Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 10 S 421/18

Tenor

Die Beschwerde des Vollstreckungsschuldners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2017 - 13 K 14557/17 - wird zurückgewiesen.

Der Vollstreckungsschuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe

 
Die Beschwerde des Vollstreckungsschuldners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19.12.2017 (- 13 K 14557/17 - juris), mit welchem dem Land Baden-Württemberg für den Fall, dass es seiner Verpflichtung aus dem vor dem Verwaltungsgericht im Verfahren 13 K 875/15 geschlossenen Vergleich vom 26.04.2016 nicht bis zum 30.04.2018 nachkommt, die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 10.000,-- EUR angedroht wurde, ist zulässig (§§ 146, 147 VwGO), aber unbegründet.
Der Vollstreckungsschuldner und die Beigeladene halten die streitige Zwangsgeldandrohung für unzulässig, da auf Grund neuerer Entwicklungen inzwischen feststehe, dass es rechtlich nicht möglich sei, die im Vergleich übernommene Handlungsverpflichtung zur Reduktion des Verkehrs am Neckartor zu erfüllen. Entgegen der von ihnen vertretenen Rechtsauffassung kann dieser Einwand aber nicht im vorliegenden Vollstreckungsverfahren, sondern nur im Rahmen einer - ggf. noch zu erhebenden - Vollstreckungsabwehrklage berücksichtigt werden. Im Einzelnen gilt das Folgende:
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 26.04.2016 nach § 172 VwGO erfolgt. So ist weitgehend anerkannt, dass es sich bei den in § 172 VwGO genannten Vollstreckungstiteln um keine abschließende Aufzählung handelt, sodass diese Bestimmung grundsätzlich auch für die Vollstreckung eines Prozessvergleichs (§ 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO) anwendbar ist. Weiter entspricht es einer gut begründeten Auffassung, dass § 172 VwGO auch für die Vollstreckung einer Verpflichtung zur Vornahme einer schlicht-hoheitlichen Amtshandlung gilt, jedenfalls soweit der Staat für sich eine spezifisch hoheitliche Regelungsbefugnis in Anspruch nimmt (zum Ganzen vgl. W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl., § 172 Rn. 1; Kraft in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 172 Rn. 2 ff.; Heckmann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 172 Rn. 41; Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 172 Rn. 16, 18; speziell zur Vollstreckung bei Luftreinhalteplänen vgl. z. B. BayVGH, Beschluss vom 27.02.2017 - 22 C 16.1427 - NVwZ 2017, 894; HessVGH, Beschlüsse vom 11.05.2016 - 9 E 448/16 - ZUR 2016, 432 und - 9 E 450/16 - juris; Schenk, jM 2018, 202); soweit der Senat in einer solchen Konstellation § 888 ZPO i. V. m. § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO als Rechtsgrundlage für die Vollstreckung angesehen hat (vgl. z. B. Senatsbeschluss vom 28.02.2013 - 10 S 81/13 - VBlBW 2013, 310), wird hieran nicht festgehalten.
Tatbestandsmäßig setzt § 172 Satz 1 VwGO für die Vollstreckung voraus, dass die Behörde der ihr im Vollstreckungstitel auferlegten Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Hiervon ist auszugehen, da der Vollstreckungsschuldner den (Teil-)Luftreinhalteplan für Stuttgart entgegen der im Prozessvergleich vom 26.04.2016 eingegangenen Verpflichtung bisher nicht entsprechend fortgeschrieben hat.
Der Vollstreckungsschuldner vermag mit seinem Vorbringen, „dass eine im Vollstreckungstitel selbst formulierte Rechtsbedingung nicht eingetreten und damit die Handlungsverpflichtung aus dem Vollstreckungstitel gar nicht entstanden“ sei, womit die „grundlegendste“ Vollstreckungsvoraussetzung fehle, nicht durchzudringen. Einen so zu verstehenden „expliziten Vorbehalt“, der als „Eingangsvoraussetzung für die Vollstreckung“ anzusehen wäre, enthält der am 26.04.2016 vor dem Verwaltungsgericht geschlossene Vergleich nicht.
Für die Auslegung des vollstreckbaren Inhalts eines Prozessvergleichs kommt es entscheidend auf den protokollierten Inhalt an. Maßgebend ist, wie das Vollstreckungs- bzw. das Beschwerdegericht den Inhalt der zu erzwingenden Leistungen verständigerweise versteht und festlegt. Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht. Dies dient einerseits dem Schuldner, für den erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat. Andererseits verlangen das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch mit Hilfe der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können (vgl. BAG, Beschluss vom 09.09.2011 - 3 AZB 35.11 - juris m. w. N.).
Hiervon ausgehend vermag der Senat in der im Prozessvergleich verwendeten Formulierung, dass der Vollstreckungsschuldner „mindestens eine rechtmäßige verkehrsbeschränkende Maßnahme für das Neckartor ... ergreifen“ wird, keine schon im Vollstreckungsverfahren selbst zu beachtende „Eingangsvoraussetzung“ für die Vollstreckung zu erblicken. Schon nach dem Wortlaut betrifft der fragliche Passus keine Anspruchsvoraussetzung, sondern den Anspruchsinhalt. Im Wesentlichen wird das Ziel der Handlungsverpflichtung vorgegeben, nämlich (an bestimmten Tagen) den Verkehr am Neckartor um ca. 20 % zu reduzieren durch die Aufnahme mindestens einer hierfür geeigneten verkehrsbeschränkenden Maßnahme in den Luftreinhalteplan. Da es dem Vollstreckungsschuldner überlassen bleibt, wie er dieses Ziel konkret erreicht, handelt es sich bei dem Hinweis auf das Erfordernis der Rechtmäßigkeit der zu ergreifenden Maßnahme(n) um eine auch und gerade im Interesse der Vollstreckungsgläubiger wünschenswerte Klarstellung des Anspruchsinhalts; denn Luftreinhalteplanmaßnahmen sind überhaupt nur dann umsetzbar, wenn sie materiell rechtmäßig sind (vgl. § 47 Abs. 6 BImSchG; hierzu auch Jarass, BImSchG, 12. Aufl., § 47 Rn. 16, 52; Schenk a. a. O.; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 11.07.2012 - 3 B 78.11 - NVwZ 2012, 1175). Daneben kann die im Vergleichstext gewählte Formulierung, dass nur eine „rechtmäßige“ Handlung geschuldet ist, im Hinblick darauf, dass die vom Vollstreckungsschuldner gewählte Handlungsform des öffentlich-rechtlichen Vertrags (§ 54 Satz 1, § 55 LVwVfG) die aus Artikel 20 Abs. 3 GG resultierende Gesetzesbindung nicht beiseiteschieben kann, auch als eine zumindest sinnvolle Klarstellung der Rechtslage verstanden werden (vgl. Ramsauer/Tegethoff in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., § 54 Rn. 2b, 44 f.).
Eine andere Bedeutung - als soeben ausgeführt - kann dem Wort „rechtmäßige“ bei verständiger Würdigung nicht beigelegt werden. Eine etwaige andere Vorstellung über den Bedeutungsgehalt dieses Worts seitens des Vollstreckungsschuldners oder der Beigeladenen im damaligen Erkenntnisverfahren wäre hingegen rechtlich unbeachtlich, zumal sie es seinerzeit bei Abschluss des Prozessvergleichs selbst in der Hand gehabt hatten, auf eine Formulierung des Vergleichstextes zu dringen, die das, was von ihnen gemeint und gewollt ist, auch (für die anderen Vertragspartner) hinreichend klar zum Ausdruck bringt.
Hierzu hätte umso mehr Anlass bestanden, als die These des Vollstreckungsschuldners, durch das Wort „rechtmäßige“ sei eine schon im Vollstreckungsverfahren selbst zu prüfende Rechtsbedingung in den Vergleich aufgenommen worden, ohne deren Eintritt die Handlungsverpflichtung überhaupt nicht entstehen könne, letztlich den Vollstreckungsgläubigern als den durch den Bedingungseintritt Begünstigten die Darlegungslast dafür aufbürden würde, dass die nach dem Vergleich (an bestimmten Tagen) geschuldete ca. 20 %ige Reduzierung des Verkehrsaufkommens am Neckartor durch mindestens eine verkehrsbeschränkende Maßnahme rechtmäßig in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden darf. Dabei kann der Eintritt einer solchen Rechtsbedingung nicht ohne den entscheidungserheblichen Sachverhalt dargetan werden, der hier aber komplexe und im Einzelnen auch streitige Tatsachenfeststellungen betrifft. Mithin würde eine „aufschiebende Rechtsbedingung“ den Vollstreckungsgläubigern etwas abverlangen, was von diesen kaum geleistet werden könnte und nach der Gesetzeslage auch nicht geleistet werden müsste. Für die Einhaltung der seit langem geltenden Grenzwerte für PM10 und für NO2 zu sorgen und hierfür geeignete Luftreinhaltepläne aufzustellen, gehört zu den Aufgaben des Vollstreckungsschuldners, die er aber bislang nur unzureichend wahrgenommen hat, wie nicht allein, aber auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2018 - 7 C 30.17 - zeigt (vgl. Schenk a. a. O.).
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Schließlich stünde hier die Annahme einer schon im Vollstreckungsverfahren selbst zu prüfenden Rechtsbedingung der rechtmäßigen Erfüllbarkeit der nach dem Prozessvergleich geschuldeten Handlungsverpflichtung auch im Gegensatz zum geltenden Vollstreckungsrecht. So setzt § 172 Satz 1 VwGO für die Vollstreckung tatbestandsmäßig nur voraus, dass die Behörde der ihr im Vollstreckungstitel auferlegten Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Indem die Nichterfüllung der titulierten Verpflichtung eine Tatbestandsvoraussetzung für die Vollstreckung ist, ist der Erfüllungseinwand im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen, zumal ein Vollstreckungsschuldner, der für die Erfüllung grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig ist, regelmäßig seine Erfüllungshandlung hinreichend dokumentieren wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28.02.2013 a. a. O. [zu § 888 ZPO] und vom 15.07.2010 - 10 S 2400/09 - VBlBW 2011, 33). Steht die Nichterfüllung der titulierten Verpflichtung fest, ist weiter zu prüfen, ob diese Säumnis grundlos ist, was dann der Fall ist, wenn der Vollstreckungsgläubiger hinreichend Zeit hatte, um seiner Verpflichtung nachzukommen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21.12.2001 - 2 AV 3.01 - NVwZ-RR 2002, 314 und vom 30.12.1968 - I WB 31.68 - BVerwGE 33, 230; VG Freiburg, Beschluss vom 24.04.2014 - A 4 K 807/14 - juris; Kraft a. a. O. Rn. 15). Weitere Voraussetzungen, die - neben dem Antragserfordernis und den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (Titel, Klausel und Zustellung) - noch zu prüfen wären, werden von § 172 Satz 1 VwGO für die Vollstreckung nicht vorgesehen.
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Dem entspricht, dass es in einem Vollstreckungsverfahren nach § 172 VwGO mit Ausnahme des Erfüllungseinwands grundsätzlich nicht möglich ist, das Nichtbestehen oder den Wegfall des materiellen Anspruchs, der dem Vollstreckungstitel zugrunde liegt, geltend zu machen. Derartige Einwendungen betreffen das zugrundeliegende Recht, nicht die Durchsetzung der titulierten Forderung im Weg der Vollstreckung. Sie sind grundsätzlich einem erneuten Klageverfahren, insbesondere einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, vorbehalten. Nach der gesetzlich vorgegebenen Systematik des Zwangsvollstreckungsrechts wird formal der Titel (und nicht der diesem zugrunde liegende materielle Anspruch) vollstreckt; der Titel löst den Vollstreckungsanspruch vom materiellen Anspruch des Erkenntnisverfahrens und entlastet somit die Zwangsvollstreckung weitgehend von materiellen Einwendungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.2001 a. a. O.; Urteil vom 06.09.1988 - 4 C 26.88 - BVerwGE 80, 178; OVG Hamburg, Beschluss vom 07.02.2018 - 1 So 1/18 - juris; OVG Saarland, Beschluss vom 21.12.2010 - 2 E 291/10 - juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 15.06.2010 - 13 E 201/10 - NVwZ-RR 2010, 750 und vom 30.06.1970 - X B 946/69 - DÖV 1970, 718; BayVGH, Beschluss vom 12.07.2007 - 11 C 06.868 - juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.05.1992 - 8 S 158/92 - VBlBW 1993, 51; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 10.12.1973 - I B 155/73 - NJW 1974, 918; Pietzner/Möller a. a. O. Rn. 54 und § 168 Rn. 5 f.; Heckmann a. a. O. § 167 Rn. 16, § 168 Rn. 11, 17, 40; Kraft a. a. O. Rn. 12, 20, § 167 Rn. 16; W.-R. Schenke a. a. O. Rn. 8; Bamberger in Wysk, VwGO, 2. Aufl., § 172 Rn. 11; a. A. wohl BayVGH, Beschluss vom 27.02.2017 a. a. O.; Jacob, VBlBW 2012, 135). Außer in den Fällen, in denen das Nichtbestehen oder der Wegfall des materiellen Anspruchs evident ist oder das Zwangsvollstreckungsrecht explizit eine (Ausnahme-)Regelung vorsieht (vgl. z. B. § 726 Abs. 1 ZPO), kann die der geltenden Gesetzeslage entsprechende Systematik auch nicht im Interesse der Verfahrenskonzentration oder Verfahrensökonomie einfach übergangen werden (a. A. zum Einwand der Unmöglichkeit einer Erfüllung aber z. B. BayVGH, Beschluss vom 27.02.2017 a. a. O.; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 76. Aufl., § 888 Rn. 9).
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Davon, dass hier der dem - bereits im April 2016 geschlossenen - Vergleich zugrundeliegende materielle Anspruch evident nicht oder nicht mehr bestehen würde, kann ernsthaft nicht die Rede sein. Eine solche Annahme stünde nicht nur im Widerspruch zu den Ausführungen der Vollstreckungsgläubiger und denen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Beschluss, sondern es ist auch nach Auffassung des Senats einigermaßen fernliegend, dass es keine rechtmäßige(n) Maßnahme(n) geben sollte, um die seit langer Zeit bestehenden Verstöße gegen das deutsche Recht und gegen Unionsrecht zu beseitigen. Zwar trifft es zu, dass vom Vollstreckungsschuldner, der nur materiell rechtmäßige Maßnahmen in den Luftreinhalteplan aufnehmen darf, in materieller Hinsicht keine rechtlich oder tatsächlich unmöglichen Maßnahmen gefordert werden dürfen (vgl. nur HessVGH, Beschlüsse vom 11.05.2016 a. a. O.; BayVGH, Beschluss vom 27.02.2017 a. a. O.; Jarass a. a. O.; Schenk a. a. O.). Jedoch wird in Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit Luftreinhalteplänen typischer Weise gerade auch darum gestritten, ob bestimmte Maßnahmen von der dafür zuständigen Behörde als rechtmäßig in dem Plan vorgesehen werden dürfen (vgl. z. B. VG Stuttgart, Urteil vom 26.07.2017 - 13 K 5412/15 - VBlBW 2018, 119). Indem der Vollstreckungsschuldner, um die nach nationalem und Unionsrecht verbindlichen Immissionsgrenzwerte für PM10 und für NO2 künftig einhalten zu können, sich gegenüber den durch die anhaltende Überschreitung dieser Grenzwerte in ihrer Gesundheit nachteilig betroffenen Vollstreckungsgläubigern am Ende eines umfangreich geführten Gerichtsverfahrens in einem Prozessvergleich dazu verpflichtet hat, an Tagen, an denen Feinstaubalarm gerechtfertigt ist, den Verkehr am Neckartor um ca. 20 % zu reduzieren durch die Aufnahme mindestens einer hierfür geeigneten verkehrsbeschränkenden Maßnahme in den Luftreinhalteplan, hat er seinerzeit auch die Verantwortung dafür übernommen, dass eine entsprechende Verkehrsreduzierung zu Gunsten des Neckartors rechtmäßig verwirklicht werden kann. Der Vollstreckungsschuldner stellt auch nicht in Abrede, dass er im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses - trotz gewisser rechtlicher Bedenken - davon ausging, die im Vergleich eingegangene Handlungsverpflichtung auch erfüllen zu können (siehe z. B. auch Pressemitteilung des Umweltbundesamts vom 23.02.2017 „Tageweise Fahrverbote nur erster Schritt zu sauberer Luft“, abgerufen auf der Homepage des Umweltbundesamts). Wenn heute der Vollstreckungsschuldner geltend macht, neue Erkenntnisse aus einem inzwischen erstellten Verkehrsgutachten würden ergeben, dass es ihm rechtlich unmöglich sei, durch Luftreinhaltemaßnahmen eine solche Verkehrsreduzierung am Neckartor zu erreichen, so führt dies der Sache nach zu einer - wenn auch thematisch begrenzten - Fortsetzung des damaligen durch den Prozessvergleich abgeschlossenen Erkenntnisverfahrens. Eine solche Fortsetzung des Streits kann - wie ausgeführt - nach geltendem Vollstreckungsrecht nicht mehr innerhalb des Vollstreckungsverfahrens durchgeführt werden, sondern erfordert ggf. ein neues Erkenntnisverfahren, dem es vorbehalten bliebe, den vom Vollstreckungsschuldner aufgeworfenen komplexen Tatsachen- und Rechtsfragen weiter nachzugehen.
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Dem Vollstreckungsschuldner steht die Möglichkeit offen, seine Einwendungen gegen die durch den Vergleich festgestellte materielle Verpflichtung im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage und eines einstweiligen Anordnungsverfahrens geltend zu machen (§§ 767, 769, 794, 795 ZPO i. V. m. § 167 Abs. 1 VwGO; vgl. z. B. BayVGH, Beschluss vom 23.10.2006 - 22 C 06.2640 - NVwZ-RR 2007, 353; Pietzner/Möller a. a. O. § 167 Rn. 23 ff., § 172 Rn. 54 ff.; Kraft a. a. O. § 167 Rn. 16 ff., § 172 Rn. 20; Herget in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 767 Rn. 12; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl., § 767 Rn. 20a; Hartmann a. a. O. § 767 Rn. 31; Brüning/Bosesky in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 55 Rn. 77). Entgegen der Auffassung des Vollstreckungsschuldners spielt es dabei keine entscheidende Rolle, ob die erst nach Vergleichsschluss auf Grund eines Sachverständigengutachtens neu entstandenen tatsächlichen Erkenntnisse geeignet wären, die Präklusionsregelung in § 767 Abs. 2 ZPO zu überwinden. Ganz abgesehen davon, dass die auf der Seite des Vollstreckungsschuldners stehende Beigeladene im vorliegenden Beschwerdeverfahren gegen die streitige Zwangsgeldandrohung explizit auch eine nachträgliche Änderung der Sachlage einwendet (z. B. Unverhältnismäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der im Vergleich eingegangenen Handlungsverpflichtung mit Blick auf den zuletzt deutlichen Rückgang der Schadstoffbelastung oder mit Blick auf die im Verfahren der DUH nach dem Urteil vom 27.02.2018 - 7 C 30.17 - rechtskräftig feststehende Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts den Luftreinhalteplan für das gesamte Plangebiet fortzuschreiben), kommt diese Präklusionsregelung, die der Absicherung der Rechtskraft des Titels dient, bei (nicht rechtskraftfähigen) Prozessvergleichen ohnehin nicht zur Anwendung (vgl. BGH, Beschluss vom 14.05.1987 - BLw 5/86 - NJW-RR 1987, 1022; Pietzner/Möller a. a. O. § 167 Rn. 23, 32, 35; Kraft a. a. O. § 167 Rn. 18; Herget a. a. O. Rn. 20). Der Senat weist abschließend darauf hin, dass gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts über einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Beschwerde nicht statthaft ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.02.2014 - 5 S 2583/13 - VBlBW 2014, 432 m. w. N. auch zur Gegenauffassung; OVG Hamburg, Beschluss vom 07.02.2018 a. a. O.).
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Die vom Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss vom 19.12.2017 mit der Zwangsgeldandrohung verbundene Fristsetzung nach § 172 Satz 1 VwGO ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der den Beteiligten bereits am 20.12.2017 per Telefax übermittelte Entscheidungsausspruch setzte dem Vollstreckungsschuldner eine Frist zur Erfüllung seiner (bereits) im Vergleich vom 26.04.2016 eingegangenen Handlungsverpflichtung bis zum 30.04.2018. Dass diese Frist von ca. vier Monaten - unter Berücksichtigung aller Umstände - zu knapp bemessen gewesen sein sollte, um in diesem Zeitraum die geschuldete Handlung vornehmen zu können, wird vom Vollstreckungsschuldner bereits nicht geltend gemacht. Zwar trägt die Beigeladene im Beschwerdeverfahren vor, dass die Fristsetzung fehlerhaft sei, da die Fortschreibung des Luftreinhalteplans die Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens mit Öffentlichkeits- und Trägerbeteiligung erfordere, jedoch fehlt es insoweit an einer hinreichend konkreten und substantiierten Darlegung, dass und warum auch bei einer schleunigen Ausführung nicht hätte fristgerecht erfüllt werden können.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entsprach hier nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich, da bei Erfolglosigkeit der Beschwerde nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) lediglich eine Festgebühr erhoben wird.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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