Urteil vom Verwaltungsgericht Schwerin (3. Kammer) - 3 A 979/13
Tenor
Unter Aufhebung gegebenenfalls entgegenstehender Bescheide wird der Beklagte zur Zahlung von 1.935,01 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 3. Juli 2013 verurteilt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Rückzahlung einer von ihm geleisteten Überzahlung.
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Ein Funktionsvorgänger des Beklagten förderte in den 1990er Jahren Kanalbaumaßnahmen des Klägers. Nach deren Abschluss (und Prüfung des Verwendungsnachweises) erließ der Beklagte unter dem 07.07.2011 einen „Änderungsbescheid und Anhörung zur Zinserhebung“, wonach er (u. a.) den gewährten Zuschuss um einen bestimmten Betrag verringerte. Aufgrund der Tatsache, dass der Kläger bereits im Jahre 2000 einen Betrag an den Beklagten zurück überwiesen hatte, der den nunmehr endgültig festgesetzten Zuwendungsbetrag um 1.935,01 € überstieg, würden die zuviel zurück gezahlten Fördermittel in Höhe von 1.935,01 € mit der Zinsforderung verrechnet. Weiterhin enthält dieser Bescheid eine Anhörung zur Erhebung von Vorgriffszinsen über einen Betrag von insgesamt 7.993,31 €; hierzu erhalte der Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Unter dem 07.10.2011 erließ der Beklagte einen Zinsbescheid, wonach er vom Kläger Vorgriffszinsen in Höhe von 6.058,30 €, nämlich 7.993,31 € abzüglich verrechneter 1.935,01 €, forderte. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der unter dem Az: 3 A 1630/11 geführten Klage. Diesen Zinsbescheid hob der Beklagte mit Bescheid vom 04.04.2013 auf; die zu viel zurückgezahlten Fördermittel in Höhe von 1.935,01 € würden dem Kläger erstattet. Unter dem 31.05.2013 nahm der Beklagte diesen Bescheid insoweit zurück, als er sich auf die Verrechnung der zuviel zurückgezahlten Fördermittel in Höhe von 1.935,01 € beziehe; der Betrag werde nicht erstattet. Dieser Bescheid wurde am 05.06.2013 abgesandt.
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Die Klägerin hat am 03.07.2013 Klage erhoben, mit der sie sich gegen diesen Teilrücknahmebescheid wendet; sie habe einen Rückzahlungsanspruch. Dieser sei insbesondere nicht – wie der Beklagte im Rahmen des Klageverfahrens geltend gemacht habe – verjährt. Bereits im Änderungsbescheid vom 07.07.2011 sei mit der Regelung, dass die zuviel zurück gezahlten Fördermittel in Höhe von 1.935,01 € mit der Zinsforderung verrechnet würden, ein Anerkenntnis nach § 212 Abs. 1 BGB zu sehen, welches zum Neubeginn des Laufs der Verjährung geführt habe.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung gegebenenfalls entgegenstehender Bescheide zur Zahlung von 1.935,01 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 3. Juli 2013 zu verurteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Verrechnung des von ihm überobligatorisch erstatteten Betrages mit dem Anspruch auf Vorgriffszinsen zulässig. Maßgebend hierfür sei der Zeitpunkt, zu dem erstmals aufgerechnet habe werden können, § 215 BGB. Dies sei bereits mit Eingang des Betrages von 1.935,01 € beim Beklagten in Juli 2000 der Fall gewesen. Denn die zur Aufrechnung gestellten Vorgriffszinsen seien bereits im Zeitraum von Dezember 1995 bis Juni 1999 entstanden und hätten also – sofern der Beklagte von der Existenz des Zinsanspruches gewusst hätte - auch schon früher geltend gemacht werden können; die Verjährungsfrage habe sich im Juli 2000 noch nicht gestellt.
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Im Übrigen sei die Hauptforderung, gegen die der Beklagte aufgerechnet habe, verjährt. Hauptforderung sei der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch des Klägers wegen einer über den geschuldeten Betrag hinaus rechtsgrundlos geleisteten Zahlung an den Beklagten in Höhe von umgerechnet 1.935,01 €. Dieser Anspruch sei analog § 199 Abs. 4 BGB kenntnisunabhängig in 10 Jahren verjährt. Wegen Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB sei die Verjährungsfrist ab dem 1. Januar 2002 an zu berechnen, sie habe damit mit Ablauf des 31. Dezember 2011 geendet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der hierzu gereichten Verwaltungsvorgänge.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg; der vom Kläger gegenüber dem Beklagten geltend gemacht Zahlungsanspruch besteht.
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Insbesondere steht dem nicht eine Bestandskraft des Teilrücknahmebescheides vom 31.05.2013 entgegen. Da dieser am 05.06.2013 zur Post gegeben worden ist, ist die Klageerhebung (am 03.07.2013) binnen Monatsfrist nach Bekanntgabe des Teilrücknahmebescheides erfolgt.
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Zweifelsfrei hat der Kläger im Jahre 2000 einen (DM-)Betrag an das Land zurückgezahlt, der nach dem Ergebnis der Prüfung des Verwendungsnachweises des Klägers durch das Staatliche Amt für Natur und Umwelt A-Stadt den Erstattungsanspruch des Landes um (nunmehr) 1.935,01 € überstieg; dies bestätigt auch der (die Fördermaßnahme formell abschließende) „Änderungsbescheid und Anhörung zur Zinserhebung“ des Beklagten vom 07.07.2011. Hieraus resultiert ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten.
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In dem zitierten Bescheid findet sich – der Stellung nach im Tenor des Bescheides, da vor dessen Begründung platziert – eine Verrechnungs-/Aufrechnungserklärung oder die Ankündigung einer solchen. Der Bescheid erscheint insoweit nicht eindeutig.
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Auch lässt sich dem Bescheid nicht entnehmen, dass dem Beklagten bewusst gewesen wäre, dass er eine Aufrechnung nicht (als hoheitliche Maßnahme) verfügen konnte, sondern es sich insoweit um eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Privatrechts handelt – nämlich um ein Gestaltungsrecht des allgemeinen Schuldrechts, das dem Staat nicht anders als jedem anderen Teilnehmer am Rechtsverkehr zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.11.2008 - 3 C 13/08 -, BVerwGE 132, 250, und NJW 2009, 1099).
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Konsequenz einer wirksamen Aufrechnungserklärung – eine solche vorliegend unterstellt - ist ein Erlöschen der Forderungen, soweit sie sich decken, zu dem Zeitpunkt, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenüber getreten sind, § 389 BGB. Allerdings erfordert eine Aufrechnung neben der Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen auch deren Fälligkeit; der Gläubiger kann erst aufrechnen, wenn er die ihm gebührende Leistung fordern kann, § 387 BGB. Hieran fehlt es vorliegend.
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Denn es ist gerade nicht so, dass bereits „seinerzeit“, nämlich beim Eingang der Überzahlung beim Beklagten im Jahre 2000, ein Anspruch des Beklagten in Gestalt auf Zahlung von Vorgriffszinsen entstanden und fällig gewesen wäre. Bei diesen Zinsen gemäß § 49a Abs. 4 Satz 1 VwVfG handelt es sich um solche, deren Erhebung im Ermessen der Behörde steht. Sie entstehen damit erst mit ihrer Geltendmachung durch Bescheid und werden auch erst dann fällig (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2005 - 8 C 5/04 -,. BVerwGE 123, 303, und NVwZ 2005, 964). Damit kam eine Aufrechenbarkeit nach § 387 BGB erst nach Erlass eines entsprechenden Zinsbescheides vom 07.10.2011 in Betracht, erst dann konnte der Beklagte „die ihm gebührende Leistung“ fordern. Der Bescheid vom 07.07.2011 enthält danach keine wirksame Aufrechnungserklärung.
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Dass eine solche Erklärung im Zinsbescheid vom 07.10.2011 enthalten ist, sieht die Kammer nicht. Denn dieser Bescheid enthält seinerseits keine Aufrechnungserklärung, zudem tenoriert er lediglich einen Betrag, der sich „abzüglich verrechneter 1.935,01 Euro“ berechnet; es wird davon ausgegangen, dass eine Verrechnung bereits erfolgt ist.
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Im Übrigen hat der Beklagte mit Bescheid vom 04.04.2013 den Zinsbescheid vom 07.10.2011 aufgehoben; es verbleiben keine Regelungen aus diesem Bescheid, auf die der Beklagte sich noch berufen könnte.
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Demgemäß bestand der öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch im April 2013 nach wie vor; die Passage im Bescheid vom 04.04.2013, die zu viel zurückgezahlten Fördermittel in Höhe von 1.935,01 € würden dem Kläger erstattet, trug in zutreffender Weise der Rechtslage Rechnung. (Auch die Frage, ob diese Passage lediglich als Ankündigung eines Realaktes zu bewerten ist oder als Verwaltungsakt, mag offenbleiben). Hieraus folgt, dass der (eindeutig als Verwaltungsakt zu qualifizierende) Teilrücknahmebescheid vom 31.5.2013 rechtswidrig ist; es fehlt jedenfalls an einem rechtwidrigen Verwaltungsakt, der aufzuheben gewesen wäre.
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(Angesichts dessen, dass nach den vorgelegten Vorgängen auch nicht ansatzweise nachzuvollziehen ist, aufgrund welcher Erwägungen im Rahmen der Abwicklung des Verfahrens - es war bereits um Mitteilung der Bankverbindung des Klägers gebeten worden - der Beklagte in Person desselben Mitarbeiters, der unter dem 17.04.2013 festgestellt hatte, dass die geleistete Zahlung wieder zu erstatten sei, eine „Kehrtwende“ vollzogen hat, ist die Unvollständigkeit der überreichten Verwaltungsvorgänge zu konstatieren.)
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Schließlich steht dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch des Klägers auch nicht eine (wirksame) Einrede der Verjährung seitens des Beklagten entgegen.
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Zutreffend ist, dass seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes kenntnis-unabhängig ein Anspruch innerhalb von 10 Jahren verjährt, § 199 Abs. 4 BGB, und dass eine Verjährung mit dem 01.01.2002 zu laufen begonnen hat. Durch die geschilderten Unternehmungen des Beklagten im Jahre 2011, wie immer sie auch rechtlich zu werten sein mögen, hat er indessen deutlich gemacht, dass er den klägerischen Rückzahlungsanspruch für gegeben / für berechtigt erachtet – mit einem nicht existenten Anspruch hätte er nicht aufrechnen können (und wohl auch nicht wollen). Damit ist aber die Variante des § 212 Abs. 1 Nr. 1 letzte Alternative BGB gegeben, der Fall einer „in anderer Weise“ als durch Abschlagszahlungen, Zinszahlungen oder Sicherheitsleistungen erfolgten Anerkennung des Anspruch – mit der Konsequenz eines Neubeginns der Verjährung. Eine solche „Anerkennung“ ist nach dem Ausgeführten wohl bereits im „Änderungsbescheid und Anhörung zur Zinserhebung“ vom 07.07.2011, jedenfalls aber in dem Zinsbescheid vom 07.10.2011 zu sehen, also zu „unverjährter“ Zeit.
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Ob darüber hinaus auch die Klageerhebung im Verfahren 3 A 1244/11 am 25.07.2011, mit der sich der Kläger gegen eine Verrechnung seiner Überzahlung in Höhe der besagten 1.935,01 € mit (noch nicht festgesetzten) Zinsforderungen gewandt hat, entsprechend § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu einer Hemmung der Verjährung geführt hat, mag offenbleiben.
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Soweit im Tenor „gegebenenfalls entgegenstehende Bescheide“ angesprochen sind, trägt dies dem Umstand Rechnung, dass der „Änderungsbescheid und Anhörung zur Zinserhebung“ vom 07.07.2011 jedenfalls den Anschein erweckt, als solle durch ihn hinsichtlich einer Verrechnung eine hoheitliche Regelung getroffen werden. Auch die Unklarheiten im Zinsbescheid vom 07.10.2011 hinsichtlich der Frage, ob in ihm eine „Verrechnung“ zu sehen ist, legen eine Aufhebung insoweit nahe. Der Teilrücknahmebescheid vom 31.05.2013 ist uneingeschränkt aufzuheben.
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Der Zinsanspruch (auf Prozesszinsen) beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 BGB analog.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Nebenentscheidung im Übrigen beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 709 ZPO.
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Beschluss
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Der Streitwert wird auf 1.935,- Euro festgesetzt, § 52 Abs. 3 GKG.
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Referenzen
- VwGO § 167 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- 3 C 13/08 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 4 EGBGB 1x (nicht zugeordnet)
- 3 A 1244/11 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 212 Neubeginn der Verjährung 2x
- 8 C 5/04 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 204 Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung 1x
- VwGO § 154 1x
- BGB § 215 Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht nach Eintritt der Verjährung 1x
- BGB § 389 Wirkung der Aufrechnung 1x
- VwVfG § 49a Erstattung, Verzinsung 1x
- BGB § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen 2x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- BGB § 387 Voraussetzungen 2x
- BGB § 291 Prozesszinsen 1x
- 3 A 1630/11 1x (nicht zugeordnet)