Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 3 S 3378/19

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 26. November 2019 - 2 K 3680/19 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 10.000,- festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Sofortvollzug der den Beigeladenen erteilten Baugenehmigung für den Neubau eines Einfamilienhauses.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Flst.-Nr. ..., ... ..., auf der Gemarkung Holzhausen der Gemeinde March. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus sowie mit verschiedenen Wirtschaftsgebäuden bebaut und über das nördlich angrenzende Grundstück Flst.-Nr. ... an das öffentliche Straßennetz angeschlossen. Es grenzt nach Süden auf rund 66 m an die Grundstücke Flst.-Nrn. ..., ... und ..., Buchsweilerstraße ..., ... und ..., die durch Teilung aus dem Grundstück Flst.-Nr. ... (alt) hervorgegangen sind. An dieser Südgrenze liegen die auf einer Länge von rund 44 m aneinander gebauten, in Teilen als Grenzbau und Überbau sowie im Übrigen von der Grenze nur geringfügig zurückversetzt errichteten Gebäude des Antragstellers. Die genannten Grundstücke liegen im unbeplanten innerörtlichen Bereich von Holzhausen.
Am 15.1.1971 war dem Antragsteller eine Baugenehmigung für einen an der Südgrenze seines Grundstücks Flst.-Nr. ... vorgesehenen Wohnhausanbau erteilt und dabei mittels Grüneintrag eine als „Baulast“ gekennzeichnete, an das Vorhaben angrenzende Fläche von ca. 2 auf 2 m auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... (alt) in den Lageplan eingezeichnet worden. Daraufhin hatten die Eltern der damals minderjährigen Eigentümer des Grundstücks Flst.-Nr. ... (alt) am 20.1.1971 gegenüber dem Bürgermeisteramt der seinerzeit selbstständigen Gemeinde Holzhausen folgende schriftliche Baulasterklärung abgegeben:
„Als grundbuchmäßige Eigentümer, bezw. deren gesetzlichen Vertreter des Grundstücks Flurst. Nr. ... der Gemarkung Holzhausen übernehmen ... und ..., Holzhausen, für sich und ihre jeweiligen Rechtsnachfolger die baurechtliche Verpflichtung, bei künftiger Bebauung ihres Grundstückes Flurst. Nr. ... den auf dem Baugrundstück Flurst. Nr. ... bis zu 3,00 mtr. fehlenden Grenzabstand zu den auf ihrem Grundstück Flurst. Nr. ... vorgeschriebenen Flächen für Grenz- und Fensterabstände zusätzlich zu übernehmen.“
Diese Baulast ist bis heute im nunmehr von der Gemeinde March geführten Baulastenverzeichnis eingetragen.
Die den Beigeladenen am 5.8.2019 unter Ersetzung des von der Gemeinde March versagten Einvernehmens erteilte Baugenehmigung lässt auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... ein Wohngebäude mit einer Länge von 9,99 m, einer Breite von max. 7,18 m zu. Nach den genehmigten Plänen ist nach Norden bezogen auf das abgesenkte Gelände eine Wandhöhe von max. 6,65 m und eine Firsthöhe von 9,7 m sowie Grenzabstand von 2,86 m bis 3,55 m vorgesehen. Der genehmigte Lageplan ist identisch mit dem vom bisherigen Eigentümer des Grundstücks Flst.-Nr. ..., ..., im Rahmen eines zuvor eingeleiteten Bauvorbescheidverfahrens beim Antragsgegner eingereichten Lageplan.
Am 4.9.2019 hat der Antragsteller, der bereits im Rahmen des Angrenzerbenachrichtigungsverfahrens Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben hatte, beim Verwaltungsgericht Freiburg die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines tags darauf erhobenen Widerspruchs begehrt.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 26.11.2019 abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das öffentliche Vollzugsinteresse und das private Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der ihnen erteilten Baugenehmigung überwiege das Interesse des Antragstellers an einem Aufschub bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache. Denn es spreche überwiegendes dafür, dass der Widerspruch des Antragstellers erfolglos sein werde.
Insbesondere halte das Vorhaben die nach § 5 Abs. 7 LBO erforderlichen Mindesttiefen der Abstandsflächen wohl ein. Eine größere Abstandsfläche könne der Antragsteller auch nicht aufgrund der Abstandsflächenbaulast vom 20.1.1971 verlangen. Dabei könne dahinstehen, ob die Baulast wirksam entstanden sei, weil sie - möglicherweise - ohne entsprechende Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bewilligt worden sei. Denn die am objektiven Empfängerhorizont orientierte Auslegung der Baulasterklärung ergebe, dass diese lediglich einen kleinen Teil des Vorhabengrundstücks erfasse, der die Fläche, auf der das Bauvorhaben errichtet werden solle, nicht betreffe. Diese sei nämlich allein im Hinblick auf den beabsichtigten Anbau des Antragstellers an sein Wohngebäude und zur Überwindung eines ansonsten bestehenden Genehmigungshindernisses übernommen worden. Dementsprechend sei der Baulasterklärung, wovon sich die Kammer durch Anfordern eines entsprechenden Auszugs aus dem Baulastenverzeichnis der Gemeinde nochmals überzeugt habe, der Lageplan zum damaligen Grenzbau des Antragstellers beigefügt worden. Auf diesem sei die maßgebliche Baulastfläche mit Grüneintrag gekennzeichnet. Hinzu komme, dass eine weitergehende Verpflichtung wohl ohnehin nicht wirksam im Wege der Baulast hätte übernommen werden können, da es am Erfordernis der baurechtlichen Relevanz gefehlt haben dürfte.
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Für einen Verstoß gegen nachbarschützende brandschutzrechtliche Bestimmungen bestünden keine Anhaltspunkte. Auch lege der Antragsteller hierzu substantiiert nichts dar.
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In bauplanungsrechtlicher Hinsicht liege ein Verstoß gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot in seiner subjektiv-rechtlichen Ausprägung voraussichtlich nicht vor. Denn der Antragsteller sei nach Treu und Glauben wohl daran gehindert, eine Rücksichtslosigkeit der heranrückenden Bebauung zu rügen, da die von ihm beanstandete Situation in erster Linie nicht auf das Bauvorhaben, sondern darauf zurückzuführen sei, dass er mit seinem Wohngebäude selbst unmittelbar an die Grundstücksgrenze herangerückt sei und die Abstandsflächen nicht einhalte.
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Gegen diese, ihm am 4.12.2019 zugestellte Entscheidung richtet sich die vom Antragsteller am 16.12.2019 beim Verwaltungsgericht Freiburg erhobene und am 3.1.2020 gegenüber dem beschließenden Verwaltungsgerichtshof begründete Beschwerde.
II.
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Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, jedoch nicht begründet.
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Der Senat kann offenlassen, ob die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) die Erwägungen des Verwaltungsgerichts hinreichend erschüttern, ob also eine umfassende Prüfung des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers veranlasst oder die Beschwerde ohne eine solche Prüfung zurückzuweisen ist (vgl. zur Zweistufigkeit des Verfahrens VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.1.2018 - 10 S 1681/17 - VBlBW 2018, 335; Beschl. v. 6.7.2015 - 8 S 534/15 - juris). Denn auch die Durchführung einer „Vollprüfung“ führt nicht zu einem Erfolg der Beschwerde des Antragstellers.
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Die im Aussetzungsverfahren nach § 80a Abs. 3 i. V. mit Abs. 1 Nr. 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung ergibt, dass die öffentlichen Interessen am gesetzlich angeordneten Sofortvollzug der im Widerspruchsverfahren angegriffenen Baugenehmigung (§ 212a Abs. 1 BauGB) sowie die privaten Interessen der Beigeladenen, von der ihnen erteilten Genehmigung bereits vor deren Unanfechtbarkeit Gebrauch machen zu dürfen, das gegenläufige private Interesse des Antragstellers daran, von der Umsetzung der Baugenehmigung einstweilen verschont zu bleiben, überwiegen. Denn dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers ist keine hier maßgebliche Bedeutung zuzumessen, da ihn die in Rede stehende Baugenehmigung nach aller Voraussicht nicht in eigenen Rechten verletzt.
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1. Dies gilt zunächst in bauordnungsrechtlicher Hinsicht.
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a) Dass und weshalb das genehmigte Bauvorhaben die nach § 5 LBO erforderlichen Abstandsflächen zur Grenze des Grundstücks des Antragstellers einhalten dürfte, hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen.
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b) Gleichfalls zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sich der Antragsteller voraussichtlich nicht mit Erfolg darauf berufen kann, die am 20.1.1971 zu Lasten des Grundstücks Flst.-Nr. ... (alt) und zu Gunsten des Grundstücks des Antragstellers Flst.-Nr. ... bestellte Abstandsflächenbaulast erfordere zusätzlich zu der nach § 5 LBO einzuhaltenden Abstandsfläche einen - angesichts der dem Vorhaben auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... gegenüberliegenden Bebauung an bzw. nahe der gemeinsamen Grenze nicht eingehaltenen - weiteren Grenzabstand von bis zu 3 m.
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Das gilt unabhängig von der Frage, ob sich die Abstandsflächenbaulast, wie der Antragsteller meint, auf den gesamten Grenzbereich des Grundstücks Flst.-Nr. ... (alt) und damit auch des aus diesem hervorgegangenen Baugrundstücks Flst.-Nr. ... oder, wovon das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, nur auf einen durch das hier genehmigte Gebäude nicht betroffenen Grundstücksteil bezieht. Denn der Baulast dürfte bei der Bemessung der Abstandsflächen schon deshalb keine Bedeutung zukommen, weil nicht von ihrer Wirksamkeit ausgegangen werden kann.
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aa) Eine solche ergibt sich nicht bereits aus der der Eintragung in das von der Gemeinde zu führende Baulastenverzeichnis (§ 72 Abs. 1 und 3 LBO). Denn diese hat keine rechtsbegründende, sondern lediglich deklaratorische Bedeutung. Sie löst keine materiell-rechtlichen Rechtsfolgen aus und bildet auch keine bindende Voraussetzung für eine gestaltende Änderung der Rechtslage. Für das Bestehen und den Inhalt einer Baulast kommt es vielmehr ausschließlich auf die Erklärung der betreffenden Grundstückseigentümer an (vgl. zu alledem VGH Bad.-Württ, Urt. v. 1.6.1990 - 8 S 637/90 - NJW 1991, 2786 ff.; vgl. auch Sauter, LBO, 3. Aufl., Stand September 2019, RdNr. 1 zu § 72).
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bb) Nach dem im Zeitpunkt der Bestellung der hier streitigen Baulast, am 20.1.1971, geltenden § 108 Abs. 1 Satz 1 LBO i. d. F. v. 6.4.1964 (GBl. 1964, 151) und dem nunmehr geltenden, mit dieser Vorschrift wortgleich übereinstimmenden § 71 Abs. 1 Satz 1 LBO konnten und können Grundstückseigentümer durch Erklärung gegenüber der Baurechtsbehörde öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem ihre Grundstücke betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen übernehmen, die sich nicht schon aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben (Baulasten). Die danach für die Bestellung einer Baulast erforderliche Erklärung muss von sämtlichen Miteigentümern wirksam abgegeben werden (vgl. Sauter, a. a. O., RdNrn. 38, 44 zu § 71). Eine solche wirksame Erklärung aller Eigentümer vermag der Senat seiner hier zu treffenden Entscheidung aber nicht zu Grunde zu legen.
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(1.) Angesichts der übereinstimmenden Angaben aller Beteiligter, insbesondere des bereits durch die streitige Baulastbestellung im Jahre 1971 begünstigten Antragstellers, ist dabei mit für das vorliegende Eilverfahren hinreichender Verlässlichkeit davon auszugehen, dass Eigentümer des Grundstücks Flst.-Nr. ... (alt) im Zeitpunkt der Baulastbestellung, am 20.1.1971, die seinerzeit minderjährigen Geschwister ... und ... (geb. ... bzw. ...) waren und dass die dieses Grundstück belastende Erklärung von deren Eltern, den Eheleuten ... und ..., als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder (§ 1629 Abs. 1 BGB) abgegeben wurde. Für eine Baulastbestellung (jedenfalls auch) in Ausübung der gesetzlichen Vertretungsmacht spricht im Übrigen schon der Wortlaut der Erklärung vom 20.1.1971, wonach die Baulast von den Eheleuten „als grundbuchmäßige Eigentümer, bezw. deren gesetzlichen Vertreter“ übernommen wurde.
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Allerdings waren die Eltern in Bezug auf die Bestellung der Baulast gemäß § 1643 Abs. 1 i. V. mit § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB in ihrer Verfügungsmacht beschränkt.
24 
Nach § 1643 Abs. 1 BGB bedürfen die Eltern zu Rechtsgeschäften i. S. des § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB, also zu Verfügungen über ein Grundstück oder über ein Recht an einem Grundstück für das Kind der Genehmigung des Familiengerichts (im Zeitpunkt der Baulastbestellung: des Vormundschaftsgerichts [vgl. hierzu § 1643 Abs. 1 i. V. mit § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB i. d. F. v 1.1.1964]). Fehlt eine solche, so ist die Verfügung (zumindest schwebend) unwirksam (§ 1643 Abs. 3 i. V. mit den §§ 1829, 1831 BGB). Eine Verfügung im Sinne der genannten Regelungen liegt bei einer Übertragung, Belastung, Aufhebung, Inhalts- oder Rangänderung eines Rechts vor, wenn sie sich auf Grundeigentum und Grundstücksrechte bezieht (vgl. Kroll-Ludwig, in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl. 2020, RdNr. 24 zu § 1821); zu letzteren zählen Nießbrauch, Dienstbarkeiten, dingliche Vorkaufsrechte, Dauerwohnrechte nach dem Wohnungseigentumsgesetz und Reallasten (vgl. Kroll-Ludwig, a. a. O., RdNr. 22).
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Darüber hinaus ist aber auch die Übernahme einer Baulast als Verfügung i. S. des § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB anzusehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9.5.1995 - 11 A 4010/92 - NJW 1996, 275 f.; Sauter, a. a. O., RdNr. 41 zu § 71; Kroll-Ludwig, a. a. O., RdNr. 24; Götz, in: Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, RdNr. 10 zu § 1821; Coester, in: Staudinger/Veit, BGB, Stand 2014, RdNr. 11 zu § 1821; Schulte-Bunert, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, RdNr. 3 zu § 1821; Fuchs, in: beck-online GK, Stand 1.1.2020, RdNr. 25 zu § 1821; Weisemann, Anspruch des Grundeigentümers auf Löschung von Baulasten, NJW 1997, 2857 ff.; offengelassen VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.5.1979, BRS 35 Nr. 164).
26 
Dies gilt trotz des Umstandes, dass § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB (i. V. mit § 1643 Abs. 1 BGB) als die Vertretungsmacht der Eltern einschränkende Ausnahmevorschrift grundsätzlich eng auszulegen ist (vgl. Sauter, a. a. O., RdNr. 41 zu § 71). Zum einen entfaltet nämlich die Baulast eine den Verfügungen i. S. des § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB vergleichbare Wirkung (1.1.) und zum anderen erfordert der Schutzzweck der genannten Vorschrift eine Erstreckung der Vollmachtbeschränkung auf die Baulasterklärung (1.2.). Die vom Antragsteller hiergegen vorgebrachten Einwendungen greifen demgegenüber nicht durch (1.3.).
27 
(1.1.) Die mit der Baulasterklärung nach § 71 Abs. 1 Satz 1 LBO übernommenen öffentlich-rechtlichen „Verpflichtungen“ zu einem grundstücksbezogenen Tun, Dulden oder Unterlassen schränken die Befugnisse des jeweiligen Grundstückseigentümers unmittelbar und mit absoluter dinglicher Wirkung ein (vgl. zu einer vom Vorerben übernommenen Baulast VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.2.1989 - 5 S3 1256/88, NJW 1990, 268 f.). Aufgrund ihrer dinglichen Wirkung steht die Baulast dogmatisch der Grunddienstbarkeit nahe (vgl. Wilsch, in: BeckOK GBO, Stand 15.12.2019, RdNr. 21 zu § 54), über deren Rechtswirkungen sie zudem teilweise sogar deutlich hinausgeht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.9.1990 - 4 B 34.90, 4 B 35.90 - NJW 1991, 713 ff.), so dass sie auch bei inhaltlicher Deckungsgleichheit gegenüber der Grunddienstbarkeit weitergehende gravierende Verpflichtungen und Belastungen für das Grundstück des Baulastgebers mit sich bringt (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 20.4.1988 - 21 U 11/87 - NVwZ 1988, 1162). Denn die durch Baulast gesicherte Verpflichtung lastet unabhängig von der Person des Eigentümers auf dem Grundstück; sie wirkt deshalb auch gegenüber dem Rechtsnachfolger des Grundstückseigentümers (§ 71 Abs. 1 Satz 2 LBO), erlischt nicht durch den Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren und kann zudem mit hoheitlichen Mitteln der Baurechtsbehörde durchgesetzt werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9.5.1995, a. a. O.).
28 
(1.2.) Ist danach die Baulast in ihrer dinglichen Wirkung mit einer Grunddienstbarkeit vergleichbar, so gilt dies auch mit Blick auf ihre Bedeutung für den Minderjährigen (vgl. wiederum Sauter, a. a. O., RdNr. 41 zu § 71). Denn die durch Baulasten sicherbaren Verpflichtungen können sich auf die gesamte Grundstücksfläche und auf alle Nutzungsmöglichkeiten erstrecken und damit die Beseitigung jeglicher wirtschaftlicher Gebrauchsmöglichkeiten des Eigentums zur Folge haben (vgl. Weisemann, a. a. O.). Angesichts dessen kann der mit § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB bezweckte umfassende Schutz des Kindesinteresses bei besonders wichtigen und außergewöhnlichen Rechtsgeschäften, nur durch Erstreckung der Vollmachtbeschränkung auf die Baulasterklärung erreicht werden (vgl. auch hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9.5.1995, a. a. O.).
29 
(1.3.) Die vom Antragsteller angeführten Unterschiede zwischen der dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Bestellung einer Baulast und den privatrechtlichen Verfügungen über Grundstücke oder über Grundstücksrechte stehen einer Einbeziehung der Baulasterklärung in den Anwendungsbereich des § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht entgegen. Denn die besagte Vorschrift betrifft allgemein Verfügungen über ein Grundstück oder über ein Recht an einem solchen, bezieht sich also schon nach ihrem Wortlaut nicht allein auf privatrechtliche Verfügungen über in das Grundbuch eintragungsfähige Rechte. Daher kommt es nicht darauf an, dass die Baulastübernahme durch Erklärung gegenüber der Baurechtsbehörde (§ 71 Abs. 1 Satz 1 LBO) und nicht durch Einigung mit dem Begünstigten erfolgt sowie dass sie ausschließlich durch schriftlichen Verzicht der Baurechtsbehörde erlischt (§ 71 Abs. 3 Satz 1 LBO) und daher nicht durch eine Vereinbarung zwischen Privatpersonen aufgehoben werden kann. Auch ist der angeführte Schutzzweck der genannten Vorschrift durch die genannten Unterschiede nicht betroffen.
30 
Nichts anderes gilt im Ergebnis für das weitere Vorbringen des Antragstellers, eine analoge Anwendung der §§ 1643 Abs. 1, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB scheide auch deshalb aus, weil es an einer hierfür zwingend notwendigen planwidrigen Lücke fehle. Denn die genannten Vorschriften sind nach den oben gemachten Ausführungen unmittelbar und nicht, wie der Antragsteller wohl meint, nur entsprechend anwendbar.
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Im Übrigen griffen auch die vom Antragsteller gegen eine entsprechende Anwendung des § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB erhobenen Einwendungen nicht durch.
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Anders als vom Antragsteller angenommen, trägt der Umstand, dass die Regelungen über die Vertretung von Minderjährigen in Verwaltungsverfahren (§§ 12 ff. LVwVfG) keinen Fall vorsehen, in dem die Wirksamkeit von Handlungen von der Genehmigung des Vormundschafts- bzw. Familiengerichts abhängig gemacht wird, nichts zu der Frage bei, ob der Landesgesetzgeber davon ausging, er könne auf einen entsprechenden Minderjährigenschutz verzichten. Denn die §§ 12 ff. LVwVfG enthalten keine Regelung der gesetzlichen Vertretung nicht selbst handlungsfähiger natürlicher Personen im Verwaltungsverfahren, sondern setzen eine anderweitig geregelte gesetzliche Vertretungsmacht voraus. Die damit anwendbaren zivilrechtlichen Regelungen sehen aber - wie oben dargelegt - einen solchen Minderjährigenschutz vor.
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Soweit sich in bundesrechtlichen Vorschriften wie § 12 Abs. 3 AsylG und § 19 StAG dem Minderjährigenschutz dienende Befugnisse der Familiengerichte finden, betrifft dies Sachverhalte, die nicht bereits von den zivilrechtlichen Schutzvorschriften der §§ 1629a BGB umfasst sind und daher - anders als die Bestellung einer Baulast - einer eigenständigen gesetzlichen Regelung bedürfen. Daher führt auch dies nicht auf einen bewussten Verzicht des Landesgesetzgebers auf einen Schutz von Minderjährigen im Rahmen der Baulastbestellung.
34 
Schließlich zielt die Prüfung der Wirksamkeit der Baulast und des öffentlichen Interesses an derselben durch die Baurechtsbehörde (vgl. Sauter, a. a. O., RdNr. 45 zu § 71) nicht auf einen Schutz Minderjähriger, so dass sie die Genehmigungspflicht nach § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht zu ersetzen vermag.
35 
(2.) Davon, dass eine nach alledem erforderliche Genehmigung der Baulasterklärung durch das Vormundschaftsgericht (nunmehr: Familiengericht) erteilt wurde, kann hier aber nicht ausgegangen werden.
36 
Zum einen bestehen hierfür keinerlei Anhaltspunkte und haben die Beteiligten für das Vorliegen einer solchen Genehmigung auch nichts vorgetragen. Zum anderen vermag der Umstand, dass die Baulast gemäß § 72 Abs. 1 LBO in das Baulastenverzeichnis eingetragen ist, eine abweichende Einschätzung nicht zu rechtfertigen.
37 
Das nicht wie das Grundbuch mit einem öffentlichen Glauben ausgestattete Baulastenverzeichnis vermag allenfalls die tatsächliche Vermutung der Richtigkeit seiner Eintragungen zu begründen (vgl. VGH Bad.-Württ, Urt. v. 1.6.1990, a. a. O.; Sauter, a. a. O., RdNr. 1 zu § 72; vgl. zur Vermutung der Richtigkeit von Eintragungen im Wasserbuch BVerwG, Urt. v. 22.1.1971 - IV C 94.69 - BVerwGE 37, 103 f.; BGH, Beschl. v. 10.10.2013 - V ZR 91/13 - juris). Anders als der Antragsteller annimmt, betrifft eine solche tatsächliche Vermutung als Anscheinsbeweis (vgl. BayVGH, Beschl. v. 12.12.2019 - 8 ZB 18.547 - juris) nicht die Beweislastverteilung, also die (rechtliche) Verteilung des Risikos der Unaufklärbarkeit, sondern die Beweiswürdigung, nämlich die tatsächliche Beurteilung eines Lebenssachverhalts (vgl. Dawin, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019 RdNr. 72 zu § 108). Auch kann sie nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises erschüttert werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.02.1996 - 7 C 59.94 - BVerwGE 100, 310 ff.; BayVGH, Beschl. v. 12.12.2019 - 8 ZB 18.547 - juris). Das setzt voraus, dass aufgrund feststehender Tatsachen die ernstliche und naheliegende Möglichkeit eines vom typischen Sachverhalt abweichenden Geschehens- oder Ursachenverlaufs besteht (BVerwG, Urt. v. 26.9.1996 - 7 C 14/95 - NJW 1997, 476 f.). Davon ist hier auszugehen.
38 
Die tatsächliche Vermutung der Richtigkeit des Baulastenverzeichnisses findet ihre Grundlage in der Verpflichtung der Baurechtsbehörde, die Baulastbestellung vor deren Eintragung auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Mit dieser, dem Ergehen der Eintragungsverfügung bzw. -anordnung (vgl. den Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 23.4.1965 [GABl., S. 237] sowie nunmehr § 72 Abs. 1 LBO) vorgeschalteten Prüfungspflicht soll verhindert werden, dass unwirksame Baulasten eingetragen werden und damit das Baulastenverzeichnis unrichtig wird sowie dass im Hinblick auf eine abgegebene Baulasterklärung eine Baugenehmigung erteilt wird, die sich später wegen Unwirksamkeit der Baulast als rechtswidrig erweist (vgl. Sauter, a. a. O., RdNrn. 42, 45 zu § 71, 4 zu § 72). Die Prüfungspflicht bezieht sich dabei gleichermaßen auf den baulastfähigen Inhalt der Erklärung, deren ordnungsgemäßes Zustandekommen sowie die Eigentümerstellung des oder der Erklärenden und umfasst dabei auch Verfügungsbeschränkungen wie diejenige des Vorerben nach § 2113 Abs. 1 BGB (vgl. Sauter, a. a. O., RdNrn. 39, 45 zu § 71) oder die hier in Rede stehende Beschränkung der Verfügungsmacht der Eltern nach § 1643 Abs. 1 i. V. mit § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
39 
Typischerweise ist davon auszugehen, dass die Baurechtsbehörde dieser Verpflichtung nachkommt. Hierdurch rechtfertigt sich letztlich auch die tatsächliche Vermutung der Richtigkeit des Baulastenverzeichnisses. Allerdings setzt dies jedenfalls bezogen auf das jeweilige Wirksamkeitshindernis voraus, dass aus Sicht der Baurechtsbehörde zumindest Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Hindernisses erkennbar sind (vgl. zu diesem Kriterium im Rahmen der Prüfung der Eigentümerstellung bei Vorliegen eines Lageplans nach 4 Abs. 6 Nr. 2 LBOVVO Sauter, a. a. O., RdNr. 45 zu § 71) und daher Anlass besteht, die Wirksamkeit der Baulast insoweit einer Überprüfung zu unterziehen. Fehlt es daran und lässt sich eine Überprüfung des Wirksamkeitshindernisses auch nicht konkret feststellen, so liegt ein Unterbleiben der Prüfung dieses Gesichtspunkts und daher auch ein vom typischen Sachverhalt abweichender Geschehensverlauf ernstlich nahe.
40 
So verhält es sich hier. Zwar war bei Eintragung der Baulast in das Baulastenverzeichnis im Jahre 1971 erkennbar, dass die Baulasterklärung von den Eltern minderjähriger Grundstückseigentümer als deren gesetzliche Vertreter abgegeben worden war. Jedoch lässt sich nicht konkret feststellen, dass die Baurechtsbehörde die Wirksamkeit dieser Erklärung auf das Vorliegen einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nach § 1643 Abs. 1 i. V. mit § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB überprüft hat und bestand hierfür seinerzeit aus deren Sicht auch kein Anlass. Selbst in der Zeit nach der hier in Rede stehenden Eintragung wurde nämlich - soweit überhaupt thematisiert - eine Erstreckung der Vollmachtbeschränkung auf die Baulasterklärung noch abgelehnt und die Abgabe dieser öffentlich-rechtlichen Erklärung für das Kind durch die vertretungsberechtigten Eltern ohne vormundschaftsgerichtliche Genehmigung sogar ausdrücklich für zulässig angesehen (vgl. Sauter, LBO, 1. Aufl., Stand Oktober 1882, RdNr. 3 zu § 108 sowie 2. Aufl, Stand Sept. 1993, RdNr. 38 zu § 70). Daher war hier für die Baurechtsbehörde kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, dass das Fehlen einer solchen Genehmigung ein Wirksamkeitshindernis für die Baulast darstellen könnte.
41 
(3.) Darauf, ob die Baulastbestellung als einseitiges Rechtsgeschäft i. S. des § 1643 Abs. 3 i. V. mit § 1831 BGB bei Fehlen einer vorherigen Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht absolut unwirksam ist oder die Genehmigung ausnahmsweise nachgeholt werden kann (vgl. hierzu Kroll-Ludwig, a. a. O., RdNrn. 1, 8 f. zu § 1831), kommt es hier nicht an. Denn die nachträgliche Genehmigung konnte gemäß § 1643 Abs. 1 i. V. mit § 1829 Abs. 3 BGB nach Erreichen der Volljährigkeit der Geschwister ... und ... nur noch von diesen selbst erteilt werden (vgl. Kroll-Ludwig, a. a. O., RdNr. 31 zu § 1829) und der letztgenannte hat eine solche Genehmigung bereits im Jahre 2016 durch Stellung der Bauvoranfrage mit dem Ziel der Errichtung eines Wohnhauses in dem hier streitigen Grundstücksbereich schlüssig abgelehnt (vgl. auch hierzu Kroll-Ludwig, a. a. O., RdNr. 31 zu § 1829).
42 
(4.) Zweifel an der sich hieraus ergebenden Unwirksamkeit der Baulast bestehen auch nicht - wie vom Antragsteller angenommen - mit Blick auf 44 LVwVfG. Denn diese Vorschrift betrifft die Nichtigkeit von Verwaltungsakten und über § 59 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG öffentlich-rechtlichen Verträgen, nicht aber von - wie hier - Willenserklärungen. Gleiches gilt hinsichtlich der von ihm unter Bezugnahme auf § 53 Abs. 2 LVwVfG erhobenen Verjährungseinrede. Auch im Übrigen könnte eine auf § 194 Abs. 1 BGB gestützte Einrede der Verjährung nur einem Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch) entgegen gehalten werden. Ein solcher Anspruch ist hier aber nicht im Streit. Insbesondere ist die Frage der Löschung der Baulast nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
43 
c) Brandschutzrechtliche Bedenken gegen das Bauvorhaben bestehen nicht. Insbesondere verstößt es schon deshalb nicht gegen 7 Abs. 1 Nr. 1 LBOAVO, weil es in einer Entfernung von der Grenze zum Grundstück des Antragstellers und nicht mit einem Abstand von weniger als 5 m zu bestehen oder baurechtlich zulässigen Gebäuden auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... errichtet werden soll.
44 
2. Eine Rechtsverletzung des Antragstellers liegt voraussichtlich auch in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nicht vor. Auch dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, so dass der Senat auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss verweist.
45 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 i. V. mit § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem unterlegenen Antragsteller auch die den Beigeladenen im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, da diese - ebenso wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - einen Antrag gestellt und sich so am Kostenrisiko beteiligt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
46 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. mit den Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkataloges 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (VBlBW 2014, Heft 1, Sonderbeilage; vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.1.2016 - 3 S 2660/15 - juris, m. w. N.) und folgt der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für das erstinstanzliche Verfahren.
47 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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