Urteil vom Verwaltungsgericht Sigmaringen - 1 K 1631/05

Tenor

Soweit die Hauptsache für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt.

Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung vom 26.02.1996 sowie der Abschiebung am 29.10.1996 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte zu 3/5, der Kläger zu 2/5.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Rücknahme seiner im Jahre 1996 erfolgten Ausweisung aus dem Bundesgebiet, hilfsweise die Bescheidung seines Befristungsantrages.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und wurde 1975 im Bundesgebiet geboren. Er wuchs zusammen mit 4 Geschwistern bei seinen in Ulm wohnhaften Eltern auf. Der Kläger besuchte zunächst 3 Jahre lang die Grundschule und sodann die P.-Schule in U. Über einen Schulabschluss verfügt er nicht. Nach der Sonderschule absolvierte der Kläger an der R.-Schule in U. ein Berufsvorbereitungsjahr. In der Folgezeit arbeitete er zeitweilig als Reinigungskraft. Ausweislich der Feststellungen im Urteil des Urteil des Amtsgerichts Ulm vom 03.07.1995 war der Kläger von August 1993 bis zu seiner Inhaftierung am 05.04.1995 arbeitslos. Der Kläger ist seit dem 23.08.1994 mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet und Vater zweier in den Jahren 1995 und 1999 geborener Kinder.
Für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet war der Kläger zuletzt im Besitz einer bis 23.10.1994 gültigen Aufenthaltserlaubnis. Am 27.12.1994 beantragte er eine Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis, worauf ihm eine bis zum 27.02.1995 befristete Duldung erteilt wurde.
Bis zu seiner Inhaftierung am 05.04.1995 trat der Kläger mehrfach strafrechtlich in Erscheinung. U. a. wurde er durch Urteil des Amtsgerichts Ulm vom 12.12.1994 wegen Diebstahls in 19 Fällen, des versuchten Diebstahls in 2 Fällen, des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 4 Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Versicherungsschutz, in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren verurteilt, wobei die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung zunächst zurückgestellt wurde. Zuletzt verurteilte ihn das Amtsgerichts Ulm am 03.07.1995 unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Ulm vom 12.12.1994 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten. Wegen dieser Verurteilung befand sich der Kläger seit 05.04.1995 in Untersuchungs- und nachfolgend bis zu seiner Abschiebung in Strafhaft.
Mit Verfügung vom 26.02.1996 wies die Stadt Ulm den Kläger aus dem Bundesgebiet aus und lehnte seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, der Kläger habe durch seine Straftaten den Regelausweisungstatbestand des § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG erfüllt. Er verfüge über keinen besonderen Ausweisungsschutz, so dass die Regelausweisung nicht zur Ermessensausweisung herabgestuft werde. Ein atypischer Fall, der ein Absehen von der Regelausweisung rechtfertigen könnte, liege im Fall des Klägers weder hinsichtlich der begangenen Straftaten noch der persönlichen Verhältnisse noch Art. 8 EMRK vor. Auf Art. 3 Nr. 3 des Europäischen Niederlassungsabkommens könne er sich nicht berufen, da sein Aufenthalt seit Ablauf der zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis am 23.10.1994 bis zu seinem Verlängerungsantrag, der am 27.12.1994 bei der Stadt Ulm eingegangen sei, nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Dasselbe gelte für die einschlägigen Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses EG/Türkei, da der Kläger derzeit nicht in einem seit mindestens einem Jahr andauernden Beschäftigungsverhältnis bei demselben Arbeitgeber stehe. Den Widerspruch des Klägers wies das Regierungspräsidium Tübingen mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.1996 als unbegründet zurück. Auch das Regierungspräsidium ging von einer Regelausweisung des Klägers aus. Darüber hinaus führte es aus, dass eine Ausweisung des Klägers auch nach den §§ 45 Abs. 1 und 46 Nr. 2 AuslG ermessensgerecht wäre. Die dagegen vom Kläger erhobene Klage (1 K 2201/96) nahm der Kläger am 19.12.1996 zurück. Ein zuvor gestellter Eilantrag wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29.08.1996 (1 K 1191/96) abgelehnt.
Am 29.10.1996 wurde der Kläger in die Türkei abgeschoben.
Am 11.09.2000 wandte sich der Kläger mit einem Schreiben an das Ausländeramt der Stadt Ulm, in dem er seinen Willen zum Ausdruck brachte, zurück nach Deutschland zu kommen. Als er in die Türkei abgeschoben worden sei, habe man ihm gesagt, dass man in 5 Jahren wieder nach Deutschland zurück könne. Daraufhin wurde dem Kläger mit Schreiben vom 30.10.2000 mitgeteilt, dass die Stadt Ulm keine Möglichkeit sehe, einer Befristung der Ausweisungsverfügung näher zu treten. Selbst im Falle der Befristung der Ausweisungsverfügung könne der Kläger nicht wieder auf Dauer in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, nachdem seine Ehefrau und seine Kinder in der Türkei wohnten.
Am 01.03.2004 wurde dem Kläger von der Stadt Ulm eine Betretenserlaubnis für 10 Tage ab Einreise erteilt. Als Grund hierfür wurde angegeben, dass es dem Vater des Klägers, der in Deutschland lebe, sehr schlecht gehe. Er liege in einer Art Wachkoma und wolle seinen Sohn sehen. Die Familie habe bei der Stadt Ulm eine Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500 EUR hinterlegt.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.06.2005 ließ der Kläger bei der Stadt Ulm die Rücknahme der Ausweisungsverfügung, hilfsweise ihre sofortige Befristung beantragen. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass der Kläger erst jetzt erfahren habe, dass sich die Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz nach Gemeinschaftsrecht geändert habe und deshalb die Möglichkeit bestehe, die Rücknahme gemeinschaftswidriger Ausweisungen zu verlangen. Des Weiteren ließ der Kläger unter Hinweis auf den Gesundheitszustand des Vaters, der seit 3 Jahren im Wachkoma liege, eine Betretenserlaubnis beantragen.
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Am 11.10.2005 hat der Kläger Untätigkeitsklage erheben lassen, mit der er einen Anspruch auf Rücknahme der verfügten Ausweisung geltend macht. Die Ausweisungsverfügung, der Widerspruchsbescheid und der Gerichtsbeschluss vom 29.08.1996 seien alle durch eine Verkennung der rechtlichen Voraussetzungen der Ausweisung gekennzeichnet. In keiner dieser Entscheidungen werde die aufenthaltsrechtliche Bedeutung der Art. 7, 14 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei (ARB 1/80) auch nur angesprochen. Sie hätten sich mit der Feststellung begnügt, es lägen die Voraussetzungen einer Regelausweisung vor. Tatsächlich habe der Kläger die Voraussetzungen gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erfüllt. Der Umstand, dass die Verlängerung der am 23.10.1994 endenden Aufenthaltserlaubnis erst am 27.12.1994 beantragt worden sei, sei rechtlich unerheblich gewesen. Die Ausübung der Rechte nach Art. 7 ARB 1/80 könne nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Behörden darüber ein Verwaltungsdokument ausstellten. Haft führe ebenfalls nicht zum Untergang dieses Aufenthaltsrechts. Diese Vorschrift enthalte auch keine Arbeitspflicht. Der danach sich nach gemeinschaftsrechtlichem Maßstab beurteilende Ausweisungsschutz verbiete eine regelhafte Ausweisung. Die Ausweisung sei unbefristet erfolgt und habe durch die damit verbundene Trennung von den Eltern gegen Art. 8 EMRK verstoßen. Ein Verstoß gegen die EMRK stelle bei gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen zugleich einen gemeinschaftsrechtlichen Verstoß dar. Der Kläger habe einen gebundenen Rechtsanspruch auf Rücknahme der Ausweisung, wie sich unschwer aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergebe. Darüber hinaus hat der Kläger weiterhin eine Betretenserlaubnis beantragt, um ihm den Besuch am Sterbebett des Vaters zu ermöglichen.
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Mit Schreiben vom 08.12.2005 hat die Beklagte mitgeteilt, sie werde dem Kläger eine 14tägige Betretenserlaubnis erteilen, und den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. Mit Schreiben vom 13.12.2005 hat sich der Kläger dieser Erledigungserklärung angeschlossen.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
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die Beklagte zu verpflichten, die Ausweisung vom 26.02.1996 zurückzunehmen, hilfsweise die Wirkungen dieser Ausweisung und der Abschiebung des Klägers am 29.10.1996 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu befristen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wird zunächst ausgeführt, dass bei Erlass der Ausweisungsverfügung Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 berücksichtigt worden sei. Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 gelte jedoch nicht uneingeschränkt. Die Beschränkung ergebe sich aus Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, der im Fall des Klägers anzuwenden gewesen sei. Nach der Rechtsprechung dürfe ein Ausländer zum Zwecke der Spezialprävention ausgewiesen werden, wenn er straffällig geworden sei und Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 eine Ausweisung rechtfertigten. Der Kläger habe durch sei persönliches Verhalten die öffentliche Sicherheit und Ordnung tatsächlich und schwerwiegend gefährdet, so dass Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 nur vorbehaltlich dieser Beschränkungen gelte. Die Beklagte habe von einer tatsächlichen und hinreichend schwerwiegenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt habe, ausgehen können. Der Kläger habe dadurch seine Rechtsstellung nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 verloren. Von einem erhöhten Ausweisungsschutz im Sinne des Art. 14 ARB 1/80 zu Gunsten des Klägers habe zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung nicht mehr ausgegangen werden können. Die Beklagte habe eine einzelfallbezogene Prüfung vorgenommen und auf Grund der zwischen 1991 und 1994 begangenen Straftaten, der Verwarnungen der Ausländerbehörde der Beklagten sowie des Umstandes, dass der Kläger nach seinen Verurteilungen weder einen Schulabschluss vollbracht noch eine sonstige Integration in die Gesellschaft erkennen lassen habe, zutreffend eine Gefahrenprognose zu Ungunsten des Klägers getroffen. Auch habe die Beklagte das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 39 Abs. 3 EG-Vertrag gegen das Privatinteresse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet zu Recht zugunsten des öffentlichen Interesses abgewogen. Die Ausweisung habe im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 EMRK auch unbefristet erfolgen können. Die Beklagte habe zum Zeitpunkt ihres Erlasses nicht davon ausgehen können, dass beim Kläger eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen gewesen sei. Die Ausweisung könne auch jetzt nicht befristet werden, da nicht ersichtlich sei, dass von dem Kläger keine schwere Gefahr für wichtige Schutzgüter auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mehr ausgehe. Der Kläger habe es innerhalb von 21 Jahren nicht geschafft, sich in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland zu integrieren. Des Weiteren sei er bereits seit Jahren mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet, lebe mit ihr seit 1996 in der Türkei, sei der türkischen Sprache mächtig und es seien aus dieser Ehe mittlerweile 2 Kinder hervorgegangen. Mithin liege der Lebensmittelpunkt des Klägers und seiner Familie in der Türkei. Damit überwögen die Belange der Bundesrepublik Deutschland die schutzwürdigen Interessen des Klägers. Unter diesen Umständen könne die Beklagte nicht davon ausgehen, dass der spezialpräventive Zweck der Ausweisung in absehbarer Zeit erreicht werden könne.
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Mit Beschluss vom 29.11.2006 hat die Kammer auf Antrag des Klägers das Land Baden-Württemberg betreffend den Hauptantrag des Klägers beigeladen (§ 65 Abs. 1 VwGO). Der Kammer haben die Ausländerakten der Beklagten vorgelegen. Hierauf sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Klage ist - soweit nach übereinstimmender Erledigungserklärungen der Beteiligten noch rechtshängig - zulässig und mit dem Hilfsantrag auch begründet (dazu 2.); hingegen bleibt sie mit dem Hauptantrag ohne Erfolg (dazu 1.).
19 
Die Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig. Über den Antrag des Klägers vom 29.06.2005, mit dem er die Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 26.02.1996, hilfsweise die sofortige Befristung von deren Wirkungen begehrt hat, hat die Beklagte ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden. Ein zureichender Grund ergibt sich insbesondere nicht aus der Unzuständigkeit der Beklagten für die mit dem Hauptantrag begehrte Rücknahme der Ausweisung. Denn die Behörde ist in einem solchen Fall gehalten, den Antragsteller auf diese Bedenken hinzuweisen und ggf. den Antrag an die zuständige Behörde weiterzuleiten oder als unzulässig abzulehnen bzw. zurückzuweisen, und darf ihn nicht einfach liegen lassen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 75 RdNr.15).
20 
1. Die Klage bleibt mit dem Hauptantrag ohne Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rücknahme der - bestandskräftigen - Ausweisungsverfügung vom 01.10.1997 zu. Denn die Stadt Ulm als untere Ausländerbehörde ist für den Erlass des begehrten Verwaltungsakts nicht passivlegitimiert; sachlich zuständig hierfür ist das Regierungspräsidium Tübingen.
21 
Das Verwaltungsverfahrensgesetz für Baden-Württemberg (Landesverwaltungsverfahrensgesetz - LVwVfG) in der Fassung vom 12. April 2005 (GBl. S. 350) enthält keine Regelung zu der Frage, welche Behörde für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes sachlich zuständig ist. Insbesondere § 48 Abs. 5 LVwVfG gibt hierfür nichts her, da diese Bestimmung, wie die Bezugnahme auf § 3 LVwVfG zeigt, lediglich Fragen der örtlichen Zuständigkeit regelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind für die sachliche Zuständigkeit zur Rücknahme eines Verwaltungsakts in erster Linie die Zuständigkeitsregeln des jeweils anzuwendenden Fachrechts maßgebend. Lässt sich diesen Bestimmungen keine hinreichend klare Aussage entnehmen, ist auf allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Grundsätze zurückzugreifen. Dabei ist allein die Rechtslage im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung maßgebend, da das Rücknahmeverfahren ein selbständiges Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 LVwVfG ist. Für die sachliche Zuständigkeit zur Rücknahme ist mithin ohne Bedeutung, welche Behörde den zurückzunehmenden Verwaltungsakt erlassen hat (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 20.12.1999 - 7 C 42/98 -, BVerwGE 110, 226).
22 
Für die Ausweisung straffälliger Ausländer, die sich auf richterliche Anordnung in Strafhaft befinden, sind gemäß § 10 Abs. 1 der Aufenthalts- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung - AAZuVO - in der Fassung vom 11. Januar 2005 (GBl. S. 93) die Regierungspräsidien sachlich zuständig. Ob die sachliche Zuständigkeit des - gemäß § 4 Abs. 1 AAZuVO örtlich zuständigen - Regierungspräsidiums Tübingen auch für die Rücknahmeentscheidung auf diese Bestimmung gestützt werden kann, bedarf keiner abschließenden Klärung. Jedenfalls ergibt sich aus den - gegebenenfalls ergänzend heranzuziehenden - allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen, dass über die Rücknahme vom Regierungspräsidium Tübingen als derjenigen Behörde zu entscheiden ist, die zum Zeitpunkt der (begehrten) Rücknahmeentscheidung für den Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsakts sachlich zuständig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.12.1999, a. a. O.). Dies gilt nach dem oben Gesagten nicht nur für den Fall, dass bereits die Behörde, die den zurückzunehmenden Verwaltungsakt erlassen hat, sachlich unzuständig gewesen ist, sondern auch im Falle eines Wechsels der Behördenzuständigkeit (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10.02.2006 - 4 N 150.05 -, Juris; ebenso Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 48 RdNr.257a; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 48 RdNr.164). Es ist daher unerheblich, dass die Stadt Ulm gemäß § 2 Abs. 1 der Ausländer- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung - AAZuVO 1992 - in der Fassung vom 1. Juli 1992 (GBl. S. 349) i. V. m. Art. 2 der Verordnung der Landesregierung und des Innenministeriums zur Änderung der der Ausländer- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung vom 19. Juni 1995 (GBl. S. 453) im Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung am 26.02.1996 sachlich zuständig gewesen ist.
23 
Anderes lässt sich nicht § 12 Abs. 3 Satz 1 AAZuVO entnehmen, wonach über Befristungsanträge ausgewiesener und abgeschobener Ausländer die Ausländerbehörde entscheidet, die die Ausweisung verfügt hat. Denn hierbei handelt es sich um eine spezielle Zuständigkeitsregelung für Befristungsanträge, die sich für das Rücknahmeverfahren keine Geltung beimisst. Eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung scheidet ebenfalls aus. Denn aufgrund des vorerwähnten verfahrensrechtlichen Grundsatzes, dass über die Rücknahme eines Verwaltungsaktes diejenige Behörde zu entscheiden hat, die zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung für den Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsakts sachlich zuständig ist, bedürfte es einer ausdrücklichen und hinreichend klaren Zuständigkeitsanordnung, soll von diesem Grundsatz abgewichen werden.
24 
Schließlich rechtfertigen auch die vom Kläger angeführten Gerichtsentscheidungen keine andere Bewertung. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 10.08.2005 (9 K 863/05) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29.12.2005 (11 S 1783/05) geben für die hier zu beantwortende Frage nichts her. Denn in beiden war nicht - wie hier - über die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Rücknahme einer bestandskräftigen Ausweisungsverfügung, sondern auf Feststellung der Unwirksamkeit der Ausweisung zu entscheiden. Soweit die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Sigmaringen am Ende des vorgenannten Beschlusses Bedenken gegen eine Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Tübingen für eine Rücknahme der dort von der Stadt Rottenburg erlassenen Ausweisungsverfügung äußerte, handelt es sich lediglich um ein die Entscheidung nicht tragendes obiter dictum ohne jede weitere Begründung. Im vom Verwaltungsgericht Stuttgart (Urteil vom 05.07.2006 - 16 K 1403/05 -) zu entscheidenden Fall schließlich befand sich der dortige Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der aufzuhebenden Ausweisungsverfügung nicht Haft, so dass sich die Zuständigkeit der Stadt Stuttgart für die Rücknahmeentscheidung aus § 3 Abs. 1 AAZuVO ergab.  
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2. Hingegen ist die Klage mit dem Hilfsantrag begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Bescheidung seines Antrags auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung vom 26.02.1996 sowie der Abschiebung am 29.10.1996 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu.
26 
Die Kammer legt den Klageantrag auf Grund der gewählten Formulierung und des Umstandes, dass zwischen den Beteiligten streitig ist, ob überhaupt eine Befristung auszusprechen ist, dahin aus, dass er auf eine (erstmalige) Bescheidung des bei der Behörde gestellten Befristungsantrags, nicht hingegen auf die sofortige Befristung der Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung des Klägers zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gerichtet ist; an diesen Antrag ist das Gericht gebunden (§ 88 VwGO).
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Mit diesem Ziel ist die Klage aus den oben genannten Gründen gemäß § 75 VwGO zulässig. Dem Kläger kann insoweit auch nicht entgegen gehalten werden, dass sich sein bei der Beklagten gestellter Antrag vom 29.06.2005 wörtlich genommen nur auf eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung bezieht. Denn sein Befristungsantrag zielte bei sachdienlichem Verständnis auch auf die Befristung der Wirkungen der aus der Haft heraus vorgenommenen Abschiebung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.06.1998 - 13 S 1099/96 -, InfAuslR 1998, 433).
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Die Klage hat mit dem Hilfsantrag auch in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist gemäß § 12 Abs. 3 AAZuVO zur Entscheidung über die begehrte Befristung berufen. Dem Kläger steht gegen sie ein Anspruch auf Bescheidung seines Befristungsantrags gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu. Denn die Prüfung der Untätigkeitsklage ergibt nicht von vornherein, dass das von der Behörde nicht beschiedene Sachbegehren offensichtlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben könnte, weil der mit dem Antrag geltend gemachte materielle Anspruch tatsächlich nicht bestünde (vgl. zu diesem Kriterium: BVerwG, Urt. v. 28.03.1968 - VIII C 22.67 -, BVerwGE 29, 239).
29 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruches nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG werden die in den Sätzen 1 und 2 der Vorschrift bezeichneten Wirkungen auf Antrag in der Regel befristet. Ob die Voraussetzungen der Regelbefristung im Einzelfall erfüllt sind, unterliegt als gesetzliches Tatbestandsmerkmal des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG der vollen gerichtlichen Nachprüfung.
30 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG genügt eine zeitlich befristete Ausweisung in der Regel zur Erreichung der damit verfolgten Zwecke. Die Worte „in der Regel“ beziehen sich dabei auf Fälle, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichliegender Fälle unterscheiden, also typische Sachverhalte betreffen. Ausnahmefälle sind demgegenüber durch atypische Umstände gekennzeichnet, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.08.2000 - 1 C 5.00 -, NVwZ 2000, 1422). Bei der Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, ist zunächst das Gewicht des Ausweisungsgrundes zu berücksichtigen (vgl. auch die Äußerung des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren, eine Regelbefristung der Ausweisung erscheine in besonders gravierenden Fällen, zum Beispiel bei BTM-Tätern nicht angebracht, BT-Drucksache 11/6541, S. 2). Das Regelungssystem des § 11 Abs. 1 AufenthG erfasst alle Fälle der Ausweisung, also die Ist-Ausweisung, die Regelausweisung und die Ausweisung nach Ermessen. Da die Ausweisungsmöglichkeiten nach dem unterschiedlichen Gewicht der Ausweisungstatbestände abgestuft sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.09.1995, Buchholz 402.240, § 47 AuslG 1990 Nr. 7), kommt dem Umstand, ob der Fall der Ist-, Regel- oder Ermessensausweisung vorliegt, auch bei der Prüfung, ob ein Ausnahmefall im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gegeben ist, Gewicht zu. Eine Ist- oder Regelausweisung begründet jedoch nicht generell einen Ausnahmefall, andererseits schließt der Fall der Ermessensausweisung das Vorliegen einer Ausnahme nicht ohne weiteres aus. Vielmehr bedarf es der Abwägung im Einzelfall, ob die vorliegenden Umstände eine unbefristete Ausweisung rechtfertigen (vgl. noch zu § 8 AuslG, Hailbronner, AuslR, § 8 AuslG RdNr. 42). Weiter sind die mit der Ausweisung verfolgten spezial- und generalpräventive Zwecke zu berücksichtigen. Die Sperrwirkung muss so lange bestehen, wie es diese Zwecke im Einzelfall erfordern. Hierzu genügt nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der Regel eine zeitliche Befristung der Wirkung der Ausweisung. Ist über die Befristung nicht im zeitlichen Zusammenhang mit der Ausweisung zu befinden, so sind zwischenzeitlich eingetretene Änderungen in der Sach- und Rechtslage in die Beurteilung einzubeziehen. Sind die mit der Ausweisung verfolgten ordnungsrechtlichen Zwecke erreicht, so ist es nicht länger gerechtfertigt, dem Ausländer allein wegen der Ausweisung den Aufenthalt im Bundesgebiet zu verwehren. Ein Ausnahmefall ist jedoch nicht notwendig schon dann gegeben, wenn der Zweck der Ausweisung bisher nicht erreicht ist. Vielmehr gebietet § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG auch dann in der Regel, die Ausweisungswirkung zu befristen und die Frist nach dem mutmaßlichen Eintritt der Zweckerreichung zu bemessen. Eine Befristung scheidet demgegenüber aus, wenn die zu stellende Prognose ergibt, dass der Ausweisungszweck auch am Ende einer dem Ausländer zu setzenden längeren Frist voraussichtlich nicht erreicht sein wird. Maßgeblich für das Vorliegen einer Ausnahme sind immer die Umstände des Einzelfalles, wobei auch das Verhalten des Ausländers nach der Ausweisung zu würdigen ist.
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Bei Anwendung dieser Grundsätze rechtfertigt allein das Gewicht des damaligen Ausweisungsgrundes zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine Ausnahme von der Regel des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Die Kammer vermag hierin keinen außergewöhnlichen Fall von Gefährlichkeit, Hartnäckigkeit und Rücksichtslosigkeit zu erkennen. Zwar hat das Amtsgericht Ulm in den Urteilen vom 12.12.1994 und vom 03.07.1995 beim Kläger schädliche Neigungen festgestellt; auch hat er in der Zeit von 1991 bis 1994 eine Vielzahl von Straftaten begangen. Indes handelt es sich hierbei durchweg um Eigentums- und Vermögensdelikte, nicht hingegen um Gewalt- oder Betäubungsmittelkriminalität. Diese Straftaten hat der Kläger zudem als Jugendlicher bzw. Heranwachsender begangen, wobei das Jugendschöffengericht in den Urteilen vom 12.12.1994 und vom 03.07.1995 jeweils Reifeverzögerungen festgestellt hat. Ein nachträglicher Reifeprozess oder charakterliche Änderungen des Klägers sind daher - auch mit Blick auf die von ihm gegründete Familie und die hierdurch übernommene Verantwortung - nicht auszuschließen. Dass der Regelausweisungstatbestand für sich genommen noch keinen Ausnahmegrund darstellt, wurde bereits dargelegt. Bei dieser Sachlage kann eine Befristungsentscheidung ohne weitere Anhaltspunkte nicht abgelehnt werden. Denn maßgeblich ist, ob bei prognostischer Betrachtung der ordnungsrechtliche spezialpräventive Ausweisungszweck zum heutigen Zeitpunkt nur durch eine Dauersperre und nicht durch eine - gegebenenfalls auch längere - Befristung erreichbar ist. Ob sich aus der danach gebotenen Würdigung des nachträglichen Verhaltens des Klägers ein Ausnahmefall ergeben kann, vermag die Kammer mangels entsprechenden Sachvortrages des Klägers bzw. Ermittlungen der Beklagten nicht abschließend zu entscheiden; andererseits scheidet ein Befristungsanspruch des Klägers nicht offensichtlich aus. Die Beklagte wird daher zu ermitteln haben, ob und ggf. in welchem Umfang der Kläger nach seiner Abschiebung in die Türkei erneut straffällig geworden ist. Hierzu kann sie dem Kläger aufgeben, ein aktuelles polizeiliches Führungszeugnis bzw. einen aktuellen Strafregisterauszug vorzulegen. Dem steht auch nicht entgegen, dass - wie der Klägerbevollmächtigte meint - die Ausweisung des Klägers im Hinblick auf Art. 8 EMRK bereits bei ihrem Erlass hätte befristet werden müssen. Der Rechtsprechung des EGMR ist weder zu entnehmen, dass die Befristungsentscheidung stets bereits mit der Ausweisungsentscheidung zusammen getroffen werden muss noch, dass die Befristung nicht von einem entsprechenden Antrag des betroffenen Ausländers abhängig gemacht werden darf (vgl. ausführlich VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.09.2006 - 11 S 190/06 -). Jedenfalls hätte auch bei einer zusammen mit der Ausweisung ausgesprochenen Entscheidung die Befristung von der Vorlage eines zu ihrem Ende aktuellen Straflosigkeitsnachweises abhängig gemacht werden dürfen.
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Geht aus dem vorgelegten polizeilichen Führungszeugnis bzw. Strafregisterauszug hervor, dass der Kläger in der Türkei nicht oder nicht in nennenswertem Umfang straffällig geworden ist, wird die Beklagte eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung nicht ablehnen können. Im Hinblick auf die dann unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und die nach wie vor bestehenden familiären Kontakte zu den in Deutschland lebenden Eltern und Geschwistern des Klägers zu treffende Ermessensentscheidung weist die Kammer auf folgendes hin: Zugunsten des Klägers ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass er seit seiner Abschiebung am 29.10.1996 bereits mehr als 10 Jahre vom Bundesgebiet ferngehalten worden ist und sich trotz erheblicher Interessen an einer Kontaktaufnahme mit hier lebenden Personen der illegalen Einreise enthalten hat. Für den Fall, dass er in der Türkei keine oder keine nennenswerten Straftaten begangen hat, erscheint daher eine längere Befristungsdauer nicht mehr angezeigt. Insbesondere ist das behördliche Ermessen dann durch Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. einer Selbstbindung der Verwaltung zugunsten einer sofortigen Befristung der Ausweisungswirkungen reduziert. Die von den Ausländerbehörden in der Praxis angewandte ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums Baden-Württemberg über die Bemessung der Sperrwirkung bei Befristungsentscheidungen vom 25. Januar 2002 (Az.: 1362/129, im folgenden: VwV-Befristung) sieht im Falle einer Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 AuslG (jetzt § 54 AufenthG) einen Rahmen für die zeitliche Befristung von 1 bis 7 Jahren, im Regelfall eine Frist von 5 Jahren jeweils zuzüglich des verhängten Strafmaßes vor (vgl. Nr. 1.3.2). Die danach im Falle des Klägers maßgebliche Regelfrist von 7 Jahren und 3 Monaten ist inzwischen bei weitem übertroffen. Selbst wenn aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles eine Befristung am oberen Rand des zeitlichen Rahmens in Frage käme, wäre auch dessen Grenze von 9 Jahren und 3 Monaten bereits um gut 10 Monate überschritten. Es kann daher dahin stehen, ob beim Kläger - wie sein Prozessbevollmächtigter meint - aufgrund einer Berechtigung aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 der noch geringere Befristungsrahmen für Ermessensausweisungen (vgl. Nr. 1.3.1 VwV-Befristung) heranzuziehen ist.
33 
Auch die Befristung der Wirkung der Abschiebung, über die die Ausländerbehörde gesondert zu entscheiden hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.06.1998, a. a. O.), darf nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur in atypischen Fällen versagt werden. Insoweit gelten die oben dargestellten Grundsätze zur Befristung der Wirkung der Ausweisung entsprechend, wobei Unterschiede in den Zwecken von Ausweisung und Abschiebung zu berücksichtigen sind. Danach liegt beim Kläger kein Ausnahmefall vor, der ein Absehen von der Regelbefristung rechtfertigen könnte. Er hat sich seiner Ausreisepflicht nicht hartnäckig widersetzt und musste auch nicht mehr als einmal abgeschoben werden. Die nicht fristgerechte Ausreise kann als solche allein keinen Ausnahmefall begründen, da für die Abschiebung eines Ausländers regelmäßig die nicht fristgerechte Ausreise vorausgesetzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.08.2000, a. a. O.). Der Kläger hat sich schließlich nach seiner Abschiebung auch nicht illegal im Bundesgebiet aufgehalten. Lediglich die Kosten der Abschiebung in Höhe von 434,83 EUR sind - soweit ersichtlich - von ihm noch nicht beglichen. Dass bei prognostischer Betrachtung beim Kläger die Besorgnis bestünde, er gäbe bei einem künftigen Aufenthalt im Bundesgebiet erneut Anlass für Vollstreckungsmaßnahmen, und dieser Besorgnis zum heutigen Zeitpunkt nur durch eine Dauersperre und nicht durch eine Befristung begegnet werden könnte, lässt sich mithin nicht feststellen. Bei der daher zu treffenden Ermessensentscheidung ist wiederum die durch die Verwaltungspraxis vorgenommene Selbstbindung zu berücksichtigen. Nach Nr. 2 VwV-Befristung beträgt die Sperrfrist hinsichtlich der Abschiebungswirkungen zwischen 1 und 5 Jahren und wird im Regelfall auf 3 Jahre festgesetzt. Diese zeitlichen Vorgaben sind beim Kläger bei weitem überschritten, so dass das Befristungsermessen zugunsten einer sofortigen Befristung der Wirkungen der Abschiebung reduziert ist. Allerdings kann die Beklagte die Befristung von der Begleichung der noch ausstehenden Abschiebungskosten abhängig machen. An einer entsprechenden Verpflichtung der Beklagten ist die Kammer aufgrund des Klageantrags gleichwohl gehindert; auch insoweit kommt mithin lediglich ein Bescheidungsausspruch in Betracht.
34 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, soweit über die Klage entschieden wurde. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; die Kosten waren gemäß § 161 Abs. 3 VwGO der Beklagten aufzuerlegen, da der Kläger mit einer Bescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Betretenserlaubnis vor Klageerhebung rechnen durfte. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen entsprach nicht der Billigkeit, da das erst in der mündlichen Verhandlung beigeladene Land Baden-Württemberg mangels Antragstellung kein Kostenrisiko übernommen hat und das Verfahren auch sonst nicht wesentlich fördern konnte (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO); ein Fall der notwendigen Beiladung lag nicht vor.
35 
Die Kammer hatte keine Veranlassung, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
36 
Die Berufung war nach § 124a Abs.1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr.3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Rechtsstreitigkeit wirft die rechtliche und im Sinne der Rechtseinheit klärungsbedürftige Frage auf, welche Behörde zur Entscheidung über die Rücknahme einer bestandskräftigen Ausweisung berufen ist, wenn im Zeitpunkt der begehrten Rücknahme eine von der Ausgangsbehörde verschiedene Behörde für den Erlass der Ausweisungsverfügung sachlich zuständig gewesen wäre. Die Entscheidung hierüber liegt aus Gründen der Rechtssicherheit und der Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse, da die klärungsbedürftige Frage über den Einzelfall hinauswirkt.

Gründe

 
18 
Die Klage ist - soweit nach übereinstimmender Erledigungserklärungen der Beteiligten noch rechtshängig - zulässig und mit dem Hilfsantrag auch begründet (dazu 2.); hingegen bleibt sie mit dem Hauptantrag ohne Erfolg (dazu 1.).
19 
Die Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig. Über den Antrag des Klägers vom 29.06.2005, mit dem er die Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 26.02.1996, hilfsweise die sofortige Befristung von deren Wirkungen begehrt hat, hat die Beklagte ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden. Ein zureichender Grund ergibt sich insbesondere nicht aus der Unzuständigkeit der Beklagten für die mit dem Hauptantrag begehrte Rücknahme der Ausweisung. Denn die Behörde ist in einem solchen Fall gehalten, den Antragsteller auf diese Bedenken hinzuweisen und ggf. den Antrag an die zuständige Behörde weiterzuleiten oder als unzulässig abzulehnen bzw. zurückzuweisen, und darf ihn nicht einfach liegen lassen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 75 RdNr.15).
20 
1. Die Klage bleibt mit dem Hauptantrag ohne Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rücknahme der - bestandskräftigen - Ausweisungsverfügung vom 01.10.1997 zu. Denn die Stadt Ulm als untere Ausländerbehörde ist für den Erlass des begehrten Verwaltungsakts nicht passivlegitimiert; sachlich zuständig hierfür ist das Regierungspräsidium Tübingen.
21 
Das Verwaltungsverfahrensgesetz für Baden-Württemberg (Landesverwaltungsverfahrensgesetz - LVwVfG) in der Fassung vom 12. April 2005 (GBl. S. 350) enthält keine Regelung zu der Frage, welche Behörde für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes sachlich zuständig ist. Insbesondere § 48 Abs. 5 LVwVfG gibt hierfür nichts her, da diese Bestimmung, wie die Bezugnahme auf § 3 LVwVfG zeigt, lediglich Fragen der örtlichen Zuständigkeit regelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind für die sachliche Zuständigkeit zur Rücknahme eines Verwaltungsakts in erster Linie die Zuständigkeitsregeln des jeweils anzuwendenden Fachrechts maßgebend. Lässt sich diesen Bestimmungen keine hinreichend klare Aussage entnehmen, ist auf allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Grundsätze zurückzugreifen. Dabei ist allein die Rechtslage im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung maßgebend, da das Rücknahmeverfahren ein selbständiges Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 LVwVfG ist. Für die sachliche Zuständigkeit zur Rücknahme ist mithin ohne Bedeutung, welche Behörde den zurückzunehmenden Verwaltungsakt erlassen hat (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 20.12.1999 - 7 C 42/98 -, BVerwGE 110, 226).
22 
Für die Ausweisung straffälliger Ausländer, die sich auf richterliche Anordnung in Strafhaft befinden, sind gemäß § 10 Abs. 1 der Aufenthalts- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung - AAZuVO - in der Fassung vom 11. Januar 2005 (GBl. S. 93) die Regierungspräsidien sachlich zuständig. Ob die sachliche Zuständigkeit des - gemäß § 4 Abs. 1 AAZuVO örtlich zuständigen - Regierungspräsidiums Tübingen auch für die Rücknahmeentscheidung auf diese Bestimmung gestützt werden kann, bedarf keiner abschließenden Klärung. Jedenfalls ergibt sich aus den - gegebenenfalls ergänzend heranzuziehenden - allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen, dass über die Rücknahme vom Regierungspräsidium Tübingen als derjenigen Behörde zu entscheiden ist, die zum Zeitpunkt der (begehrten) Rücknahmeentscheidung für den Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsakts sachlich zuständig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.12.1999, a. a. O.). Dies gilt nach dem oben Gesagten nicht nur für den Fall, dass bereits die Behörde, die den zurückzunehmenden Verwaltungsakt erlassen hat, sachlich unzuständig gewesen ist, sondern auch im Falle eines Wechsels der Behördenzuständigkeit (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10.02.2006 - 4 N 150.05 -, Juris; ebenso Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 48 RdNr.257a; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 48 RdNr.164). Es ist daher unerheblich, dass die Stadt Ulm gemäß § 2 Abs. 1 der Ausländer- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung - AAZuVO 1992 - in der Fassung vom 1. Juli 1992 (GBl. S. 349) i. V. m. Art. 2 der Verordnung der Landesregierung und des Innenministeriums zur Änderung der der Ausländer- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung vom 19. Juni 1995 (GBl. S. 453) im Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung am 26.02.1996 sachlich zuständig gewesen ist.
23 
Anderes lässt sich nicht § 12 Abs. 3 Satz 1 AAZuVO entnehmen, wonach über Befristungsanträge ausgewiesener und abgeschobener Ausländer die Ausländerbehörde entscheidet, die die Ausweisung verfügt hat. Denn hierbei handelt es sich um eine spezielle Zuständigkeitsregelung für Befristungsanträge, die sich für das Rücknahmeverfahren keine Geltung beimisst. Eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung scheidet ebenfalls aus. Denn aufgrund des vorerwähnten verfahrensrechtlichen Grundsatzes, dass über die Rücknahme eines Verwaltungsaktes diejenige Behörde zu entscheiden hat, die zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung für den Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsakts sachlich zuständig ist, bedürfte es einer ausdrücklichen und hinreichend klaren Zuständigkeitsanordnung, soll von diesem Grundsatz abgewichen werden.
24 
Schließlich rechtfertigen auch die vom Kläger angeführten Gerichtsentscheidungen keine andere Bewertung. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 10.08.2005 (9 K 863/05) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29.12.2005 (11 S 1783/05) geben für die hier zu beantwortende Frage nichts her. Denn in beiden war nicht - wie hier - über die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Rücknahme einer bestandskräftigen Ausweisungsverfügung, sondern auf Feststellung der Unwirksamkeit der Ausweisung zu entscheiden. Soweit die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Sigmaringen am Ende des vorgenannten Beschlusses Bedenken gegen eine Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Tübingen für eine Rücknahme der dort von der Stadt Rottenburg erlassenen Ausweisungsverfügung äußerte, handelt es sich lediglich um ein die Entscheidung nicht tragendes obiter dictum ohne jede weitere Begründung. Im vom Verwaltungsgericht Stuttgart (Urteil vom 05.07.2006 - 16 K 1403/05 -) zu entscheidenden Fall schließlich befand sich der dortige Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der aufzuhebenden Ausweisungsverfügung nicht Haft, so dass sich die Zuständigkeit der Stadt Stuttgart für die Rücknahmeentscheidung aus § 3 Abs. 1 AAZuVO ergab.  
25 
2. Hingegen ist die Klage mit dem Hilfsantrag begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Bescheidung seines Antrags auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung vom 26.02.1996 sowie der Abschiebung am 29.10.1996 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu.
26 
Die Kammer legt den Klageantrag auf Grund der gewählten Formulierung und des Umstandes, dass zwischen den Beteiligten streitig ist, ob überhaupt eine Befristung auszusprechen ist, dahin aus, dass er auf eine (erstmalige) Bescheidung des bei der Behörde gestellten Befristungsantrags, nicht hingegen auf die sofortige Befristung der Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung des Klägers zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gerichtet ist; an diesen Antrag ist das Gericht gebunden (§ 88 VwGO).
27 
Mit diesem Ziel ist die Klage aus den oben genannten Gründen gemäß § 75 VwGO zulässig. Dem Kläger kann insoweit auch nicht entgegen gehalten werden, dass sich sein bei der Beklagten gestellter Antrag vom 29.06.2005 wörtlich genommen nur auf eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung bezieht. Denn sein Befristungsantrag zielte bei sachdienlichem Verständnis auch auf die Befristung der Wirkungen der aus der Haft heraus vorgenommenen Abschiebung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.06.1998 - 13 S 1099/96 -, InfAuslR 1998, 433).
28 
Die Klage hat mit dem Hilfsantrag auch in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist gemäß § 12 Abs. 3 AAZuVO zur Entscheidung über die begehrte Befristung berufen. Dem Kläger steht gegen sie ein Anspruch auf Bescheidung seines Befristungsantrags gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu. Denn die Prüfung der Untätigkeitsklage ergibt nicht von vornherein, dass das von der Behörde nicht beschiedene Sachbegehren offensichtlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben könnte, weil der mit dem Antrag geltend gemachte materielle Anspruch tatsächlich nicht bestünde (vgl. zu diesem Kriterium: BVerwG, Urt. v. 28.03.1968 - VIII C 22.67 -, BVerwGE 29, 239).
29 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruches nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG werden die in den Sätzen 1 und 2 der Vorschrift bezeichneten Wirkungen auf Antrag in der Regel befristet. Ob die Voraussetzungen der Regelbefristung im Einzelfall erfüllt sind, unterliegt als gesetzliches Tatbestandsmerkmal des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG der vollen gerichtlichen Nachprüfung.
30 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG genügt eine zeitlich befristete Ausweisung in der Regel zur Erreichung der damit verfolgten Zwecke. Die Worte „in der Regel“ beziehen sich dabei auf Fälle, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichliegender Fälle unterscheiden, also typische Sachverhalte betreffen. Ausnahmefälle sind demgegenüber durch atypische Umstände gekennzeichnet, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.08.2000 - 1 C 5.00 -, NVwZ 2000, 1422). Bei der Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, ist zunächst das Gewicht des Ausweisungsgrundes zu berücksichtigen (vgl. auch die Äußerung des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren, eine Regelbefristung der Ausweisung erscheine in besonders gravierenden Fällen, zum Beispiel bei BTM-Tätern nicht angebracht, BT-Drucksache 11/6541, S. 2). Das Regelungssystem des § 11 Abs. 1 AufenthG erfasst alle Fälle der Ausweisung, also die Ist-Ausweisung, die Regelausweisung und die Ausweisung nach Ermessen. Da die Ausweisungsmöglichkeiten nach dem unterschiedlichen Gewicht der Ausweisungstatbestände abgestuft sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.09.1995, Buchholz 402.240, § 47 AuslG 1990 Nr. 7), kommt dem Umstand, ob der Fall der Ist-, Regel- oder Ermessensausweisung vorliegt, auch bei der Prüfung, ob ein Ausnahmefall im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gegeben ist, Gewicht zu. Eine Ist- oder Regelausweisung begründet jedoch nicht generell einen Ausnahmefall, andererseits schließt der Fall der Ermessensausweisung das Vorliegen einer Ausnahme nicht ohne weiteres aus. Vielmehr bedarf es der Abwägung im Einzelfall, ob die vorliegenden Umstände eine unbefristete Ausweisung rechtfertigen (vgl. noch zu § 8 AuslG, Hailbronner, AuslR, § 8 AuslG RdNr. 42). Weiter sind die mit der Ausweisung verfolgten spezial- und generalpräventive Zwecke zu berücksichtigen. Die Sperrwirkung muss so lange bestehen, wie es diese Zwecke im Einzelfall erfordern. Hierzu genügt nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der Regel eine zeitliche Befristung der Wirkung der Ausweisung. Ist über die Befristung nicht im zeitlichen Zusammenhang mit der Ausweisung zu befinden, so sind zwischenzeitlich eingetretene Änderungen in der Sach- und Rechtslage in die Beurteilung einzubeziehen. Sind die mit der Ausweisung verfolgten ordnungsrechtlichen Zwecke erreicht, so ist es nicht länger gerechtfertigt, dem Ausländer allein wegen der Ausweisung den Aufenthalt im Bundesgebiet zu verwehren. Ein Ausnahmefall ist jedoch nicht notwendig schon dann gegeben, wenn der Zweck der Ausweisung bisher nicht erreicht ist. Vielmehr gebietet § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG auch dann in der Regel, die Ausweisungswirkung zu befristen und die Frist nach dem mutmaßlichen Eintritt der Zweckerreichung zu bemessen. Eine Befristung scheidet demgegenüber aus, wenn die zu stellende Prognose ergibt, dass der Ausweisungszweck auch am Ende einer dem Ausländer zu setzenden längeren Frist voraussichtlich nicht erreicht sein wird. Maßgeblich für das Vorliegen einer Ausnahme sind immer die Umstände des Einzelfalles, wobei auch das Verhalten des Ausländers nach der Ausweisung zu würdigen ist.
31 
Bei Anwendung dieser Grundsätze rechtfertigt allein das Gewicht des damaligen Ausweisungsgrundes zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine Ausnahme von der Regel des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Die Kammer vermag hierin keinen außergewöhnlichen Fall von Gefährlichkeit, Hartnäckigkeit und Rücksichtslosigkeit zu erkennen. Zwar hat das Amtsgericht Ulm in den Urteilen vom 12.12.1994 und vom 03.07.1995 beim Kläger schädliche Neigungen festgestellt; auch hat er in der Zeit von 1991 bis 1994 eine Vielzahl von Straftaten begangen. Indes handelt es sich hierbei durchweg um Eigentums- und Vermögensdelikte, nicht hingegen um Gewalt- oder Betäubungsmittelkriminalität. Diese Straftaten hat der Kläger zudem als Jugendlicher bzw. Heranwachsender begangen, wobei das Jugendschöffengericht in den Urteilen vom 12.12.1994 und vom 03.07.1995 jeweils Reifeverzögerungen festgestellt hat. Ein nachträglicher Reifeprozess oder charakterliche Änderungen des Klägers sind daher - auch mit Blick auf die von ihm gegründete Familie und die hierdurch übernommene Verantwortung - nicht auszuschließen. Dass der Regelausweisungstatbestand für sich genommen noch keinen Ausnahmegrund darstellt, wurde bereits dargelegt. Bei dieser Sachlage kann eine Befristungsentscheidung ohne weitere Anhaltspunkte nicht abgelehnt werden. Denn maßgeblich ist, ob bei prognostischer Betrachtung der ordnungsrechtliche spezialpräventive Ausweisungszweck zum heutigen Zeitpunkt nur durch eine Dauersperre und nicht durch eine - gegebenenfalls auch längere - Befristung erreichbar ist. Ob sich aus der danach gebotenen Würdigung des nachträglichen Verhaltens des Klägers ein Ausnahmefall ergeben kann, vermag die Kammer mangels entsprechenden Sachvortrages des Klägers bzw. Ermittlungen der Beklagten nicht abschließend zu entscheiden; andererseits scheidet ein Befristungsanspruch des Klägers nicht offensichtlich aus. Die Beklagte wird daher zu ermitteln haben, ob und ggf. in welchem Umfang der Kläger nach seiner Abschiebung in die Türkei erneut straffällig geworden ist. Hierzu kann sie dem Kläger aufgeben, ein aktuelles polizeiliches Führungszeugnis bzw. einen aktuellen Strafregisterauszug vorzulegen. Dem steht auch nicht entgegen, dass - wie der Klägerbevollmächtigte meint - die Ausweisung des Klägers im Hinblick auf Art. 8 EMRK bereits bei ihrem Erlass hätte befristet werden müssen. Der Rechtsprechung des EGMR ist weder zu entnehmen, dass die Befristungsentscheidung stets bereits mit der Ausweisungsentscheidung zusammen getroffen werden muss noch, dass die Befristung nicht von einem entsprechenden Antrag des betroffenen Ausländers abhängig gemacht werden darf (vgl. ausführlich VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.09.2006 - 11 S 190/06 -). Jedenfalls hätte auch bei einer zusammen mit der Ausweisung ausgesprochenen Entscheidung die Befristung von der Vorlage eines zu ihrem Ende aktuellen Straflosigkeitsnachweises abhängig gemacht werden dürfen.
32 
Geht aus dem vorgelegten polizeilichen Führungszeugnis bzw. Strafregisterauszug hervor, dass der Kläger in der Türkei nicht oder nicht in nennenswertem Umfang straffällig geworden ist, wird die Beklagte eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung nicht ablehnen können. Im Hinblick auf die dann unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und die nach wie vor bestehenden familiären Kontakte zu den in Deutschland lebenden Eltern und Geschwistern des Klägers zu treffende Ermessensentscheidung weist die Kammer auf folgendes hin: Zugunsten des Klägers ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass er seit seiner Abschiebung am 29.10.1996 bereits mehr als 10 Jahre vom Bundesgebiet ferngehalten worden ist und sich trotz erheblicher Interessen an einer Kontaktaufnahme mit hier lebenden Personen der illegalen Einreise enthalten hat. Für den Fall, dass er in der Türkei keine oder keine nennenswerten Straftaten begangen hat, erscheint daher eine längere Befristungsdauer nicht mehr angezeigt. Insbesondere ist das behördliche Ermessen dann durch Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. einer Selbstbindung der Verwaltung zugunsten einer sofortigen Befristung der Ausweisungswirkungen reduziert. Die von den Ausländerbehörden in der Praxis angewandte ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums Baden-Württemberg über die Bemessung der Sperrwirkung bei Befristungsentscheidungen vom 25. Januar 2002 (Az.: 1362/129, im folgenden: VwV-Befristung) sieht im Falle einer Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 AuslG (jetzt § 54 AufenthG) einen Rahmen für die zeitliche Befristung von 1 bis 7 Jahren, im Regelfall eine Frist von 5 Jahren jeweils zuzüglich des verhängten Strafmaßes vor (vgl. Nr. 1.3.2). Die danach im Falle des Klägers maßgebliche Regelfrist von 7 Jahren und 3 Monaten ist inzwischen bei weitem übertroffen. Selbst wenn aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles eine Befristung am oberen Rand des zeitlichen Rahmens in Frage käme, wäre auch dessen Grenze von 9 Jahren und 3 Monaten bereits um gut 10 Monate überschritten. Es kann daher dahin stehen, ob beim Kläger - wie sein Prozessbevollmächtigter meint - aufgrund einer Berechtigung aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 der noch geringere Befristungsrahmen für Ermessensausweisungen (vgl. Nr. 1.3.1 VwV-Befristung) heranzuziehen ist.
33 
Auch die Befristung der Wirkung der Abschiebung, über die die Ausländerbehörde gesondert zu entscheiden hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.06.1998, a. a. O.), darf nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur in atypischen Fällen versagt werden. Insoweit gelten die oben dargestellten Grundsätze zur Befristung der Wirkung der Ausweisung entsprechend, wobei Unterschiede in den Zwecken von Ausweisung und Abschiebung zu berücksichtigen sind. Danach liegt beim Kläger kein Ausnahmefall vor, der ein Absehen von der Regelbefristung rechtfertigen könnte. Er hat sich seiner Ausreisepflicht nicht hartnäckig widersetzt und musste auch nicht mehr als einmal abgeschoben werden. Die nicht fristgerechte Ausreise kann als solche allein keinen Ausnahmefall begründen, da für die Abschiebung eines Ausländers regelmäßig die nicht fristgerechte Ausreise vorausgesetzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.08.2000, a. a. O.). Der Kläger hat sich schließlich nach seiner Abschiebung auch nicht illegal im Bundesgebiet aufgehalten. Lediglich die Kosten der Abschiebung in Höhe von 434,83 EUR sind - soweit ersichtlich - von ihm noch nicht beglichen. Dass bei prognostischer Betrachtung beim Kläger die Besorgnis bestünde, er gäbe bei einem künftigen Aufenthalt im Bundesgebiet erneut Anlass für Vollstreckungsmaßnahmen, und dieser Besorgnis zum heutigen Zeitpunkt nur durch eine Dauersperre und nicht durch eine Befristung begegnet werden könnte, lässt sich mithin nicht feststellen. Bei der daher zu treffenden Ermessensentscheidung ist wiederum die durch die Verwaltungspraxis vorgenommene Selbstbindung zu berücksichtigen. Nach Nr. 2 VwV-Befristung beträgt die Sperrfrist hinsichtlich der Abschiebungswirkungen zwischen 1 und 5 Jahren und wird im Regelfall auf 3 Jahre festgesetzt. Diese zeitlichen Vorgaben sind beim Kläger bei weitem überschritten, so dass das Befristungsermessen zugunsten einer sofortigen Befristung der Wirkungen der Abschiebung reduziert ist. Allerdings kann die Beklagte die Befristung von der Begleichung der noch ausstehenden Abschiebungskosten abhängig machen. An einer entsprechenden Verpflichtung der Beklagten ist die Kammer aufgrund des Klageantrags gleichwohl gehindert; auch insoweit kommt mithin lediglich ein Bescheidungsausspruch in Betracht.
34 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, soweit über die Klage entschieden wurde. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; die Kosten waren gemäß § 161 Abs. 3 VwGO der Beklagten aufzuerlegen, da der Kläger mit einer Bescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Betretenserlaubnis vor Klageerhebung rechnen durfte. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen entsprach nicht der Billigkeit, da das erst in der mündlichen Verhandlung beigeladene Land Baden-Württemberg mangels Antragstellung kein Kostenrisiko übernommen hat und das Verfahren auch sonst nicht wesentlich fördern konnte (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO); ein Fall der notwendigen Beiladung lag nicht vor.
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Die Kammer hatte keine Veranlassung, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
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Die Berufung war nach § 124a Abs.1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr.3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Rechtsstreitigkeit wirft die rechtliche und im Sinne der Rechtseinheit klärungsbedürftige Frage auf, welche Behörde zur Entscheidung über die Rücknahme einer bestandskräftigen Ausweisung berufen ist, wenn im Zeitpunkt der begehrten Rücknahme eine von der Ausgangsbehörde verschiedene Behörde für den Erlass der Ausweisungsverfügung sachlich zuständig gewesen wäre. Die Entscheidung hierüber liegt aus Gründen der Rechtssicherheit und der Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse, da die klärungsbedürftige Frage über den Einzelfall hinauswirkt.

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