Urteil vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - A 12 S 2583/18

Tenor

Hinsichtlich der Kläger zu 5 und 6 wird das Verfahren eingestellt, nachdem diese ihre Klage zurückgenommen haben. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 13. April 2018 - A 4 K 6467/17 - wird insoweit für unwirksam erklärt.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Kläger zu 5 und 6 tragen je 1/6 des - gerichtskostenfreien - Verfahrens in beiden Rechtszügen. Insoweit wird die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts geändert. Die Beklagte trägt 2/3 der Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge.
Der 1978 geborene Kläger zu 1 und seine 1983 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2, sowie deren in den Jahren 2000, 2003, 2005 und 2006 geborene Kinder, die Kläger zu 3 bis 6, sind kosovarische Staatsangehörige aus ... und Volkszugehörige der Roma islamischen Glaubens. Sie reisten nach eigenen Angaben im Dezember 2014 in das Bundesgebiet ein, wo sie am 10.08.2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag stellten, nachdem sie am 20.01.2015 bei der Landeserstaufnahmestelle in Karlsruhe um Asyl nachgesucht hatten.
Mit Schreiben vom 22.09.2016 wurden die Kläger zu 1 und 2 für den 12.10.2016 zur Anhörung geladen. Nachdem sie nicht erschienen waren, teilte das Bundesamt ihnen mit Schreiben vom gleichen Tag mit, dass in das schriftliche Verfahren übergegangen werde. Bereits am 11.10.2016 war beim Bundesamt eine Nachricht der Stadt ... vom 10.10.2016 eingegangen, in dem diese im Auftrag der Kläger zu 1 und 2 unter Beifügung von Attesten um einen neuen Termin gebeten hatte, weil die beiden Kläger den anberaumten Termin zur Anhörung wegen einer Erkrankung des Klägers zu 1 sowie wegen einer anstehenden Operation der Klägerin zu 2 nicht wahrnehmen könnten.
Nachdem sich der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schreiben vom 02.11.2016 gegen den Übergang in das schriftliche Verfahren gewandt hatte, wurden die Kläger zu 1 und 2 vom Bundesamt mit Schreiben vom 12.12.2016 zu einem Anhörungstermin am 17.01.2017 geladen. Als die Kläger zu 1 und 2 ohne vorherige Entschuldigung nicht erschienen, gab das Bundesamt ihnen mit Schreiben vom 17.01.2017 erneut Gelegenheit, im schriftlichen Verfahren vorzutragen. Mit Schreiben vom selben Tag übersandte der Prozessbevollmächtigte der Kläger zwei ärztliche Atteste vom 17.01.2017, wonach die Kläger zu 1 und 2 unter akuten Atemwegsinfekten mit Fieber und Kreislaufproblemen litten und den für diesen Tag vorgesehenen Termin nicht wahrnehmen könnten. Daraufhin bestimmte das Bundesamt mit Schreiben vom 24.03.2017 einen neuen Anhörungstermin auf den 06.04.2017, zu dem die Kläger zu 1 und 2 erneut nicht erschienen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger übersandte mit Schreiben vom 06.04.2017 zwei ärztliche Atteste, nach denen die Kläger zu 1 und 2 den Termin nicht wahrnehmen könnten, weil der Kläger zu 1 an einer fiebrigen Atemwegsinfektion und die Klägerin zu 2 an Diabetes mellitus und einer Varikose leide und eine Varizen-Operation geplant sei.
Das Bundesamt lud die Kläger zu 1 und 2 erneut mit Schreiben vom 22.05.2017 zur Anhörung am 14.06.2017. Als die Kläger zu 1 und 2 wiederum nicht erschienen, teilte das Bundesamt dem Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom gleichen Tag mit, die Kläger zu 1 und 2 hätten den Termin nicht wahrgenommen und nun Gelegenheit, innerhalb eines Monats schriftlich sowohl zu ihren Asylgründen als auch zu den Gründen, die ihrer Rückkehr in den Heimatstaat entgegenstünden, Stellung zu nehmen.
Mit Bescheid vom 24.07.2017 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1), auf Anerkennung als Asylberechtigte (Ziff. 2) und Gewährung subsidiären Schutzes (Ziff. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht gegeben sind (Ziff. 4). Es forderte die Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist wurde ihnen die Abschiebung in den Kosovo oder in einen anderen Staat angedroht, in den sie einreisen dürften oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei (Ziff. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG wurde angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziff. 6). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 7). Der Bescheid wurde am 25.07.2017 als Einschreiben an den Prozessbevollmächtigten zur Post gegeben.
Erst später gelangte ein am 14.06.2017 beim Bundesamt eingegangenes Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom selben Tag zur Akte der Kläger, in dem unter Beifügung von ärztlichen Attesten ausgeführt ist, dass der Kläger zu 1 wegen einer Gastroenteritis mit Erbrechen und die Klägerin zu 2 aufgrund von Schwächezuständen den anberaumten Termin zur Anhörung nicht wahrnehmen könnten, sowie ein weiteres Schreiben des Prozessbevollmächtigte vom 26.06.2017, in dem auf die übersandten Atteste und die Unzulässigkeit des Übergangs in das schriftliche Verfahren verwiesen wurde.
Am 31.07.2017 haben die Kläger Klage erhoben und die Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes vom 24.07.2017 beantragt. Hilfsweise haben sie beantragt, die Beklagte unter Aufhebung von Nr. 4 bis 7 des Bescheids des Bundesamtes vom 24.07.2017 zu verpflichten, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Zur Begründung haben sie unter Vorlage von ärztlichen Attesten vorgetragen, sie hätten ihr Nichterscheinen zur Anhörung genügend entschuldigt. Am Tag der vorgesehenen Anhörung habe ihr Prozessbevollmächtigter die ärztlichen Atteste vom 14.06.2017 an das Bundesamt gesandt und mit Schreiben vom 26.06.2017 unter Verweis auf die vorgelegten Atteste um einen Hinweis gebeten, falls das Bundesamt die Atteste nicht anerkennen wolle.
Mit Urteil vom 13.04.2018 - A 4 K 6467/17 - hat das Verwaltungsgericht Freiburg den Bescheid des Bundesamts 24.07.2017 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger seien nicht aus prozessualen Gründen, weil das Verwaltungsgericht „durchentscheiden“ müsse, gehalten, Verpflichtungsklage zu erheben. Bei einem Anhörungsmangel sei die isolierte Anfechtung eines ablehnenden Asylbescheids statthaft. Denn andernfalls würde dem Ausländer nicht nur eine zweite Tatsacheninstanz genommen, sondern auch der Grundsatz der Gewaltenteilung nicht beachtet. Der Umstand, dass die Kläger aus einem sicheren Herkunftsstaat stammten, mache die persönliche Anhörung nicht entbehrlich. Der Anhörungsfehler sei auch nicht nach § 46 VwVfG unbeachtlich, weil einem Asylantragsteller ohne diese Anhörung die Möglichkeit abgeschnitten werde, eine Ausnahme von dem in § 29a Abs. 1 AsylG normierten Regelfall der offensichtlichen Unbegründetheit ihres Asylantrags darzulegen. Auch das Bundesverwaltungsgericht habe nunmehr sowohl für den Fall einer Unzulässigkeitsentscheidung gemäß § 27a AsylVfG a.F. als auch für den Fall einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG die Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage bejaht und an der bisherigen Rechtsprechung, die allein die Verpflichtungsklage als zulässige Klageart betrachtet habe, nicht mehr festgehalten. Zwar sei der Fall eines rechtswidrigen Übergangs in das schriftliche Verfahren nicht in jeder Hinsicht vergleichbar mit den bisher vom Bundesverwaltungsgericht beurteilten Verfahrenslagen, weil das Bundesamt keine Unzulässigkeitsentscheidung treffe, sondern auf der Grundlage eines etwaigen schriftlichen Vorbringens in der Sache selbst entscheide. Gemeinsam hätten die Verfahrenslagen aber, dass eine mündliche, persönliche Anhörung des Asylantragstellers zu seinen Asylgründen jeweils nicht stattgefunden habe. Die persönliche Anhörung stelle das Kernstück des behördlichen Verfahrens dar und gehe in seiner Bedeutung weit über die im Verwaltungsverfahren gebotene Anhörung zum Erlass eines Verwaltungsakts hinaus. Die entsprechenden Regelungen des Asylgesetzes seien von der Verfahrensrichtlinie vorgegeben. Die in dieser Richtlinie genannten Anforderungen könnten nur auf der Grundlage einer persönlichen Anhörung beim Bundesamt, nicht aber durch eine (erstmalige) Anhörung durch das Gericht sichergestellt werden. Die besondere Bedeutung der Anhörung verbiete es, einen Verstoß gegen die Regelungen zur Anhörung im nationalen behördlichen Asylverfahren zum Nachteil des Asylantragstellers unberücksichtigt und ohne verfahrensrechtliche Sanktion zu lassen. Das bislang in der Rechtsprechung hervorgehobene Argument der Beschleunigung der Verfahren müsse dahinter zurücktreten. § 45 und § 46 VwVfG seien schon deshalb nicht anwendbar, weil die Vorschriften des Asylgesetzes insoweit speziell seien. Aus Art. 14 Abs. 3 der Verfahrensrichtlinie ergebe sich nichts anderes.
10 
Die Beklagte habe nicht in das schriftliche Verfahren übergehen dürfen, weil die Kläger ihr Ausbleiben im Termin am 14.06.2017 im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AsylG genügend entschuldigt hätten. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger nebst ärztlichen Attesten vom 14.06.2017 sei noch am selben Tag beim Bundesamt als Telefax eingegangen, auch wenn es offensichtlich verspätet zur - auch sonst unvollständigen - Bundesamtsakte gelangt sei. Unerheblich sei, ob und aus welchen im angefochtenen Bescheid nicht offengelegten Gründen die Beklagte sich berechtigt gesehen haben könnte, trotz rechtzeitig vorgelegter Entschuldigung im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Entscheidend sei, ob eine genügende Entschuldigung tatsächlich vorgelegen habe. Dies sei entgegen der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zunächst geäußerten Ansicht der Kammer der Fall. Insoweit gälten nicht die hohen Anforderungen an qualifizierte ärztliche Bescheinigungen gemäß § 60a Abs. 2c Satz 2 bis 4 AufenthG. Die bescheinigten Beschwerden begründeten (noch) nachvollziehbar, dass die Kläger zu 1 und 2 am 14.06.2017 nicht in der Lage gewesen seien, an einer Anhörung teilzunehmen. Die Kammer lasse offen, ob das Bundesamt angesichts des Umstands, dass die Kläger zu 1 und 2 schon zum vierten Mal am Tag der Anhörung (wohl kurzfristig) erkrankt seien, höhere Anforderungen an die Aussagekraft der Bescheinigungen hätte stellen können. Denn es habe die bei den drei Anhörungen zuvor vorgelegten ähnlich gehaltenen ärztlichen Bescheinigungen nicht zum Anlass genommen, die Vorlage aussagekräftigerer Bescheinigungen, insbesondere zur Dauer, Art und Schwere der Erkrankungen, von den Klägern zu verlangen oder zur Feststellung einer möglicherweise gesundheitsbedingt andauernden Verhinderung eine amtsärztliche Untersuchung zu veranlassen, vgl. Art. 14 Abs. 2b Unterabs. 1 Satz 2 der Verfahrensrichtlinie. Das Erfordernis der genügenden Entschuldigung gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AsylG müsse gleichmäßig gehandhabt werden, unabhängig davon, ob ein Asylantrag mehr oder weniger Aussicht auf Erfolg biete.
11 
Die zusammen mit der Klage gestellten Anträge der Kläger auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatte das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 19.09.2017 - A 4 K 6468/17 - zunächst abgelehnt. Mit Beschluss vom 23.10.2017 - A 4 K 8202/17 - hat es seinen Beschluss geändert und die aufschiebende Wirkung der Klagen angeordnet.
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Auf Antrag der Beklagten hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
13 
Zur Begründung der Berufung bezieht sich die Beklagte auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid sowie im Antrag auf Zulassung der Berufung und trägt mit Schriftsatz vom 04.12.2018 ergänzend vor, es sei an dem Grundsatz festzuhalten, dass in den Fällen, in denen das Bundesamt den Erlass eines begehrten Verwaltungsakts ablehne, die Verpflichtungsklage geboten sei. Die Auffassung, dass vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Asylverfahrens kein Vorrang der Verpflichtungsklage bestehe, könne nicht für alle Fallgestaltungen Gültigkeit haben. Insbesondere der Umstand, dass die Kläger aus einem sicheren Herkunftsstaat stammten, sei aufgrund der Regelvermutung der fehlenden Verfolgungsgefahr unter dem Blickwinkel des § 25 Abs. 5 AsylG von hoher praktischer Relevanz. Denn § 29a Abs. 1 AsylG bestimme eine besondere Darlegungspflicht des Asylsuchenden dadurch, dass Tatsachenangaben sowie die Vorlage von Beweismitteln gefordert würden. Die Vorlage einer Entschuldigung zum Fernbleiben vom gesetzten Anhörungstermin lasse die Verpflichtung zur Darlegung der Verfolgungsgründe gemäß § 29a Abs. 1 AsylG unberührt.
14 
Art. 12 Abs. 4 Verfahrensrichtlinie a.F. (VRL a.F.) bzw. Art. 14 Abs. 3 Verfahrensrichtlinie (VRL) bestimmten, dass es die Entscheidung über den Asylantrag nicht hindere, wenn eine persönliche Anhörung nicht stattgefunden habe. Die Regelungen dazu, wann auf eine persönliche Anhörung verzichtet werden könne, erfolgten getrennt und unabhängig davon in Art. 12 Abs. 2 und 3 VRL a.F. bzw. Art. 14 Abs. 2 VRL. Diese Konstruktion bringe einen über die ausdrücklich geregelten Fälle hinausgehenden allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck, dass die Durchführung einer persönlichen Anhörung für die Entscheidung über den Asylantrag keine unverzichtbare Voraussetzung sei. Denn wenn sich Art. 12 Abs. 4 VRL a.F. bzw. Art. 14 Abs. 3 VRL nur auf die vorangehenden Konstellationen bezögen, wären sie überflüssig. Dass dieser Grundsatz in Bezug zu einer Entscheidung der Asylbehörde formuliert sei, stelle kein durchgreifendes Argument dafür dar, dass eine (erstmalige) Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz (erst) durch das Gericht auszuscheiden habe. Der unionsrechtliche Sprachgebrauch, insbesondere Art. 2 Buchst. e VRL a.F. bzw. Art. 2 Buchst. f VRL, spreche im Gegenteil dafür, dass mit der Bezeichnung „Behörde“ gerade auch die Gerichte erfasst seien. Es überzeuge nicht, aus dem Ansatz, dass es sich bei den asylrechtlichen Entscheidungen um solche einer mit besonderen Spezialkenntnissen ausgestatteten Behörde handele, anderes herzuleiten. Auch dies werde nicht den Verzicht auf die gerichtliche Verpflichtung begründen können, die Sache spruchreif zu machen. Für die Annahme, dass den Gerichten in Konstellationen der vorliegenden Art diese Aufgabe zufalle, spreche auch die unionsrechtliche Ausgestaltung des Rechtsmittelverfahrens. Die Mitgliedstaaten müssten gemäß Art. 39 Abs. 1 VRL a.F. bzw. Art. 46 Abs. 1 VRL nicht nur sicherstellen, dass der Drittstaatsangehörige einen wirksamen Rechtsbehelf vor Gericht einlegen könne, dieser Rechtsbehelf müsse gemäß Art. 46 Abs. 3 VRL auch zu einer umfassenden, sich auf Tatsachen- und Rechtsfragen erstreckenden ex-nunc-Prüfung führen, bei der ggf. das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß RL 2011/95/EU zumindest in Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht beurteilt werde. Dies müsse auch im vorliegenden Verfahren gelten, obwohl der Asylantrag noch vor dem in Art. 52 Satz 1 VRL genannten Datum gestellt worden sei. Denn die Mitgliedstaaten hätten die für die Umsetzung der sich aus Art. 46 VRL ergebenden Vorgaben erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bereits bis zum 20.07.2015 erfüllen müssen, wobei Art. 52 Satz 1 VRL die Anwendung der Vorgaben aus der RL 2013/32/EU auch auf vor diesem Datum gestellte Anträge eröffne. Zudem dürfte Art. 46 Abs. 3 VRL nur die Kodifizierung eines bereits unausgesprochen auch für das Rechtsmittelverfahren im Rahmen der Verfahrensrichtlinie a.F. geltenden Grundsatzes sein. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass es sich im vorliegenden Fall - anders als in der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - um eine auf der Verfahrensstufe der inhaltlichen Antragsbefassung ergangene Entscheidung handele. Die ärztlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand der Kläger würden weder in Zweifel gezogen noch werde diesen widersprochen. Es sei mithin unstreitig, dass die Kläger an den gesetzten Terminen aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen seien, an einer Anhörung teilzunehmen, was durch die ärztlichen Bescheinigungen belegt werde.
15 
Die Klägerin zu 5 und der Kläger zu 6 haben mit Schriftsatz vom 12.02.2020 bzw. Erklärung vom 18.01.2021 ihre Klagen zurückgenommen. Die Beklagte hat in die Klagerücknahmen eingewilligt.
16 
Die Beklagte beantragt zuletzt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 13.04.2018 - A 4 K 6467/17 - zu ändern, soweit es die Kläger zu 1 bis 4 betrifft, und die Klage abzuweisen.
18 
Die Kläger zu 1 bis 4 beantragen,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Sie verteidigen das Urteil des Verwaltungsgerichts und tragen vor, die Anhörung sei der zentrale und grundsätzlich unverzichtbare Bestandteil des Asylverfahrens. Art. 14 VRL kenne nur wenige Ausnahmen, die alle in ihrem Fall nicht einschlägig seien. Insbesondere werde die Herkunft aus einem sicheren Herkunftsstaat nicht als zulässige Ausnahme von der Anhörungspflicht erwähnt. Die unionsrechtlichen Vorgaben seien für den nationalen Gesetzgeber bindend. Deshalb sei zu Recht in § 25 AsylG keine Ausnahme von der Anhörungspflicht vorgesehen, obwohl in zahlreichen anderen Vorschriften Ausnahmeklauseln zu Lasten von Ausländern aus sicheren Herkunftsstaaten vorgesehen seien. Im Umkehrschluss daraus ergebe sich, dass die Anhörung auch bei Staatsangehörigen aus sicheren Herkunftsstaaten zwingend geboten sei. Eine solche Bewertung entspreche auch dem Telos der Anhörung, dem Ausländer die Gelegenheit zu geben, seine Sicht der Dinge vorzutragen. Die Bestimmung eines Drittstaates als sicherer Herkunftsstaat könne keine absolute Garantie für die Sicherheit von dessen Staatsangehörigen bieten. Die zentrale Bedeutung der Anhörung in einem Asylverfahren lasse sich mit dem Recht auf rechtliches Gehör im Strafverfahren vergleichen, in welchem die Verweigerung des letzten Wortes in der Regel zum Erfolg der Revision führe.
21 
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
22 
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Hinsichtlich der Kläger zu 5 und 6 wird das Verfahren nach Rücknahme der Klage mit Einwilligung der Beklagten gemäß § 92 Abs. 3 i.V.m. § 125 Abs. 1 VwGO und § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO eingestellt und das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg insoweit für unwirksam erklärt.
24 
Der Senat entscheidet über die Berufung der Beklagten mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
25 
Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden (§ 124a Abs. 6 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Sie ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die mit dem Hauptantrag erhobene isolierte Anfechtungsklage der Kläger zu 1 bis 4 zu Recht als zulässig angesehen (I.) und den angefochtenen Bescheid des Bundesamts aufgehoben (II.).
26 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens nach nationalem Recht ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG das Asylgesetz in der Fassung vom 02.09.2008 (BGBl. I. S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes vom 09.10.2020 (BGBl. I S. 2075). Ob das Begehren unionsrechtlich an der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60, im Folgenden: RL 2013/32/EU) oder an den Bestimmungen der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01.12.2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326 S. 13, im Folgenden RL 2005/85/EG) zu messen ist, wofür es nach der Übergangsvorschrift des Art. 52 Unterabs. 1 RL 2013/32/EU auf den Zeitpunkt des förmlich gestellten Antrags auf internationalen Schutz ankommt (vgl. dazu Art. 6 Abs. 2 bis 4 RL 2013/32/EU), bedarf keiner Entscheidung.
I.
27 
Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, insbesondere besteht hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis.
28 
Zwar sind die Gerichte wegen ihrer Verpflichtung zur Herstellung der Spruchreife nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO und zur Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO auch in Asylverfahren verpflichtet, zur Sache durchzuentscheiden. Die besondere Ausgestaltung des Asylverfahrens mit der hervorgehobenen Stellung des behördlichen Verfahrens und den daran anknüpfenden Verfahrensgarantien kann in besonderen Fallkonstellationen aber eine Ausnahme rechtfertigen. Dies kann etwa bei einer Bescheidungsuntätigkeitsklage der Fall sein, wenn noch keine Anhörung beim Bundesamt stattgefunden hat (BVerwG, Urteil vom 11.07.2018 - 1 C 18.17 -, juris Rn. 37 ff.; Bayerischer VGH, Urteil vom 23.03.2017 - 13a B 16.30951 -, juris), oder bei Klagen gegen Bescheide, in denen das Bundesamt ohne Prüfung der materiell-rechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen den Asylantrag nach § 29 AsylG als unzulässig abgelehnt (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.06.2017 - 1 C 9.17 -, juris Rn. 15 m.w.N., BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 -, juris Rn. 16) oder das Asylverfahren nach §§ 32, 33 AsylG eingestellt hat (BVerwG, Urteil vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 -, juris Rn. 14, zu §§ 32, 33 AsylVfG a.F.). Auch bei einer Sachentscheidung über einen fingierten Asylantrag ist eine - unter bewusstem Verzicht auf eine weitergehende gerichtliche Prüfung der behördlichen Sachentscheidung - inhaltlich auf die Unanwendbarkeit des § 14a Abs. 2 AsylG beschränkte isolierte Anfechtungsklage zulässig (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 -, juris Rn. 15 ff., zu § 14a AsylVfG a.F.). In Fortentwicklung dieser Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage auch in Fällen bestehen kann, in denen das Bundesamt zu Unrecht ohne Anhörung in der Sache über einen Asylantrag entschieden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.2019 - 1 C 46.18 -, juris Rn. 20; vgl. auch Sächsisches OVG, Urteil vom 25.05.2020 - 5 A 461/16.A -, juris Rn. 19; so auch schon VG Düsseldorf, Urteil vom 28.11.2016 - 6 K 12579/16.A -, juris Rn. 19). Dies folgt aus den Besonderheiten des behördlichen Asylverfahrens und seinen spezifischen, im Zusammenhang mit der persönlichen Anhörung des Antragstellers stehenden Verfahrensgarantien.
29 
Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu im Urteil vom 11.07.2018 (- 1 C 18.17 -, juris Rn. 38 ff.) Folgendes ausgeführt:
30 
„a) Das Flüchtlingsrecht ist in besonderem Maß auf eine sorgsame verfahrensrechtliche Ausgestaltung angewiesen (BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1981 - 1 BvR 413/80 - BVerfGE 56, 216 <236>). Sie zielt nicht allein auf eine möglichst rasche Entscheidung über Asylanträge, die sowohl im öffentlichen Interesse als auch im Interesse der Asylbewerber liegt (Erwägungsgrund 11 RL 2005/85/EG; Erwägungsgrund 18 RL 2013/32/EU). Diese Verfahrensgarantien dienen zugleich der effektiven Durchsetzung des materiellen Rechts, indem sie jedem Antragsteller die Gelegenheit verschaffen, mit den zuständigen Behörden zu kooperieren und effektiv mit ihnen zu kommunizieren, um ihnen den ihn betreffenden Sachverhalt darlegen zu können (Erwägungsgrund 13 RL 2005/85/EG; Erwägungsgrund 25 RL 2013/32/EU). Wegen der sachtypischen Beweisnot, in der sich viele Asylbewerber wegen des Fehlens von Beweismitteln zum Beleg des geltend gemachten Verfolgungsschicksals befinden, ist dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden größere Bedeutung beizumessen als dies sonst in der Prozesspraxis bei Parteibekundungen der Fall ist (BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 - BVerwGE 71, 180 <181 f.>; Beschluss vom 29. November 1996 - 9 B 293.96 - juris). Bei der Prüfung von Asylanträgen misst auch Art. 4 Abs. 5 RL 2011/95/EU den Angaben der Antragsteller ein besonderes Gewicht bei, wenn diese unter den dort bezeichneten Voraussetzungen es kompensieren können, dass Unterlagen oder sonstige Nachweise für die Aussagen fehlen. Dies setzt in besonderem Maße nicht nur die Möglichkeit einer auch mündlich möglichen Darlegung der Asylgründe voraus. Es fordert auch die Herstellung und Wahrung einer Kommunikationssituation, in der die besonderen Schwierigkeiten einer umfassenden Darlegung der Asylgründe überwunden werden können, und Möglichkeiten, in Fällen unzureichender Darlegung tatsächlich vorhandener Asylgründe das Vorbringen zu ergänzen und Missverständnisse auszuräumen.
31 
b) Das Asylgesetz und das Unionsrecht (RL 2005/85/EG; RL 2013/32/EU) enthalten besondere Verfahrensgarantien und Vorkehrungen für das behördliche Asylverfahren, um eine gelingende Kommunikation zwischen Asylantragsteller und Behörde sicherzustellen.
32 
aa) Nach Art. 13 Abs. 3 RL 2005/85/EG ergreifen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen, damit die persönliche Anhörung unter Bedingungen durchgeführt wird, die dem Antragsteller eine zusammenhängende Darlegung der Gründe seines Asylantrags gestatten. Sie haben u.a. zu gewährleisten, dass die anhörende Person ausreichend befähigt ist, um die persönlichen oder allgemeinen Umstände des Antrags einschließlich der kulturellen Herkunft oder der Verletzlichkeit des Antragstellers zu berücksichtigen (Buchst. a). Die angemessenen Kenntnisse in Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten, deren entscheidende Bedeutung Erwägungsgrund 10 RL 2005/85/EG für die Bediensteten der erstinstanzlich entscheidenden Behörde betont, erstreckt sich nicht allein auf die Fachkenntnisse des materiellen Flüchtlingsrechts oder zu den tatsächlichen Verhältnissen des Herkunftsstaates; sie umfassen auch die Fähigkeiten, die erforderlich sind, um die komplexe Kommunikationssituation der Anhörung angemessen zu bewältigen. Soweit Art. 15 Abs. 3 Buchst. b RL 2013/32/EU künftig fordert, dass die Mitgliedstaaten, soweit möglich, vorsehen, dass die Anhörung des Asylantragstellers von einer Person gleichen Geschlechts durchgeführt wird, wenn der Antragsteller darum ersucht, soweit nicht die Asylbehörde Grund zu der Annahme hat, dass das Ersuchen auf Gründen beruht, die nicht mit den Schwierigkeiten des Antragstellers in Verbindung stehen, die Gründe für seinen Antrag umfassend darzulegen, trägt dies dem Gedanken Rechnung, dass nicht zuletzt aus kulturellen oder religiösen Gründen insbesondere Frauen erhebliche Schwierigkeiten haben können, sich männlichen Anhörpersonen gegenüber zu offenbaren. Entsprechendes gilt für das Uniformverbot für Anhörpersonen (Art. 15 Abs. 3 Buchst. d RL 2013/32/EU) und das Gebot kindgerechter Anhörung (Art. 15 Abs. 3 Buchst. e RL 2013/32/EU) (s.a. Art. 17 Abs. 4 Buchst. b RL 2005/85/EG).
33 
bb) Nach § 25 Abs. 6 Satz 1 AsylG ist die Anhörung des Asylantragstellers nicht öffentlich (s.a. Art. 13 Abs. 2 RL 2005/85/EG: "Eine persönliche Anhörung erfolgt unter Bedingungen, die eine angemessene Vertraulichkeit gewährleisten."); an ihr können neben Vertretern des Bundes, eines Landes oder des UNHCR andere Personen nur nach Maßgabe einer besonderen Gestattungsentscheidung teilnehmen. Für den Regelfall schreibt Art. 13 Abs. 1 RL 2005/85/EG eine persönliche Anhörung ohne die Anwesenheit von Familienangehörigen vor, soweit nicht die Asylbehörde die Anwesenheit solcher Angehörigen zwecks einer angemessenen Prüfung für erforderlich hält.
34 
cc) Nach Art. 14 Abs. 2 RL 2005/85/EG stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass ein Antragsteller rechtzeitig Zugang zu dem Bericht über die persönliche Anhörung hat; in Fällen, in denen der Zugang erst nach der Entscheidung der Asylbehörde gewährt wird, haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass der Zugang so frühzeitig ermöglicht wird, dass fristgerecht ein Rechtsbehelf vorbereitet und eingelegt werden kann. Der Zugang zu diesem "Bericht über die persönliche Anhörung im Verfahren" hat erkennbar den nunmehr in Art. 17 Abs. 3 RL 2013/32/EU ausdrücklich geregelten Sinn, dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, sich mündlich und/oder schriftlich zu Übersetzungsfehlern oder missverständlichen Formulierungen in der Niederschrift zu äußern und/oder diese zu klären.
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dd) § 25 Abs. 3 AsylG erlaubt zwar die Nichtberücksichtigung eines der Anhörung nachfolgenden, späteren Vorbringens des Ausländers, wenn andernfalls die Entscheidung des Bundesamtes verzögert würde. Die Regelung schließt aber ergänzendes Vorbringen nicht strikt aus und lässt es somit zu, noch im Laufe des weiteren behördlichen Asylverfahrens das bisherige Vorbringen zu ergänzen, vermeintliche Widersprüche auszuräumen oder sonst Missverständnisse aufzuklären. Die Möglichkeit solcher Missverständnisse oder (vermeintlicher) Widersprüche im Rahmen der Anhörung unterscheidet das behördliche Asylverfahren typischerweise wesentlich von nahezu allen weiteren inländischen Verwaltungsverfahren, in denen für die Kommunikation zwischen Antragsteller und Behörden zwar in Einzelfällen, aber nicht im Regelfall ein Sprachmittler erforderlich ist.
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ee) Der Sicherung einer angemessenen Verständigung zwischen dem Antragsteller und der anhörenden Person dient auch die Vorgabe, die Auswahl eines hierfür tauglichen Dolmetschers sicherzustellen (Art. 13 Abs. 3 Buchst. b RL 2005/85/EG; s.a. Art. 15 Abs. 3 Buchst. c RL 2013/32/EU). Dies entspricht der hervorgehobenen Bedeutung der Anhörung für ein rechtsstaatliches Asylverfahren, bei der nur bei gelingender sprachlicher Verständigung eine umfassende Verständigung möglich ist (s.a. Jaber, ZAR 2017, 318). Auch bei qualifizierten Dolmetschern besteht indes allein durch die Mediatisierung der Verständigung die Gefahr von Verständigungsmängeln; diese müssen durch einen wirksamen Rechtsbehelf beseitigt werden können.
37 
ff) Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 39 Abs. 1 RL 2005/85/EG gewährleisten dem Asylbewerber das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf; Art. 46 Abs. 3 RL 2013/32/EU stellt klar, dass sich die Prüfung neben Rechtsfragen auch auf Tatsachen erstreckt. Unionsrecht wie nationales Recht gehen von zumindest einer Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung einer behördlichen Entscheidung über den Asylantrag aus, und treffen so Vorsorge für Fälle, in denen ungeachtet der Wahrung aller Verfahrensgarantien und -standards des Asylverfahrens behördliche Asylentscheidungen fehlerhaft sind. Diese im gewaltenteilenden Rechtsstaat generell vorzusehende gerichtliche Kontrolle hat wegen der spezifischen Fehlerquellen, die sich im behördlichen Asylverfahren ergeben können, eine besondere Bedeutung.
38 
Diese Erwägungen zur besonderen Ausgestaltung des behördlichen Asylverfahrens, von denen auch der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 16.07.2020 (- C-517/17 - Addis -, juris Rn. 63 ff.) ausgeht und denen sich der Senat anschließt, begründen in ihrer Gesamtschau ein berechtigtes Interesse eines Asylantragstellers an der Durchführung einer persönlichen Anhörung im Rahmen des behördlichen Verfahrens.
39 
Die Anhörung im gerichtlichen Asylverfahren kann die Anhörung im Rahmen des behördlichen Asylverfahrens nicht insgesamt gleichwertig ersetzen. Das gerichtliche Verfahrensrecht ist insgesamt auf Kontrolle einer behördlichen Entscheidung in einem transparenten, vom Grundsatz der Öffentlichkeit geprägten kontradiktorischen Verfahren durch den gesetzlichen Richter angelegt. Die Funktion des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit des behördlichen Verfahrens kann auch bei einer erweiternden Auslegung des § 171b GVG im gerichtlichen Verfahren, wie sie zum Schutz der Privatsphäre von Asylbewerbern angezeigt sein kann, die aber den Grundsatz der Öffentlichkeit nicht generell aufheben darf, im gerichtlichen Verfahren nicht verwirklicht werden; denn er zielt auf die Gestaltung einer offenen Kommunikationssituation insgesamt. Der Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) schließt es aus, im Rahmen der Bestimmung der Anhörperson gezielt Besonderheiten der kulturellen Herkunft oder der Verletzlichkeit des Antragstellers Rechnung zu tragen, und zwar ungeachtet dessen, dass Fähigkeit und Bereitschaft zur problemsensiblen, von interkultureller Kompetenz getragenen Durchführung einer mündlichen Verhandlung allen in Asylverfahren tätigen Verwaltungsrichterinnen und -richtern abverlangt sind (BVerwG, Urteil vom 11.07.2018 - 1 C 18.17 -, juris Rn. 50).
40 
Der Konzentrationsgrundsatz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (§ 87 Abs. 1 VwGO) und die eingeschränkte prozessuale Überprüfbarkeit gerichtlicher Entscheidungen stehen ebenfalls in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zur Pflicht, den „Bericht über die persönliche Anhörung im Verfahren“ rechtzeitig oder doch so frühzeitig zu übermitteln, dass ein Rechtsbehelf vorbereitet und eingelegt werden kann (Art. 14 Abs. 2 RL 2005/85/EG). Entsprechendes gilt für die im gerichtlichen Verfahren strikteren Präklusionsvorschriften (BVerwG, Urteil vom 11.07.2018 - 1 C 18.17 -, juris Rn. 51).
41 
Die besonderen Fehlerquellen, die die Möglichkeit der Überprüfung einer getroffenen Entscheidung durch eine weitere (gerichtliche) Instanz erfordern, bestehen vor allem auch im gerichtlichen Asylverfahren. Art. 19 Abs. 4 GG oder Art. 39 Abs. 1 RL 2005/85/EG bzw. Art. 46 Abs. 1 RL 2013/32/EU gebieten zwar kein Rechtsmittel gegen eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung in Asylverfahren, so dass der nationale Gesetzgeber auch die Rechtsmittelbeschränkungen in § 78 AsylG vornehmen durfte. Die spezifischen Kommunikationsprobleme im (behördlichen wie gerichtlichen) Asylverfahren vermitteln dann aber grundsätzlich ein besonderes schutzwürdiges Interesse des Asylantragstellers an einer persönlichen Anhörung im Rahmen des behördlichen Erstverfahrens und der Möglichkeit einer daran erst anschließenden gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.07.2018 - 1 C 18.17 -, juris Rn. 52).
42 
Die Gleichwertigkeit der Anhörung im gerichtlichen Verfahren ergibt sich entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch nicht daraus, dass nach unionsrechtlichem Sprachgebrauch mit der Bezeichnung „Asylbehörde“ auch die Gerichte erfasst wären. Dies ist bereits nach den Begriffsbestimmungen ausgeschlossen, die „Asylbehörde“ als „jede gerichtsähnliche Behörde bzw. jede Verwaltungsstelle eines Mitgliedstaats“ definieren, „die für die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz (bzw. Asylanträgen) zuständig und befugt ist, erstinstanzliche Entscheidungen über diese Anträge zu erlassen“ (Art. 2 Buchst. e RL 2005/85/EG bzw. Art. 2 Buchst. f RL 2013/32/EU, vgl. im Übrigen auch Art. 4 RL 2005/85/EG bzw. RL 2013/32/EU und die darin enthaltenen Vorgaben für die Asylbehörde). Dies umfasst gerade nicht die Gerichte, bei denen ein „wirksamer Rechtsbehelf“ möglich sein muss (Art. 39 Abs. 1 RL 2005/85/EG bzw. Art. 46 Abs. 1 RL 2013/32/EU, vgl. EuGH Urteile vom 25.07.2018 - C-585/16 - Alheto -, juris Rn. 103, und vom 16.07.2020 - C-517/17 -, juris Rn. 60; BVerwG, Urteil vom 11.07.2018 - 1 C 18.17 -, juris Rn. 55). Dass die Mitgliedstaaten nach Art. 46 Abs. 3 RL 2013/32/EU sicherzustellen haben, dass der wirksame Rechtsbehelf eine umfassende Ex-nunc-Prüfung vorsieht, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) zumindest in Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht beurteilt wird, vermag entgegen der Ansicht der Beklagten hieran nichts zu ändern.
43 
Der besonderen Bedeutung der persönlichen Anhörung durch die Asylbehörde steht entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch nicht entgegen, dass nach Art. 12 Abs. 4 RL 2005/85/EG bzw. Art. 14 Abs. 3 RL 2013/32/EU die Tatsache, dass keine persönliche Anhörung stattfindet, die Asylbehörde nicht daran hindert, über den Asylantrag zu entscheiden. Diese Regelung ist bezogen auf jene Fälle, in denen nach Maßgabe des Art. 12 Abs. 2 RL 2005/85/EG bzw. Art. 14 Abs. 2 RL 2013/32/EU auf eine persönliche Anhörung verzichtet werden kann; sie stellt die Anhörung nicht insgesamt zur Disposition (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 27.06.2017 - 1 C 26.16 -, juris Rn. 41; Vedsted-Hansen in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Asylum Procedures Directive 2013/32/EU Art. 14 Rn. 8; vgl. auch EuGH, Urteil vom 16.07.2020 - C-517/17 - Addis -, juris Rn. 59). Dass ein solcher Ausnahmefall hier vorgelegen haben könnte, wird von der Beklagten nicht geltend gemacht und ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat - auch nicht ersichtlich.
44 
Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass ein Gericht im Rahmen der Überprüfung einer nach Anhörung des Schutzsuchenden ergangenen behördlichen Entscheidung nach Art. 47 der Grundrechtecharta der Europäischen Union (GRCh) gehalten sein kann, einen Asylantragsteller zu einem Unzulässigkeitsgrund anzuhören, der von der Asylbehörde nicht geprüft worden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 25.07.2018 - C-585/16 - Alheto -, juris Rn. 125 ff.). Dies nimmt der Anhörung durch die Asylbehörde jedoch nicht ihr Gewicht, denn der Gerichtshof betont zugleich, dass „die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz durch eine Verwaltungsstelle oder eine gerichtsähnliche Behörde, die mit besonderen Mitteln und Fachpersonal ausgestattet ist, eine wesentliche Phase der mit dieser Richtlinie eingeführten gemeinsamen Verfahren ist.“ Der Umstand, dass der Unionsgesetzgeber sich in den Art. 14 und 34 RL 2013/32/EU nicht darauf beschränkt hat, eine Pflicht einzuführen, dem Antragsteller Gelegenheit zu einer persönlichen Anhörung zu geben, sondern für die Mitgliedstaaten überdies konkrete und detaillierte Regeln für die Durchführung dieser Anhörung aufgestellt hat, zeigt, dass der Unionsgesetzgeber nicht nur dem Abhalten der Anhörung als solcher grundlegende Bedeutung beimisst, sondern auch den Bedingungen, unter denen diese stattzufinden hat und deren Einhaltung als eine Voraussetzung für die Gültigkeit einer über den Asylantrag erlassenen Unzulässigkeitsentscheidung ansieht (so EuGH, Urteil vom 16.07.2020 - C-517/17 - Addis -, juris Rn. Rn. 66; BVerwG, Urteil vom 11.07.2018 - 1 C 18.17 -, juris Rn. 47). Erst Recht hat dies zu gelten, wenn eine Sachentscheidung über das Begehren auf Zuerkennung internationalen Schutzes ergeht.
45 
Der Beschleunigungsgrundsatz, der im behördlichen wie im gerichtlichen Asylverfahren gilt, steht einem Rechtsschutzinteresse für eine isolierte Anfechtungsklage bei fehlerhaft unterbliebener Anhörung im Rahmen des behördlichen Erstverfahrens nicht entgegen. In der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zwar eine umfassende Pflicht des Gerichts zur Herstellung der Spruchreife auch aus dem Interesse des Einzelnen wie der Allgemeinheit an einer beschleunigten Durchführung des Asylverfahrens hergeleitet worden (BVerwG, Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 -, juris Rn. 10 ff.). Diese Rechtsprechung ist indes unter dem Eindruck der - nicht zuletzt auch auf dem Einfluss des Unionsrecht beruhenden - Entwicklung des Asylverfahrensrechts und der Möglichkeiten der Asylbehörden zur Verfahrensbeschleunigung mehrfach, u.a. für die Zulässigkeitsentscheidungen nach § 29 AsylG, modifiziert worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 -, juris Rn. 20).
46 
Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine isolierte Anfechtungsklage besteht entgegen der Annahme der Beklagten auch im Falle von Asylsuchenden, die - wie die Kläger als Staatsangehörige des Kosovo (vgl. Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG) - aus sicheren Herkunftsstaaten stammen. Gemäß § 29a AsylG, der auf dem in Art. 16a Abs. 3 GG geregelten Konzept der sicheren Herkunftsstaaten beruht, besteht bei ihnen die gesetzliche, aber widerlegliche Vermutung für eine Verfolgungsfreiheit, die ein beschleunigtes Verfahren zur Folge hat. Auch im Rahmen des beschleunigten Verfahrens kommt der Anhörung indes grundlegende Bedeutung zu.
47 
Die Regelung in § 29a AsylG in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl. I S. 1939) stellt die Vermutung unter den Vorbehalt, dass der Antragsteller Tatsachen oder Beweismittel vorbringt, die die Annahme begründen, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht. Gelingt ihm ein solcher Vortrag, greift in seinem Einzelfall die Vermutung des § 29a AsylG nicht und über seinen Asylantrag ist nach den allgemeinen Vorschriften zu befinden. Gelingt es ihm nicht, die Vermutung zu widerlegen, verbleibt es bei der verfahrensrechtlichen Folgerung gemäß § 29a Abs. 1 AsylG; der Asylantrag ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen (vgl. BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1516/93 -, juris Rn. 96 zu § 29a AsylVfG a.F.; Hailbronner, Ausländerrecht, § 29a AsylG Rn. 25 ; Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 29a Rn. 97 ff. ; Marx, AsylG, 10. Aufl. 2019, § 29a Rn. 8, 22, 28; Fränkel in: NK-AuslR, 2. Aufl. 2016, AsylVfG § 29a Rn. 13).
48 
Der gesetzlichen Vermutung der Verfolgungsfreiheit liegt ein Gesamturteil des Gesetzgebers zugrunde, das aus einer Vielzahl von Faktoren in Bezug auf die Rechtslage, die Rechtsanwendung und die allgemeinen politischen Verhältnisse gebildet wird. Insoweit hat der Gesetzgeber für den als sicher festgestellten Herkunftsstaat eine Analyse und Beurteilung der allgemeinen Verhältnisse im Hinblick auf deren asylrechtliche Erheblichkeit abstrakt-generell in Form einer antizipierten Tatsachen- und Beweiswürdigung vorgenommen (Hailbronner, Ausländerrecht, § 29a AsylG Rn. 7 ; Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 29a Rn. 11 ). Zur Ausräumung der Vermutung im Einzelfall ist angesichts dessen nur ein Vorbringen zugelassen, das die Furcht vor Verfolgung oder vor einem ernsthaften Schaden auf ein individuelles Verfolgungsschicksal gründet, wobei es unschädlich ist, wenn dieses seine Wurzel in den allgemeinen politischen Verhältnissen hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.06.2015 - A 6 S 1259/14 -, juris Rn. 37; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.12.2016 - 3 LB 7/14 -, juris Rn. 69; Hailbronner, Ausländerrecht, § 29a AsylG Rn. 24 ; Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 29a Rn. 100 ; Marx, AsylG, 10. Aufl. 2019, § 29a Rn. 29; Bergmann in: Bergmann/Dienelt, 13. Aufl. 2020, AsylG § 29a Rn. 13). Für die ihnen drohende Verfolgung tragen Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten die Darlegungs- und materielle Beweislast und sind insoweit vorleistungspflichtig (Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 29a Rn. 109 ). Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei Asylsuchenden aus sicheren Herkunftsstaaten allein in Anknüpfung an ihre Herkunft unter erleichterten Bedingungen von einer Anhörung abgesehen werden könnte.
49 
Das Asylgesetz sieht eine solche Möglichkeit entgegen der Annahme der Beklagten nicht vor. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus § 25 AsylG. Diese Vorschrift ermöglicht in seinen Absätzen 4 und 5 eine Entscheidung ohne persönliche Anhörung, wenn ein Nichterscheinen des Asylsuchenden zum festgesetzten Anhörungstermin nicht genügend entschuldigt ist. Die Herkunft aus einem sicheren Herkunftsstaat ist dafür ohne Bedeutung. Sie spielt nur insoweit eine Rolle, als Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten, bei denen nach § 30a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 AsylG ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt wird, nach Absatz 3 dieser Vorschrift grundsätzlich in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen verpflichtet sind und daher von der Regelung in § 25 Abs. 4 AsylG erfasst werden. In Bezug auf die Verpflichtung des Bundesamts eine erneute persönliche Anhörung anzusetzen, wenn das Nichterscheinen des Asylsuchenden zum mitgeteilten Termin genügend entschuldigt worden ist, ergibt sich daraus indes kein Unterschied. Auch die in § 15 geregelten Mitwirkungspflichten postulieren für Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten keine gegenüber anderen Asylsuchenden erhöhten Anforderungen, sie räumen dem Bundesamt insbesondere nicht die Befugnis ein, über Asylanträge von Asylsuchenden aus sicheren Herkunftsstaaten ohne persönliche Anhörung zu entscheiden. Eine entsprechende Befugnis sieht das Asylgesetz auch sonst nicht vor.
50 
Die Möglichkeit, durch Darlegung eines individuellen Verfolgungsschicksals die Vermutung des § 29a AsylG zu erschüttern, ist Asylsuchenden aus sicheren Herkunftsstaaten vielmehr nach § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG im Rahmen einer persönlichen Anhörung zu gewähren (Marx, AsylG, 10. Aufl. 2019, § 29a Rn. 24). Eine solche ist - anders als es bei der Beklagten anklingt - nicht etwa deshalb entbehrlich, weil zur Widerlegung der Vermutung nach § 29a Abs. 1 AsylG auch Beweismittel vorlegt werden können. Denn deren Vorlage ist nicht zwingend (Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 29a Rn. 109 ). Nach Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (im Folgenden: QRL) - (ABl. L 337 S. 9) kann zur Begründung eines Antrags auf internationalen Schutz allein die Einlassung des Schutzsuchenden ausreichend sein; Nachweisen der Aussagen bedarf es nicht, wenn dieser sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu begründen, alle ihm verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen, und er eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben hat, festgestellt wurde, dass seine Aussagen kohärent und plausibel sind und sie zu den für seinen Fall relevanten, verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen, wenn er internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat (es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war) und schließlich auch seine generelle Glaubwürdigkeit festgestellt worden ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 57). Dies gilt auch dann, wenn Asylsuchende aus einem sicheren Herkunftsstaat internationalen Schutz begehren und zunächst die gesetzliche Vermutung des § 29a AsylG widerlegen müssen. Auch in diesem Fall ist es in besonderem Maße erforderlich, dass sie die Asylgründe auch mündlich darlegen können.
51 
Nichts anderes ergibt sich aus dem unionsrechtlichen Konzept des sicheren Herkunftsstaats in Art. 36 RL 2013/32/EU (vgl. Art. 23 Abs. 4 lit. c i) i.V.m. Art. 29 ff. RL 2005/85/EG). Nach dieser Regelung kann ein Drittstaat, der nach dieser Richtlinie als sicherer Herkunftsstaat bestimmt wurde, nach individueller Prüfung des Antrags nur dann als für einen bestimmten Antragsteller sicherer Herkunftsstaat betrachtet werden, wenn dieser keine schwerwiegenden Gründe dafür vorgebracht hat, dass der Staat in seinem speziellen Fall im Hinblick auf die Anerkennung als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU nicht als sicherer Herkunftsstaat zu betrachten ist. Die Festlegung der weiteren Regeln und Modalitäten für die Anwendung des Konzepts des sicheren Herkunftsstaats erfolgt gemäß Art. 36 Abs. 2 RL 2013/32/EU zwar durch die Mitgliedstaaten in den nationalen Rechtsvorschriften, die nach Art. 31 Abs. 8 lit b RL 2013/32/EU (vgl. Art. 23 Abs. 4 lit. c i) RL 2005/85/EG) hierfür insbesondere ein beschleunigtes Prüfungsverfahren vorsehen können. Vorgegeben ist aber auch in diesem Fall eine individuelle Prüfung, die grundsätzlich eine persönliche Anhörung voraussetzt. Soweit in Art. 34 RL 2013/32/EU für unzulässige Anträge im Sinne von Art. 33 RL 2013/32/EU im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung die Notwendigkeit einer Anhörung ausdrücklich geregelt wird, wird damit lediglich klargestellt, dass die Anhörung auch in diesem Stadium der Prüfung erforderlich ist. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass im beschleunigten Prüfungsverfahren bei Antragstellern aus sicheren Herkunftsstaaten, in denen eine Entscheidung in der Sache ergeht, mangels einer entsprechenden Regelung eine persönliche Anhörung nicht erforderlich wäre. Das beschleunigte Prüfungsverfahren hat nach Art. 31 Abs. 8 lit b RL 2013/32/EU im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien des Kapitel II zu erfolgen, zu denen insbesondere die in Art. 14 Abs. 1 RL 2013/32/EU (bzw. Art. 12 Abs. 1 RL 2005/85) statuierte Pflicht gehört, der Person, die internationalen Schutz beantragt, Gelegenheit zu einer persönlichen Anhörung zu geben, bevor eine Entscheidung über ihren Antrag getroffen wird. Dies gilt sowohl für Entscheidungen zur Zulässigkeit als auch in der Sache (vgl. EuGH, Urteil vom 16.07.2020 - C-517/17 - Addis -, juris Rn. 46 f.).
52 
Dem Rechtsschutzbedürfnis kann schließlich nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die Kläger mit ihrem Hilfsantrag lediglich die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG begehren. Dies trifft zum einen schon nicht zu. Denn sie begehren mit dem Hauptantrag die vollumfängliche Aufhebung des ablehnenden Bescheids des Bundesamtes vom 24.07.2017. Hat ihre Klage Erfolg, ist nach derzeitigem Stand in dem fortzusetzenden Asylverfahren über den Asylantrag insgesamt zu entscheiden, also auch über die Anerkennung als Asylberechtigte und die Zuerkennung von internationalem Schutz. Eine Einschränkung ist ihrem Klagebegehren insoweit nicht zu entnehmen. Zum anderen gelten die Vorschriften des Asylgesetzes über die persönliche Anhörung auch in Bezug auf nationale Abschiebungsverbote, wenn - wie hier - ein Asylantrag gestellt worden ist. Denn das Bundesamt hat nach § 24 Abs. 2 AsylG nach Stellung des Asylantrags auch hierüber zu entscheiden. Insoweit schreibt § 25 Abs. 2 AsylG ausdrücklich vor, dass der Ausländer alle sonstigen Tatsachen und Umstände anzugeben hat, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen.
53 
B. Die isolierte Anfechtungsklage ist auch begründet. Der Bescheid des Bundesamts 24.07.2017 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats rechtswidrig und verletzt die Kläger zu 1 bis 4 und 6 in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
54 
Der Bescheid ist rechtswidrig, weil er im schriftlichen Verfahren - ohne persönliche Anhörung der Kläger (zur Anhörungspflicht bei Minderjährigen vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 30.03.2020 - 2 LB 452/18 -, juris Rn. 22) - ergangen ist. Nach § 25 Abs. 5 AsylG kann bei einem Ausländer, der nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, eine Entscheidung nach Aktenlage, wie sie hier getroffen wurde, nur ergehen, wenn von der persönlichen Anhörung abgesehen werden darf, weil der Ausländer einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht gefolgt ist und wenn diesem Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats gegeben wurde. Im vorliegenden Fall waren die Kläger unstreitig schon im Zeitpunkt der ersten Ladung zur Anhörung nicht verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Nach der inneren Systematik der Vorschrift handelt es sich bei der Voraussetzung eines berechtigten Absehens von der persönlichen Anhörung wie auch bei der Verpflichtung zur Gewährung einer Stellungnahmemöglichkeit um materielle Tatbestandsvoraussetzungen und nicht um reine Verfahrensvorschriften, sodass dahingehende Rechtsanwendungsfehler geeignet sind, eine Verletzung der Rechte des Antragstellers zu begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.2019 - 1 C 46.18 -, juris Rn. 22; Sächsisches OVG, Urteil vom 25.05.2020 - 5 A 461/16.A -, juris Rn. 22).
55 
Ein solcher Rechtsanwendungsfehler liegt hier vor. Die Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Kläger zu 1 und 2 einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht gefolgt sind. Tatsächlich waren die Kläger zu 1 und 2 an dem für die persönliche Anhörung angesetzten Termin am 14.06.2017 aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, an einer Anhörung teilzunehmen, und haben sich auch rechtzeitig durch die Vorlage von ärztlichen Attesten entschuldigt. Dies wird von der Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogen.
56 
Die Aufhebung des Bescheids vom 24.07.2017 hat zur Folge, dass das Asylverfahren ab dem Zeitpunkt vor Eintritt des Fehlers erneut durchzuführen ist.
57 
Die Kostenentscheidung in dem nach § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahren folgt hinsichtlich der Klägerin zu 5 und des Klägers zu 6 nach Rücknahme der Klagen in der Berufungsinstanz aus § 155 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich der übrigen Kläger ergibt sich die Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO.
58 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Fall des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
23 
Hinsichtlich der Kläger zu 5 und 6 wird das Verfahren nach Rücknahme der Klage mit Einwilligung der Beklagten gemäß § 92 Abs. 3 i.V.m. § 125 Abs. 1 VwGO und § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO eingestellt und das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg insoweit für unwirksam erklärt.
24 
Der Senat entscheidet über die Berufung der Beklagten mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
25 
Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden (§ 124a Abs. 6 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Sie ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die mit dem Hauptantrag erhobene isolierte Anfechtungsklage der Kläger zu 1 bis 4 zu Recht als zulässig angesehen (I.) und den angefochtenen Bescheid des Bundesamts aufgehoben (II.).
26 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens nach nationalem Recht ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG das Asylgesetz in der Fassung vom 02.09.2008 (BGBl. I. S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes vom 09.10.2020 (BGBl. I S. 2075). Ob das Begehren unionsrechtlich an der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60, im Folgenden: RL 2013/32/EU) oder an den Bestimmungen der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01.12.2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326 S. 13, im Folgenden RL 2005/85/EG) zu messen ist, wofür es nach der Übergangsvorschrift des Art. 52 Unterabs. 1 RL 2013/32/EU auf den Zeitpunkt des förmlich gestellten Antrags auf internationalen Schutz ankommt (vgl. dazu Art. 6 Abs. 2 bis 4 RL 2013/32/EU), bedarf keiner Entscheidung.
I.
27 
Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, insbesondere besteht hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis.
28 
Zwar sind die Gerichte wegen ihrer Verpflichtung zur Herstellung der Spruchreife nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO und zur Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO auch in Asylverfahren verpflichtet, zur Sache durchzuentscheiden. Die besondere Ausgestaltung des Asylverfahrens mit der hervorgehobenen Stellung des behördlichen Verfahrens und den daran anknüpfenden Verfahrensgarantien kann in besonderen Fallkonstellationen aber eine Ausnahme rechtfertigen. Dies kann etwa bei einer Bescheidungsuntätigkeitsklage der Fall sein, wenn noch keine Anhörung beim Bundesamt stattgefunden hat (BVerwG, Urteil vom 11.07.2018 - 1 C 18.17 -, juris Rn. 37 ff.; Bayerischer VGH, Urteil vom 23.03.2017 - 13a B 16.30951 -, juris), oder bei Klagen gegen Bescheide, in denen das Bundesamt ohne Prüfung der materiell-rechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen den Asylantrag nach § 29 AsylG als unzulässig abgelehnt (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.06.2017 - 1 C 9.17 -, juris Rn. 15 m.w.N., BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 -, juris Rn. 16) oder das Asylverfahren nach §§ 32, 33 AsylG eingestellt hat (BVerwG, Urteil vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 -, juris Rn. 14, zu §§ 32, 33 AsylVfG a.F.). Auch bei einer Sachentscheidung über einen fingierten Asylantrag ist eine - unter bewusstem Verzicht auf eine weitergehende gerichtliche Prüfung der behördlichen Sachentscheidung - inhaltlich auf die Unanwendbarkeit des § 14a Abs. 2 AsylG beschränkte isolierte Anfechtungsklage zulässig (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 -, juris Rn. 15 ff., zu § 14a AsylVfG a.F.). In Fortentwicklung dieser Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage auch in Fällen bestehen kann, in denen das Bundesamt zu Unrecht ohne Anhörung in der Sache über einen Asylantrag entschieden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.2019 - 1 C 46.18 -, juris Rn. 20; vgl. auch Sächsisches OVG, Urteil vom 25.05.2020 - 5 A 461/16.A -, juris Rn. 19; so auch schon VG Düsseldorf, Urteil vom 28.11.2016 - 6 K 12579/16.A -, juris Rn. 19). Dies folgt aus den Besonderheiten des behördlichen Asylverfahrens und seinen spezifischen, im Zusammenhang mit der persönlichen Anhörung des Antragstellers stehenden Verfahrensgarantien.
29 
Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu im Urteil vom 11.07.2018 (- 1 C 18.17 -, juris Rn. 38 ff.) Folgendes ausgeführt:
30 
„a) Das Flüchtlingsrecht ist in besonderem Maß auf eine sorgsame verfahrensrechtliche Ausgestaltung angewiesen (BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1981 - 1 BvR 413/80 - BVerfGE 56, 216 <236>). Sie zielt nicht allein auf eine möglichst rasche Entscheidung über Asylanträge, die sowohl im öffentlichen Interesse als auch im Interesse der Asylbewerber liegt (Erwägungsgrund 11 RL 2005/85/EG; Erwägungsgrund 18 RL 2013/32/EU). Diese Verfahrensgarantien dienen zugleich der effektiven Durchsetzung des materiellen Rechts, indem sie jedem Antragsteller die Gelegenheit verschaffen, mit den zuständigen Behörden zu kooperieren und effektiv mit ihnen zu kommunizieren, um ihnen den ihn betreffenden Sachverhalt darlegen zu können (Erwägungsgrund 13 RL 2005/85/EG; Erwägungsgrund 25 RL 2013/32/EU). Wegen der sachtypischen Beweisnot, in der sich viele Asylbewerber wegen des Fehlens von Beweismitteln zum Beleg des geltend gemachten Verfolgungsschicksals befinden, ist dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden größere Bedeutung beizumessen als dies sonst in der Prozesspraxis bei Parteibekundungen der Fall ist (BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 - BVerwGE 71, 180 <181 f.>; Beschluss vom 29. November 1996 - 9 B 293.96 - juris). Bei der Prüfung von Asylanträgen misst auch Art. 4 Abs. 5 RL 2011/95/EU den Angaben der Antragsteller ein besonderes Gewicht bei, wenn diese unter den dort bezeichneten Voraussetzungen es kompensieren können, dass Unterlagen oder sonstige Nachweise für die Aussagen fehlen. Dies setzt in besonderem Maße nicht nur die Möglichkeit einer auch mündlich möglichen Darlegung der Asylgründe voraus. Es fordert auch die Herstellung und Wahrung einer Kommunikationssituation, in der die besonderen Schwierigkeiten einer umfassenden Darlegung der Asylgründe überwunden werden können, und Möglichkeiten, in Fällen unzureichender Darlegung tatsächlich vorhandener Asylgründe das Vorbringen zu ergänzen und Missverständnisse auszuräumen.
31 
b) Das Asylgesetz und das Unionsrecht (RL 2005/85/EG; RL 2013/32/EU) enthalten besondere Verfahrensgarantien und Vorkehrungen für das behördliche Asylverfahren, um eine gelingende Kommunikation zwischen Asylantragsteller und Behörde sicherzustellen.
32 
aa) Nach Art. 13 Abs. 3 RL 2005/85/EG ergreifen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen, damit die persönliche Anhörung unter Bedingungen durchgeführt wird, die dem Antragsteller eine zusammenhängende Darlegung der Gründe seines Asylantrags gestatten. Sie haben u.a. zu gewährleisten, dass die anhörende Person ausreichend befähigt ist, um die persönlichen oder allgemeinen Umstände des Antrags einschließlich der kulturellen Herkunft oder der Verletzlichkeit des Antragstellers zu berücksichtigen (Buchst. a). Die angemessenen Kenntnisse in Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten, deren entscheidende Bedeutung Erwägungsgrund 10 RL 2005/85/EG für die Bediensteten der erstinstanzlich entscheidenden Behörde betont, erstreckt sich nicht allein auf die Fachkenntnisse des materiellen Flüchtlingsrechts oder zu den tatsächlichen Verhältnissen des Herkunftsstaates; sie umfassen auch die Fähigkeiten, die erforderlich sind, um die komplexe Kommunikationssituation der Anhörung angemessen zu bewältigen. Soweit Art. 15 Abs. 3 Buchst. b RL 2013/32/EU künftig fordert, dass die Mitgliedstaaten, soweit möglich, vorsehen, dass die Anhörung des Asylantragstellers von einer Person gleichen Geschlechts durchgeführt wird, wenn der Antragsteller darum ersucht, soweit nicht die Asylbehörde Grund zu der Annahme hat, dass das Ersuchen auf Gründen beruht, die nicht mit den Schwierigkeiten des Antragstellers in Verbindung stehen, die Gründe für seinen Antrag umfassend darzulegen, trägt dies dem Gedanken Rechnung, dass nicht zuletzt aus kulturellen oder religiösen Gründen insbesondere Frauen erhebliche Schwierigkeiten haben können, sich männlichen Anhörpersonen gegenüber zu offenbaren. Entsprechendes gilt für das Uniformverbot für Anhörpersonen (Art. 15 Abs. 3 Buchst. d RL 2013/32/EU) und das Gebot kindgerechter Anhörung (Art. 15 Abs. 3 Buchst. e RL 2013/32/EU) (s.a. Art. 17 Abs. 4 Buchst. b RL 2005/85/EG).
33 
bb) Nach § 25 Abs. 6 Satz 1 AsylG ist die Anhörung des Asylantragstellers nicht öffentlich (s.a. Art. 13 Abs. 2 RL 2005/85/EG: "Eine persönliche Anhörung erfolgt unter Bedingungen, die eine angemessene Vertraulichkeit gewährleisten."); an ihr können neben Vertretern des Bundes, eines Landes oder des UNHCR andere Personen nur nach Maßgabe einer besonderen Gestattungsentscheidung teilnehmen. Für den Regelfall schreibt Art. 13 Abs. 1 RL 2005/85/EG eine persönliche Anhörung ohne die Anwesenheit von Familienangehörigen vor, soweit nicht die Asylbehörde die Anwesenheit solcher Angehörigen zwecks einer angemessenen Prüfung für erforderlich hält.
34 
cc) Nach Art. 14 Abs. 2 RL 2005/85/EG stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass ein Antragsteller rechtzeitig Zugang zu dem Bericht über die persönliche Anhörung hat; in Fällen, in denen der Zugang erst nach der Entscheidung der Asylbehörde gewährt wird, haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass der Zugang so frühzeitig ermöglicht wird, dass fristgerecht ein Rechtsbehelf vorbereitet und eingelegt werden kann. Der Zugang zu diesem "Bericht über die persönliche Anhörung im Verfahren" hat erkennbar den nunmehr in Art. 17 Abs. 3 RL 2013/32/EU ausdrücklich geregelten Sinn, dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, sich mündlich und/oder schriftlich zu Übersetzungsfehlern oder missverständlichen Formulierungen in der Niederschrift zu äußern und/oder diese zu klären.
35 
dd) § 25 Abs. 3 AsylG erlaubt zwar die Nichtberücksichtigung eines der Anhörung nachfolgenden, späteren Vorbringens des Ausländers, wenn andernfalls die Entscheidung des Bundesamtes verzögert würde. Die Regelung schließt aber ergänzendes Vorbringen nicht strikt aus und lässt es somit zu, noch im Laufe des weiteren behördlichen Asylverfahrens das bisherige Vorbringen zu ergänzen, vermeintliche Widersprüche auszuräumen oder sonst Missverständnisse aufzuklären. Die Möglichkeit solcher Missverständnisse oder (vermeintlicher) Widersprüche im Rahmen der Anhörung unterscheidet das behördliche Asylverfahren typischerweise wesentlich von nahezu allen weiteren inländischen Verwaltungsverfahren, in denen für die Kommunikation zwischen Antragsteller und Behörden zwar in Einzelfällen, aber nicht im Regelfall ein Sprachmittler erforderlich ist.
36 
ee) Der Sicherung einer angemessenen Verständigung zwischen dem Antragsteller und der anhörenden Person dient auch die Vorgabe, die Auswahl eines hierfür tauglichen Dolmetschers sicherzustellen (Art. 13 Abs. 3 Buchst. b RL 2005/85/EG; s.a. Art. 15 Abs. 3 Buchst. c RL 2013/32/EU). Dies entspricht der hervorgehobenen Bedeutung der Anhörung für ein rechtsstaatliches Asylverfahren, bei der nur bei gelingender sprachlicher Verständigung eine umfassende Verständigung möglich ist (s.a. Jaber, ZAR 2017, 318). Auch bei qualifizierten Dolmetschern besteht indes allein durch die Mediatisierung der Verständigung die Gefahr von Verständigungsmängeln; diese müssen durch einen wirksamen Rechtsbehelf beseitigt werden können.
37 
ff) Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 39 Abs. 1 RL 2005/85/EG gewährleisten dem Asylbewerber das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf; Art. 46 Abs. 3 RL 2013/32/EU stellt klar, dass sich die Prüfung neben Rechtsfragen auch auf Tatsachen erstreckt. Unionsrecht wie nationales Recht gehen von zumindest einer Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung einer behördlichen Entscheidung über den Asylantrag aus, und treffen so Vorsorge für Fälle, in denen ungeachtet der Wahrung aller Verfahrensgarantien und -standards des Asylverfahrens behördliche Asylentscheidungen fehlerhaft sind. Diese im gewaltenteilenden Rechtsstaat generell vorzusehende gerichtliche Kontrolle hat wegen der spezifischen Fehlerquellen, die sich im behördlichen Asylverfahren ergeben können, eine besondere Bedeutung.
38 
Diese Erwägungen zur besonderen Ausgestaltung des behördlichen Asylverfahrens, von denen auch der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 16.07.2020 (- C-517/17 - Addis -, juris Rn. 63 ff.) ausgeht und denen sich der Senat anschließt, begründen in ihrer Gesamtschau ein berechtigtes Interesse eines Asylantragstellers an der Durchführung einer persönlichen Anhörung im Rahmen des behördlichen Verfahrens.
39 
Die Anhörung im gerichtlichen Asylverfahren kann die Anhörung im Rahmen des behördlichen Asylverfahrens nicht insgesamt gleichwertig ersetzen. Das gerichtliche Verfahrensrecht ist insgesamt auf Kontrolle einer behördlichen Entscheidung in einem transparenten, vom Grundsatz der Öffentlichkeit geprägten kontradiktorischen Verfahren durch den gesetzlichen Richter angelegt. Die Funktion des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit des behördlichen Verfahrens kann auch bei einer erweiternden Auslegung des § 171b GVG im gerichtlichen Verfahren, wie sie zum Schutz der Privatsphäre von Asylbewerbern angezeigt sein kann, die aber den Grundsatz der Öffentlichkeit nicht generell aufheben darf, im gerichtlichen Verfahren nicht verwirklicht werden; denn er zielt auf die Gestaltung einer offenen Kommunikationssituation insgesamt. Der Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) schließt es aus, im Rahmen der Bestimmung der Anhörperson gezielt Besonderheiten der kulturellen Herkunft oder der Verletzlichkeit des Antragstellers Rechnung zu tragen, und zwar ungeachtet dessen, dass Fähigkeit und Bereitschaft zur problemsensiblen, von interkultureller Kompetenz getragenen Durchführung einer mündlichen Verhandlung allen in Asylverfahren tätigen Verwaltungsrichterinnen und -richtern abverlangt sind (BVerwG, Urteil vom 11.07.2018 - 1 C 18.17 -, juris Rn. 50).
40 
Der Konzentrationsgrundsatz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (§ 87 Abs. 1 VwGO) und die eingeschränkte prozessuale Überprüfbarkeit gerichtlicher Entscheidungen stehen ebenfalls in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zur Pflicht, den „Bericht über die persönliche Anhörung im Verfahren“ rechtzeitig oder doch so frühzeitig zu übermitteln, dass ein Rechtsbehelf vorbereitet und eingelegt werden kann (Art. 14 Abs. 2 RL 2005/85/EG). Entsprechendes gilt für die im gerichtlichen Verfahren strikteren Präklusionsvorschriften (BVerwG, Urteil vom 11.07.2018 - 1 C 18.17 -, juris Rn. 51).
41 
Die besonderen Fehlerquellen, die die Möglichkeit der Überprüfung einer getroffenen Entscheidung durch eine weitere (gerichtliche) Instanz erfordern, bestehen vor allem auch im gerichtlichen Asylverfahren. Art. 19 Abs. 4 GG oder Art. 39 Abs. 1 RL 2005/85/EG bzw. Art. 46 Abs. 1 RL 2013/32/EU gebieten zwar kein Rechtsmittel gegen eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung in Asylverfahren, so dass der nationale Gesetzgeber auch die Rechtsmittelbeschränkungen in § 78 AsylG vornehmen durfte. Die spezifischen Kommunikationsprobleme im (behördlichen wie gerichtlichen) Asylverfahren vermitteln dann aber grundsätzlich ein besonderes schutzwürdiges Interesse des Asylantragstellers an einer persönlichen Anhörung im Rahmen des behördlichen Erstverfahrens und der Möglichkeit einer daran erst anschließenden gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.07.2018 - 1 C 18.17 -, juris Rn. 52).
42 
Die Gleichwertigkeit der Anhörung im gerichtlichen Verfahren ergibt sich entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch nicht daraus, dass nach unionsrechtlichem Sprachgebrauch mit der Bezeichnung „Asylbehörde“ auch die Gerichte erfasst wären. Dies ist bereits nach den Begriffsbestimmungen ausgeschlossen, die „Asylbehörde“ als „jede gerichtsähnliche Behörde bzw. jede Verwaltungsstelle eines Mitgliedstaats“ definieren, „die für die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz (bzw. Asylanträgen) zuständig und befugt ist, erstinstanzliche Entscheidungen über diese Anträge zu erlassen“ (Art. 2 Buchst. e RL 2005/85/EG bzw. Art. 2 Buchst. f RL 2013/32/EU, vgl. im Übrigen auch Art. 4 RL 2005/85/EG bzw. RL 2013/32/EU und die darin enthaltenen Vorgaben für die Asylbehörde). Dies umfasst gerade nicht die Gerichte, bei denen ein „wirksamer Rechtsbehelf“ möglich sein muss (Art. 39 Abs. 1 RL 2005/85/EG bzw. Art. 46 Abs. 1 RL 2013/32/EU, vgl. EuGH Urteile vom 25.07.2018 - C-585/16 - Alheto -, juris Rn. 103, und vom 16.07.2020 - C-517/17 -, juris Rn. 60; BVerwG, Urteil vom 11.07.2018 - 1 C 18.17 -, juris Rn. 55). Dass die Mitgliedstaaten nach Art. 46 Abs. 3 RL 2013/32/EU sicherzustellen haben, dass der wirksame Rechtsbehelf eine umfassende Ex-nunc-Prüfung vorsieht, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) zumindest in Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht beurteilt wird, vermag entgegen der Ansicht der Beklagten hieran nichts zu ändern.
43 
Der besonderen Bedeutung der persönlichen Anhörung durch die Asylbehörde steht entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch nicht entgegen, dass nach Art. 12 Abs. 4 RL 2005/85/EG bzw. Art. 14 Abs. 3 RL 2013/32/EU die Tatsache, dass keine persönliche Anhörung stattfindet, die Asylbehörde nicht daran hindert, über den Asylantrag zu entscheiden. Diese Regelung ist bezogen auf jene Fälle, in denen nach Maßgabe des Art. 12 Abs. 2 RL 2005/85/EG bzw. Art. 14 Abs. 2 RL 2013/32/EU auf eine persönliche Anhörung verzichtet werden kann; sie stellt die Anhörung nicht insgesamt zur Disposition (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 27.06.2017 - 1 C 26.16 -, juris Rn. 41; Vedsted-Hansen in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Asylum Procedures Directive 2013/32/EU Art. 14 Rn. 8; vgl. auch EuGH, Urteil vom 16.07.2020 - C-517/17 - Addis -, juris Rn. 59). Dass ein solcher Ausnahmefall hier vorgelegen haben könnte, wird von der Beklagten nicht geltend gemacht und ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat - auch nicht ersichtlich.
44 
Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass ein Gericht im Rahmen der Überprüfung einer nach Anhörung des Schutzsuchenden ergangenen behördlichen Entscheidung nach Art. 47 der Grundrechtecharta der Europäischen Union (GRCh) gehalten sein kann, einen Asylantragsteller zu einem Unzulässigkeitsgrund anzuhören, der von der Asylbehörde nicht geprüft worden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 25.07.2018 - C-585/16 - Alheto -, juris Rn. 125 ff.). Dies nimmt der Anhörung durch die Asylbehörde jedoch nicht ihr Gewicht, denn der Gerichtshof betont zugleich, dass „die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz durch eine Verwaltungsstelle oder eine gerichtsähnliche Behörde, die mit besonderen Mitteln und Fachpersonal ausgestattet ist, eine wesentliche Phase der mit dieser Richtlinie eingeführten gemeinsamen Verfahren ist.“ Der Umstand, dass der Unionsgesetzgeber sich in den Art. 14 und 34 RL 2013/32/EU nicht darauf beschränkt hat, eine Pflicht einzuführen, dem Antragsteller Gelegenheit zu einer persönlichen Anhörung zu geben, sondern für die Mitgliedstaaten überdies konkrete und detaillierte Regeln für die Durchführung dieser Anhörung aufgestellt hat, zeigt, dass der Unionsgesetzgeber nicht nur dem Abhalten der Anhörung als solcher grundlegende Bedeutung beimisst, sondern auch den Bedingungen, unter denen diese stattzufinden hat und deren Einhaltung als eine Voraussetzung für die Gültigkeit einer über den Asylantrag erlassenen Unzulässigkeitsentscheidung ansieht (so EuGH, Urteil vom 16.07.2020 - C-517/17 - Addis -, juris Rn. Rn. 66; BVerwG, Urteil vom 11.07.2018 - 1 C 18.17 -, juris Rn. 47). Erst Recht hat dies zu gelten, wenn eine Sachentscheidung über das Begehren auf Zuerkennung internationalen Schutzes ergeht.
45 
Der Beschleunigungsgrundsatz, der im behördlichen wie im gerichtlichen Asylverfahren gilt, steht einem Rechtsschutzinteresse für eine isolierte Anfechtungsklage bei fehlerhaft unterbliebener Anhörung im Rahmen des behördlichen Erstverfahrens nicht entgegen. In der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zwar eine umfassende Pflicht des Gerichts zur Herstellung der Spruchreife auch aus dem Interesse des Einzelnen wie der Allgemeinheit an einer beschleunigten Durchführung des Asylverfahrens hergeleitet worden (BVerwG, Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 -, juris Rn. 10 ff.). Diese Rechtsprechung ist indes unter dem Eindruck der - nicht zuletzt auch auf dem Einfluss des Unionsrecht beruhenden - Entwicklung des Asylverfahrensrechts und der Möglichkeiten der Asylbehörden zur Verfahrensbeschleunigung mehrfach, u.a. für die Zulässigkeitsentscheidungen nach § 29 AsylG, modifiziert worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 - 1 C 4.16 -, juris Rn. 20).
46 
Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine isolierte Anfechtungsklage besteht entgegen der Annahme der Beklagten auch im Falle von Asylsuchenden, die - wie die Kläger als Staatsangehörige des Kosovo (vgl. Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG) - aus sicheren Herkunftsstaaten stammen. Gemäß § 29a AsylG, der auf dem in Art. 16a Abs. 3 GG geregelten Konzept der sicheren Herkunftsstaaten beruht, besteht bei ihnen die gesetzliche, aber widerlegliche Vermutung für eine Verfolgungsfreiheit, die ein beschleunigtes Verfahren zur Folge hat. Auch im Rahmen des beschleunigten Verfahrens kommt der Anhörung indes grundlegende Bedeutung zu.
47 
Die Regelung in § 29a AsylG in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl. I S. 1939) stellt die Vermutung unter den Vorbehalt, dass der Antragsteller Tatsachen oder Beweismittel vorbringt, die die Annahme begründen, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht. Gelingt ihm ein solcher Vortrag, greift in seinem Einzelfall die Vermutung des § 29a AsylG nicht und über seinen Asylantrag ist nach den allgemeinen Vorschriften zu befinden. Gelingt es ihm nicht, die Vermutung zu widerlegen, verbleibt es bei der verfahrensrechtlichen Folgerung gemäß § 29a Abs. 1 AsylG; der Asylantrag ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen (vgl. BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1516/93 -, juris Rn. 96 zu § 29a AsylVfG a.F.; Hailbronner, Ausländerrecht, § 29a AsylG Rn. 25 ; Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 29a Rn. 97 ff. ; Marx, AsylG, 10. Aufl. 2019, § 29a Rn. 8, 22, 28; Fränkel in: NK-AuslR, 2. Aufl. 2016, AsylVfG § 29a Rn. 13).
48 
Der gesetzlichen Vermutung der Verfolgungsfreiheit liegt ein Gesamturteil des Gesetzgebers zugrunde, das aus einer Vielzahl von Faktoren in Bezug auf die Rechtslage, die Rechtsanwendung und die allgemeinen politischen Verhältnisse gebildet wird. Insoweit hat der Gesetzgeber für den als sicher festgestellten Herkunftsstaat eine Analyse und Beurteilung der allgemeinen Verhältnisse im Hinblick auf deren asylrechtliche Erheblichkeit abstrakt-generell in Form einer antizipierten Tatsachen- und Beweiswürdigung vorgenommen (Hailbronner, Ausländerrecht, § 29a AsylG Rn. 7 ; Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 29a Rn. 11 ). Zur Ausräumung der Vermutung im Einzelfall ist angesichts dessen nur ein Vorbringen zugelassen, das die Furcht vor Verfolgung oder vor einem ernsthaften Schaden auf ein individuelles Verfolgungsschicksal gründet, wobei es unschädlich ist, wenn dieses seine Wurzel in den allgemeinen politischen Verhältnissen hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.06.2015 - A 6 S 1259/14 -, juris Rn. 37; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.12.2016 - 3 LB 7/14 -, juris Rn. 69; Hailbronner, Ausländerrecht, § 29a AsylG Rn. 24 ; Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 29a Rn. 100 ; Marx, AsylG, 10. Aufl. 2019, § 29a Rn. 29; Bergmann in: Bergmann/Dienelt, 13. Aufl. 2020, AsylG § 29a Rn. 13). Für die ihnen drohende Verfolgung tragen Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten die Darlegungs- und materielle Beweislast und sind insoweit vorleistungspflichtig (Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 29a Rn. 109 ). Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei Asylsuchenden aus sicheren Herkunftsstaaten allein in Anknüpfung an ihre Herkunft unter erleichterten Bedingungen von einer Anhörung abgesehen werden könnte.
49 
Das Asylgesetz sieht eine solche Möglichkeit entgegen der Annahme der Beklagten nicht vor. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus § 25 AsylG. Diese Vorschrift ermöglicht in seinen Absätzen 4 und 5 eine Entscheidung ohne persönliche Anhörung, wenn ein Nichterscheinen des Asylsuchenden zum festgesetzten Anhörungstermin nicht genügend entschuldigt ist. Die Herkunft aus einem sicheren Herkunftsstaat ist dafür ohne Bedeutung. Sie spielt nur insoweit eine Rolle, als Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten, bei denen nach § 30a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 AsylG ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt wird, nach Absatz 3 dieser Vorschrift grundsätzlich in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen verpflichtet sind und daher von der Regelung in § 25 Abs. 4 AsylG erfasst werden. In Bezug auf die Verpflichtung des Bundesamts eine erneute persönliche Anhörung anzusetzen, wenn das Nichterscheinen des Asylsuchenden zum mitgeteilten Termin genügend entschuldigt worden ist, ergibt sich daraus indes kein Unterschied. Auch die in § 15 geregelten Mitwirkungspflichten postulieren für Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten keine gegenüber anderen Asylsuchenden erhöhten Anforderungen, sie räumen dem Bundesamt insbesondere nicht die Befugnis ein, über Asylanträge von Asylsuchenden aus sicheren Herkunftsstaaten ohne persönliche Anhörung zu entscheiden. Eine entsprechende Befugnis sieht das Asylgesetz auch sonst nicht vor.
50 
Die Möglichkeit, durch Darlegung eines individuellen Verfolgungsschicksals die Vermutung des § 29a AsylG zu erschüttern, ist Asylsuchenden aus sicheren Herkunftsstaaten vielmehr nach § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG im Rahmen einer persönlichen Anhörung zu gewähren (Marx, AsylG, 10. Aufl. 2019, § 29a Rn. 24). Eine solche ist - anders als es bei der Beklagten anklingt - nicht etwa deshalb entbehrlich, weil zur Widerlegung der Vermutung nach § 29a Abs. 1 AsylG auch Beweismittel vorlegt werden können. Denn deren Vorlage ist nicht zwingend (Funke-Kaiser in: GK-AsylG, § 29a Rn. 109 ). Nach Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (im Folgenden: QRL) - (ABl. L 337 S. 9) kann zur Begründung eines Antrags auf internationalen Schutz allein die Einlassung des Schutzsuchenden ausreichend sein; Nachweisen der Aussagen bedarf es nicht, wenn dieser sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu begründen, alle ihm verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen, und er eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben hat, festgestellt wurde, dass seine Aussagen kohärent und plausibel sind und sie zu den für seinen Fall relevanten, verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen, wenn er internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat (es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war) und schließlich auch seine generelle Glaubwürdigkeit festgestellt worden ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.11.2019 - A 11 S 2376/19 -, juris Rn. 57). Dies gilt auch dann, wenn Asylsuchende aus einem sicheren Herkunftsstaat internationalen Schutz begehren und zunächst die gesetzliche Vermutung des § 29a AsylG widerlegen müssen. Auch in diesem Fall ist es in besonderem Maße erforderlich, dass sie die Asylgründe auch mündlich darlegen können.
51 
Nichts anderes ergibt sich aus dem unionsrechtlichen Konzept des sicheren Herkunftsstaats in Art. 36 RL 2013/32/EU (vgl. Art. 23 Abs. 4 lit. c i) i.V.m. Art. 29 ff. RL 2005/85/EG). Nach dieser Regelung kann ein Drittstaat, der nach dieser Richtlinie als sicherer Herkunftsstaat bestimmt wurde, nach individueller Prüfung des Antrags nur dann als für einen bestimmten Antragsteller sicherer Herkunftsstaat betrachtet werden, wenn dieser keine schwerwiegenden Gründe dafür vorgebracht hat, dass der Staat in seinem speziellen Fall im Hinblick auf die Anerkennung als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU nicht als sicherer Herkunftsstaat zu betrachten ist. Die Festlegung der weiteren Regeln und Modalitäten für die Anwendung des Konzepts des sicheren Herkunftsstaats erfolgt gemäß Art. 36 Abs. 2 RL 2013/32/EU zwar durch die Mitgliedstaaten in den nationalen Rechtsvorschriften, die nach Art. 31 Abs. 8 lit b RL 2013/32/EU (vgl. Art. 23 Abs. 4 lit. c i) RL 2005/85/EG) hierfür insbesondere ein beschleunigtes Prüfungsverfahren vorsehen können. Vorgegeben ist aber auch in diesem Fall eine individuelle Prüfung, die grundsätzlich eine persönliche Anhörung voraussetzt. Soweit in Art. 34 RL 2013/32/EU für unzulässige Anträge im Sinne von Art. 33 RL 2013/32/EU im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung die Notwendigkeit einer Anhörung ausdrücklich geregelt wird, wird damit lediglich klargestellt, dass die Anhörung auch in diesem Stadium der Prüfung erforderlich ist. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass im beschleunigten Prüfungsverfahren bei Antragstellern aus sicheren Herkunftsstaaten, in denen eine Entscheidung in der Sache ergeht, mangels einer entsprechenden Regelung eine persönliche Anhörung nicht erforderlich wäre. Das beschleunigte Prüfungsverfahren hat nach Art. 31 Abs. 8 lit b RL 2013/32/EU im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien des Kapitel II zu erfolgen, zu denen insbesondere die in Art. 14 Abs. 1 RL 2013/32/EU (bzw. Art. 12 Abs. 1 RL 2005/85) statuierte Pflicht gehört, der Person, die internationalen Schutz beantragt, Gelegenheit zu einer persönlichen Anhörung zu geben, bevor eine Entscheidung über ihren Antrag getroffen wird. Dies gilt sowohl für Entscheidungen zur Zulässigkeit als auch in der Sache (vgl. EuGH, Urteil vom 16.07.2020 - C-517/17 - Addis -, juris Rn. 46 f.).
52 
Dem Rechtsschutzbedürfnis kann schließlich nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die Kläger mit ihrem Hilfsantrag lediglich die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG begehren. Dies trifft zum einen schon nicht zu. Denn sie begehren mit dem Hauptantrag die vollumfängliche Aufhebung des ablehnenden Bescheids des Bundesamtes vom 24.07.2017. Hat ihre Klage Erfolg, ist nach derzeitigem Stand in dem fortzusetzenden Asylverfahren über den Asylantrag insgesamt zu entscheiden, also auch über die Anerkennung als Asylberechtigte und die Zuerkennung von internationalem Schutz. Eine Einschränkung ist ihrem Klagebegehren insoweit nicht zu entnehmen. Zum anderen gelten die Vorschriften des Asylgesetzes über die persönliche Anhörung auch in Bezug auf nationale Abschiebungsverbote, wenn - wie hier - ein Asylantrag gestellt worden ist. Denn das Bundesamt hat nach § 24 Abs. 2 AsylG nach Stellung des Asylantrags auch hierüber zu entscheiden. Insoweit schreibt § 25 Abs. 2 AsylG ausdrücklich vor, dass der Ausländer alle sonstigen Tatsachen und Umstände anzugeben hat, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen.
53 
B. Die isolierte Anfechtungsklage ist auch begründet. Der Bescheid des Bundesamts 24.07.2017 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats rechtswidrig und verletzt die Kläger zu 1 bis 4 und 6 in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
54 
Der Bescheid ist rechtswidrig, weil er im schriftlichen Verfahren - ohne persönliche Anhörung der Kläger (zur Anhörungspflicht bei Minderjährigen vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 30.03.2020 - 2 LB 452/18 -, juris Rn. 22) - ergangen ist. Nach § 25 Abs. 5 AsylG kann bei einem Ausländer, der nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, eine Entscheidung nach Aktenlage, wie sie hier getroffen wurde, nur ergehen, wenn von der persönlichen Anhörung abgesehen werden darf, weil der Ausländer einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht gefolgt ist und wenn diesem Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats gegeben wurde. Im vorliegenden Fall waren die Kläger unstreitig schon im Zeitpunkt der ersten Ladung zur Anhörung nicht verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Nach der inneren Systematik der Vorschrift handelt es sich bei der Voraussetzung eines berechtigten Absehens von der persönlichen Anhörung wie auch bei der Verpflichtung zur Gewährung einer Stellungnahmemöglichkeit um materielle Tatbestandsvoraussetzungen und nicht um reine Verfahrensvorschriften, sodass dahingehende Rechtsanwendungsfehler geeignet sind, eine Verletzung der Rechte des Antragstellers zu begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.2019 - 1 C 46.18 -, juris Rn. 22; Sächsisches OVG, Urteil vom 25.05.2020 - 5 A 461/16.A -, juris Rn. 22).
55 
Ein solcher Rechtsanwendungsfehler liegt hier vor. Die Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Kläger zu 1 und 2 einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht gefolgt sind. Tatsächlich waren die Kläger zu 1 und 2 an dem für die persönliche Anhörung angesetzten Termin am 14.06.2017 aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, an einer Anhörung teilzunehmen, und haben sich auch rechtzeitig durch die Vorlage von ärztlichen Attesten entschuldigt. Dies wird von der Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogen.
56 
Die Aufhebung des Bescheids vom 24.07.2017 hat zur Folge, dass das Asylverfahren ab dem Zeitpunkt vor Eintritt des Fehlers erneut durchzuführen ist.
57 
Die Kostenentscheidung in dem nach § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahren folgt hinsichtlich der Klägerin zu 5 und des Klägers zu 6 nach Rücknahme der Klagen in der Berufungsinstanz aus § 155 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich der übrigen Kläger ergibt sich die Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO.
58 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Fall des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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