Urteil vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 8 K 1379/20

Tenor

Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird der Bescheid der Beklagten vom 15.04.2020 hinsichtlich der Standorte Nr. 1, 6, 7, 10, 11, 15, 18 und 20 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet insoweit den Antrag der Klägerin vom 17.12.2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 3/5 und die Beklagte zu 2/5.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zur Aufstellung von Altkleidercontainern im Stadtgebiet der Beklagten.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für Altkleider- und Schuhrecycling. Sie sammelt Alttextilien, die anschließend von Verwertungsunternehmen einer Verwertung zugeführt werden.
Mit Schreiben vom 17.12.2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zum Aufstellen von jeweils einem Altkleidercontainer an folgenden Altglassammelstellen – direkt an den dortigen Altglascontainern – für die Dauer von drei Jahren:
1. A-Straße ..
2. B-Straße ..
3. C-Straße ..
4. D-Straße ..
5. E-Straße ..
6. F-Straße ..
10 
7. G-Straße ..
11 
8. H-Straße ..
12 
9. I-Straße ..
13 
10. J-Straße ..
14 
11. K-Straße ..
15 
12. L-Straße ..
16 
13. M-Straße ..
17 
14. N-Straße ..
18 
15. O-Straße ..
19 
16. P-Straße ..
20 
17. Q-Straße ..
21 
18. R-Straße ..
22 
19. S-Straße ..
23 
20. T-Straße ..
24 
Die bereits vorhandenen und damit ortsbekannten Recyclingsammelstellen böten sich für die Aufstellung von Altkleidercontainern an. Hierdurch erfolge kein weiterer Eingriff in das Ortsbild. Je Standort würden 1,15 m² Grundfläche in Anspruch genommen. Die Container seien in verschiedenen Farben sowie Beschriftungen verfügbar, um eine Anpassung der Behälter an das Umgebungsbild zu gewährleisten. Sie würden mindestens einmal pro Woche angefahren und geleert. Bei Bedarf könne auch kurzfristig – binnen ein bis zwei Tagen – reagiert und die Stellplätze angefahren werden. Sollte ein Container beschmutzt oder besprüht sein oder sollten Alttextilien um die Standplätze abgelagert werden, würde dies vom Leerungspersonal entfernt und gereinigt. Die Container würden mit Kontaktdaten und auf Wunsch auch mit Einwurfzeiten versehen.
25 
Mit Schreiben vom 02.01.2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass alle derzeit verfügbaren Standorte für die Aufstellung von Altkleidercontainern in ihrem Stadtgebiet vor einiger Zeit an regionale Recyclingunternehmen vergeben worden seien. Eine Änderung oder Erweiterung sei im Moment nicht geplant.
26 
Auf weitere Nachfrage der Klägerin mit Schreiben vom 10.05.2019 informierte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 19.06.2019 und vom 17.07.2019 unter anderem darüber, dass die begehrten Aufstellorte teilweise öffentliche Verkehrsflächen sowie Fiskalflächen der Stadt U als auch private Flächen Dritter beträfen. Aufgrund der zunehmenden Vermüllung an sämtlichen derzeitigen Standorten von Altkleidercontainern und damit verbundenen massiven Beschwerden aus der Bevölkerung sowie aufgrund anderer konzeptioneller Überlegungen hinsichtlich der Wertstoffinseln im Stadtgebiet erarbeite sie derzeit ein Konzept zur Neuregelung der Wertstoffinseln. Dieses solle im Herbst 2019 im Gemeinderat vorgestellt werden.
27 
Mit Schreiben vom 12.02.2020 forderte die Klägerin die Beklagte unter Androhung einer Untätigkeitsklage auf, ihren Antrag bis zum 28.02.2020 zu bescheiden.
28 
Die Beklagte brachte den Entwurf einer Regelung bezüglich des künftigen Umgangs mit Altkleidercontainern im öffentlichen Straßenraum Anfang Februar zum Abschluss und fertigte unter dem 18.02.2020 einen Beschlussantrag für den Gemeinderat zur verbindlichen Einführung einer Richtlinie zum Verbot über die Aufstellung von Sammelcontainern für Bekleidung im öffentlichen Straßenraum. Darin heißt es, dass derzeit Sondernutzungserlaubnisse für 15 Standorte mit insgesamt 21 Altkleidercontainern bestünden und diese Erlaubnisse auf einem Auswahlverfahren aus dem Jahr 2012 beruhten, nach dem Erlaubnisse an vier Unternehmen auf Widerruf erteilt worden seien. Regelmäßig sei an den Containerstandorten zu beobachten, dass in erheblichem Maße Müll abgelagert werde. Dies geschehe in jüngerer Vergangenheit in verstärkter Form. Die durch die Entsorgungsunternehmen gereinigten Standorte seien häufig am Folgetag bereits wieder stark verschmutzt. Dadurch entstünden ausgesprochen negative Auswirkungen auf das Stadtbild. Gleichzeitig sei – durch die Nähe zu den Verkehrsflächen im öffentlichen Raum – zu erwarten, dass Verkehrsgefährdungen durch in den Straßenraum gewehte Gegenstände entstünden. Zuletzt sei auch verstärkt zu beobachten gewesen, dass Lebensmittelreste abgelagert worden seien. Dies habe zum Auftreten von Ratten mit entsprechenden Gesundheitsgefahren geführt. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) sehe keine Verpflichtung der Beklagten zur Aufstellung von Sammelcontainern für Bekleidung im öffentlichen Raum vor. Als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger biete der Landkreis U auf seinen Wertstoffhöfen, zwei davon im Stadtgebiet der Beklagten, Möglichkeiten zur Entsorgung von Bekleidungsgegenständen. Sammelcontainer für Bekleidung befänden sich zudem auf privaten Grundstücken und auf Fiskalflächen der Stadt, auf welchen keine Sondernutzungserlaubnis erforderlich sei. Auch würden Gebrauchttextilien von mehreren Händlern zurück- oder von Organisationen angenommen. Diese Optionen würden durch die Richtlinie nicht erfasst und bestünden weiterhin, weshalb auch ohne Belegung des öffentlichen Straßenraumes ein ausreichendes Angebot zur Bekleidungsentsorgung bestehe. Antragsteller hätten generell einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung nach Straßen- und Straßenverkehrsrecht. Die Richtlinie erleichtere die generelle Umsetzung eines Gestaltungs- und Ordnungskonzepts. Sie werde im Rahmen der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens seitens der Verwaltung ermessenslenkend beachtet. Aufgrund der massiv negativen Auswirkungen an den Containerstandorten und den weiterhin bestehenden Alternativen sei es im Sinne eines ordentlichen Stadtbilds und sauberen Verkehrsraums angemessen, Sondernutzungerlaubnisse für Altkleidercontainer generell nicht zu erteilen. Die dem Beschlussantrag als Anlage beigefügte Richtlinie enthält im Wesentlichen die Regelungen, dass auf öffentlichen Verkehrsflächen im Markungsgebiet der Beklagten aus stadtgestalterischen und verkehrssicherheitstechnischen Gründen keine Sammelcontainer für Bekleidung zugelassen werden und dass bestehende Sondernutzungserlaubnisse für die Aufstellung von Sammelcontainern bis 31.12.2020 zu widerrufen sind. Die Begründung der Richtlinie wiederholt im Wesentlichen die Begründung zum Beschlussantrag. Ergänzend heißt es, dass die Richtlinie im Rahmen der Ermessensausübung der Verwaltung der Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und gleichzeitig der Berücksichtigung städtebaulicher und gestalterischer Aspekte dienen solle. Die Verwaltung sei gehalten, diese Richtlinie im Abwägungsprozess der Ermessensausübung über die Entscheidung zur Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zu berücksichtigen.
29 
Mit Schreiben vom 27.02.2020 bat die Beklagte die Klägerin um Vorlage einer Kopie der Anzeige nach § 53 Abs. 1 KrWG und Bestätigung der zuständigen Behörde sowie um Vorlage einer Kopie des Zertifikats als Entsorgungsfachbetrieb gemäß § 56 KrWG.
30 
Am 05.03.2020 beriet der Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderats der Beklagten die Richtlinie zum Verbot über die Aufstellung von Sammelcontainern für Bekleidung im öffentlichen Straßenraum öffentlich vor und empfahl dem Gemeinderat einstimmig den Erlass der Richtlinie für die Sitzung am 12.03.2020.
31 
Aufgrund der infolge der Corona-Pandemie noch vor dem 12.03.2020 ausgesetzten Sitzungstätigkeit des Gemeinderats beschloss der Oberbürgermeister der Beklagten am 20.03.2020 unter Berufung auf sein Eilentscheidungsrecht aus § 43 Abs. 4 GemO die verbindliche Einführung der Richtlinie. Zur Begründung führte er aus, dass aufgrund laufender Antragsverfahren auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis, über die aufgrund der Zeitspanne zur Vermeidung von Untätigkeitsklagen zwingend zu entscheiden sei, der Erlass der Richtlinie dringend geboten sei. Auch sollten die bestehenden Sondernutzungserlaubnisse für Sammelcontainer für Bekleidung zeitnah widerrufen werden. Nur so könne der Regelungsinhalt ermessenslenkend und im Sinne der Stadt U vollzogen werden.
32 
Mit Bescheid vom 15.04.2020 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 17.12.2018 ab (Ziff. 1) und setzte für die Entscheidung eine Gebühr in Höhe von 100 EUR fest (Ziff. 2). Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass sich sechs der beantragten 20 Standorte – die Standorte C-Straße .., D-Straße .., V-Straße .., H-Straße .., S-Straße .. sowie L-Straße .. – bereits nicht auf dem öffentlichen Straßenverkehr gewidmeten Flächen befänden und eine Sondernutzungserlaubnis insoweit schon deshalb ausgeschlossen sei. Weiter regele die am 20.03.2020 in Kraft getretene Richtlinie, dass auf öffentlichen Verkehrsflächen aus stadtgestalterischen und verkehrssicherheitstechnischen Gründen keine Sammelcontainer für Bekleidung zugelassen würden. Die beantragten Standorte in der B-Straße .. und der M-Straße .. seien im Rahmen von Baumaßnahmen im Mai 2019 als Sammelorte für Wertstoffe ersatzlos aufgegeben worden. In der B-Straße sei nach Umsetzung der verkehrsplanerischen Straßenbaumaßnahme aufgrund des immens hohen Parkdrucks die Wertstoffinsel zugunsten von Parkflächen nicht wiederhergestellt worden. Der Standort M-Straße habe aufgrund der Baumaßnahme „Brückenneubau B ..“ aufgegeben werden müssen, da sich die Wertstoffinsel zentral im Baufeld befunden habe. Eine Wiederanlage nach Abschluss der Baumaßnahme sei aufgrund veränderter örtlicher Bedingungen nicht möglich. Der Standort P-Straße .. sei bereits im Oktober 2018 ebenfalls im Rahmen einer Neubaumaßnahme aufgegeben worden. An dieser Stelle sei ein Feuerwehrgerätehaus erbaut worden. Der bisherige Parkplatz, an dem sich die Wertstoffinsel befunden habe, sei für den Neubau benötigt worden. In der N-Straße .. sowie in der Teckstraße befinde sich jeweils kein öffentlicher Sammelplatz. Über die N-Straße .. werde zum einen die Parkierungsanlage des Landratsamts U sowie das Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum erschlossen. Aufgrund des hohen Parkdrucks, der durch die genannten Einrichtungen aber auch durch Bewohner des Gebiets ausgelöst werde (Besucher- und Anlieferverkehr), sei die Neueinrichtung eines Sammelplatzes für Altkleider auch als Einzelstandort nicht zu befürworten. Kinder, die in diesem Bereich zu Fuß verkehrten, bedürften eines besonderen Schutzes, weshalb auch aus Verkehrssicherheitsgründen die Einrichtung eines Sammelcontainerstandorts ausgeschlossen sei. Ein Seitenraum, der geeignet wäre, Sammelcontainer aufzustellen, sei nicht vorhanden. Aus den genannten Gründen sei in der N-Straße .. kein geeigneter Standort vorhanden, an dem ein Einzelsammelcontainer aufgestellt werden könne. Bei der Q-Straße handle es sich um eine schmale Wohnerschließungsstraße. Die Straße sei als Sackgasse mit sehr eingeschränkter Wendemöglichkeit und einer Fahrbahnbreite von maximal fünf Metern angelegt. In der Straße befänden sich mehrere Grundstückszufahrten, die das Parken im öffentlichen Raum auf ein Minimum beschränkten. Die Q-Straße zweige zudem von einer vielbefahrenen Kreisstraße (Zubringer zur Bundesstraße ..) ab, in der das Parken auf die gesamte Länge aufgrund des Straßenverlaufs, der Fahrbahnbreite und des Gefälles nicht zulässig sei. Um den Anwohnern und deren Besuchern das Parken in der Nähe zu ermöglichen, könnten die wenigen vorhandenen Parkflächen nicht zugunsten eines Sammelcontainerstandorts für Altkleider aufgegeben werden. Ein geeigneter Seitenraum sei auch hier nicht vorhanden. Die Neueinrichtung eines Sammelcontainerstandorts sei daher abzulehnen. Ohnehin sei von der Klägerin eine Aufstellung ihrer Altkleidercontainer unmittelbar anschließend an Altglassammelstellen beantragt worden, was an diesen beiden Standorten nicht möglich sei. Auch für die übrigen von der Klägerin beantragten Standorte im öffentlichen Straßenraum (A-Straße .., F-Straße .., G-Straße .., I-Straße .., J-Straße .., K-Straße .., P-Straße, R-Straße und T-Straße) sei eine von der städtischen Richtlinie abweichende Beurteilung nicht sachgerecht. Die Zulassung der Sammelcontainer der Klägerin würde dem Ziel der Richtlinie, der Vermeidung zunehmender Müllablagerungen und damit einhergehend einer Verschandelung des Stadtbildes, entgegenlaufen. Die Gleichbehandlung sei gewahrt, indem bereits erteilte Sondernutzungserlaubnisse an andere Entsorger widerrufen würden und die Regelungen auch für mögliche andere Antragsteller gelten würden. Regelmäßige massive Verschmutzungen an Standorten mit Altkleidercontainern hätten zu einer Verunstaltung des Stadtbildes geführt. Herumwehende Bekleidungen hätten gleichzeitig den Verkehr gefährdet. Trotz größter Bemühungen der Reinigung durch Entsorger und dem städtischen Betriebshof habe keine auch nur annähernd befriedigende Situation erreicht werden können. Aufgrund dieser Erfahrungen seien auch die Zusicherungen der Klägerin, insbesondere – auch kurzfristig – neben dem Container abgelegte Alttextilien zu entfernen und verschmutzte Container zu reinigen, nicht geeignet, die Standorte in ordnungsgemäßem, sauberen und vor allem auch verkehrssicheren Zustand zu halten. Denn bei massiven Verschmutzungen, die auch häufig die Verkehrssicherheit beeinträchtigt hätten, habe ihr Betriebshof zusätzlich kurzfristig mit Reinigungsarbeiten als Sofortmaßnahme beauftragt werden müssen. Von der Klägerin seien keine durchgreifenden Maßnahmen genannt worden, die über die bisher durchgeführten Maßnahmen und Regelungen mit den der Beklagten bekannten Entsorgern hinausgingen, um hier eine deutliche und nachhaltige Verbesserung der Situation zu erreichen. Es sei nicht ersichtlich, wie entsprechende Reinigungs- und Leerungsmaßnahmen gerade von einem nicht regional ansässigen Unternehmen, insbesondere bei kurzfristigen Ereignissen und bei Gefahr im Verzug, eine Beseitigung oder Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustands bewerkstelligen sollten. Die Zusicherung eines Außendienstes neben der Zentrale der Klägerin in W könne diese Zweifel nicht begründet ausräumen. Es lägen damit keine Gründe vor, die eine von der Richtlinie der Stadt U abweichende Entscheidung in dieser Hinsicht begründen könnten. Darüber hinaus bestünde im gesamten Stadtgebiet der Beklagten weiterhin die Möglichkeit im Rahmen privatrechtlicher Vereinbarungen Sammelcontainer für Altkleider aufzustellen oder Haussammlungen durchzuführen. Die auf Privatflächen zahlreich angebotenen Containersammelstellen sowie die weiterhin bestehende Möglichkeit zur Durchführung von Haussammlungen als auch die Option der Abgabe von Altkleidern bei Textileinzelhändlern, karitativen Einrichtungen oder den beiden Wertstoffhöfen des Landkreises U böten im Stadtgebiet der Beklagten ein weiterhin flächendeckendes Angebot zur Bekleidungsentsorgung. Deshalb sei ein Defizit der Zuführung von Alttextilien in den Recyclingkreislauf durch das Verbot zur Aufstellung entsprechender Container im öffentlichen Verkehrsraum nicht gegeben. Schließlich führe die Versagung keine Nachteile herbei, die außer Verhältnis zum beabsichtigten Zweck stünden. Die Versagung sei geeignet, die regelmäßige massive Verschmutzung an Standorten mit Altkleidercontainern zu vermeiden und damit die Gefahr umherwehender Bekleidung für den Verkehr zu beseitigen sowie einer Verunstaltung des Stadtbildes entgegenzuwirken. Die Beeinträchtigung des Straßen- und Ortsbildes sei eine straßenbezogene Beeinträchtigung, die bei einer Versagung berücksichtigt werden könne. Abgewogen worden seien weiter die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin an der Aufstellung von 20 Sammelcontainern für Altkleider sowie andererseits die verkehrsbezogenen Gesichtspunkte, insbesondere der Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Die Abwägung ergebe, dass die aufgeführten öffentlichen Belange das Interesse der Klägerin an der Aufstellung von Altkleidercontainern im öffentlichen Raum überwiege. Die Klägerin sei – wie bereits ausgeführt – zur Ausübung ihres Gewerbes nicht auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsflächen angewiesen.
33 
Bereits am 09.03.2020 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend, dass der Ablehnungsbescheid der Beklagten rechtswidrig sei und sie in ihren Rechten verletze. Die Richtlinie der Beklagten zum Verbot über die Aufstellung von Sammelcontainern für Bekleidung im öffentlichen Raum vom 20.03.2020 stehe einer Sondernutzungserlaubnis schon deshalb nicht entgegen, weil sie statt dem Gemeinderat durch den Oberbürgermeister der Beklagten beschlossen worden sei, ohne dass die Voraussetzungen des § 43 Abs. 4 GemO vorgelegen hätten. Die Anmahnung der Bescheidung eines Sondernutzungsantrags unter Fristsetzung und Androhung einer Untätigkeitsklage begründe keine Dringlichkeit im Sinne dieser Norm. Weiterhin verstoße die Richtlinie gegen § 16 Abs. 1 und 7 StrG, weil sie ein ausnahmsloses Verbot der Sondernutzungserteilung vorsehe und damit das Ermessen der Straßenbaubehörde auf eine gebundene Ablehnungsentscheidung reduziere. Darüber hinaus liege der Richtlinie kein nachvollziehbares, konsistentes Konzept zugrunde. Diese sei daher willkürlich und verletze Art. 3 GG. Soweit es der Beklagten tatsächlich um den Schutz des Ortbildes und des Verkehrs vor Müll gehen sollte, sei es hochgradig widersprüchlich, wenn sie Altkleidercontainer auf unmittelbar an öffentliche Straßen angrenzenden städtischen Fiskalflächen zulasse.
34 
Nachdem die Klägerin zunächst beantragt hatte, die Beklagte zu verpflichten, ihren Antrag vom 17.12.2018 zu bescheiden, hat sie ihre Klage im Hinblick auf den Standort Nr. 9 mit Schriftsatz vom 16.03.2022 ausdrücklich zurückgenommen und beantragt zuletzt,
35 
die Ablehnungsverfügung der Beklagten vom 15.04.2020 hinsichtlich der Standorte Nr. 1, 6, 7, 10, 11, 15, 18 und 20 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, insoweit ihren Antrag vom 17.12.2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
36 
Die Beklagte beantragt,
37 
die Klage abzuweisen.
38 
Zur Begründung verweist sie zunächst auf ihren Bescheid vom 15.04.2020. Ergänzend führt sie aus, dass eine Untätigkeit ohne zureichenden Grund schon deshalb nicht vorgelegen habe, weil sie die Klägerin über die Unvollständigkeit der klägerischen Antragsunterlagen zeitig informiert habe. Schon mit Schreiben vom 02.01.2019 habe sie die Klägerin auf das Fehlen der Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb aufmerksam gemacht. Auch habe die Klägerin den notwendigen Nachweis der Sammelberechtigung nach dem KrWG trotz entsprechender Aufforderung bis heute nicht erbracht. Auch sei die Eilentscheidung über die Ermessensrichtlinie durch ihren Oberbürgermeister gerechtfertigt gewesen. Es habe sich um einen Fall äußerster Dringlichkeit gehandelt. Ein Zuwarten bis zur Wiederaufnahme des Sitzungsbetriebs sei nicht vertretbar gewesen. Das ergebe sich daraus, dass die Klägerin bereits eine Untätigkeitsklage angedroht habe. Darüber hinaus habe der Ausschuss bereits den Erlass der Richtlinie empfohlen. Zwischenzeitlich befänden sich in ihrem gesamten Stadtgebiet auf öffentlichen Straßen keine Sammelcontainer für Bekleidung mehr. Sondernutzungserlaubnisse für Anlagen dieser Art seien derzeit nicht erteilt. Es gebe lediglich Altkleidercontainer auf städtischen Fiskalflächen, die auf Grundlage privatrechtlicher Nutzungsverträge aufgestellt würden.
39 
Mit Beschluss vom 27.01.2022 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. In der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2022 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet.
40 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

41 
Das Gericht entscheidet durch den zuständigen Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 VwGO) und nach dem entsprechenden Verzicht der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
42 
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die teils konkludente Erklärung der teilweisen Klagerücknahme in diesem Umfang ergibt sich aus der Stellung eines gegenüber dem ursprünglichen Klagebegehren verminderten Klageantrags mit Schriftsatz vom 18.05.2020 und in der mündlichen Verhandlung (vgl. BFH, Beschluss vom 01.10.1999 – VII R 32/98 –, juris Rn. 9 ff.; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 92 Rn. 9).
43 
Die Klage im Übrigen hat Erfolg. Der Klägerin war es nicht verwehrt, die ursprünglich erhobene Untätigkeitsklage nach Erlass des ablehnenden Bescheids der Beklagten vom 15.04.2020 als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage fortzuführen (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 75 Rn. 21 und § 91 Rn. 9). Diese ist zulässig (dazu I.) und begründet (dazu II.).
44 
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere war die Durchführung eines Vorverfahrens im Sinne des § 68 Abs. 2 VwGO vorliegend nach § 75 Satz 1 und 2 VwGO entbehrlich. Gemäß § 75 Satz 1 VwGO ist die Klage abweichend von § 68 VwGO zulässig, wenn über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Nach § 75 Satz 2 VwGO kann die Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist.
45 
Die Beklagte entschied über den Antrag der Klägerin auf Erteilung der begehrten Sondernutzungserlaubnisse vom 17.12.2018 erst nach Erhebung der Untätigkeitsklage durch die Klägerin am 09.03.2020 und damit nicht in angemessener Frist. Ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung des klägerischen Antrags bestand nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten waren insbesondere auch die Antragsunterlagen der Klägerin nicht deshalb unvollständig, weil sie keine Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb und keinen Nachweis der Sammelberechtigung nach dem KrWG vorgelegt hatte. Die Klägerin war schon nicht zur Vorlage von Nachweisen nach dem KrWG verpflichtet, weil die Prüfung der Vorschriften des KrWG nicht in die Kompetenz der Beklagten als Straßenbaubehörde fällt, sondern hierfür nach § 23 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 LKrWG die untere Abfallrechtsbehörde zuständig ist. § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG öffnet sich gerade nicht anderen, über den Straßenbezug hinausgehenden öffentlichen Belangen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.10.1996 – 5 S 1775/96 –, juris Rn. 16).
46 
II. Soweit die Klägerin die Klage aufrechterhalten hat, ist sie begründet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 15.04.2020 ist hinsichtlich der beantragten Standorte 1, 6, 7, 10, 11, 15, 18 und 20 rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten. Die Klägerin hat insoweit einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
47 
Rechtsgrundlage für die beantragten Sondernutzungserlaubnisse ist § 16 Straßengesetz Baden-Württemberg (StrG). Danach bedarf die Benutzung einer Straße über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) der Erlaubnis (Abs. 1 Satz 1), über deren Erteilung die Straßenbaubehörde nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet (Abs. 2 Satz 1).
48 
1. Die von der Klägerin beabsichtigte Aufstellung von Altkleidercontainern im öffentlichen Straßenraum – auf Gemeindestraßen der Beklagten – stellt eine erlaubnispflichtige Sondernutzung dar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.04.2021 – 5 S 1996/19 –, juris Rn. 47 ff.), über die die Beklagte gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG als nach § 50 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) StrG zuständige Straßenbaubehörde zu entscheiden hat.
49 
2. Die Anträge der Klägerin sind jedenfalls im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hinreichend bestimmt. Denn jedenfalls nach Konkretisierung der aufrechterhaltenen Anträge durch die Vorlage der markierten Lichtbilder, ist die Beklagte in der Lage zu prüfen, inwieweit eine abweichende Nutzung der öffentlichen Straßenfläche noch mit den Belangen des Straßenrechts vereinbar ist.
50 
3. Der Anspruch der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ist durch den versagenden Bescheid der Beklagten vom 15.04.2020 nicht erloschen, denn dieser ist ermessensfehlerhaft ergangen.
51 
a) Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG entscheidet die Straßenbaubehörde über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nach pflichtgemäßem Ermessen. Dieses Ermessen ist entsprechend dem Zweck des § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens, insbesondere des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG), auszuüben (§ 40 LVwVfG). Die gerichtliche Kontrolle der dabei getroffenen Behördenentscheidung beschränkt sich auf die Prüfung, ob dieser rechtliche Rahmen eingehalten worden ist (§ 114 Satz 1 VwGO), wobei nur die Gesichtspunkte maßgebend sind, welche die Ermessensentscheidung nach Maßgabe des Widerspruchsbescheids (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO) und im gerichtlichen Verfahren nachgeschobener ergänzender Erwägungen im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO tragen. § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG enthält keine ausdrücklichen normativen Maßgaben für das der Straßenbaubehörde eröffnete Ermessen über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis. Gemäß § 40 LVwVfG ist es entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Die Ermessensausübung bei Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis hat sich in erster Linie an den Auswirkungen des beabsichtigten Verhaltens auf die widmungsgemäße Nutzung der Straße, insbesondere auf Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, sowie auch an sonstigen unmittelbar auf den Straßengrund bezogenen sachlichen Erwägungen zu orientieren. Auch kann eine Sondernutzungserlaubnis im Hinblick auf eine durch die beabsichtigte Straßennutzung drohende Verschmutzung der Straße versagt oder durch entgegenwirkende Nebenbestimmungen eingeschränkt werden. Darüber hinaus darf die Straßenbaubehörde bei der Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis insbesondere im Bereich von Fußgängerzonen städtebauliche einschließlich spezifisch baugestalterische Belange berücksichtigen, sofern sie einen sachlichen Bezug zur Straße haben (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.04.2021 – 5 S 1996/19 –, juris Rn. 52) sowie ein konkretes Gestaltungskonzept der Gemeinde vorliegt, das – in Form verwaltungsinterner Richtlinien – vom Gemeinderat beschlossen worden ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.01.2006 – 5 S 2599/05 –, juris Rn. 6 m.w.N.) und willkürfrei umgesetzt wird (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.08.1996 – 5 S 3300/95 –, juris Rn. 21).
52 
Auch im Übrigen darf sich die Behörde bei der Ausübung des Ermessens sog. ermessenslenkender Verwaltungsvorschriften bedienen, in welchen eine tatsächliche oder antizipierte Verwaltungspraxis festgeschrieben wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.04.2021 – 5 S 1996/19 –, juris Rn. 61). Diese müssen sich jedoch ebenfalls am Zweck der Ermächtigung orientieren und müssen sachgerecht sein (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 19.09.2018 – 8 K 12220/17 –, juris Rn. 27).
53 
b) Ausgehend von diesen Maßstäben leidet der versagende Bescheid der Beklagten vom 15.04.2020 an einem Ermessensfehlgebrauch. Die Beklagte hat die Versagung der beantragten Sondernutzungserlaubnisse maßgeblich mit der Verhinderung einer Verunstaltung ihres Stadtbildes und damit mit städtebaulichen und baugestalterische Belangen begründet, ohne dass diese auf einem vom Gemeinderat der Beklagten rechtmäßig beschlossenen Gestaltungskonzept beruhen (dazu aa)) und willkürfrei umgesetzt sind (dazu bb)). Die Frage, ob und inwieweit die Straßenbaubehörde bei der Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis auch außerhalb von Fußgängerzonen und Innenstadtbereichen überhaupt städtebauliche einschließlich spezifisch baugestalterische Belange berücksichtigen darf, kann daher offenbleiben.
54 
aa) Die vom Oberbürgermeister der Beklagten am 20.03.2020 unter Berufung auf sein Eilentscheidungsrecht aus § 43 Abs. 4 Satz 1 GemO beschlossene Richtlinie zum Verbot über die Aufstellung von Sammelcontainern für Bekleidung im öffentlichen Straßenraum, welche allein als konkretes städtebauliches Gestaltungskonzept der Beklagten in Betracht kommt, ist rechtswidrig.
55 
§ 43 Abs. 4 Satz 1 GemO sieht vor, dass in dringenden Angelegenheiten des Gemeinderats, deren Erledigung auch nicht bis zu einer ohne Frist und formlos einberufenen Gemeinderatssitzung aufgeschoben werden kann, der Bürgermeister an Stelle des Gemeinderats entscheidet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
56 
Bei der Richtlinie zum Verbot über die Aufstellung von Sammelcontainern für Bekleidung im öffentlichen Straßenraum handelt es sich um eine Angelegenheit des Gemeinderats (dazu (1)), die nicht dringend und unaufschiebbar war (dazu (2)).
57 
(1) In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Erlass allgemeiner Richtlinien, welche die Ermessenspraxis der Gemeinde bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen im öffentlichen Straßenraum bestimmen sollen, kein Geschäft der laufenden Verwaltung ist und damit dem Gemeinderat vorbehalten ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.04.2021 – 5 S 1996/19 – juris Rn. 63 m.w.N.). Auch dürfen – wie bereits ausgeführt – städtebauliche einschließlich spezifisch baugestalterische Belange bei der Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis gerade nur dann berücksichtigt werden, wenn ein konkretes Gestaltungskonzept der Gemeinde vorliegt, das – in Form verwaltungsinterner Richtlinien – vom Gemeinderat beschlossen worden ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.01.2006 – 5 S 2599/05 –, juris Rn. 6 m.w.N.)
58 
(2) Der Beschluss der Richtlinie zum Verbot über die Aufstellung von Sammelcontainern für Bekleidung im öffentlichen Straßenraum am 20.03.2020 war jedoch keine dringende und unaufschiebbare Angelegenheit. Dringend ist eine Angelegenheit nur, wenn sie zum einen eilbedürftig ist und zum anderen mehr als unwesentliche Nachteile für die Gemeinde oder einzelne Einwohner im Fall des Unterbleibens oder der Verzögerung der Entscheidung drohen. An beide Kriterien sind strenge Maßstäbe anzulegen, da der Eingriff in die grundsätzliche Zuständigkeit des Gemeinderats als Hauptorgan auf die unumgänglichen Fälle begrenzt bleiben muss (vgl. Behrendt, in: BeckOK Kommunalrecht Baden-Württemberg, 16. Ed. 01.01.2022, § 43 GemO Rn. 29 f. m.w.N.). Dringend und unaufschiebbar können auch weniger bedeutsame Angelegenheiten daher von vornherein nur dann sein, wenn auch eine Entscheidung des Gemeinderats im schriftlichen Verfahren gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 GemO nicht mehr möglich ist (vgl. Kunze/Bronner/Katz, GemO Baden-Württemberg, Bd. 1, 30. EL April 2021, § 43 Rn. 18 f.).
59 
Daran gemessen rechtfertigte die von der Beklagten angeführte Absicht, Untätigkeitsklagen zu vermeiden sowie bestehende Sondernutzungserlaubnisse für Bekleidungssammelcontainer zeitnah zu widerrufen und so den Regelungsinhalt der Richtlinie ermessenslenkend zu vollziehen, nicht die Eilentscheidung durch ihren Oberbürgermeister. Weder drohende Untätigkeitsklagen noch der nicht sofortige Widerruf bestehender Sondernutzungserlaubnisse stellen erhebliche Nachteile für die Gemeinde oder ihre Einwohner dar. Eine Untätigkeitsklage führte, soweit die Beklagte auch während des gerichtlichen Verfahrens die gestellten Anträge auf Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen nicht bescheidet, zu einer entsprechenden gerichtlichen Verpflichtung der Beklagten sowie zur Auferlegung der Verfahrenskosten. Der nicht sofortige Widerruf bestehender Sondernutzungserlaubnisse bedeutete allenfalls eine vorläufige Aufrechterhaltung des gegebenen Zustands, durch welchen – soweit vorgetragen und sonst ersichtlich – keine konkreten Gefahren für die Beklagte oder ihre Einwohner drohten.
60 
bb) Ungeachtet des nicht durch den Gemeinderat der Beklagten beschlossenen konkreten Gestaltungskonzepts würde es für eine rechtmäßige Berücksichtigung städtebaulicher Belange bei der Ermessensentscheidung über Anträge auf Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen auch an einer willkürfreien Umsetzung eines solchen Konzepts fehlen. Wie die Klägerin zu Recht geltend macht, ist es widersprüchlich, wenn die Beklagte einerseits ihre Richtlinie zum Verbot über die Aufstellung von Sammelcontainern für Bekleidung im öffentlichen Straßenraum ganz maßgeblich damit begründet, dass die Standorte der Sammelcontainer in der Vergangenheit stark verschmutzt gewesen seien und dadurch ausgesprochen negative Auswirkungen auf das Stadtbild entstünden und sie andererseits weiterhin an den – jährlich kündbaren – Gestattungsverträgen mit verschiedenen Aufstellern von Altkleidercontainern in Bezug auf ihre städtischen Fiskalflächen festhält. Insoweit ist von der Beklagten nicht ansatzweise dargetan und auch sonst nicht ersichtlich, warum von den Sammelcontainern auf diesen Flächen, die öffentlich zugänglich und einsehbar sind und sich teilweise in unmittelbarer Nähe zum öffentlichen Straßenraum befinden, keine negativen Auswirkungen auf das Stadtbild der Beklagten ausgehen sollten.
61 
c) Schließlich ist für das Gericht nicht erkennbar, dass die Beklagte den angefochtenen Bescheid auch ohne Rückgriff auf städtebauliche Belange allein auf eine andere rechtsfehlerfreie Ermessenserwägung gestützt hätte.
62 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügt es für die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Ermessensentscheidung, dass ein selbständig tragender Grund rechtlich fehlerfrei ist (BVerwG, Urteil vom 21.09.2000 – 2 C 5.99 –, juris Rn. 53 m.w.N.). Waren dagegen mehrere Beweggründe für die Entscheidung der Behörde in der Weise maßgebend, dass sie erst zusammen zu der Entscheidung führten, so hängt deren Rechtmäßigkeit von der Sachgemäßheit aller tragenden Beweggründe ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.11.1987 – 2 C 53/86 –, juris Rn. 33).
63 
Die Beklagte hat die Ablehnung der von der Klägerin begehrten Sondernutzungserlaubnisse im Bescheid vom 15.04.2020 nicht allein mit der Verunstaltung ihres Stadtbildes durch die massiven Verschmutzungen an Altkleiderstandorten begründet, sondern auch damit, dass ausreichend anderweitige Möglichkeiten der Bevölkerung zur Abgabe von Altkleidern bestünden, kein Defizit der Zuführung in den Recyclingkreislauf gegeben sei und herumwehende Bekleidungen eine Verkehrsgefährdung darstellten. Dabei hat die Beklagte jedoch nicht zum Ausdruck gebracht, dass eine dieser Begründungen ihre Entscheidung selbständig tragen sollte. Vielmehr hat die Beklagte ihre Entscheidung insbesondere und durchweg gemeinsam auf die Vermeidung einer Verunstaltung des Stadtbildes sowie die Vermeidung von Verkehrsgefährdungen gestützt. Die übrigen von ihr angestellten Ermessenserwägungen der anderweitigen Möglichkeiten zur Abgabe von Altkleidern sowie der ausreichenden Zuführung in den Recyclingkreislauf sind im Übrigen ohnehin ermessensfehlerhaft, weil es ihnen an einem sachlichen Bezug zur Straße fehlt (vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 03.02.2021 – 1 A 308/19 –, juris Rn. 66).
64 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.
65 
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).
66 
Soweit das Verfahren aufgrund der teilweisen Klagerücknahme eingestellt wurde, ist diese Entscheidung unanfechtbar.

Gründe

41 
Das Gericht entscheidet durch den zuständigen Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 VwGO) und nach dem entsprechenden Verzicht der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
42 
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die teils konkludente Erklärung der teilweisen Klagerücknahme in diesem Umfang ergibt sich aus der Stellung eines gegenüber dem ursprünglichen Klagebegehren verminderten Klageantrags mit Schriftsatz vom 18.05.2020 und in der mündlichen Verhandlung (vgl. BFH, Beschluss vom 01.10.1999 – VII R 32/98 –, juris Rn. 9 ff.; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 92 Rn. 9).
43 
Die Klage im Übrigen hat Erfolg. Der Klägerin war es nicht verwehrt, die ursprünglich erhobene Untätigkeitsklage nach Erlass des ablehnenden Bescheids der Beklagten vom 15.04.2020 als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage fortzuführen (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 75 Rn. 21 und § 91 Rn. 9). Diese ist zulässig (dazu I.) und begründet (dazu II.).
44 
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere war die Durchführung eines Vorverfahrens im Sinne des § 68 Abs. 2 VwGO vorliegend nach § 75 Satz 1 und 2 VwGO entbehrlich. Gemäß § 75 Satz 1 VwGO ist die Klage abweichend von § 68 VwGO zulässig, wenn über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Nach § 75 Satz 2 VwGO kann die Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist.
45 
Die Beklagte entschied über den Antrag der Klägerin auf Erteilung der begehrten Sondernutzungserlaubnisse vom 17.12.2018 erst nach Erhebung der Untätigkeitsklage durch die Klägerin am 09.03.2020 und damit nicht in angemessener Frist. Ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung des klägerischen Antrags bestand nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten waren insbesondere auch die Antragsunterlagen der Klägerin nicht deshalb unvollständig, weil sie keine Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb und keinen Nachweis der Sammelberechtigung nach dem KrWG vorgelegt hatte. Die Klägerin war schon nicht zur Vorlage von Nachweisen nach dem KrWG verpflichtet, weil die Prüfung der Vorschriften des KrWG nicht in die Kompetenz der Beklagten als Straßenbaubehörde fällt, sondern hierfür nach § 23 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 LKrWG die untere Abfallrechtsbehörde zuständig ist. § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG öffnet sich gerade nicht anderen, über den Straßenbezug hinausgehenden öffentlichen Belangen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.10.1996 – 5 S 1775/96 –, juris Rn. 16).
46 
II. Soweit die Klägerin die Klage aufrechterhalten hat, ist sie begründet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 15.04.2020 ist hinsichtlich der beantragten Standorte 1, 6, 7, 10, 11, 15, 18 und 20 rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten. Die Klägerin hat insoweit einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
47 
Rechtsgrundlage für die beantragten Sondernutzungserlaubnisse ist § 16 Straßengesetz Baden-Württemberg (StrG). Danach bedarf die Benutzung einer Straße über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) der Erlaubnis (Abs. 1 Satz 1), über deren Erteilung die Straßenbaubehörde nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet (Abs. 2 Satz 1).
48 
1. Die von der Klägerin beabsichtigte Aufstellung von Altkleidercontainern im öffentlichen Straßenraum – auf Gemeindestraßen der Beklagten – stellt eine erlaubnispflichtige Sondernutzung dar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.04.2021 – 5 S 1996/19 –, juris Rn. 47 ff.), über die die Beklagte gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG als nach § 50 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) StrG zuständige Straßenbaubehörde zu entscheiden hat.
49 
2. Die Anträge der Klägerin sind jedenfalls im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hinreichend bestimmt. Denn jedenfalls nach Konkretisierung der aufrechterhaltenen Anträge durch die Vorlage der markierten Lichtbilder, ist die Beklagte in der Lage zu prüfen, inwieweit eine abweichende Nutzung der öffentlichen Straßenfläche noch mit den Belangen des Straßenrechts vereinbar ist.
50 
3. Der Anspruch der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ist durch den versagenden Bescheid der Beklagten vom 15.04.2020 nicht erloschen, denn dieser ist ermessensfehlerhaft ergangen.
51 
a) Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG entscheidet die Straßenbaubehörde über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nach pflichtgemäßem Ermessen. Dieses Ermessen ist entsprechend dem Zweck des § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens, insbesondere des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG), auszuüben (§ 40 LVwVfG). Die gerichtliche Kontrolle der dabei getroffenen Behördenentscheidung beschränkt sich auf die Prüfung, ob dieser rechtliche Rahmen eingehalten worden ist (§ 114 Satz 1 VwGO), wobei nur die Gesichtspunkte maßgebend sind, welche die Ermessensentscheidung nach Maßgabe des Widerspruchsbescheids (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO) und im gerichtlichen Verfahren nachgeschobener ergänzender Erwägungen im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO tragen. § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG enthält keine ausdrücklichen normativen Maßgaben für das der Straßenbaubehörde eröffnete Ermessen über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis. Gemäß § 40 LVwVfG ist es entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Die Ermessensausübung bei Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis hat sich in erster Linie an den Auswirkungen des beabsichtigten Verhaltens auf die widmungsgemäße Nutzung der Straße, insbesondere auf Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, sowie auch an sonstigen unmittelbar auf den Straßengrund bezogenen sachlichen Erwägungen zu orientieren. Auch kann eine Sondernutzungserlaubnis im Hinblick auf eine durch die beabsichtigte Straßennutzung drohende Verschmutzung der Straße versagt oder durch entgegenwirkende Nebenbestimmungen eingeschränkt werden. Darüber hinaus darf die Straßenbaubehörde bei der Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis insbesondere im Bereich von Fußgängerzonen städtebauliche einschließlich spezifisch baugestalterische Belange berücksichtigen, sofern sie einen sachlichen Bezug zur Straße haben (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.04.2021 – 5 S 1996/19 –, juris Rn. 52) sowie ein konkretes Gestaltungskonzept der Gemeinde vorliegt, das – in Form verwaltungsinterner Richtlinien – vom Gemeinderat beschlossen worden ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.01.2006 – 5 S 2599/05 –, juris Rn. 6 m.w.N.) und willkürfrei umgesetzt wird (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.08.1996 – 5 S 3300/95 –, juris Rn. 21).
52 
Auch im Übrigen darf sich die Behörde bei der Ausübung des Ermessens sog. ermessenslenkender Verwaltungsvorschriften bedienen, in welchen eine tatsächliche oder antizipierte Verwaltungspraxis festgeschrieben wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.04.2021 – 5 S 1996/19 –, juris Rn. 61). Diese müssen sich jedoch ebenfalls am Zweck der Ermächtigung orientieren und müssen sachgerecht sein (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 19.09.2018 – 8 K 12220/17 –, juris Rn. 27).
53 
b) Ausgehend von diesen Maßstäben leidet der versagende Bescheid der Beklagten vom 15.04.2020 an einem Ermessensfehlgebrauch. Die Beklagte hat die Versagung der beantragten Sondernutzungserlaubnisse maßgeblich mit der Verhinderung einer Verunstaltung ihres Stadtbildes und damit mit städtebaulichen und baugestalterische Belangen begründet, ohne dass diese auf einem vom Gemeinderat der Beklagten rechtmäßig beschlossenen Gestaltungskonzept beruhen (dazu aa)) und willkürfrei umgesetzt sind (dazu bb)). Die Frage, ob und inwieweit die Straßenbaubehörde bei der Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis auch außerhalb von Fußgängerzonen und Innenstadtbereichen überhaupt städtebauliche einschließlich spezifisch baugestalterische Belange berücksichtigen darf, kann daher offenbleiben.
54 
aa) Die vom Oberbürgermeister der Beklagten am 20.03.2020 unter Berufung auf sein Eilentscheidungsrecht aus § 43 Abs. 4 Satz 1 GemO beschlossene Richtlinie zum Verbot über die Aufstellung von Sammelcontainern für Bekleidung im öffentlichen Straßenraum, welche allein als konkretes städtebauliches Gestaltungskonzept der Beklagten in Betracht kommt, ist rechtswidrig.
55 
§ 43 Abs. 4 Satz 1 GemO sieht vor, dass in dringenden Angelegenheiten des Gemeinderats, deren Erledigung auch nicht bis zu einer ohne Frist und formlos einberufenen Gemeinderatssitzung aufgeschoben werden kann, der Bürgermeister an Stelle des Gemeinderats entscheidet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
56 
Bei der Richtlinie zum Verbot über die Aufstellung von Sammelcontainern für Bekleidung im öffentlichen Straßenraum handelt es sich um eine Angelegenheit des Gemeinderats (dazu (1)), die nicht dringend und unaufschiebbar war (dazu (2)).
57 
(1) In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Erlass allgemeiner Richtlinien, welche die Ermessenspraxis der Gemeinde bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen im öffentlichen Straßenraum bestimmen sollen, kein Geschäft der laufenden Verwaltung ist und damit dem Gemeinderat vorbehalten ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.04.2021 – 5 S 1996/19 – juris Rn. 63 m.w.N.). Auch dürfen – wie bereits ausgeführt – städtebauliche einschließlich spezifisch baugestalterische Belange bei der Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis gerade nur dann berücksichtigt werden, wenn ein konkretes Gestaltungskonzept der Gemeinde vorliegt, das – in Form verwaltungsinterner Richtlinien – vom Gemeinderat beschlossen worden ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.01.2006 – 5 S 2599/05 –, juris Rn. 6 m.w.N.)
58 
(2) Der Beschluss der Richtlinie zum Verbot über die Aufstellung von Sammelcontainern für Bekleidung im öffentlichen Straßenraum am 20.03.2020 war jedoch keine dringende und unaufschiebbare Angelegenheit. Dringend ist eine Angelegenheit nur, wenn sie zum einen eilbedürftig ist und zum anderen mehr als unwesentliche Nachteile für die Gemeinde oder einzelne Einwohner im Fall des Unterbleibens oder der Verzögerung der Entscheidung drohen. An beide Kriterien sind strenge Maßstäbe anzulegen, da der Eingriff in die grundsätzliche Zuständigkeit des Gemeinderats als Hauptorgan auf die unumgänglichen Fälle begrenzt bleiben muss (vgl. Behrendt, in: BeckOK Kommunalrecht Baden-Württemberg, 16. Ed. 01.01.2022, § 43 GemO Rn. 29 f. m.w.N.). Dringend und unaufschiebbar können auch weniger bedeutsame Angelegenheiten daher von vornherein nur dann sein, wenn auch eine Entscheidung des Gemeinderats im schriftlichen Verfahren gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 GemO nicht mehr möglich ist (vgl. Kunze/Bronner/Katz, GemO Baden-Württemberg, Bd. 1, 30. EL April 2021, § 43 Rn. 18 f.).
59 
Daran gemessen rechtfertigte die von der Beklagten angeführte Absicht, Untätigkeitsklagen zu vermeiden sowie bestehende Sondernutzungserlaubnisse für Bekleidungssammelcontainer zeitnah zu widerrufen und so den Regelungsinhalt der Richtlinie ermessenslenkend zu vollziehen, nicht die Eilentscheidung durch ihren Oberbürgermeister. Weder drohende Untätigkeitsklagen noch der nicht sofortige Widerruf bestehender Sondernutzungserlaubnisse stellen erhebliche Nachteile für die Gemeinde oder ihre Einwohner dar. Eine Untätigkeitsklage führte, soweit die Beklagte auch während des gerichtlichen Verfahrens die gestellten Anträge auf Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen nicht bescheidet, zu einer entsprechenden gerichtlichen Verpflichtung der Beklagten sowie zur Auferlegung der Verfahrenskosten. Der nicht sofortige Widerruf bestehender Sondernutzungserlaubnisse bedeutete allenfalls eine vorläufige Aufrechterhaltung des gegebenen Zustands, durch welchen – soweit vorgetragen und sonst ersichtlich – keine konkreten Gefahren für die Beklagte oder ihre Einwohner drohten.
60 
bb) Ungeachtet des nicht durch den Gemeinderat der Beklagten beschlossenen konkreten Gestaltungskonzepts würde es für eine rechtmäßige Berücksichtigung städtebaulicher Belange bei der Ermessensentscheidung über Anträge auf Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen auch an einer willkürfreien Umsetzung eines solchen Konzepts fehlen. Wie die Klägerin zu Recht geltend macht, ist es widersprüchlich, wenn die Beklagte einerseits ihre Richtlinie zum Verbot über die Aufstellung von Sammelcontainern für Bekleidung im öffentlichen Straßenraum ganz maßgeblich damit begründet, dass die Standorte der Sammelcontainer in der Vergangenheit stark verschmutzt gewesen seien und dadurch ausgesprochen negative Auswirkungen auf das Stadtbild entstünden und sie andererseits weiterhin an den – jährlich kündbaren – Gestattungsverträgen mit verschiedenen Aufstellern von Altkleidercontainern in Bezug auf ihre städtischen Fiskalflächen festhält. Insoweit ist von der Beklagten nicht ansatzweise dargetan und auch sonst nicht ersichtlich, warum von den Sammelcontainern auf diesen Flächen, die öffentlich zugänglich und einsehbar sind und sich teilweise in unmittelbarer Nähe zum öffentlichen Straßenraum befinden, keine negativen Auswirkungen auf das Stadtbild der Beklagten ausgehen sollten.
61 
c) Schließlich ist für das Gericht nicht erkennbar, dass die Beklagte den angefochtenen Bescheid auch ohne Rückgriff auf städtebauliche Belange allein auf eine andere rechtsfehlerfreie Ermessenserwägung gestützt hätte.
62 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügt es für die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Ermessensentscheidung, dass ein selbständig tragender Grund rechtlich fehlerfrei ist (BVerwG, Urteil vom 21.09.2000 – 2 C 5.99 –, juris Rn. 53 m.w.N.). Waren dagegen mehrere Beweggründe für die Entscheidung der Behörde in der Weise maßgebend, dass sie erst zusammen zu der Entscheidung führten, so hängt deren Rechtmäßigkeit von der Sachgemäßheit aller tragenden Beweggründe ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.11.1987 – 2 C 53/86 –, juris Rn. 33).
63 
Die Beklagte hat die Ablehnung der von der Klägerin begehrten Sondernutzungserlaubnisse im Bescheid vom 15.04.2020 nicht allein mit der Verunstaltung ihres Stadtbildes durch die massiven Verschmutzungen an Altkleiderstandorten begründet, sondern auch damit, dass ausreichend anderweitige Möglichkeiten der Bevölkerung zur Abgabe von Altkleidern bestünden, kein Defizit der Zuführung in den Recyclingkreislauf gegeben sei und herumwehende Bekleidungen eine Verkehrsgefährdung darstellten. Dabei hat die Beklagte jedoch nicht zum Ausdruck gebracht, dass eine dieser Begründungen ihre Entscheidung selbständig tragen sollte. Vielmehr hat die Beklagte ihre Entscheidung insbesondere und durchweg gemeinsam auf die Vermeidung einer Verunstaltung des Stadtbildes sowie die Vermeidung von Verkehrsgefährdungen gestützt. Die übrigen von ihr angestellten Ermessenserwägungen der anderweitigen Möglichkeiten zur Abgabe von Altkleidern sowie der ausreichenden Zuführung in den Recyclingkreislauf sind im Übrigen ohnehin ermessensfehlerhaft, weil es ihnen an einem sachlichen Bezug zur Straße fehlt (vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 03.02.2021 – 1 A 308/19 –, juris Rn. 66).
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.
65 
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).
66 
Soweit das Verfahren aufgrund der teilweisen Klagerücknahme eingestellt wurde, ist diese Entscheidung unanfechtbar.

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