Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (1. Kammer) - 1 B 92/21
Tenor
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung des Antragstellers nach Kuba unter Erteilung einer Duldung vorläufig solange auszusetzen, bis weitere Erkenntnismittel über die den Antragsteller möglicherweise treffenden Sanktionen in Kuba wegen seines langjährigen Auslandsaufenthaltes vorliegen.
Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Der Antragsteller wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen die Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis sowie den Erlass einer Abschiebungsanordnung und begehrt die Aussetzung der Abschiebung zur Vermeidung einer (vorübergehenden) Trennung von seiner Tochter.
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Der im Jahre 1989 geborene Kläger ist kubanischer Staatsangehöriger. Er reiste zu einem nicht näher belegten Zeitpunkt in die Bundesrepublik Deutschland ein. Der Antragsteller heiratete am 3. Juni 2019 in Abwesenheit durch Stellvertretung in Lima/Peru eine peruanische Staatsangehörige, die in der Bundesrepublik Deutschland seit dem Jahre 2004 über eine Niederlassungserlaubnis verfügt. Die Ehefrau hat am 31. März 2020 eine Tochter geboren, die deutsche Staatsangehörige ist. Der Antragsteller hat die Vaterschaft anerkannt. Er lebt mit Ehefrau und Tochter zusammen.
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Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 21. April 2020 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der elterlichen Sorge für seine Tochter. Das Amtsgericht Eckernförde verurteilte den Antragsteller durch rechtskräftig gewordenen Strafbefehl vom 10. November 2020 wegen einer Straftat nach § 95 AufenthG zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 €.
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Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 31. Mai 2021 den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (Ziffer 1) sowie einer Duldung (Ziffer 2) ab, forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland bis zum 3. Juli 2021 zu verlassen (Ziffer 3), drohte für den Fall, dass der Antragsteller der Ausreisepflicht nicht freiwillig fristgerecht nachkommt, die Abschiebung unter anderem nach Kuba an (Ziffer 4) und erließ für den Fall der Abschiebung nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG ein Einreise- und Aufenthaltsverbot mit einer Frist von 3 Monaten (Ziffer 5).
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Der Antragsteller legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und hat am 1. Juli 2021 Klage erhoben sowie um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
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Er macht geltend, bei der Verurteilung durch den Strafbefehl handele es sich um einen vereinzelten Verstoß, der noch als geringfügig angesehen werden könne. Es bestehe auch kein Ausweisungsinteresse mehr, weil durch die Beantragung eines Aufenthaltstitels eine Wiederholung oder ein erneuter Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Vorschriften nicht zu erwarten sei. Die Nachholung des Visumverfahrens sei nicht zumutbar, da die Dauer des Verfahrens nicht absehbar sei. Allein wegen der durch die Corona-Pandemie bedingten Einschränkungen werde sich das Visumverfahren erheblich verzögern. Zudem habe er nach wie vor erhebliche Ängste vor einer Ausreisesperre, weil ihm dies bei der Verlängerung seines Passes von einem Mitarbeiter der kubanischen Botschaft mitgeteilt worden sei. Er habe sich mittlerweile längere Zeit im Ausland aufgehalten, ohne eine entsprechende Genehmigung zu haben. Er müsse deshalb mit einer entsprechenden Sperre rechnen, ein solches Risiko könne er nicht eingehen, da dies eine Trennung von unabsehbaren Dauer von seiner Tochter bedeuten würde.
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Der Antragsteller beantragt,
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1. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 1. Juli 2021 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 31. Mai 2021 anzuordnen,
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2. den Antragsgegner anzuweisen, bis zu einer Entscheidung über den vorliegenden Antrag von Vollzugsmaßnahmen abzusehen,
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3. hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, ihm eine Duldung gemäß § 60 a AufenthG zu erteilen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat nur teilweise Erfolg.
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Der Antrag ist dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die in dem Bescheid des Antragsgegners vom 31. Mai 2021 ausgesprochene Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis (Ziffer 1 des Bescheides) sowie gegen die Abschiebungsandrohung (Ziffer 4 des Bescheides) begehrt. Dies entspricht dem Wortlaut des gestellten Antrages, der sich insgesamt auf den Bescheid vom 31. Mai 2021 bezieht, sowie dem erkennbaren Rechtsschutzziel des Antragstellers. Der Antrag ist über den ausdrücklichen Wortlaut hinaus dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller daneben den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO mit dem Ziel der vorläufigen Verpflichtung des Antragsgegners zur Aussetzung einer Abschiebung und Erteilung einer (längerfristigen) Duldung zur Vermeidung einer auch nur vorübergehenden Trennung des Antragstellers von seinem minderjährigen Kind begehrt; der ausdrücklich gestellte Antrag zu 3. soll sich demgegenüber nach seinem Wortlaut offenbar auf die Klage im Verfahren der Hauptsache beziehen. Dagegen wendet sich der Antragsteller gegenwärtig nicht gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit Befristung für den Fall einer Abschiebung.
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Nach §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO darf das Gericht über das Antragsbegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden Das Gericht hat grundsätzlich das im Antrag und im gesamten Antragsvorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Bei der Ermittlung des Willens des Rechtsuchenden ist nach anerkannter Auslegungsregel zu dessen Gunsten davon auszugehen, dass er denjenigen Rechtsbehelf einlegen will, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspricht und eingelegt werden muss, um den erkennbar angestrebten Erfolg zu erreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 1990 – 8 C 70.88 –, Rn. 23, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 2. Aufl., § 88, Rn. 3). Neben dem Antrag und der Begründung ist auch die Interessenlage zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen erkennbaren Umständen ergibt (BVerwG, Beschluss vom 13. Januar 2012 – 9 B 56/11 –, Rn. 7, juris). Ist der Rechtsschutzsuchende bei der Fassung des Antrages anwaltlich vertreten worden, kommt zwar der Antragsformulierung gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Begründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Ziel von der Antragsfassung abweicht (BVerwG, Beschluss vom 13. Januar 2012 – 9 B 56/11 –, Rn. 8, juris). Da sich vorliegend der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als unzulässig erweist, entspricht es dem erkennbaren Rechtsschutzziel des Antragstellers, zur Vermeidung einer auch nur vorübergehenden Trennung von seinem Kind, bereits durch das vorläufige Rechtsschutzverfahren eine (längerfristige) Duldung zu diesem Zweck zu erhalten. Der Antragsgegner duldet den Aufenthalt des Antragstellers gegenwärtig kurzfristig wegen des eingeleiteten vorläufigen Rechtsschutzverfahrens, sodass sich eine Entscheidung über den Antrag zu 2. erübrigt.
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Der Antrag ist nicht zulässig, soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch Ziffer 1 des Bescheides des Antragsgegners vom 31. Mai 2021 begehrt. Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis entfalten keine aufschiebende Wirkung (§ 84 Abs.1 Nr. 1 AufenthG). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hätte zwar nicht die Wiederherstellung einer Erlaubnis- bzw. Fiktionswirkung zur Folge, allerdings wird in diesem Fall die Einstellung des Vollzugs nach § 241 Abs. 1 Nr. 3 LVwG erreicht. Deshalb ist nur in den Fällen des Eintritts von Erlaubnis- bzw. Fiktionswirkungen § 80 Abs. 5 VwGO der zutreffende Rechtsbehelf (vgl. dazu OVG Schleswig, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 4 MB 40/11 –, Seite 4 der Beschlussausfertigung). Hat die Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis keine gesetzliche oder behördlich angeordnete Erlaubniswirkung oder Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG beendet, so kann die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den ablehnenden Verwaltungsakt dem Antragsteller keinen rechtlichen Vorteil bringen. Denn seine Ausreisepflicht ist bereits gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG von Gesetzes wegen vollziehbar. Nach dieser Vorschrift ist die Ausreisepflicht vollziehbar, wenn der Ausländer noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nicht nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 20. November 2020 – 8 ME 109/20 –, Rn. 9, juris). Der bei dem Antragsgegner gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führte nicht nach § 81 Abs. 3 AufenthG zu einem vorläufig erlaubten Aufenthalt, weil der Antragsteller sich nicht – wie die Vorschrift es voraussetzt – rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Da der Antragsteller auch nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war, kommt auch eine Fiktion des Fortbestehens einer Aufenthaltserlaubnis nach § 81 Abs. 4 AufenthG nicht in Betracht. Hat ein Antrag auf Verlängerung oder Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis weder eine gesetzliche noch eine angeordnete Erlaubniswirkung oder Fiktionswirkung, die durch eine ablehnende Entscheidung der Ausländerbehörde beendet werden könnte, kommt vorläufiger Rechtsschutz nur nach § 123 VwGO in Betracht (Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 03. Juni 2020 – 2 M 35/20 –, juris).
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Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des Bescheides vom 31. Mai 2021 ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO statthaft, weil gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 248 Abs. 1 Satz 2 LVwG der Widerspruch gegen Maßnahmen, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden – dazu gehört auch der Erlass einer Abschiebungsandrohung – keine aufschiebende Wirkung hat.
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Der Antrag ist jedoch insoweit unbegründet, weil die Androhung der Abschiebung nach Kuba unter Bestimmung einer Frist für die freiwillige Ausreise in Ziffer 4 des Bescheides vom 31. Mai 2021 offensichtlich rechtmäßig ist, sodass die im Rahmen einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO erforderliche Interessenabwägung zulasten des Antragstellers ausfällt.
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Der Erlass einer Abschiebungsandrohung setzt grundsätzlich eine Ausreisepflicht voraus. Der Antragsteller ist nach § 50 Abs. 1 AufenthG kraft Gesetzes ausreisepflichtig. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. Der Antragsteller besitzt seit seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland, deren Zeitpunkt nicht näher belegt ist, keinen Aufenthaltstitel. Die Abschiebungsandrohung wurde nach Maßgabe des § 59 AufenthG erlassen. Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen 7 und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Die von dem Antragsgegner bestimmte Ausreisefrist bewegt sich nach Erhalt des Bescheides innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens und ist angemessen. Besondere Umstände des Einzelfalles, unter deren Berücksichtigung die Ausreisefrist gemäß § 59 Abs. 1 Satz 4 AufenthG für einen längeren Zeitraum hätte festgesetzt werden müssen, sind nicht ersichtlich. Das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung stünde gemäß § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dem Erlass der Abschiebungsandrohung nicht entgegen. Die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung würde auch nicht die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht voraussetzen (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Februar 2009 – 18 A 2620/08 –, juris). Die Ausreisepflicht ist daneben allerdings vorliegend zunächst bereits nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbar, weil der Antragsteller unerlaubt eingereist ist. Darüber hinaus ist die Ausreisepflicht nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vollziehbar, weil der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht gemäß § 81 Abs. 3 AufenthG bzw. § 81 Abs. 4 AufenthG zu einem als erlaubt bzw. fortbestehend geltenden rechtmäßigen Aufenthalt geführt hat.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Voraussetzung hierfür ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachsucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet, glaubhaft gemacht werden, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Das Gericht bestimmt dabei nach § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 938 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind.
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Der Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen unter Erteilung einer Duldung zur Vermeidung einer auch nur vorübergehenden Trennung des Antragstellers von seinem Kind abzusehen, ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Gerichts begründet. Dem Antragsteller steht ein im Wege der einstweiligen Anordnung zu sichernder Anspruch auf eine Aussetzung der Abschiebung zur Vermeidung einer Trennung von seiner Tochter zu. Es liegen gegenwärtig Gründe dafür vor, nach denen die Abschiebung des Antragstellers nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG rechtlich unmöglich wäre. Nach dieser Vorschrift ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
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Eine Abschiebung des Antragstellers erweist sich allerdings nicht im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG als rechtlich unmöglich im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG.
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In den Fällen, in denen der Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis eine Fiktionswirkung mit einhergehendem Bleiberecht (§ 81 Abs. 3 und 4 AufenthG) nach der Entscheidung des Gesetzgebers – so wie vorliegend – nicht auslöst, scheidet aus gesetzessystematischen Gründen die Erteilung einer Duldung für die Dauer des Erteilungsverfahrens grundsätzlich aus. Dieser Grundsatz beruht auf der Erwägung, dass dies der in den §§ 50, 58 Abs. 1 und 2, 81 Abs. 3 und 4 AufenthG zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertung widerspräche, die für die Dauer eines Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens ohne Hinzutreten besonderer Umstände nur unter den Voraussetzungen des § 81 AufenthG ein Bleiberecht gewährt. Eine spezielle „Duldung“ für die Dauer des ausländerbehördlichen Verfahrens bis zu einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung allein wegen des Vorliegens eines solchen behördlichen Verfahrens und eines etwaigen Anspruchs auf Aufenthaltserlaubnis kommt nicht in Betracht, weil das Gesetz einen solchen Fall grundsätzlich nicht vorsieht, sondern gerade ausschließt (Beschluss des Gerichts vom 10. August 2017 – 1 B 75/17 – mwN; OVG Münster, Beschluss vom 11. Januar 2016 – 17 B 890/15 –; OVG Magdeburg, Beschluss vom 14. Oktober 2009 – 2 M 142/09 –; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2006 – 7 S 65.05 –; VG Aachen, Beschluss vom 24. Mai 2016 – 8 L 1025/15 –; VG Trier vom 14. Dezember 2011 – 1 L 1537/11 TR – alle zitiert nach Juris; Bergmann/Dienelt Ausländerrecht, AufenthG § 81 Rn. 40-47, beck-online).
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Allerdings sind Ausnahmen von diesem Grundsatz insoweit anerkannt, als sich einer Abschiebung entgegenstehende rechtliche Hindernisse im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben können, die ihre Grundlage etwa in den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 (Leben und körperliche Unversehrtheit), Art. 6 Abs. 1 GG (Ehe und Familie) oder Art. 8 EMRK (Familien- und Privatleben) haben. Zum anderen können Abschiebungsverbote aber auch ausnahmsweise aus der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit einfachgesetzlichen Rechten folgen, wenn diese Rechte dem Ausländer eine Rechtsposition einräumen, die durch eine Abschiebung verloren gehen würde (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Dezember 2011 – 18 B 910/11 –, Rn. 4, juris). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn sich der Ausländer auf § 39 AufenthV (i.V.m. § 99 AufenthG) berufen kann, der die Möglichkeit der Einholung eines Aufenthaltstitels vom Bundesgebiet aus vorsieht. Denn in diesen Fällen würde das Recht, den Aufenthaltstitel ohne Durchführung des Visumverfahrens erhalten zu können, durch die Ausreise regelmäßig vereitelt.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen des insoweit für den Antragsteller in Betracht kommenden § 39 Nr. 5 AufenthV für eine inländische Titelbeantragung sind hier allerdings nicht gegeben. Danach kann ein Ausländer über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn seine Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung oder der Begründung einer Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet oder der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat.
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Der Antragsteller hat während seines Aufenthalts im Bundesgebiet keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben. Ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ist nur ein gesetzlicher Anspruch. Ein gesetzlicher Anspruch muss sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Ein derart strikter Rechtsanspruch setzt voraus, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, weil nur dann der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung über das zu erteilende Aufenthaltsrecht getroffen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 1 C 31/14 –, BVerwGE 153, 353-360, Rn. 21; Urteil vom 10. Dezember 2014 – 1 C 15/14 –, Rn. 15, juris). Ansprüche aufgrund einer Ermessensvorschrift führen hingegen nicht zu einem gesetzlichen Anspruch, und zwar auch dann nicht, wenn das Ermessen im Einzelfall „auf Null“ reduziert ist (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 04. Mai 2020 – 10 ZB 20.666 –, Rn. 7, juris).
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Ein Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge für sein minderjähriges Kind, das die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, besteht nicht, weil es bei dem Antragsteller an der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG fehlt. Diese Vorschrift setzt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass kein Ausweisungsinteresse besteht. Zwar kann nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von § 5 Abs. 1 Nr. 2 abgesehen werden, diese Entscheidung steht jedoch im Ermessen der Behörde, sodass ein Anspruch im Sinne von § 39 Nr. 5 AufenthV ausscheidet.
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Für das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer tatsächlich ausgewiesen werden könnte. Vielmehr reicht es aus, dass ein Ausweisungsinteresse gleichsam abstrakt, also nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen, vorliegt, wie es insbesondere im Katalog des § 54 AufenthG normiert ist. Der Begriff des Ausweisungsinteresses verweist auf das Ausweisungsrecht und greift die in § 53 Abs. 1, § 54 AufenthG gewählte und anhand von Beispielen erläuterte Begriffsbildung auf (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 1 C 16/17 –, BVerwGE 162, 349-363, Rn. 15). Auch allein generalpräventive Gründe können ein Ausweisungsinteresse begründen. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG muss für eine Ausweisung der weitere Aufenthalt eine Gefährdung bewirken. Vom Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn von ihm selbst keine (Wiederholungs-)Gefahr mehr ausgeht, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 1 C 16/17 –, BVerwGE 162, 349-363, Rn. 16). Für die zeitliche Begrenzung eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses, das an strafrechtlich relevantes Handeln anknüpft, hält das Bundesverwaltungsgericht für die vorzunehmende gefahrenabwehrrechtliche Beurteilung eine Orientierung an den Fristen der §§ 78 ff. StGB zur Strafverfolgungsverjährung für angezeigt. Diese verfolgen zwar einen anderen Zweck, geben dem mit zunehmendem Zeitabstand eintretenden Bedeutungsverlust staatlicher Reaktionen (die an Straftaten anknüpfen) aber einen zeitlichen Rahmen, der nicht nur bei repressiven Strafverfolgungsmaßnahmen, sondern auch bei der Bewertung des generalpräventiven Ausweisungsinteresses herangezogen werden kann. Dabei bildet die einfache Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 StGB, deren Dauer sich nach der verwirklichten Tat richtet und die mit Beendigung der Tat zu laufen beginnt, eine untere Grenze. Die obere Grenze orientiert sich hingegen regelmäßig an der absoluten Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB, die regelmäßig das Doppelte der einfachen Verjährungsfrist beträgt. Innerhalb dieses Zeitrahmens ist der Fortbestand des Ausweisungsinteresses anhand generalpräventiver Erwägungen zu ermitteln. Bei abgeurteilten Straftaten (hier: die beiden durch Strafbefehl geahndeten Verstöße gegen Aufenthaltsbestimmungen) bilden die Tilgungsfristen des § 46 BZRG zudem eine absolute Obergrenze, weil nach deren Ablauf die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten werden dürfen (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 – 1 C 16/17 –, BVerwGE 162, 349-363, Rn. 23).
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Es liegt bei dem Antragsteller ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG vor, weil er einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Diese Vorschrift ist dahin zu verstehen, dass ein Rechtsverstoß nur dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt und geringfügig ist, andererseits aber immer dann beachtlich ist, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig oder geringfügig, aber nicht vereinzelt ist. Der Begriff der Geringfügigkeit erfordert eine wertende und abwägende Beurteilung insbesondere der Begehungsweise, des Verschuldens und der Tatfolgen. Eine vorsätzlich begangene Straftat ist grundsätzlich nicht geringfügig. Nur unter engen Voraussetzungen kann es bei vorsätzlich begangenen Straftaten Ausnahmefälle geben, in denen der Rechtsverstoß als geringfügig zu bewerten ist. Als geringfügige Verstöße kommen grundsätzlich Straftaten in Betracht, die zu einer Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 153 Abs. 2 StPO geführt haben oder wenn besondere Umstände des Einzelfalls zu der Bewertung führen, dass es sich um einen geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2004 – 1 C 23.03 –, juris; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. Juni 2021 – 3 B 14/21 –, Rn. 11 - 12, juris). Der Antragsteller ist unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist und hält sich seit seiner Einreise hier unerlaubt auf. Er ist deswegen vom Amtsgericht Eckernförde wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 95 AufenthG zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen durch Strafbefehl vom 10. November 2020 verurteilt worden. Damit liegt kein geringfügiger Verstoß vor, sodass die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Ausweisungsinteresse vorliegen. Das zumindest durch generalpräventive Gründe getragene Ausweisungsinteresse ist auch noch hinreichend aktuell. Für die dem Antragsteller zur Last gelegte Tat beträgt die einfache Verjährungsfrist drei Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB), weil die Tat mit einer Freiheitsstraße bis zu einem Jahr bedroht ist. Die absolute Verjährungsfrist beträgt sechs Jahre (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB). Die einfache Verjährungsfrist ist noch nicht abgelaufen.
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Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis könnte darüber hinaus auch entgegenstehen, dass der Antragsteller nicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben nicht bereits im Visumsantrag gemacht hat. Von diesem Erfordernis kann nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind, dies ist nur dann der Fall, wenn ein strikter Rechtsanspruch besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2010 - 1 C 17.09, Rn. 27 und Urteil vom 10. Dezember 2014 - 1 C 15.14, Rn. 19, beide juris), was vorliegend wegen des bestehenden Ausweisungsinteresses nicht der Fall ist, oder es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen.
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Die durch die Nachholung des Visumverfahrens voraussichtlich erforderliche Zeit, die mit der Trennung des Antragstellers von seinem einjährigen Kind zwingend verbunden ist, könnte vorliegend dazu führen, dass es deshalb für den Antragsteller nicht zumutbar wäre, das Visumverfahren nachzuholen, weil sich trotz der bereits erteilten Vorabzustimmung des Antragsgegners zur Erteilung eines Visums gegenüber der deutschen Botschaft in Havanna der Trennungszeitraum gegenwärtig wegen nicht absehbarer Sanktionen der kubanischen Behörden wegen der langjährigen Abwesenheit des Antragstellers nicht hinreichend sicher zu prognostizieren ist. Dann würde wegen der voraussichtlich unabsehbaren Trennungsdauer ein rechtliches Abschiebungshindernis im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG vorliegen.
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Eine Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens oder eine rechtliche Unmöglichkeit einer Abschiebung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann sich aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, die aus Verfassungsrecht etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG oder aus Art. 8 Abs. 1 EMRK herzuleiten sind. Nach Art. 6 Abs. 1 GG schutzwürdige Belange können einer Beendigung des Aufenthalts dann entgegenstehen, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine familiären Bindungen durch Ausreise auch nur kurzfristig zu unterbrechen (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1997 – 1 C 9.95 –, BVerwGE 105, 35, 39 f.; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 20. Mai 2009 – 11 ME 110/09 –, juris Rn. 10; jeweils m.w.N.). Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst das Recht auf ein familiäres Zusammenleben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12. Mai 1987 – 2 BvR 1226/83 u.a. –, BVerfGE 76, 1, 42). Er knüpft dabei nicht an bloße formalrechtliche familiäre Bindungen an. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern, mithin eine tatsächlich bestehende familiäre Lebensgemeinschaft (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 2. Februar 2011 – 8 ME 305/10 –, InfAuslR 2011, 151 m.w.N.). Art. 6 Abs. 1 GG schützt die Familie zunächst als tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft der Kinder und ihrer Eltern. Von einer solchen familiären Lebensgemeinschaft ist vorliegend auszugehen. Der Antragsteller kümmert sich seit der Geburt um das Kind, er lebt zusammen mit seiner Ehefrau und dem Kind in einer familiären Lebensgemeinschaft.
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Dieser beschriebenen verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1999 – 2 BvR 1523/99 –, InfAuslR 2000, S. 67, 68; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 – 2 BvR 1935/05 –, NVwZ 2006, 682, 683). Kann die bereits gelebte Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, weil weder dem Kind noch seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland zumutbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 – 2 BvR 1935/05 –, NVwZ 2006, S. 682 f.), so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor der Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2002 – 2 BvR 231/00 –, InfAuslR 2002, S. 171 ff.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Mai 2008 – 2 BvR 588/08 –, InfAuslR 2008, S. 347, 348).
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Im Zuge dieser Verpflichtung der Ausländerbehörde ist bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes im Einzelfall umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu jedem Elternteil und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen. Ein hohes, gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn – wie vorliegend – ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 – 2 BvR 1935/05 –, juris).
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Es ist mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art 6 GG aber grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen, wobei die Möglichkeit, im Einzelfall gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG hiervon abzusehen, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 4. Dezember 2007 – 2 BvR 2341/06 –, juris). Soweit der Antragsteller die Einholung des erforderlichen Visums zum Familiennachzug als „bloße Förmlichkeit“ ansieht, ist dem nicht zu folgen. Das Visumverfahren ist vielmehr von elementarer Bedeutung als Steuerungsinstrument für die Zuwanderung in das Bundesgebiet (BVerwG, Urteil vom 16. November 2010 – 1 C 17/09 –, BVerwGE 138, 122-135, Rn. 19).
- 38
Dass der Ausländer ein kleines Kind hat, das die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, ist regelmäßig nicht als besonderer Umstand des Einzelfalls zu werten, der die Nachholung des Visumverfahrens schon allein deshalb unzumutbar macht, da es im Verantwortungsbereich des Ausländers liegt, die Ausreisemodalitäten und den Ausreisezeitpunkt in Absprache mit der zuständigen Ausländerbehörde so familienverträglich wie möglich zu gestalten. Allerdings muss die Dauer des Visumverfahrens absehbar sein. Dazu muss geklärt sein, ob die grundsätzliche Möglichkeit zum Familiennachzug besteht (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10. März 2021 – 10 CE 20.2030 –, Rn. 23 - 24, juris) und das Gericht muss konkret eine Vorstellung darüber entwickeln, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 05. Juni 2013 – 2 BvR 586/13 –, Rn. 14, juris). Kann eine nur vorübergehende Trennung als nicht zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet, gilt dies erst recht, wenn das Gericht nicht hinreichend absehen kann, wie lange der Ausländer von seinem kleinen Kind getrennt sein wird, weil noch nicht hinreichend sicher feststeht, dass auch tatsächlich die Möglichkeit des Familiennachzugs zu dem Kind besteht (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 22. Januar 2019 – 10 CE 19.149 –, juris).
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Unter Anlegung dieser Maßstäbe wäre die durch die Nachholung des Visumverfahrens eintretende Trennung des Antragstellers von seinem Kind jedenfalls für eine gewisse kurze Zeit hinzunehmen; sie wäre dann hier mit dem verfassungsrechtlich bzw. menschenrechtlich gebotenen Schutz von Ehe und insbesondere Familie im Sinne von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK vereinbar, wenn hinreichend sicher feststeht, dass die Trennung nicht einen etwa 3-4 Monate langen Zeitraum überschreiten wird.
- 40
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die schützenswerte Vater-Kind-Beziehung keine derartige zeitliche Unterbrechung erfahren darf, die zu einem vollständigen Verlust derselben führt. Gerade in dem hier gegebenen Kindesalter von nur etwas mehr als einem Jahr ist der Aufbau einer sicheren Bindung angesichts der Entwicklung des Kindes von einem regelmäßigen persönlichen Kontakt des Kindes zu den Eltern abhängig. Der persönliche Kontakt zu der Mutter ist weiterhin ununterbrochen gewährleistet. Eine den Zeitraum von etwa 3 - 4 Monaten deutlich übersteigende Trennungszeit des Kindes von dem anderen Elternteil, hier dem Vater, dürfte im Sinne des Kindeswohls nicht mehr hinnehmbar sein. Wegen der bestehenden Bindungen des Kindes zur Mutter würden damit zwar nicht unbedingt seelische Schäden des Kindes drohen. Damit wäre jedoch die auch aus beruflichen Gründen bei anderen Paaren gelegentlich übliche Trennungszeit des anderen Elternteils überschritten und der andere Elternteil für einen wesentlichen Zeitraum von dem Kontakt zum Kind ausgeschlossen. Bei Kleinkindern von unter 3 Jahren, bei denen eine Trennungszeit von einem Elternteil von über 6 Monaten infrage steht und bei denen dadurch etwa ein halbes Jahr mehr als ein Sechstel des eigenen Lebens ausmachen würde, wäre mit der Nachholung des Visumsverfahrens zuzuwarten, bis das Kind dem Kleinkindalter entwachsen ist und ihm die Möglichkeit offensteht, den Kontakt zu der Bezugsperson anderweitig, etwa brieflich oder telefonisch, weiter aufrecht zu erhalten (vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 2. November 2012 – 3 B 199/12 –, Rn. 3, juris).
- 41
Es ist nach dem Ergebnis der Ermittlungen des Antragsgegners gegenwärtig noch nicht hinreichend sichergestellt, dass der Antragsteller das Visumsverfahren insgesamt innerhalb eines Zeitraums von voraussichtlich weniger als 3-4 Monaten nachholen könnte. Dies ergibt sich aus Folgendem:
- 42
Der Antragsteller könnte zwar einen Termin bei der deutschen Botschaft auch schon online von Deutschland aus beantragen, um die Trennungszeit zu verkürzen. Es sind aktuell bei der deutschen Botschaft im August noch einige wenige Termine und dann im Monat September fast täglich Termine verfügbar. Es gibt auch Flüge nach Kuba, eine mögliche Quarantäne könnte bei negativem PCR-Test etwa nach 7 Tagen beendet werden. Die deutsche Botschaft hat gegenüber dem Antragsgegner auf Anfrage mitgeteilt, dass es keinen Bearbeitungsstau gebe. Anträge, bei denen – wie vorliegend – eine Vorabzustimmung vorhanden sei, könnten innerhalb weniger Arbeitstage abgeschlossen werden. Dies würde dazu führen, dass der Antragsteller bereits nach nur wenigen (je nach Umständen etwa 3-4) Wochen das erforderliche Visum erhalten würde.
- 43
Allerdings ist gegenwärtig trotz der vorliegenden E-Mail der deutschen Botschaft vom 25. Februar 2021 noch nicht hinreichend sicher geklärt, dass die kubanischen Behörden den Antragsteller auch wieder aus Kuba ausreisen lassen. Der Antragsteller hat dazu vorgetragen, dass er bei der Verlängerung seines Reisepasses im Jahre 2017 bei der kubanischen Botschaft die Auskunft erhalten habe, dass es bei einer Wiederausreise nach Rückkehr Schwierigkeiten geben könnte. Weiter hat der Antragsteller vorgetragen, dass ihm dies bestätigt worden sei bei der Botschaft, als er dort die notwendigen Dokumente für die Eheschließung beantragt habe. Für eine ihn treffende Ausreisesperre wegen eines längeren Auslandsaufenthaltes ohne Genehmigung der kubanischen Behörden hat der Antragsteller trotz Aufforderung des Antragsgegners keine konkreten Belege vorgelegt, jedoch erscheint der Kammer gegenwärtig aufgrund der allgemein vorliegenden Erkenntnisse noch nicht hinreichend sichergestellt, dass eine solche Ausreisesperre nicht doch verhängt werden würde und es deshalb zu einem längeren Trennungszeitraum kommen könnte.
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Der Verstoß gegen Ausreisevorschriften durch eigene Staatsangehörige ist in der Vergangenheit vor 2013 in Kuba verhältnismäßig streng geahndet worden (vgl. dazu Accord, Anfrage Beantwortung zu Kuba: Legale und illegale Ausreisen; Sanktionen bei Verstoß gegen einschlägige Regelungen ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation: „Anfragebeantwortung zu Kuba: Legale und illegale Ausreisen; Sanktionen bei Verstoß gegen einschlägige Regelungen/ Vorschriften (inkl. Asylantragstellung im westlichen Ausland) [a-8111]“, Dokument #1176684 - ecoi.net . Seit dem 14. Januar 2013 bedarf es für die Ausreise keiner Ausreiseerlaubnis mehr, sondern es genügt ein Reisepass für kubanische Staatsangehörige. Anders als früher können kubanische Staatsangehörige jetzt ohne weitere Angabe bis zu 24 Monate im Ausland bleiben, mit Verlängerungsoption (vgl. dazu Ein Jahr Reisefreiheit in Kuba: Die Kehrseite der Medaille - taz.de ). Ein allgemeines Recht auf Ausreise wurde den Kubanern von ihrer Regierung aber auch nach dem neuen Gesetz weiterhin ebenso verwehrt wie das allgemeine Recht auf Wiedereinreise nach Kuba aus dem Ausland. Das Gesetz erwähnt ausdrücklich, dass jeder Person (nicht nur Kubanern) die Ausreise aus Kuba versagt werden kann, wenn die zuständigen Behörden dies aus unbestimmten „Gründen des öffentlichen Interesses“ bestimmen (vgl. dazu Menschenrechtssituation in Kuba – Wikipedia unter Bezug auf den Wortlaut des ab dem 14. Januar 2013 geltenden Migrationsgesetzes). Der Antragsteller hält sich mindestens seit mindestens 2017 nicht in Kuba auf, denn sein im Jahre 2017 durch die kubanische Botschaft neu ausgestellter Reisepass enthält keine entsprechenden Sichtvermerke.
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Der Antragsteller könnte damit gegen die Bestimmungen über die zulässige Ausreisedauer verstoßen haben. Vor diesem Hintergrund genügt die allgemein gehaltene Auskunft der deutschen Botschaft vom 25. Februar 2021 allein noch nicht, um eine hinreichende Gewissheit über die Dauer des Trennungszeitraums des Antragstellers von seiner Tochter für die Nachholung des Visumverfahrens zu erhalten. Dazu sind noch weitere Erkenntnisse erforderlich. Erforderlich wäre insoweit zumindest eine zusätzliche Begründung unter Bezug auf die aktuelle Rechtslage und Rechtspraxis in Kuba dazu, ob und gegen welche Rechtsvorschriften der Antragsteller durch seinen langjährigen Auslandsaufenthalt verstoßen haben könnte, welche Sanktionen ihm deshalb in Kuba drohen könnten und ob eine solche Sanktion auch die Verhängung einer (möglicherweise vorübergehenden) Ausreisesperre beinhalten könnte. Bei Vorliegen weiterer Erkenntnisse könnte der Antragsgegner dann erneut über die Frage der Abschiebung oder deren weitere Aussetzung entscheiden, die Kammer hat deshalb die Verpflichtung des Antragsgegners beschränkt.
- 46
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG.
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- §§ 78 ff. StGB 1x (nicht zugeordnet)
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- VwGO § 123 5x
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- AufenthV § 39 Verlängerung eines Aufenthalts im Bundesgebiet für längerfristige Zwecke 3x
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