Urteil vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 10 S 303/19

Tenor

Unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 31. August 2018 - 14 K 7329/17 - wird der Beklagte auf den Hilfsantrag verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt vom Beklagten, vertreten durch die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart, Auskunft zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen mit dem Ergebnis von Anklageerhebungen im Bereich der Computerkriminalität. Konkret geht es um Cybercrime nach Maßgabe der §§ 202a, 303a, 303b StGB im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Stuttgart.
Die Klägerin, eine Steuerberatungsgesellschaft, hegt den Verdacht, dass Dritte seit etwa acht Jahren unberechtigt auf ihre Computer Zugriff nehmen. Im Jahr 2012 hatte die Klägerin deswegen Anzeige erstattet; das daraufhin eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, eine hiergegen eingelegte Beschwerde blieb erfolglos. Außerdem strengte die Klägerin im Jahr 2015 ein zivilgerichtliches Verfahren an und erhob beim Landgericht Stuttgart eine Amtshaftungsklage; dieses Verfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.
Der Sachverhalt ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 130b Satz 1 VwGO Gebrauch, indem er sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zu Eigen macht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 31.08.2018 abgewiesen. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 07.04.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr Auskunft nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz darüber zu erteilen, in wievielen Fällen und bei welchen Gerichten er in den Jahren 2011, 2012, 2013, 2014, 2015 und 2016 wegen Cyberkriminalität Anklage auf Grund der §§ 202a, 303a und 303b StGB erhoben hat.
Die Klageabweisung hat das Verwaltungsgericht zunächst darauf gestützt, dass das Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) vom 17.12.2015 (GBl. S. 1201) nicht anwendbar sei. Der Beklagte sei keine informationspflichtige Stelle, weil er nur im Falle der Wahrnehmung von Verwaltungstätigkeiten (z. B. Ausübung des Hausrechts, Ausstellung von Dienstausweisen, Verwaltung der Bibliotheken) dem LIFG unterfalle; vorliegend gehe es jedoch um Vorgänge im Bereich der Strafrechtspflege, da die begehrten Informationen Tätigkeiten der Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde beträfen. Unabhängig davon begehre die Klägerin keine „amtliche Information“ im Sinne des Gesetzes, weil die von der Klägerin gewünschten Informationen beim Beklagten für den maßgeblichen Zeitraum nicht vorhanden seien und nicht zusammengestellt werden könnten; die Beklagte sei nicht verpflichtet, bei ihr nicht vorhandene Informationen zu beschaffen, und eine statistische Aufbereitung sei nach der derzeitigen Erfassungsmethode nicht möglich.
Mit Beschluss vom 28.01.2019 (10 S 2241/18) hat der Senat die Berufung zugelassen. Am 28.02.2019 hat die Klägerin Berufung eingelegt und begründet. Zunächst hat die Klägerin den Klageantrag aus ihrer Sicht „sachdienlich einschränkend geändert“ (Bl. 191 der Akte) und beantragt nun,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 31.08.2018, Az.: 14 K 7329/17 zu ändern und
den Beklagten zu verpflichten, für die Jahre 2011 bis 2016 Auskunft zur Strafverfolgung von Cybercrime im engeren Sinne im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Stuttgart dadurch zu erteilen, dass pro Jahr jeweils ein Aktenzeichen und Gericht benannt wird, bei dem allein auf Grund der Verwirklichung wenigstens eines Tatbestandes nach §§ 202a, 303a und 303b StGB Anklage erhoben wurde;
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, Auskunft zu erteilen, dass für die Jahre 2011 bis 2016 zur Strafverfolgung von Cybercrime im engeren Sinne allein auf Grund der Verwirklichung wenigstens eines Tatbestandes nach §§ 202a, 303a und 303b StGB keine Aktenzeichen und Gerichte der Anklageerhebung gefunden wurden.
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Zur Begründung trägt die Klägerin vor, das LIFG sei anwendbar, weil die von ihr begehrten Informationen nicht das Tätigwerden des Beklagten als Organ der Rechtspflege im Bereich der Strafverfolgung beträfen, sondern Verwaltungstätigkeiten im materiellen Sinne. Auch die hilfsweise beantragte Auskunft betreffe nicht die Strafrechtspflege, da die Staatsanwaltschaft Stuttgart insoweit gerade nicht als Strafverfolgungsbehörde tätig geworden sei. Ausschlussgründe lägen nicht vor oder seien vom Beklagten nicht einleuchtend und nachvollziehbar dargelegt worden. Die begehrten Informationen („Aktenzeichen und Gericht“) seien als amtliche Informationen beim Beklagten vorhanden, da sie einem bestimmten Vorgang zugeordnet werden könnten bzw. in den Verwaltungsunterlagen der Geschäftsstelle vorhanden seien; sie müssten nicht eigens beschafft oder generiert werden, erforderlich für die Zusammenstellung sei lediglich eine reine Übertragungsleistung. Ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand stehe der Auskunftserteilung nicht entgegen; der Zeitaufwand zur (teilweisen) Durchsicht der Verfahrenslisten sei beim Einsatz von drei Geschäftsstellenmitarbeitern nicht so hoch, dass die Funktionsfähigkeit der Serviceeinheit gefährdet würde.
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Der Beklagte tritt dem geänderten Klageantrag entgegen und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung beruft sich der Beklagte auf das angegriffene verwaltungsgerichtliche Urteil, das die Klage zu Recht abgewiesen habe. Auch die im Rahmen der Berufungsbegründung modifizierten Anträge beträfen den Bereich der Strafrechtspflege, so dass das LIFG nicht anwendbar sei. Die Staatsanwaltschaft führe Ermittlungsverfahren in eigener Verantwortung, eine allgemeine gerichtliche Kontrolle der Ermittlungsverfahren gebe es nicht; der Staatsanwaltschaft stehe auch das Anklagemonopol zu. Gerade die modifizierten Anträge zeigten, dass es sich um eine über die Auswertung des vorhandenen statistischen Materials hinausgehende Auskunft handele, die substantiell dem Bereich der Strafrechtspflege zuzuordnen sei. Es gehe um Informationen aus einzelnen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, die aus der Wahrnehmung von Aufgaben der Strafrechtspflege resultierten und daher nicht dem Bereich der öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben zugeordnet werden könnten. Zudem beziehe sich der Anspruch der Klägerin nicht auf „amtliche Informationen“, die im Rechtssinne „vorhanden“ seien, vielmehr begehre die Klägerin eine vom Beklagten nicht geschuldete Beschaffung und Aufbereitung von bislang nicht zur Verfügung stehenden Informationen. Die Klägerin habe unzutreffende Vorstellungen über die Abläufe bei der Registrierung der Ermittlungsverfahren; Verfahrenslisten der Geschäftsstelle existierten nicht. Auskunftsbegehren mit Bezug zu §§ 202a, 303a, 303b StGB ließen sich durch eine elektronische Recherche (mittels Suchlaufs in dem vorhandenen System) nicht beantworten; notwendig wäre eine händische Auswertung der Verfahrensakten, was sich zeitaufwändig und mühevoll gestalten sowie personelle Ressourcen binden würde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart zum Verfahren 14 K 7329/17 und auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Akten der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Die statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Zwar ist der im Berufungsverfahren gestellte Hauptantrag unbegründet, der Hilfsantrag ist jedoch begründet; allerdings ist die Sache nicht spruchreif, so dass ein Bescheidungsurteil ergeht.
I.
16 
Die Zulässigkeit der Klage begegnet im Ergebnis keinen Bedenken. Allerdings fehlt es an der Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Vorverfahrens vor Klageerhebung (1.); zudem liegt eine - durchaus ungewöhnliche - Klageänderung vor, über deren Zulässigkeit im Berufungsverfahren zu entscheiden ist. (2.).
17 
1. Wird der Erlass eines beantragten Verwaltungsakts abgelehnt, sind vor Erhebung der Verpflichtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der behördlichen Entscheidung in einem Vorverfahren nachzuprüfen (§ 68 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO); einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn eine der in § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO normierten Fallgruppen vorliegt. Diese allgemeinen Regelungen zum Widerspruchsverfahren gelten auch bei der Ablehnung eines Antrags nach § 9 LIFG (vgl. Debus in ders., Informationszugangsrecht Baden-Württemberg, 2017, § 9 LIFG Rn. 39).
18 
Im vorliegenden Fall ist ein Widerspruchsverfahren vor Klageerhebung nicht durchgeführt worden. Der Verzicht auf das Vorverfahren kann nicht auf § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 2 VwGO gestützt werden; weder hat hier eine oberste Landesbehörde (vgl. § 7 LVG) gehandelt, noch geht es um eine erstmalige Beschwer in einem Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid. Auch eine gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 2 vor Nr. 1 VwGO greift nicht ein. Zwar hatte der Gesetzentwurf der Landesregierung zum LIFG in § 11 den Ausschluss des Widerspruchsverfahrens vorgesehen (LT-Drs. 15/7720, S. 11), jedoch ist dieser Vorschlag nicht Gesetz geworden. Auf Grund eines fraktionenübergreifenden Änderungsantrags von CDU, GRÜNE, SPD und FDP/DVP wurde § 11 LIFG-Entwurf gestrichen; danach gelten die allgemeinen Regelungen über das Widerspruchsverfahren auch in Streitigkeiten nach dem LIFG (so ausdrücklich LT-Drs. 15/7881, S. 2). Die allgemeine landesgesetzliche Ausnahmebestimmung zum Erfordernis eines Vorverfahrens (§ 15 AGVwGO) greift hier ohnehin nicht ein.
19 
Allerdings hat der Beklagte im Verfahren beim Verwaltungsgericht vorgetragen, eines Vorverfahrens gemäß §§ 68 ff. VwGO bedürfe es „unter den hier gegebenen Umständen nicht“ (Bl. 33 der VG-Akte), um anschließend zur Sache Stellung zu nehmen. Damit liegt eine Konstellation vor, in der sich der Beklagte auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung als unbegründet beantragt hat. In solchen Fällen hält das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie und in Einklang mit dem Regelungszweck des § 68 VwGO ein Widerspruchsverfahren - über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus - ausnahmsweise für entbehrlich (BVerwG, Urteil vom 28.02.2019 - 7 C 23.17 - NVwZ 2019, 978 Tz. 11). Angesichts dieser Judikatur führt das Absehen von dem gesetzlich an sich vorgeschriebenen Vorverfahren nicht zur Unzulässigkeit der Klage.
20 
2. Im Verfahren beim Verwaltungsgericht hatte die Klägerin ihr Begehren auf eine Auskunft darüber ausgerichtet, in wie vielen Fällen und bei welchen Gerichten der Beklagte (in Gestalt der Staatsanwaltschaft Stuttgart) in den Jahren 2011 bis 2016 wegen Cyberkriminalität Anklage auf Grund der §§ 202a, 303a, 303b StGB erhoben hat. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin das Informationsbegehren mit ihrem Hauptantrag so spezifiziert, dass pro Jahr jeweils ein Aktenzeichen und Gericht benannt werden, bei dem allein auf Grund der Verwirklichung wenigstens eines Tatbestandes nach §§ 202a, 303a, 303b StGB Anklage erhoben worden ist. Ein - neuer - zusätzlicher Hilfsantrag zielt auf Auskunft darüber, dass in jenen Cybercrime-Angelegenheiten in der Zeit von 2011 bis 2016 im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Stuttgart „keine Aktenzeichen und Gerichte bei der Anklageerhebung gefunden wurden“ (Bl. 189 der Akte).
21 
Der Senat erblickt in den im Berufungsverfahren gestellten Anträgen (Haupt- und Hilfsantrag) eine Klageänderung, die er im Sinne des § 91 VwGO (i. V. m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO) noch für sachdienlich hält. Die Sachdienlichkeit ist wesentlich durch den Aspekt der Prozessökonomie geprägt. Sachdienlich ist eine geänderte Klage im Falle einer endgültigen Ausräumung des wesentlichen Streitstoffes zwischen Beteiligten, wenn der Streitstoff im Kern derselbe wie vor der Klageänderung ist (Ortloff/Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 91 Rn. 61).
22 
So liegt der Fall hier. Der Hauptantrag entspricht im Kern dem erstinstanzlich gestellten Antrag. Der Hilfsantrag lässt sich als Kehrseite des Klageantrags in der Vorinstanz deuten. Ging es dort um eine Auskunft durch die Angabe bestimmter Zahlen („in wie vielen Fällen und bei welchen Gerichten“ wurde Anklage erhoben?), so zielt der Hilfsantrag - gleichsam spiegelbildlich in eine Negativaussage mündend - auf eine Art Fehlanzeige („keine Aktenzeichen und Gerichte“ einer Anklageerhebung wurden gefunden). Inhaltlich geht es unter beiden Vorzeichen, also unabhängig von Positivaussage oder Negativaussage, um die identische rechtliche Fragestellung; zu klären ist einerseits die Anwendbarkeit des LIFG auf das Auskunftsbegehren der Klägerin nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG, zu entscheiden ist andererseits, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen im vorliegenden Fall „amtliche Informationen“ im Sinne des § 3 Nr. 3 LIFG vorliegen.
II.
23 
Die Klage ist insoweit begründet, als der Hilfsantrag zu einem Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) führt. Im Hauptantrag ist die Klage unbegründet; die von der Staatsanwaltschaft begehrten Informationen betreffen ihre Funktion als Strafverfolgungsbehörde im Bereich der Strafrechtspflege, der dem LIFG entzogen ist.
24 
1. Die prinzipielle Anwendbarkeit des LIFG steht außer Frage und ist auch zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Eine Anwendungssperre nach § 1 Abs. 3 LIFG besteht nicht. Ausdrücklich hat der Beklagte hervorgehoben, § 475 Abs. 1 und 2 StPO greife unter den hier gegebenen Umständen nicht ein (Bl. 251 der Akte).
25 
Anspruchsgrundlage ist demnach § 1 Abs. 2 LIFG. Danach haben Antragsberechtigte nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den informationspflichtigen Stellen einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers handelt es sich um einen „freien, die Darlegung eines Interesses nicht voraussetzenden Anspruch“ (LT-Drs. 15/7720, S. 58). Für die Klägerin bedeutet dies, dass sie ein Informationsinteresse nicht darlegen und begründen muss. Auf der anderen Seite hat der Beklagte den Sinn des Auskunftsbegehrens nicht zu bewerten; für den LIFG-Anspruch ist es unerheblich, ob die Aussagekraft der begehrten Zahlen (über Anklagen im Bereich Cybercrime) „eingeschränkt“ ist und sie ohne die relevante Bezugsgröße „sinnvoll eingeordnet und bewertet werden“ können (Bl. 269 der Akte). Derartige Aspekte sind der Anspruchsgrundlage fremd.
26 
2. Die Klägerin ist anspruchsberechtigt. § 1 Abs. 2 LIFG ordnet die Anspruchsberechtigung den Antragsberechtigten zu. Antragsberechtigt sind nach § 3 Nr. 1 LIFG unter anderem alle natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts. Eine GmbH ist als eine solche juristische Person (vgl. § 13 Abs. 1 GmbHG) nach dem LIFG anspruchsberechtigt.
27 
3. Anspruchsverpflichtet sind gemäß § 1 Abs. 2 LIFG die informationspflichtigen Stellen. Das sind nach der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 2 LIFG alle Stellen im Anwendungsbereich nach § 2 LIFG. Maßgebend ist hier § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG.
28 
a) Das LIFG gilt für die Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde (§§ 152 ff. StPO) nur, soweit sie nicht als Organ der Rechtspflege tätig wird (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG). Abzugrenzen ist dieser Rechtsbereich von öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden; insoweit ist das LIFG anwendbar.
29 
aa) Unter dem Vorzeichen der Gewaltenteilung ist die Staatsanwaltschaft der Exekutive zuzuordnen. Auf Grund ihrer Aufgabenstellung fungiert die Staatsanwaltschaft jedoch in der Regel als Organ der Rechtspflege, wird also im Bereich der Justizgewährung tätig (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., Vorb § 141 GVG Rn. 6; Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl., § 141 Rn. 9). Agiert die Staatsanwaltschaft als Organ der Rechtspflege, übt sie insoweit keine Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne aus, sie erfüllt vielmehr die Aufgabe der Justizgewährung auf dem Gebiet der Strafrechtspflege (BVerwG a. a. O. Tz. 16). Dieser funktionelle Behördenbegriff liegt auch § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG zu Grunde. Ausdrücklich erklärt die Gesetzesbegründung, dass der Begriff der Strafverfolgungsbehörden in einem funktionellen Sinne zu verstehen ist; im Bereich der Rechtspflege ist nicht das LIFG anwendbar, sondern die für die Strafrechtspflege maßgebliche Verfahrensordnung (LT-Drs. 15/7720, S. 60), also die StPO.
30 
Die Strafrechtspflege umfasst die Erforschung und Ermittlung strafbarer Handlungen, die Durchführung des Strafverfahrens und den Strafvollzug (Ehlers/Schneider in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 40 Rn. 602). Wird die Staatsanwaltschaft im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens tätig, handelt sie als Teil der Justiz und nicht als Behörde im funktionellen Sinne (BVerwG a. a. O. Tz. 17 in Bezug auf den Generalbundesanwalt). Das LIFG ist folglich nicht anwendbar.
31 
bb) Eine Verwaltungstätigkeit von (Gerichtsverwaltung und) Justizbehörden kann - jenseits der bekannten Beispiele (Ausübung des Hausrechts, Ausstellung von Dienstausweisen) - auch bei Bezügen zur Rechtspflege vorliegen, falls die Schutzfunktion des § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG gewahrt bleibt. Voraussetzung ist eine staatsanwaltschaftliche (oder gerichtliche) Tätigkeit unabhängig von einem bestimmten, insbesondere laufenden Verfahren. Beispiele sind die Gewährung von Akteneinsicht nach Abschluss eines Verfahrens oder gegenüber am Verfahren nicht beteiligten Dritten und die Information der Medien über Verfahren; bei der Gerichtsverwaltung tritt kraft verfassungsrechtlicher Vorgaben (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.02.1997 - 6 C 3.96 - E 104, 105) die Veröffentlichung von Entscheidungen hinzu (vgl. Stelkens/Panzer in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 1 Rn. 31).
32 
Diese Beispiele verdeutlichen, dass § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG eine detailgenaue Analyse und Zuordnung der Tätigkeiten von Strafverfolgungsbehörden im konkreten Fall verlangt. Informationen, die bei der Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Tätigkeit als Organ der Rechtspflege insbesondere in Bezug auf ein bestimmtes Verfahren angefallen sind, betreffen keine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit; maßgebend ist der jeweilige unmittelbare funktionale Zusammenhang, in den die betreffende Tätigkeit eingebettet ist (Senatsurteil vom 16.05.2017 - 10 S 1478/16 - NVwZ 2018, 750 Tz. 28 und 29; Wittmann VBlBW 2019, 1, 4), hinzu tritt die Wahrung der Schutzfunktion des § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG.
33 
b) Nach diesen Maßstäben ist das von der Klägerin mit dem Hauptantrag verfolgte Auskunftsbegehren dem Anwendungsbereich des LIFG entzogen. Demgegenüber begegnet das mit dem Hilfsantrag formulierte Informationsbegehren keinen Bedenken.
34 
aa) Mit ihrem Hauptantrag möchte die Klägerin erreichen, dass für den Zeitraum von 2011 bis 2016 pro Jahr jeweils ein Aktenzeichen und ein Gericht benannt werden, und zwar bezüglich einer Anklageerhebung allein wegen der Verwirklichung wenigstens eines Tatbestandes nach §§ 202, 303a, 303b StGB. Damit wird ein unmittelbarer funktionaler Zusammenhang mit den betreffenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft hergestellt. Es geht um Informationen, die bei der Staatsanwaltschaft in Wahrnehmung von Aufgaben der Strafrechtspflege angefallen sind. Das Auskunftsbegehren hat einen substantiellen Bezug zur Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörde als Organ der Rechtspflege. Das LIFG ist nach seinem § 2 Abs. 2 Nr. 3 insoweit nicht anwendbar.
35 
Eine extensive(re) Anwendung informationsfreiheitsrechtlicher Zugangsansprüche kommt nicht etwa deshalb in Betracht, weil (tatsächlich oder vermeintlich) rechtswidriges Verhalten der Staatsanwaltschaft - durch Einstellung bestimmter Ermittlungsverfahren - aufgedeckt werden könnte. Die normativen Wertungen „rechtmäßig“ und „rechtswidrig“ sind in Bezug auf eine amtliche Information keine Kategorien des Informationsfreiheitsrechts (Senat a. a. O. Tz. 32 und 33; bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 28.02.2019 - 7 C 23.17 - NVwZ 2019, 978 Tz. 18). Zu schließen ist ferner durch das LIFG nicht eine - vermeintliche - „Transparenzlücke“ mit Blick auf den Informationszugang nach der StPO. Zu Kontrollmöglichkeiten der Öffentlichkeit im Bereich der Strafrechtspflege gewährleistet § 475 StPO ein hinreichendes Informationszugangsniveau (BVerwG a. a. O. Tz. 19).
36 
bb) Der Hilfsantrag der Klägerin bezieht sich zwar ebenfalls auf den Bereich der Strafrechtspflege, jedoch gibt es keinen Bezug zu einem bestimmten Verfahren; die Schutzfunktion des § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG ist nicht tangiert. Einzelne (Gerichts- und) Ermittlungsverfahren können nicht identifiziert werden, wenn das Ergebnis der Recherchen des Beklagten zu Anklageerhebungen wegen eines der Delikte nach §§ 202a, 303a, 303b StGB in dem Zeitraum von 2011 bis 2016 tatsächlich eine Fehlanzeige wäre. Eine solche Information gleicht eher einer statistischen Mitteilung und damit einer Verwaltungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörde. Die Schutzfunktion des § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG bleibt unberührt. Vom Einzelfall abstrahierende statistische Angaben zur Zahl der Anklageerhebungen lassen die Eigenverantwortlichkeit der Staatsanwaltschaft bezüglich der Durchführung von Ermittlungsverfahren unangetastet. Es findet auch keine gerichtliche Kontrolle von Ermittlungsverfahren statt. Das Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls nicht beeinträchtigt.
37 
Ein spezifischer Bezug zur Strafrechtspflege würde auch dann nicht hergestellt, wenn der - zu wahren Auskünften verpflichtete - Beklagte nicht mit einer Fehlanzeige aufwarten könnte. Sollte eine entsprechende Anklageerhebung in dem von der Klägerin fixierten Zeitraum stattgefunden haben, käme es nicht zur Preisgabe von Aktenzeichen und Gericht; vielmehr käme es lediglich zu der Auskunft, dass für den relevanten Zeitraum nicht gesagt werden könne, dass keine Anklageerhebung stattgefunden habe. Eine solche Auskunft hätte keinen spezifischen Bezug zu einem bestimmten Ermittlungsverfahren. Auch in diesem Zusammenhang wären die vom Beklagten in den Vordergrund gerückten Schutzvorkehrungen zu Gunsten der Staatsanwaltschaft (Eigenverantwortlichkeit der Durchführung von Ermittlungsverfahren, keine allgemeine gerichtliche Kontrolle, Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft) in keiner Weise berührt. Die verfahrensunabhängige, generalisierende und allgemeine Information zur Zahl von Anklageerhebungen in bestimmten Kriminalitätsbereichen wäre - ebenso wie die Veröffentlichung von Entscheidungen seitens der Gerichtsverwaltung - eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit.
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4. Gegenstand des Anspruchs nach § 1 Abs. 2 LIFG sind „amtliche Informationen“. Darunter versteht das Gesetz jede bei einer informationspflichtigen Stelle bereits vorhandene, amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung; ausgenommen sind Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen (§ 3 Nr. 3 LIFG).
39 
An der „Amtlichkeit“ der von der Klägerin begehrten Informationen bestehen keine Zweifel. Nach der maßgebenden funktionalen Betrachtungsweise muss ein Zusammenhang mit einer amtlichen Tätigkeit der informationspflichtigen Stelle bestehen; unerheblich ist die Rechtsnatur des zu Grunde liegenden behördlichen Handelns, und auf den Urheber der Information kommt es ebenfalls nicht an (Sicko in Debus a. a. O. § 3 LIFG Rn. 11). Die entsprechenden Aufzeichnungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart erfüllen diese Voraussetzungen, zumal die Art der Speicherung ebenfalls unbeachtlich ist.
40 
Die von der Klägerin begehrten amtlichen Informationen sind im Rechtssinne auch „vorhanden“.
41 
a) Eine Information ist „vorhanden“, wenn sie Bestandteil der behördlichen Aufzeichnungen (Verwaltungsunterlagen) ist (OVG NRW, Urteil vom 24.11.2015 - 8 A 1032/14 - NVwZ-RR 2016, 603 Tz. 30). Die Behörde unterliegt gesetzlich keiner Informationsbeschaffungspflicht (BVerwG, Urteil vom 27.11.2014 - 7 C 20.12 - E 151,1 = NVwZ 2015, 669 Tz. 37 zu § 1 Abs. 1 IFG Bund). Keine - von der Behörde nicht geschuldete - Informationsbeschaffung liegt jedoch vor, wenn Informationen (Aufzeichnungen) verstreut in einem Gesamtbestand der Behörde verteilt sind und erst noch zusammengestellt werden müssen, um einen geltend gemachten Informationsanspruch erfüllen zu können. Die Zusammenstellung existenter Informationen (Aufzeichnungen) ist eine bloße Übertragungsleistung und nicht etwa eine Generierung bzw. Beschaffung neuer Informationen (BVerwG a. a. O. Tz. 37; OVG NRW a. a. O. Tz. 30; SächsOVG, Urteil vom 15.11.2017 - 5 A 536/16 - juris Rn. 15). Denn insoweit geht es lediglich um eine technische Aufbereitung tatsächlich bei der informationspflichtigen Stelle vorhandener Informationen.
42 
b) Das Vorhandensein amtlicher Informationen im Sinne des § 3 Nr. 3 LIFG hängt - selbstverständlich - nicht von der behördeninternen Organisation und Strukturierung amtlicher Aufzeichnungen ab. Daher sind die Einlassungen des Beklagten zu den Schwierigkeiten, mittels eines Suchlaufs im verwendeten elektronischen Dokumentensystem die von der Klägerin begehrten Informationen (Anklageerhebung wegen Verwirklichung eines Tatbestandes nach §§ 202a, 303a, 303b StGB) finden zu können, unbehelflich. Der Senat verkennt nicht, dass die (elektronische) Aktenführung einer Staatsanwaltschaft eigenen Rationalitäten folgt, die nicht auf die Beantwortung von Begehren nach dem Informationsfreiheitsrecht ausgerichtet sind. Es versteht sich daher von selbst, dass - wie in der mündlichen Verhandlung noch einmal deutlich geworden ist - nicht gleichsam per „Knopfdruck“ seitens der Staatsanwaltschaft auf Informationsbegehren nach dem LIFG reagiert werden kann. Diese tatsächlichen Umstände ändern aber nichts daran, dass die von der Klägerin mit ihrem Hilfsantrag begehrte Auskunft auf amtliche Informationen zielt, die bei dem Beklagten im Rechtssinne „vorhanden“ sind. § 3 Nr. 3 LIFG bietet keinen normativen Anknüpfungspunkt für eine einschränkende Gesetzesauslegung; auch für die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung postulierte norminterne „Grenzlinie“ enthält das Gesetz keinen Anhaltspunkt. Letztlich räumt der Beklagte ein, dass die betreffenden amtlichen Informationen „vorhanden“ sind, wenn er darauf hinweist, es bedürfe „einer händischen Auswertung der Verfahrensakten“, um die von der Klägerin gestellten Fragen beantworten zu können (Bl. 267 der Akte).
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5. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte darauf hin, dass sich eine Suche nach den begehrten Informationen mittels händischer Auswertung der Verfahrensakten zeitaufwändig und mühevoll gestalten und naturgemäß personelle Ressourcen binden würde. Sollte dieser Vortrag die Geltendmachung des Ablehnungsgrundes gemäß § 9 Abs. 3 Nr. 3 LIFG darstellen, hätte der Beklagte der ihn treffenden Darlegungslast nicht einmal ansatzweise Genüge getan. Hinzu käme auf der Rechtsfolgenseite jener Bestimmung ein Ermessensausfall.
44 
§ 9 Abs. 3 Nr. 3 LIFG schützt die informationspflichtige Stelle vor institutioneller Überforderung und einer Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit (Debus a. a. O. § 9 LIFG Rn. 20). Der Ablehnungsgrund kann nur in Betracht gezogen werden, wenn die informationspflichtige Stelle konkret etwas zu dem erwarteten Verwaltungsaufwand vorträgt und darlegt, worin die Unverhältnismäßigkeit des Aufwands begründet sein soll. Daran fehlt es. Hinzu kommt, dass der in Betracht zu ziehende Ausgleich für den Aufwand durch Gebühren und Auslagen nach § 10 LIFG zu berücksichtigen ist (LT-Drs. 15/7720, S. 77). Auch dazu hat der Beklagte keinerlei Überlegungen angestellt.
45 
6. Die Sache ist nicht spruchreif, weil der Beklagte - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig - das Konsultationsverfahren gemäß § 10 Abs. 2 LIFG nicht durchgeführt hat. Dieses Verwaltungsverfahren kann im Verwaltungsprozess nicht nachgeholt und auch gerichtlich nicht ersetzt werden. Von besonderer Bedeutung ist jenes Verfahren bei Begehren gegenüber Behörden, die nicht informationspflichtige Stellen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 LIFG sind; denn insoweit greifen die Restriktionen des § 10 Abs. 3 LIFG nicht.
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a) Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 LIFG muss die informationspflichtige Stelle die antragstellende Person über die voraussichtliche Höhe der Kosten vorab gebühren- und auslagenfrei informieren, wenn die Gebühren und Auslagen zusammen voraussichtlich die Höhe von 200 Euro übersteigen werden; außerdem ist die antragstellende Person zur Erklärung über die Weiterverfolgung ihres LIFG-Antrags aufzufordern. Diese Regelung stellt eine bindende gesetzliche Bestimmung dar. Die informationspflichtige Stelle verfügt über keinen Ermessensspielraum. Die Gesetzesbegründung spricht treffend von einer „Informationspflicht“ (LT-Drs. 15/7720, S. 78).
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§ 10 Abs. 2 Satz 1 LIFG ist zunächst eine Schutzvorschrift zu Gunsten der antragstellenden Person. Diese wird durch die behördliche Information zur voraussichtlichen Höhe der Kosten des begehrten Informationszugangs in die Lage versetzt, darüber zu entscheiden, ob sie den Antrag angesichts der zu erwartenden Kostenbelastung weiterverfolgt oder nicht (LT-Drs. 15/7720, S. 78). Denkbar ist auch eine Einschränkung des Antrags dergestalt, dass die dann entstehenden Kosten für die antragstellende Person aus ihrer Sicht tragbar erscheinen. Dabei darf sie auf die Unterstützung der informationspflichtigen Stelle setzen; diese hat im Regelfall gemäß § 25 Abs. 1 LVwVfG eine zielführende Beratung vorzunehmen. Das Konsultationsverfahren kann so zu vernünftigen, allseits akzeptierten Ergebnissen führen. Reagiert die antragstellende Person auf die behördliche Aufforderung (§ 10 Abs. 2 Satz 1 LIFG) nicht, greift unter dem Aspekt der Kostenbelastung der gesetzliche Schutz ein; der Antrag gilt als zurückgenommen (§ 10 Abs. 2 Satz 2 LIFG).
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Das Konsultationsverfahren hat zudem eine Warn- und Schutzfunktion gegenüber der informationspflichtigen Stelle. Kommt diese ihrer Informationspflicht (§ 10 Abs. 2 Satz 1 LIFG) nicht nach, darf die Festsetzung der Gebühren und Auslagen - unabhängig von der tatsächlichen Kostenhöhe - 200 Euro nicht übersteigen (§ 10 Abs. 2 Satz 4 Hs. 1 LIFG); im Übrigen darf die prognostizierte Höhe der Kosten nicht überschritten werden (§ 10 Abs. 2 Satz 4 Hs. 2 LIFG). Diese Gesetzeslage nährt die im Schrifttum geäußerte Vermutung, dass sich die Praxis mit einer eher großzügigen Kostenschätzung behelfen werde (Debus a. a. O. § 10 LIFG Rn. 59). Jedenfalls hat auch die informationspflichtige Stelle vor dem Hintergrund des § 10 Abs. 2 Satz 4 LIFG einen nicht unbeträchtlichen Nutzen aus der Durchführung des Konsultationsverfahrens.
49 
b) Der plausible Hinweis des Beklagten auf den erheblichen Aufwand einer händischen Auswertung der Verfahrensakten (Bl. 267 der Akte) erlaubt unschwer die Prognose, dass die in § 10 Abs. 2 Satz 1 LIFG genannte Gesamtsumme anfallender Kosten von 200 Euro mit Sicherheit überschritten wird, wenn das im Hilfsantrag der Klägerin formulierte Auskunftsbegehren zu erfüllen ist. Eine Kostendämpfung nach § 10 Abs. 3 LIFG wird nicht eintreten. Informationspflichtige Stellen des Landes im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 LIFG sind nach der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 15/7720, S. 79) die obersten Landesbehörden (§ 7 LVG), die Regierungspräsidien (§ 11 LVG) und die besonderen Verwaltungsbehörden (§ 23 LVG); hier geht es indes um eine gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG informationspflichtige Stelle. Für diese gilt bezüglich der Erhebung von Gebühren und Auslagen § 10 Abs. 1 LIFG; anwendbar ist das für die informationspflichtige Stelle maßgebende, d. h. gegebenenfalls spezifische Gebührenrecht, ergänzend steht das Landesgebührengesetz mit dem Kostendeckungsprinzip (§ 7 Abs. 1 LGebG) zur Verfügung (Debus a. a. O. § 10 LIFG Rn. 23 ff., 32). Unter dem Vorzeichen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit behördlichen Handelns (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 LHO) ist schwer vorstellbar, dass der Beklagte im Falle einer händischen Auswertung der Verfahrensakten von den Möglichkeiten des § 10 Abs. 1 LIFG nicht Gebrauch machen wird. Dann drohte der Klägerin eine nicht unerhebliche Kostenbelastung.
50 
Ohne Durchführung des gemäß § 10 Abs. 2 LIFG vorgeschriebenen Konsultationsverfahrens ist die Sache nicht spruchreif. Daher ist im Wege des Bescheidungsurteils (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) zu entscheiden; im Übrigen ist die Klage abzuweisen und die Berufung zurückzuweisen. Der Senat verknüpft die Entscheidung mit dem Hinweis, dass das LIFG-Konsultationsverfahren den Beteiligten die Gelegenheit eröffnet, einen Abgleich der konfligierenden Interessen anzustreben.
III.
51 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
52 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
53 
Beschluss vom 6. August 2019
54 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
55 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
15 
Die statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Zwar ist der im Berufungsverfahren gestellte Hauptantrag unbegründet, der Hilfsantrag ist jedoch begründet; allerdings ist die Sache nicht spruchreif, so dass ein Bescheidungsurteil ergeht.
I.
16 
Die Zulässigkeit der Klage begegnet im Ergebnis keinen Bedenken. Allerdings fehlt es an der Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Vorverfahrens vor Klageerhebung (1.); zudem liegt eine - durchaus ungewöhnliche - Klageänderung vor, über deren Zulässigkeit im Berufungsverfahren zu entscheiden ist. (2.).
17 
1. Wird der Erlass eines beantragten Verwaltungsakts abgelehnt, sind vor Erhebung der Verpflichtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der behördlichen Entscheidung in einem Vorverfahren nachzuprüfen (§ 68 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO); einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn eine der in § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO normierten Fallgruppen vorliegt. Diese allgemeinen Regelungen zum Widerspruchsverfahren gelten auch bei der Ablehnung eines Antrags nach § 9 LIFG (vgl. Debus in ders., Informationszugangsrecht Baden-Württemberg, 2017, § 9 LIFG Rn. 39).
18 
Im vorliegenden Fall ist ein Widerspruchsverfahren vor Klageerhebung nicht durchgeführt worden. Der Verzicht auf das Vorverfahren kann nicht auf § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 2 VwGO gestützt werden; weder hat hier eine oberste Landesbehörde (vgl. § 7 LVG) gehandelt, noch geht es um eine erstmalige Beschwer in einem Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid. Auch eine gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 2 vor Nr. 1 VwGO greift nicht ein. Zwar hatte der Gesetzentwurf der Landesregierung zum LIFG in § 11 den Ausschluss des Widerspruchsverfahrens vorgesehen (LT-Drs. 15/7720, S. 11), jedoch ist dieser Vorschlag nicht Gesetz geworden. Auf Grund eines fraktionenübergreifenden Änderungsantrags von CDU, GRÜNE, SPD und FDP/DVP wurde § 11 LIFG-Entwurf gestrichen; danach gelten die allgemeinen Regelungen über das Widerspruchsverfahren auch in Streitigkeiten nach dem LIFG (so ausdrücklich LT-Drs. 15/7881, S. 2). Die allgemeine landesgesetzliche Ausnahmebestimmung zum Erfordernis eines Vorverfahrens (§ 15 AGVwGO) greift hier ohnehin nicht ein.
19 
Allerdings hat der Beklagte im Verfahren beim Verwaltungsgericht vorgetragen, eines Vorverfahrens gemäß §§ 68 ff. VwGO bedürfe es „unter den hier gegebenen Umständen nicht“ (Bl. 33 der VG-Akte), um anschließend zur Sache Stellung zu nehmen. Damit liegt eine Konstellation vor, in der sich der Beklagte auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung als unbegründet beantragt hat. In solchen Fällen hält das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie und in Einklang mit dem Regelungszweck des § 68 VwGO ein Widerspruchsverfahren - über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus - ausnahmsweise für entbehrlich (BVerwG, Urteil vom 28.02.2019 - 7 C 23.17 - NVwZ 2019, 978 Tz. 11). Angesichts dieser Judikatur führt das Absehen von dem gesetzlich an sich vorgeschriebenen Vorverfahren nicht zur Unzulässigkeit der Klage.
20 
2. Im Verfahren beim Verwaltungsgericht hatte die Klägerin ihr Begehren auf eine Auskunft darüber ausgerichtet, in wie vielen Fällen und bei welchen Gerichten der Beklagte (in Gestalt der Staatsanwaltschaft Stuttgart) in den Jahren 2011 bis 2016 wegen Cyberkriminalität Anklage auf Grund der §§ 202a, 303a, 303b StGB erhoben hat. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin das Informationsbegehren mit ihrem Hauptantrag so spezifiziert, dass pro Jahr jeweils ein Aktenzeichen und Gericht benannt werden, bei dem allein auf Grund der Verwirklichung wenigstens eines Tatbestandes nach §§ 202a, 303a, 303b StGB Anklage erhoben worden ist. Ein - neuer - zusätzlicher Hilfsantrag zielt auf Auskunft darüber, dass in jenen Cybercrime-Angelegenheiten in der Zeit von 2011 bis 2016 im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Stuttgart „keine Aktenzeichen und Gerichte bei der Anklageerhebung gefunden wurden“ (Bl. 189 der Akte).
21 
Der Senat erblickt in den im Berufungsverfahren gestellten Anträgen (Haupt- und Hilfsantrag) eine Klageänderung, die er im Sinne des § 91 VwGO (i. V. m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO) noch für sachdienlich hält. Die Sachdienlichkeit ist wesentlich durch den Aspekt der Prozessökonomie geprägt. Sachdienlich ist eine geänderte Klage im Falle einer endgültigen Ausräumung des wesentlichen Streitstoffes zwischen Beteiligten, wenn der Streitstoff im Kern derselbe wie vor der Klageänderung ist (Ortloff/Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 91 Rn. 61).
22 
So liegt der Fall hier. Der Hauptantrag entspricht im Kern dem erstinstanzlich gestellten Antrag. Der Hilfsantrag lässt sich als Kehrseite des Klageantrags in der Vorinstanz deuten. Ging es dort um eine Auskunft durch die Angabe bestimmter Zahlen („in wie vielen Fällen und bei welchen Gerichten“ wurde Anklage erhoben?), so zielt der Hilfsantrag - gleichsam spiegelbildlich in eine Negativaussage mündend - auf eine Art Fehlanzeige („keine Aktenzeichen und Gerichte“ einer Anklageerhebung wurden gefunden). Inhaltlich geht es unter beiden Vorzeichen, also unabhängig von Positivaussage oder Negativaussage, um die identische rechtliche Fragestellung; zu klären ist einerseits die Anwendbarkeit des LIFG auf das Auskunftsbegehren der Klägerin nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG, zu entscheiden ist andererseits, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen im vorliegenden Fall „amtliche Informationen“ im Sinne des § 3 Nr. 3 LIFG vorliegen.
II.
23 
Die Klage ist insoweit begründet, als der Hilfsantrag zu einem Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) führt. Im Hauptantrag ist die Klage unbegründet; die von der Staatsanwaltschaft begehrten Informationen betreffen ihre Funktion als Strafverfolgungsbehörde im Bereich der Strafrechtspflege, der dem LIFG entzogen ist.
24 
1. Die prinzipielle Anwendbarkeit des LIFG steht außer Frage und ist auch zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Eine Anwendungssperre nach § 1 Abs. 3 LIFG besteht nicht. Ausdrücklich hat der Beklagte hervorgehoben, § 475 Abs. 1 und 2 StPO greife unter den hier gegebenen Umständen nicht ein (Bl. 251 der Akte).
25 
Anspruchsgrundlage ist demnach § 1 Abs. 2 LIFG. Danach haben Antragsberechtigte nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den informationspflichtigen Stellen einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers handelt es sich um einen „freien, die Darlegung eines Interesses nicht voraussetzenden Anspruch“ (LT-Drs. 15/7720, S. 58). Für die Klägerin bedeutet dies, dass sie ein Informationsinteresse nicht darlegen und begründen muss. Auf der anderen Seite hat der Beklagte den Sinn des Auskunftsbegehrens nicht zu bewerten; für den LIFG-Anspruch ist es unerheblich, ob die Aussagekraft der begehrten Zahlen (über Anklagen im Bereich Cybercrime) „eingeschränkt“ ist und sie ohne die relevante Bezugsgröße „sinnvoll eingeordnet und bewertet werden“ können (Bl. 269 der Akte). Derartige Aspekte sind der Anspruchsgrundlage fremd.
26 
2. Die Klägerin ist anspruchsberechtigt. § 1 Abs. 2 LIFG ordnet die Anspruchsberechtigung den Antragsberechtigten zu. Antragsberechtigt sind nach § 3 Nr. 1 LIFG unter anderem alle natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts. Eine GmbH ist als eine solche juristische Person (vgl. § 13 Abs. 1 GmbHG) nach dem LIFG anspruchsberechtigt.
27 
3. Anspruchsverpflichtet sind gemäß § 1 Abs. 2 LIFG die informationspflichtigen Stellen. Das sind nach der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 2 LIFG alle Stellen im Anwendungsbereich nach § 2 LIFG. Maßgebend ist hier § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG.
28 
a) Das LIFG gilt für die Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde (§§ 152 ff. StPO) nur, soweit sie nicht als Organ der Rechtspflege tätig wird (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG). Abzugrenzen ist dieser Rechtsbereich von öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden; insoweit ist das LIFG anwendbar.
29 
aa) Unter dem Vorzeichen der Gewaltenteilung ist die Staatsanwaltschaft der Exekutive zuzuordnen. Auf Grund ihrer Aufgabenstellung fungiert die Staatsanwaltschaft jedoch in der Regel als Organ der Rechtspflege, wird also im Bereich der Justizgewährung tätig (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., Vorb § 141 GVG Rn. 6; Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl., § 141 Rn. 9). Agiert die Staatsanwaltschaft als Organ der Rechtspflege, übt sie insoweit keine Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne aus, sie erfüllt vielmehr die Aufgabe der Justizgewährung auf dem Gebiet der Strafrechtspflege (BVerwG a. a. O. Tz. 16). Dieser funktionelle Behördenbegriff liegt auch § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG zu Grunde. Ausdrücklich erklärt die Gesetzesbegründung, dass der Begriff der Strafverfolgungsbehörden in einem funktionellen Sinne zu verstehen ist; im Bereich der Rechtspflege ist nicht das LIFG anwendbar, sondern die für die Strafrechtspflege maßgebliche Verfahrensordnung (LT-Drs. 15/7720, S. 60), also die StPO.
30 
Die Strafrechtspflege umfasst die Erforschung und Ermittlung strafbarer Handlungen, die Durchführung des Strafverfahrens und den Strafvollzug (Ehlers/Schneider in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 40 Rn. 602). Wird die Staatsanwaltschaft im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens tätig, handelt sie als Teil der Justiz und nicht als Behörde im funktionellen Sinne (BVerwG a. a. O. Tz. 17 in Bezug auf den Generalbundesanwalt). Das LIFG ist folglich nicht anwendbar.
31 
bb) Eine Verwaltungstätigkeit von (Gerichtsverwaltung und) Justizbehörden kann - jenseits der bekannten Beispiele (Ausübung des Hausrechts, Ausstellung von Dienstausweisen) - auch bei Bezügen zur Rechtspflege vorliegen, falls die Schutzfunktion des § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG gewahrt bleibt. Voraussetzung ist eine staatsanwaltschaftliche (oder gerichtliche) Tätigkeit unabhängig von einem bestimmten, insbesondere laufenden Verfahren. Beispiele sind die Gewährung von Akteneinsicht nach Abschluss eines Verfahrens oder gegenüber am Verfahren nicht beteiligten Dritten und die Information der Medien über Verfahren; bei der Gerichtsverwaltung tritt kraft verfassungsrechtlicher Vorgaben (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.02.1997 - 6 C 3.96 - E 104, 105) die Veröffentlichung von Entscheidungen hinzu (vgl. Stelkens/Panzer in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 1 Rn. 31).
32 
Diese Beispiele verdeutlichen, dass § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG eine detailgenaue Analyse und Zuordnung der Tätigkeiten von Strafverfolgungsbehörden im konkreten Fall verlangt. Informationen, die bei der Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Tätigkeit als Organ der Rechtspflege insbesondere in Bezug auf ein bestimmtes Verfahren angefallen sind, betreffen keine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit; maßgebend ist der jeweilige unmittelbare funktionale Zusammenhang, in den die betreffende Tätigkeit eingebettet ist (Senatsurteil vom 16.05.2017 - 10 S 1478/16 - NVwZ 2018, 750 Tz. 28 und 29; Wittmann VBlBW 2019, 1, 4), hinzu tritt die Wahrung der Schutzfunktion des § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG.
33 
b) Nach diesen Maßstäben ist das von der Klägerin mit dem Hauptantrag verfolgte Auskunftsbegehren dem Anwendungsbereich des LIFG entzogen. Demgegenüber begegnet das mit dem Hilfsantrag formulierte Informationsbegehren keinen Bedenken.
34 
aa) Mit ihrem Hauptantrag möchte die Klägerin erreichen, dass für den Zeitraum von 2011 bis 2016 pro Jahr jeweils ein Aktenzeichen und ein Gericht benannt werden, und zwar bezüglich einer Anklageerhebung allein wegen der Verwirklichung wenigstens eines Tatbestandes nach §§ 202, 303a, 303b StGB. Damit wird ein unmittelbarer funktionaler Zusammenhang mit den betreffenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft hergestellt. Es geht um Informationen, die bei der Staatsanwaltschaft in Wahrnehmung von Aufgaben der Strafrechtspflege angefallen sind. Das Auskunftsbegehren hat einen substantiellen Bezug zur Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörde als Organ der Rechtspflege. Das LIFG ist nach seinem § 2 Abs. 2 Nr. 3 insoweit nicht anwendbar.
35 
Eine extensive(re) Anwendung informationsfreiheitsrechtlicher Zugangsansprüche kommt nicht etwa deshalb in Betracht, weil (tatsächlich oder vermeintlich) rechtswidriges Verhalten der Staatsanwaltschaft - durch Einstellung bestimmter Ermittlungsverfahren - aufgedeckt werden könnte. Die normativen Wertungen „rechtmäßig“ und „rechtswidrig“ sind in Bezug auf eine amtliche Information keine Kategorien des Informationsfreiheitsrechts (Senat a. a. O. Tz. 32 und 33; bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 28.02.2019 - 7 C 23.17 - NVwZ 2019, 978 Tz. 18). Zu schließen ist ferner durch das LIFG nicht eine - vermeintliche - „Transparenzlücke“ mit Blick auf den Informationszugang nach der StPO. Zu Kontrollmöglichkeiten der Öffentlichkeit im Bereich der Strafrechtspflege gewährleistet § 475 StPO ein hinreichendes Informationszugangsniveau (BVerwG a. a. O. Tz. 19).
36 
bb) Der Hilfsantrag der Klägerin bezieht sich zwar ebenfalls auf den Bereich der Strafrechtspflege, jedoch gibt es keinen Bezug zu einem bestimmten Verfahren; die Schutzfunktion des § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG ist nicht tangiert. Einzelne (Gerichts- und) Ermittlungsverfahren können nicht identifiziert werden, wenn das Ergebnis der Recherchen des Beklagten zu Anklageerhebungen wegen eines der Delikte nach §§ 202a, 303a, 303b StGB in dem Zeitraum von 2011 bis 2016 tatsächlich eine Fehlanzeige wäre. Eine solche Information gleicht eher einer statistischen Mitteilung und damit einer Verwaltungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörde. Die Schutzfunktion des § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG bleibt unberührt. Vom Einzelfall abstrahierende statistische Angaben zur Zahl der Anklageerhebungen lassen die Eigenverantwortlichkeit der Staatsanwaltschaft bezüglich der Durchführung von Ermittlungsverfahren unangetastet. Es findet auch keine gerichtliche Kontrolle von Ermittlungsverfahren statt. Das Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft wird ebenfalls nicht beeinträchtigt.
37 
Ein spezifischer Bezug zur Strafrechtspflege würde auch dann nicht hergestellt, wenn der - zu wahren Auskünften verpflichtete - Beklagte nicht mit einer Fehlanzeige aufwarten könnte. Sollte eine entsprechende Anklageerhebung in dem von der Klägerin fixierten Zeitraum stattgefunden haben, käme es nicht zur Preisgabe von Aktenzeichen und Gericht; vielmehr käme es lediglich zu der Auskunft, dass für den relevanten Zeitraum nicht gesagt werden könne, dass keine Anklageerhebung stattgefunden habe. Eine solche Auskunft hätte keinen spezifischen Bezug zu einem bestimmten Ermittlungsverfahren. Auch in diesem Zusammenhang wären die vom Beklagten in den Vordergrund gerückten Schutzvorkehrungen zu Gunsten der Staatsanwaltschaft (Eigenverantwortlichkeit der Durchführung von Ermittlungsverfahren, keine allgemeine gerichtliche Kontrolle, Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft) in keiner Weise berührt. Die verfahrensunabhängige, generalisierende und allgemeine Information zur Zahl von Anklageerhebungen in bestimmten Kriminalitätsbereichen wäre - ebenso wie die Veröffentlichung von Entscheidungen seitens der Gerichtsverwaltung - eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit.
38 
4. Gegenstand des Anspruchs nach § 1 Abs. 2 LIFG sind „amtliche Informationen“. Darunter versteht das Gesetz jede bei einer informationspflichtigen Stelle bereits vorhandene, amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung; ausgenommen sind Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen (§ 3 Nr. 3 LIFG).
39 
An der „Amtlichkeit“ der von der Klägerin begehrten Informationen bestehen keine Zweifel. Nach der maßgebenden funktionalen Betrachtungsweise muss ein Zusammenhang mit einer amtlichen Tätigkeit der informationspflichtigen Stelle bestehen; unerheblich ist die Rechtsnatur des zu Grunde liegenden behördlichen Handelns, und auf den Urheber der Information kommt es ebenfalls nicht an (Sicko in Debus a. a. O. § 3 LIFG Rn. 11). Die entsprechenden Aufzeichnungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart erfüllen diese Voraussetzungen, zumal die Art der Speicherung ebenfalls unbeachtlich ist.
40 
Die von der Klägerin begehrten amtlichen Informationen sind im Rechtssinne auch „vorhanden“.
41 
a) Eine Information ist „vorhanden“, wenn sie Bestandteil der behördlichen Aufzeichnungen (Verwaltungsunterlagen) ist (OVG NRW, Urteil vom 24.11.2015 - 8 A 1032/14 - NVwZ-RR 2016, 603 Tz. 30). Die Behörde unterliegt gesetzlich keiner Informationsbeschaffungspflicht (BVerwG, Urteil vom 27.11.2014 - 7 C 20.12 - E 151,1 = NVwZ 2015, 669 Tz. 37 zu § 1 Abs. 1 IFG Bund). Keine - von der Behörde nicht geschuldete - Informationsbeschaffung liegt jedoch vor, wenn Informationen (Aufzeichnungen) verstreut in einem Gesamtbestand der Behörde verteilt sind und erst noch zusammengestellt werden müssen, um einen geltend gemachten Informationsanspruch erfüllen zu können. Die Zusammenstellung existenter Informationen (Aufzeichnungen) ist eine bloße Übertragungsleistung und nicht etwa eine Generierung bzw. Beschaffung neuer Informationen (BVerwG a. a. O. Tz. 37; OVG NRW a. a. O. Tz. 30; SächsOVG, Urteil vom 15.11.2017 - 5 A 536/16 - juris Rn. 15). Denn insoweit geht es lediglich um eine technische Aufbereitung tatsächlich bei der informationspflichtigen Stelle vorhandener Informationen.
42 
b) Das Vorhandensein amtlicher Informationen im Sinne des § 3 Nr. 3 LIFG hängt - selbstverständlich - nicht von der behördeninternen Organisation und Strukturierung amtlicher Aufzeichnungen ab. Daher sind die Einlassungen des Beklagten zu den Schwierigkeiten, mittels eines Suchlaufs im verwendeten elektronischen Dokumentensystem die von der Klägerin begehrten Informationen (Anklageerhebung wegen Verwirklichung eines Tatbestandes nach §§ 202a, 303a, 303b StGB) finden zu können, unbehelflich. Der Senat verkennt nicht, dass die (elektronische) Aktenführung einer Staatsanwaltschaft eigenen Rationalitäten folgt, die nicht auf die Beantwortung von Begehren nach dem Informationsfreiheitsrecht ausgerichtet sind. Es versteht sich daher von selbst, dass - wie in der mündlichen Verhandlung noch einmal deutlich geworden ist - nicht gleichsam per „Knopfdruck“ seitens der Staatsanwaltschaft auf Informationsbegehren nach dem LIFG reagiert werden kann. Diese tatsächlichen Umstände ändern aber nichts daran, dass die von der Klägerin mit ihrem Hilfsantrag begehrte Auskunft auf amtliche Informationen zielt, die bei dem Beklagten im Rechtssinne „vorhanden“ sind. § 3 Nr. 3 LIFG bietet keinen normativen Anknüpfungspunkt für eine einschränkende Gesetzesauslegung; auch für die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung postulierte norminterne „Grenzlinie“ enthält das Gesetz keinen Anhaltspunkt. Letztlich räumt der Beklagte ein, dass die betreffenden amtlichen Informationen „vorhanden“ sind, wenn er darauf hinweist, es bedürfe „einer händischen Auswertung der Verfahrensakten“, um die von der Klägerin gestellten Fragen beantworten zu können (Bl. 267 der Akte).
43 
5. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte darauf hin, dass sich eine Suche nach den begehrten Informationen mittels händischer Auswertung der Verfahrensakten zeitaufwändig und mühevoll gestalten und naturgemäß personelle Ressourcen binden würde. Sollte dieser Vortrag die Geltendmachung des Ablehnungsgrundes gemäß § 9 Abs. 3 Nr. 3 LIFG darstellen, hätte der Beklagte der ihn treffenden Darlegungslast nicht einmal ansatzweise Genüge getan. Hinzu käme auf der Rechtsfolgenseite jener Bestimmung ein Ermessensausfall.
44 
§ 9 Abs. 3 Nr. 3 LIFG schützt die informationspflichtige Stelle vor institutioneller Überforderung und einer Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit (Debus a. a. O. § 9 LIFG Rn. 20). Der Ablehnungsgrund kann nur in Betracht gezogen werden, wenn die informationspflichtige Stelle konkret etwas zu dem erwarteten Verwaltungsaufwand vorträgt und darlegt, worin die Unverhältnismäßigkeit des Aufwands begründet sein soll. Daran fehlt es. Hinzu kommt, dass der in Betracht zu ziehende Ausgleich für den Aufwand durch Gebühren und Auslagen nach § 10 LIFG zu berücksichtigen ist (LT-Drs. 15/7720, S. 77). Auch dazu hat der Beklagte keinerlei Überlegungen angestellt.
45 
6. Die Sache ist nicht spruchreif, weil der Beklagte - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig - das Konsultationsverfahren gemäß § 10 Abs. 2 LIFG nicht durchgeführt hat. Dieses Verwaltungsverfahren kann im Verwaltungsprozess nicht nachgeholt und auch gerichtlich nicht ersetzt werden. Von besonderer Bedeutung ist jenes Verfahren bei Begehren gegenüber Behörden, die nicht informationspflichtige Stellen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 LIFG sind; denn insoweit greifen die Restriktionen des § 10 Abs. 3 LIFG nicht.
46 
a) Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 LIFG muss die informationspflichtige Stelle die antragstellende Person über die voraussichtliche Höhe der Kosten vorab gebühren- und auslagenfrei informieren, wenn die Gebühren und Auslagen zusammen voraussichtlich die Höhe von 200 Euro übersteigen werden; außerdem ist die antragstellende Person zur Erklärung über die Weiterverfolgung ihres LIFG-Antrags aufzufordern. Diese Regelung stellt eine bindende gesetzliche Bestimmung dar. Die informationspflichtige Stelle verfügt über keinen Ermessensspielraum. Die Gesetzesbegründung spricht treffend von einer „Informationspflicht“ (LT-Drs. 15/7720, S. 78).
47 
§ 10 Abs. 2 Satz 1 LIFG ist zunächst eine Schutzvorschrift zu Gunsten der antragstellenden Person. Diese wird durch die behördliche Information zur voraussichtlichen Höhe der Kosten des begehrten Informationszugangs in die Lage versetzt, darüber zu entscheiden, ob sie den Antrag angesichts der zu erwartenden Kostenbelastung weiterverfolgt oder nicht (LT-Drs. 15/7720, S. 78). Denkbar ist auch eine Einschränkung des Antrags dergestalt, dass die dann entstehenden Kosten für die antragstellende Person aus ihrer Sicht tragbar erscheinen. Dabei darf sie auf die Unterstützung der informationspflichtigen Stelle setzen; diese hat im Regelfall gemäß § 25 Abs. 1 LVwVfG eine zielführende Beratung vorzunehmen. Das Konsultationsverfahren kann so zu vernünftigen, allseits akzeptierten Ergebnissen führen. Reagiert die antragstellende Person auf die behördliche Aufforderung (§ 10 Abs. 2 Satz 1 LIFG) nicht, greift unter dem Aspekt der Kostenbelastung der gesetzliche Schutz ein; der Antrag gilt als zurückgenommen (§ 10 Abs. 2 Satz 2 LIFG).
48 
Das Konsultationsverfahren hat zudem eine Warn- und Schutzfunktion gegenüber der informationspflichtigen Stelle. Kommt diese ihrer Informationspflicht (§ 10 Abs. 2 Satz 1 LIFG) nicht nach, darf die Festsetzung der Gebühren und Auslagen - unabhängig von der tatsächlichen Kostenhöhe - 200 Euro nicht übersteigen (§ 10 Abs. 2 Satz 4 Hs. 1 LIFG); im Übrigen darf die prognostizierte Höhe der Kosten nicht überschritten werden (§ 10 Abs. 2 Satz 4 Hs. 2 LIFG). Diese Gesetzeslage nährt die im Schrifttum geäußerte Vermutung, dass sich die Praxis mit einer eher großzügigen Kostenschätzung behelfen werde (Debus a. a. O. § 10 LIFG Rn. 59). Jedenfalls hat auch die informationspflichtige Stelle vor dem Hintergrund des § 10 Abs. 2 Satz 4 LIFG einen nicht unbeträchtlichen Nutzen aus der Durchführung des Konsultationsverfahrens.
49 
b) Der plausible Hinweis des Beklagten auf den erheblichen Aufwand einer händischen Auswertung der Verfahrensakten (Bl. 267 der Akte) erlaubt unschwer die Prognose, dass die in § 10 Abs. 2 Satz 1 LIFG genannte Gesamtsumme anfallender Kosten von 200 Euro mit Sicherheit überschritten wird, wenn das im Hilfsantrag der Klägerin formulierte Auskunftsbegehren zu erfüllen ist. Eine Kostendämpfung nach § 10 Abs. 3 LIFG wird nicht eintreten. Informationspflichtige Stellen des Landes im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 LIFG sind nach der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 15/7720, S. 79) die obersten Landesbehörden (§ 7 LVG), die Regierungspräsidien (§ 11 LVG) und die besonderen Verwaltungsbehörden (§ 23 LVG); hier geht es indes um eine gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG informationspflichtige Stelle. Für diese gilt bezüglich der Erhebung von Gebühren und Auslagen § 10 Abs. 1 LIFG; anwendbar ist das für die informationspflichtige Stelle maßgebende, d. h. gegebenenfalls spezifische Gebührenrecht, ergänzend steht das Landesgebührengesetz mit dem Kostendeckungsprinzip (§ 7 Abs. 1 LGebG) zur Verfügung (Debus a. a. O. § 10 LIFG Rn. 23 ff., 32). Unter dem Vorzeichen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit behördlichen Handelns (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 LHO) ist schwer vorstellbar, dass der Beklagte im Falle einer händischen Auswertung der Verfahrensakten von den Möglichkeiten des § 10 Abs. 1 LIFG nicht Gebrauch machen wird. Dann drohte der Klägerin eine nicht unerhebliche Kostenbelastung.
50 
Ohne Durchführung des gemäß § 10 Abs. 2 LIFG vorgeschriebenen Konsultationsverfahrens ist die Sache nicht spruchreif. Daher ist im Wege des Bescheidungsurteils (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) zu entscheiden; im Übrigen ist die Klage abzuweisen und die Berufung zurückzuweisen. Der Senat verknüpft die Entscheidung mit dem Hinweis, dass das LIFG-Konsultationsverfahren den Beteiligten die Gelegenheit eröffnet, einen Abgleich der konfligierenden Interessen anzustreben.
III.
51 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
52 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
53 
Beschluss vom 6. August 2019
54 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
55 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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