Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 10 S 1429/19

Tenor

Die Beschwerde des Vollstreckungsschuldners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. April 2019 - 17 K 1582/19 - wird zurückgewiesen.

Der Vollstreckungsschuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe

 
I.
Die Beschwerde des Landes Baden-Württemberg als Vollstreckungsschuldner gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26.04.2019 - 17 K 1582/19 -, mit welchem dem Land für den Fall, dass es der im Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26.07.2017 - 13 K 5412/15 - auferlegten Verpflichtung zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart unter Beachtung der Maßgaben des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2018 - 7 C 30.17 - nicht bis zum 01.07.2019 nachkommt, die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 10.000,-- EUR angedroht wurde, ist zulässig (§§ 146, 147 VwGO), aber unbegründet.
II.
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 26.04.2019 im Wesentlichen ausgeführt, dass der Vollstreckungsschuldner seiner in den genannten Urteilen ausgesprochenen Verpflichtung zu einer Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Stuttgart mit der im Dezember 2018 in Kraft getretenen 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans nur unvollständig nachgekommen sei. Zu den verbindlichen Vorgaben, die dem Vollstreckungsschuldner in dem maßgeblichen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2018 - 7 C 30.17 - unter Berücksichtigung des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26.07.2017 - 13 K 5412/15 - gemacht worden seien, gehöre auch die Pflicht, den Luftreinhalteplan für Stuttgart so fortzuschreiben, dass dieser bereits jetzt ein (mögliches) Verkehrsverbot für Euro-5-Dieselfahrzeuge verbindlich vorsehe. Das sei in den bereits vorangegangenen Vollstreckungsverfahren auch vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigt worden (Beschlüsse vom 09.11.2018 - 10 S 1808/18 - [VBlBW 2019, 155] und - 10 S 2316/18 -). Gleichwohl weigere sich der Vollstreckungsschuldner, derartige Verkehrsverbote für Euro-5-Dieselfahrzeuge im Luftreinhalteplan vorzusehen. Dabei sei die der Vollstreckung zugrundeliegende titulierte Verpflichtung bisher weder erfüllt noch auf Grund einer Änderung der Sach- oder Rechtslage hinfällig geworden. Die vom Vollstreckungsschuldner vorgelegten neuen Prognosen gingen auch für die Jahre 2019 und 2020 von deutlichen Überschreitungen des Jahresmittelgrenzwerts für NO2 (prognostizierte Jahresmittelwerte NO2 > 50 µg/m³) auf mehreren Strecken im Stadtgebiet Stuttgart aus. Schon deshalb sei die seit 12.04.2019 geltende (neue) Regelung des § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG hier nicht anwendbar. Der von dieser Vorschrift vermutete Regelfall sei überdies dadurch widerlegt, dass ähnlich wie im Jahr 2019 auch noch im Jahr 2020 an zahlreichen Straßenabschnitten der geltende Grenzwert von 40 µg/m³ NO2 überschritten werde. Deshalb könne offenbleiben, ob diese Vorschrift mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar sei und ob eine etwaige relevante Änderung der Rechtslage überhaupt im vorliegenden Vollstreckungsverfahren berücksichtigt werden könne. Dass die prognostizierten Grenzwertüberschreitungen sich mit den Alternativmaßnahmen wie einer Busspur am Neckartor, der VVS-Tarifreform, Filtersäulen an den Messstellen oder fotokatalytisch wirkenden Maßnahmen abstellen ließen, sei nicht hinreichend dargelegt worden. Daher bleibe es bei der Verpflichtung, Verkehrsverbote für Euro-5-Dieselfahrzeuge schon jetzt im Luftreinhalteplan vorzusehen. Der Vollstreckungsschuldner könne allerdings im Plan die verbindliche Einführung der Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5/V mit der auflösenden Bedingung verknüpfen, dass der maßgebliche Jahresmittelwert für NO2 ab 01.01.2020 eingehalten „oder nur noch um (...) überschritten“ werde.
Seine hiergegen eingelegte Beschwerde begründet der Vollstreckungsschuldner im Wesentlichen damit, dass der nationale Gesetzgeber mit der Regelvermutung des § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG einen konkreten Schwellenwert (50 µg/m³ NO2) festgelegt habe, bei dessen Erreichen Verkehrsverbote unverhältnismäßig seien, da auch ohne sie der unionsrechtlich geltende Grenzwert für NO2 von 40 µg/m³ auf Grund der von der Bundesregierung schon beschlossenen Maßnahmen in absehbarer Zeit eingehalten werden könne. Die Europäische Kommission selbst habe die gesetzliche Regelvermutung als unionsrechtskonform bestätigt. Folge der gesetzlichen Regelvermutung sei, dass die Planbehörde nicht mehr die volle Darlegungslast dafür trage, welches Immissionsminderungspotential die alternativen Maßnahmen hätten und wann der Grenzwert somit durch diese Maßnahmen eingehalten werden würde. Im Sinne der Regelvermutung reiche es vielmehr aus, wenn es nicht von vornherein und schlechterdings ausgeschlossen sei, dass durch diese Maßnahmen das Delta zwischen 50 und 40 µg/m³ zeitnah überbrückt werden könne. Selbst wenn eine Unionsrechtswidrigkeit der so verstandenen gesetzlichen Regelvermutung unterstellt würde, sei eine solche hier jedenfalls nicht so evident, dass dem - im Vollstreckungsverfahren letztinstanzlichen -Beschwerdegericht eine eigene Normverwerfungskompetenz zustünde; bei Annahme einer Unionsrechtswidrigkeit wäre das Beschwerdegericht verpflichtet, hierzu eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs einzuholen. Jedenfalls seien die nationalen Behörden nicht berechtigt, die gesetzliche Regelvermutung außer Acht zu lassen. Auf Grund der aktuellen Prognosen zur Immissionssituation in Stuttgart (Stand 22.05.2019) resultiere aus der gesetzlichen Regelvermutung vielmehr die Pflicht, von einem in der gesamten Umweltzone geltenden Verkehrsverbot für Euro-5-Dieselfahrzeuge abzusehen. Denn bei den meisten Straßenabschnitten werde der Jahresmittelwert für NO2 bei maximal 50 µg/m³ liegen. Lediglich bei einigen „Hotspots“ bleibe es bei einem Jahresmittelwert von über 50 µg/m³. Jedoch würden diese Grenzwertüberschreitungen auf einigen wenigen Abschnitten besonders verkehrsbelasteter Straßen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kein Verkehrsverbot für Euro-5-Dieselfahrzeuge in der ganzen Umweltzone rechtfertigen. Hier seien punktuelle, einzelstreckenbezogene Verkehrsverbote vorrangig. Gerade würden die beauftragten Gutachter die mit solchen streckenbezogenen Verkehrsverboten verbundenen Verlagerungsverkehre ermitteln. Vorausgesetzt, dass sich danach streckenbezogene Verkehrsverbote als zulässig erwiesen, würde von diesen, was die Immissionssituation angehe, das gesamte Stadtgebiet profitieren, insbesondere auch die Bereiche, für die Werte zwischen 50 und 40 µg/m³ prognostiziert würden. Mit den zusätzlich vorgesehenen Alternativmaßnahmen (insbesondere Busspur am Neckartor, VVS-Tarifreform, Filtersäulen und fotokatalytisch wirkende Maßnahmen im Bereich der Messstellen, Geschwindigkeitsreduzierungen, Möglichkeiten bei der Verkehrsoptimierung und Parkraumbewirtschaftung) würde der Grenzwert für NO2 von 40 µg/m³ schnellstmöglich eingehalten werden können. Insoweit komme auch die „Öffnungsklausel“ des Bundesverwaltungsgerichts zum Tragen, wonach ein (zonales) Verkehrsverbot für Euro-5-Dieselfahrzeuge sich erübrige oder zumindest aufzuschieben sei, falls Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen würden.
III.
Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil es im Vollstreckungsverfahren nach § 172 VwGO mit Ausnahme des Erfüllungseinwands grundsätzlich nicht möglich ist, Einwendungen gegen den materiellen Anspruch, der der Vollstreckung zugrunde liegt, geltend zu machen. § 172 Satz 1 VwGO setzt für die Vollstreckung tatbestandsmäßig nur voraus, dass die Behörde der ihr im Vollstreckungstitel auferlegten Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Steht die Nichterfüllung der titulierten Verpflichtung fest, ist weiter zu prüfen, ob diese Säumnis grundlos ist, was dann der Fall ist, wenn der Vollstreckungsschuldner hinreichend Zeit hatte, um seiner Verpflichtung nachzukommen. Weitere Voraussetzungen, die - neben dem Antragserfordernis und den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (Titel, Klausel und Zustellung) - noch zu prüfen wären, sind in § 172 Satz 1 VwGO für die Vollstreckung nicht vorgesehen (zum Ganzen vgl. Senatsbeschluss vom 24.04.2018 - 10 S 421/18 - VBlBW 2018, 375 m. w. N.).
Der Vollstreckungsschuldner stützt seine Beschwerde jedoch maßgeblich auf die am 12.04.2019 in Kraft getretene Regelung des § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG, die im Kontext mit den aktuellen Prognosen zur Immissionssituation in Stuttgart, den in Prüfung befindlichen streckenbezogenen Verkehrsverboten und den zusätzlich vorgesehenen Alternativmaßnahmen ein in der gesamten Umweltzone geltendes Verkehrsverbot für Euro-5-Dieselfahrzeuge rechtlich ausschließen würde. Damit macht der Vollstreckungsschuldner im Wesentlichen eine Änderung der Rechtslage - daneben möglicherweise auch der Sachlage - geltend, die dem rechtskräftig zuerkannten Anspruch nachträglich die rechtliche Grundlage entziehen soll.
Solche Einwendungen können aber grundsätzlich nicht im Vollstreckungsverfahren nach § 172 VwGO, sondern nur im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO berücksichtigt werden, da sie das zugrundeliegende materielle Recht und nicht die Durchsetzung der titulierten Forderung im Weg der Vollstreckung betreffen. Nach der gesetzlich vorgegebenen Systematik des Zwangsvollstreckungsrechts wird formal der Titel (und nicht der materielle Anspruch, der dem Titel zugrunde liegt) vollstreckt; der Titel löst den Vollstreckungsanspruch vom materiellen Anspruch des Erkenntnisverfahrens und entlastet somit die Zwangsvollstreckung weitgehend von materiellen Einwendungen (vgl. Senatsbeschluss vom 24.04.2018 a. a. O.). Dies gilt nicht nur bei der Vollstreckung von Verpflichtungsurteilen, sondern auch bei der Vollstreckung eines Bescheidungsurteils, soweit die Behörde bei der zu treffenden Entscheidung durch die Entscheidungsgründe gebunden worden ist (zur Bindungswirkung der hier zu vollstreckenden [Bescheidungs-]Urteile: Senatsbeschluss vom 09.11.2018 - 10 S 1808/18 - a. a. O.). Für die teilweise vertretene Auffassung, dass bei einem Bescheidungsurteil - anders als bei einem Verpflichtungsurteil - eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zum Nachteil des Klägers bereits umfassend im Vollstreckungsverfahren nach § 172 VwGO zu berücksichtigen sei (vgl. z. B. Bader in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl., § 167 Rn. 12; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl., § 172 Rn. 8), fehlt eine tragfähige Begründung. Nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage werden in beiden Fällen von der Rechtskraftwirkung nicht erfasst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.06.2007 - 4 B 13.07 - BauR 2007, 1709), müssen aber mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.2001 - 2 AV 3.01 - NVwZ-RR 2002, 314; Urteil vom 06.09.1988 - 4 C 26.88 - BVerwGE 80, 178; OVG Hamburg, Beschluss vom 07.02.2018 - 1 So 1/18 - NVwZ-RR 2018, 502; BayVGH, Urteil vom 26.01.2007 - 1 BV 02.2147 - NVwZ-RR 2007, 736; Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 172 Rn. 12, 20, § 167 Rn. 16; Bamberger in Wysk, VwGO, 2. Aufl., § 172 Rn. 11; Schmidt-Kötters in Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl., § 172 Rn. 32). Lediglich solche Umstände (alte oder neue), die von vornherein außerhalb der Bindungswirkung des Bescheidungsurteils liegen, mithin den offen gebliebenen Spielraum der Behörde betreffen, können schon im Vollstreckungsverfahren nach § 172 VwGO Bedeutung erlangen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.10.2015 - OVG 12 L 49.15 - NVwZ-RR 2016, 358; Rennert in Eyermann a. a. O. § 121 Rn. 32). Soweit dagegen in einem Bescheidungsurteil der Behörde verbindliche Vorgaben für die zu treffende Entscheidung gemacht worden sind, gilt nichts anderes als bei einem Verpflichtungsurteil: Allenfalls dann, wenn es evident wäre, dass der dem Titel zugrundeliegende materielle Anspruch durch eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage entfallen ist, könnte dies schon im Vollstreckungsverfahren nach § 172 VwGO berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 24.04.2018 a. a. O.).
Die vom Vollstreckungsschuldner vorgetragene nachträgliche Änderung der Rechts- und Sachlage betrifft nicht einen nach den rechtskräftigen Urteilen der Behörde verbliebenen offenen Spielraum. Dieser Vortrag zielt vielmehr darauf ab, gerade die verbindlichen Vorgaben, die dem Vollstreckungsschuldner in dem maßgeblichen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2018 unter Berücksichtigung des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26.07.2017 gemacht worden sind (ausführlich hierzu bereits Senatsbeschluss vom 09.11.2018 - 10 S 1808/18 - a. a. O.), als weitgehend überholt und gegenstandslos darzustellen.
Der Senat vermag auch nicht die Auffassung des Vollstreckungsschuldners zu teilen, dass die derzeitigen Gegebenheiten „exakt“ der Konstellation entsprechen würden, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 27.02.2018 (juris Rn. 44) so beschrieben habe: „Sollten Grenzwertüberschreitungen deutlich stärker als bisher prognostiziert abnehmen, wäre hierauf gegebenenfalls mit einem Verzicht auf die oder einer späteren Einführung eines Verkehrsverbotes jedenfalls für Dieselfahrzeuge, die der Abgasnorm Euro 5 gerecht werden, zu reagieren“.
In seinem Urteil vom 27.02.2018 ist das Bundesverwaltungsgericht unter anderem davon ausgegangen, dass der nach nationalem und Unionsrecht verbindlich vorgeschriebene NO2-Jahresmittelgrenzwert von 40 µg/m³ im Kalenderjahr an mehreren Messstationen innerhalb der Umweltzone Stuttgart nicht eingehalten werde, jedoch ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren (einschließlich Hybrid-Fahrzeugen) unterhalb der Abgasnorm Euro 3/III sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Abgasnorm Euro 6/VI bei einem angenommenen Anteil dieser Kraftfahrzeuggruppen an der Fahrzeugflotte von 20 % der bei der Beigeladenen zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie 20 % Ausnahmen vom Verkehrsverbot dazu führen würde, dass an allen Messstationen in der gesamten Umweltzone Stuttgart im Jahr 2020 die geltenden Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Einzige Ausnahme sei die Messstation „Am Neckartor“, bei der die Werte noch geringfügig (42 µg/m³) überschritten würden. Ferner stehe fest, dass ein solches Verkehrsverbot die effektivste und am besten geeignete Maßnahme sei und keine andere gleichwertige Maßnahme zur Verfügung stehe, um das Ziel zu erreichen (juris Rn. 17, 18). Weiter wird in dem Urteil ausgeführt, dass auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG verstoße, die die derzeit am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Grenzwerte nicht ergreife, sondern das Wirksamwerden dieser Maßnahmen vor dem 01.01.2020 ausschließe (juris Rn. 35).
10 
Nach den vom Vollstreckungsschuldner vorgelegten aktuellen Prognosen (Stand 22.05.2019) würde im Jahr 2020 im Stadtgebiet von Stuttgart ohne ein Verkehrsverbot für Euro-5-Dieselfahrzeuge an sechs Streckenabschnitten der NO2-Jahresmittelwert über 50 µg/m³ und an weiteren Strecken deutlich über 40 µg/m³ liegen. Die vom Vollstreckungsschuldner bisher lediglich angedachten streckenbezogenen Verkehrsverbote für Euro-5-Dieselfahrzeuge werden mit Blick auf die Ausweichverkehre auf ihre Zulässigkeit hin noch geprüft und scheiden daher als ungewiss (und überdies als verspätet) von vornherein aus der Betrachtung aus. Selbst wenn sich sämtliche der angedachten streckenbezogenen Verkehrsverbote für Euro-5-Dieselfahrzeuge kurzfristig realisieren ließen (was derzeit völlig ungewiss ist), würde dies nach der eigenen aktuellen Prognose des Vollstreckungsschuldners nicht verhindern können, dass selbst im Jahr 2020 der geltende NO2-Jahresmittelgrenzwert von 40 µg/m³ noch zum Teil erheblich überschritten würde. Dass die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 27.02.2018 beschriebene Konstellation, die ein Absehen von (zonalen) Verkehrsverboten für Euro-5-Dieselfahrzeuge ermöglichen würde, inzwischen eingetreten worden wäre, ist danach nicht zu erkennen. Die in diesem Urteil angesprochene Pflicht des Vollstreckungsschuldners, darauf zu reagieren, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als unrichtig erweist (vgl. Schink/Fellenberg, NJW 2018, 2016, 2018), setzt die (derzeit allerdings nicht vorhandene) gesicherte Prognose voraus, dass die vom Unionsrecht vorgegebene und vom Bundesverwaltungsgericht seinem Urteil zugrunde gelegte Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen NO2-Immissionsgrenzwerte auch anders, aber im Wesentlichen gleich wirksam erfüllt werden kann als mit einer zeitnahen Einführung eines Fahrverbots (auch) für Euro-5-Dieselfahrzeuge (zum Ganzen siehe bereits Senatsbeschluss vom 09.11.2018 - 10 S 1808/18 - juris Rn. 19). Keinesfalls darf die Nichtdurchführung einer der im Urteil vorgegebenen Maßnahmen die Erreichung der angestrebten schnellstmöglichen Reduktion der NO2-Immissionen gefährden (vgl. Hofmann, NVwZ 2018, 928, 932; Weiß/Feder, EWS 2019, 14, 18).
11 
Davon, dass hier der den Urteilen vom 26.07.2017 und vom 27.02.2018 zugrundeliegende materielle Anspruch auf schnellstmögliche Einhaltung des geltenden NO2-Jahresmittelgrenzwerts von 40 µg/m³ evident nicht oder nicht mehr bestehen würde, kann nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Vielmehr lässt sich ohne weiteres feststellen, dass der Vollstreckungsschuldner sich nach wie vor in einer dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit widersprechenden Weise weigert, der ihm im rechtskräftigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2018 auferlegten Verpflichtung nachzukommen, bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Stuttgart bereits jetzt ein Verkehrsverbot für Euro-5-Dieselfahrzeuge (mit zulässigen Einschränkungen) verbindlich vorzusehen (vgl. Senatsbeschluss vom 09.11.2018 - 10 S 1808/18 - juris Rn. 21). Dies ist schon im angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26.04.2019 im Einzelnen zutreffend dargelegt worden, ohne dass die Beschwerdebegründung geeignet wäre, die Argumentation des Verwaltungsgerichts auch nur in Frage zu stellen; um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf diese Darlegungen des Verwaltungsgerichts, die sich der Senat zu eigen macht, verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
12 
Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt es auf das Vorbringen des Vollstreckungsschuldners zu der neuen Regelung des § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG nicht entscheidungserheblich an, weil auch für die Jahre 2019 und 2020 auf mehreren Strecken im Stadtgebiet von Stuttgart NO2-Jahresmittelwerte von über 50 µg/m³ erwartet werden. Im Übrigen würde dieses Vorbringen den Senat auch nicht dazu veranlassen, von der bereits im Senatsurteil vom 18.03.2019 - 10 S 1977/18 - ausführlich begründeten Auffassung abzuweichen, nach der diese neue Regelung je nach Auslegung der Wendung „in der Regel“ entweder redundant oder aber offenkundig EU-rechtswidrig ist (juris Rn. 71 ff. m. w. N.; vgl. des Weiteren z. B. Will, NVwZ 2019, 819; Weiß/Feder, EWS 2019, 14; Scheidler, NVwZ 2019, 751; Berkemann, ZUR 2019 [vom Vollstreckungsgläubiger übermitteltes, zur Veröffentlichung vorgesehenes Manuskript mit dem Titel „Dieselfahrverbote - Bemerkungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und zur Unionsrechtswidrigkeit des § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG 2019“]). Der Senat vermag schon im Ansatz die Auffassung des Vollstreckungsschuldners nicht zu teilen, dass der nationale Gesetzgeber befugt wäre, einen NO2-Jahresmittelwert von 50 µg/m³ als eine nur „geringfügige“ Überschreitung des unionsrechtlich vorgegebenen NO2-Jahresmittelgrenzwerts von 40 µg/m³ zu bewerten mit der Folge, dass der schon seit 01.01.2010 geltende Grenzwert nicht schnellstmöglich, sondern - wie im Fall von Stuttgart - erst in ein paar Jahren eingehalten werden müsste. Als verfehlt anzusehen ist auch die These des Vollstreckungsschuldners, „so kurz wie möglich“ sei nur, was gerade mit aus seiner Sicht verhältnismäßigen Mitteln schnellstmöglich erreicht werden könne; dies würde auf eine eindeutig unionsrechtswidrige Relativierung der in der Luftqualitätsrichtlinie enthaltenen Ergebnispflicht hinauslaufen. Auch wenn die Maßnahmensperre des § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG den Grenzwert von 40 µg/m³ nicht ändert, so steht sie gleichwohl dessen Durchsetzung im Weg, indem sie die einzigen Maßnahmen ausschließt, mit denen die zur Einhaltung des Grenzwerts notwendige Stickstoffdioxidreduzierung effektiv erreicht werden könnte. Die mit einer solchen Sperre de facto verbundene (Wieder-)Einführung einer Toleranzmarge auf nationaler Ebene ist jedoch seit 01.01.2010 unionsrechtlich explizit ausgeschlossen. Bei der Bestimmung effektiver Maßnahmen - wie etwa eines Fahrverbots (auch) für Euro-5-Dieselfahrzeuge - ist die Maßnahmensperre des § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG weder von der Planbehörde noch von den Gerichten anzuwenden (zur Kompetenz, nationale Regelungen, die dem Unionsrecht widersprechen, unangewendet zu lassen vgl. z. B. EuGH, Urteil vom 19.11.2014 - Rs. C-404/13 ZUR 2015, 33 Rn. 54; Senatsurteil vom 18.03.2019 a. a. O. Rn. 83 m. w. N.; ausführlich hierzu auch Berkemann a. a. O.). Diese Regelung hat mithin nicht bewirkt, dass sich nach Ergehen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2018 die Rechtslage zu Gunsten des Vollstreckungsschuldners in rechtlich relevanter Weise geändert hätte.
13 
Aus alledem folgt, dass hier dem Vollstreckungsschuldner nur die Möglichkeit offensteht, seine Einwendungen gegen die dem Vollstreckungstitel zugrundeliegende materielle Verpflichtung im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage und eines einstweiligen Anordnungsverfahrens geltend zu machen (§§ 767, 769, 794, 795 ZPO i. V. m. § 167 Abs. 1 VwGO; vgl. BVerwG, Urteil vom 19.09.2002 - 4 C 10.01 - NVwZ 2003, 214; Senatsbeschluss vom 24.04.2018 a. a. O.), entsprechende Rechtsschutzersuchen aber nach derzeitigem Erkenntnisstand ohne Erfolg bleiben würden.
IV.
14 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entsprach hier nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO).
15 
Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich, da bei Erfolglosigkeit der Beschwerde nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) lediglich eine Festgebühr erhoben wird.
16 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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