gesellschafterversammlung, der allein die vorbezeichneten Träger des öffentlichen Rettungsdienstes angehören, die durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag und eigene Beschlussfassung zugewiesenen Aufgaben wahr. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den bei den Akten befindlichen Gesellschaftsvertrag Bezug genommen. Eine „ähnliche Kontrolle“ im Sinne des Gesetzes ist danach vorgesehen. Angesichts dieses Gesellschaftsvertrages und der vom Beklagten beschriebenen Konzeption der Aufgabenerfüllung durch Einbeziehung der R ist bzgl. der Voraussetzungen des § 108 Abs. 4 GWB hier allein der Gesichtspunkt einer direkten privaten Kapitalbeteiligung problematisch (§ 108 Abs. 4 Nr. 3 GWB), denn der derzeit noch gültige Gesellschaftsvertrag sieht in § 4 Abs. 1 vor, dass Gesellschafter neben Kreisen oder kreisfreien Städten auch juristische Personen sein können, mit denen die Kreise oder kreisfreien Städte öffentlich-rechtliche Durchführungsverträge hinsichtlich der Rettungsdienste abgeschlossen hätten. Insoweit ist es angesichts des übereinstimmenden Vorbringens der Beteiligten jedoch anzunehmen, dass der Gesellschaftsvertrag noch vor einem Beitritt des Beklagten zur R abgeändert wird, denn es ist deutlich geworden, dass alle beteiligten Kreise inzwischen gewährleisten wollen, dass – wie faktisch bisher – nur Kreise und kreisfreie Städte an der R als Gesellschafter beteiligt sein können. Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers ist insoweit nicht die problematische Vertragsfassung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, sondern eine Prognose maßgebend, denn bei einer vorbeugenden Unterlassungsklage ist die künftige Situation in den Blick zu nehmen, aus der der Kläger eine Rechtsverletzung herleitet.

124

Soweit die Beigeladenen zu 2) und 4) auf die Möglichkeit verweisen, dass Rettungsdienstträger an der R beteiligt sein könnten, die nicht zugleich Auftraggeber seien, ist ein Auftreten dieses Problems bei lebensnaher Betrachtung der Interessenlage so unwahrscheinlich, dass es rechtlich nicht relevant ist.

125

Auch der Auffassung des Klägers, das unionsrechtliche Beihilferecht stehe der beabsichtigten Rettungsdienstlösung des Beklagten entgegen, kann nicht gefolgt werden. Die Leistung einer Einlage für die R und der Ausgleich für von der R erbrachte Rettungsdienstleistungen sind keine unzulässige Beihilfe iSv Art. 107 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

126

Im Ansatz zutreffend verweist der Kläger darauf, dass sich neben der Frage der Vereinbarkeit des nationalen Vergaberechts mit der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates die Frage stellen kann, ob auch die Vorgaben der primärrechtlichen – und damit gegenüber dem Sekundärrecht vorrangigen – Vorschriften des Unionsrechts erfüllt sind, so dass insbesondere die Art. 102 ff. AEUV in den Blick zu nehmen sein können (vgl. dazu Prieß/Simonis, Die künftige Relevanz des Primärvergabe- und Beihilfenrechts, NZBau 2015, 731 ff.; Pfannkuch, Beihilferechtliche Risiken bei der Inhouse-Vergabe, NZBau 2015, 743 ff.). Hinreichende Anhaltspunkte für eine fehlende Kongruenz von sekundärem und primärem Unionsrecht bestehen jedoch bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht. Vielmehr markiert die Richtlinie 2014/24/EU den Rahmen des unionsrechtlich Möglichen.

127

Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass sich die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (Amtsblatt L 94/65), die auch der Novellierung des Vergaberechts in der Bundesrepublik Deutschland zugrunde liegt, auch bezüglich des Beihilferechts im Rahmen des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hält. Aus Erwägungsgrund 1 dieser Richtlinie ergibt sich das Ziel einer Regelung der Vergabe öffentlicher Aufträge im Einklang „…mit den im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) niedergelegten Grundsätzen“, zu denen die Grundsätze des freien Warenverkehrs, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit sowie den sich daraus ableitenden Grundsätzen wie Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, gegenseitige Anerkennung, Verhältnismäßigkeit und Transparenz zählten. In Erwägungsgrund 31 der Richtlinie heißt es, es bestehe eine erhebliche Rechtsunsicherheit darüber, inwiefern Verträge, die zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors geschlossen würden, von den Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge erfasst werden sollten. Die einschlägige Rechtsprechung des EuGH werde von den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlich ausgelegt. Daher gelte es, unter Berücksichtigung der vom EuGH entwickelten Grundsätze zu präzisieren, in welchen Fällen im öffentlichen Sektor geschlossene Verträge von der Anwendung der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge ausgenommen seien. Da die damit in Bezug genommene Rechtsprechung des EuGH nicht nur das sekundäre Vergaberecht, sondern auch das primäre Unionsrecht betrifft (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 19.12.2012, C-159/11 – „Lecce“) lässt sich der Vergaberichtlinie entnehmen, wie wichtige Institutionen der Union den vergaberechtlichen Rahmen des AEUV interpretieren. Dementsprechend ist anzunehmen, dass das Europäische Parlament und der Rat keine primärrechtlichen Probleme bezüglich der im Erwägungsgrund 33 niedergelegten Annahme sehen, dass die öffentlichen Auftraggeber beschließen können sollten, ihre öffentlichen Dienstleistungen gemeinsam im Wege der Zusammenarbeit zu erbringen, „…ohne zur Einhaltung einer bestimmten Rechtsform verpflichtet zu sein“. Nach Auffassung der Kammer bieten die Argumente des Klägers im Zusammenhang mit dem Beihilferecht jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung keinen Grund, dies anders einzuschätzen.

128

Gemäß Art. 106 AEUV dürfen die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine den Verträgen und insbesondere den Art. 18 und 101 bis 109 AEUV widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten; für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, gelten die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Verboten ist nach Art. 102 AEUV insbesondere die missbräuchliche Aussetzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einen wesentlichen Teil desselben durch einen oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV sind – soweit in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist - staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen (zur Auslegung der beihilferechtlichen Vorschriften vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 24.07.2003, C-280/00, Altmark Trans; bestätigt durch EuGH, Urteil vom 08.05.2013, C 197/11).

129

Nach diesen Kriterien liegen die Voraussetzungen einer unzulässigen Beihilfe bei einem inhouse-Geschäft der vorliegenden Art nicht vor. Es kann daher hier offen bleiben, ob insoweit die Wettbewerbsregeln unter dem Gesichtspunkt einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nur eingeschränkt gelten (Art 106 Abs. 2 AEUV), oder ob hier ein angemessenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung anzunehmen ist. Entscheidend ist hier der Umstand, dass es um ein inhouse-Geschäft mit einer gemeinsamen GmbH mehrerer Rettungsdienstträger und damit um eine eigene Aufgabenerledigung im öffentlichen Sektor (öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit) geht.

130

Das vom Beklagten verfolgte Konzept ist beihilferechtlich nicht anders zu beurteilen als die Bewältigung einer öffentlich-rechtlichen Pflichtaufgabe durch einen Eigenbetrieb oder durch eine eigene, zu diesem Zweck gegründete GmbH. Anders als bisher will der Beklagte für die Durchführung der operativen Rettungsdienstaufgabe keine privaten Dienstleister hinzu ziehen (vgl. zu dieser Konstellation die Entscheidungen des EuGH vom 25.10.2001 - C-475/99 -und vom 29.04.2010, C-160/08), sondern will eine Form der öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit erreichen, für die faktisch nur eine einzige Umsetzungsmöglichkeit – mit der R – besteht. Bei der vorgreiflichen Entscheidung für eine solche Organisationsform, zu der Rettungsdienstträger im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts berechtigt sind, kann es keine Wettbewerbsverfälschung und Handelsbeeinträchtigung geben, weil es keine potentiellen Wettbewerber gibt, die eine strukturell vergleichbare Lösung wie die R bieten. Es ist anerkannt, dass es nicht zu einer Wettbewerbsverfälschung als Voraussetzung des Beihilferechts kommen kann, wenn es keinen potentiellen Wettbewerber in der EU gibt (Cremer, in: Callies/Ruffert, EUV.AEUV, 5. Auflage 2016, S. 1435 m.w.N.). So ist dies in dem vorliegenden Fall einer Eigenerledigung einer hoheitlichen Aufgabe. Die Vergabe der Dienstleistung an eine ausschließlich von öffentlichen Rettungsdienstträgern beherrschte GmbH führt dazu, dass die Aufgabe gar nicht erst auf den Markt gelangt, auf dem private Dienstleister im Wettbewerb stehen. Auch von einem unlauteren Wettbewerb oder dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung kann in einem solchen Fall keine Rede sein.

131

Die vom Beklagten gewählte Organisationslösung wird vor diesem Hintergrund unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gegen das Primärrecht der Europäischen Union verstoßen, auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV), die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV).

132

Der Kläger kann sich auch nicht erfolgreich auf Ansprüche aus der Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt) berufen. Maßgebend ist allein die speziellere Vergaberichtlinie, wie sich insbesondere aus Art. 1 der Dienstleistungsrichtlinie ergibt. Danach ist klargestellt, dass die Richtlinie weder die Liberalisierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, die öffentlichen oder privaten Einrichtungen vorbehalten sind, noch die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen betrifft, die Dienstleistungen erbringen.

133

Vor dem dargelegten Hintergrund vermögen auch die übrigen Einwände des Klägers nicht zu überzeugen. Dies gilt insbesondere bezüglich der Berufung auf Art. 51 Abs. 1 und Art. 47 der Grundrechtecharta. Art. 47 der Grundrechtecharta betrifft das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht, Art. 51 der Grundrechtecharta garantiert u.a. die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Rechte zu beachten und sich an die Grundsätze des Unionsrechts zu halten. Insoweit ist entscheidend – dass – wie ausgeführt – hier keine Verletzung vom Unionsrecht droht. Soweit sich der Kläger zur Herleitung eines entsprechenden Abwehranspruches auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.05.2013 (8 C 41.12) beruft, kann dies keinen Erfolg haben, weil jener Entscheidung eine andere Fallkonstellation zugrunde liegt. Auch das vom Kläger angeführte Urteil des VG Kassel vom 06.10.2017 (5 K 939/13.KS) betrifft eine wesentlich andere Fallkonstellation.

134

Klageantrag Nr. 5: Ermessensentscheidung über Rettungsdienstauftrag

135

Auch die mit dem Antrag Nr. 5 verfolgte - zulässige - Leistungsklage kann keinen Erfolg haben, weil sich der Beklagte - wie bereits ausgeführt - auf der ersten Stufe des Organisationsermessens fehlerfrei für ein anderes als das bisherige Rettungsdienstkonzept entschieden und dies allen Beteiligten –auch dem Kläger – vermittelt hat.

136

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.

137

Es bestand kein Anlass, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO).

138

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 VwGO iVm § 709 ZPO.


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