Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Mai 2019 - 1 K 9981/17 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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| Die Beklagte wendet sich im Berufungsverfahren gegen die erstinstanzliche Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Versammlungsverbotes. |
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| Die Klägerin, ein führendes Mitglied der Antifaschistischen Initiative Heidelberg, meldete am 31.01.2017 als verantwortliche Leiterin für den 08.04.2017 in Mannheim in der Zeit von 13.00 bis 18.00 Uhr einen Aufzug mit erwarteten 1.000 Teilnehmern unter dem Motto „Weg mit dem Verbot der PKK!“ an. |
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| Die Versammlungsbehörde der Beklagten führte am 21.03.2017 ein Kooperationsgespräch mit der Klägerin. Die Klägerin gab an, dass sich die Versammlungsteilnehmer aus Linken und Kurden zusammensetzten und der Aufruf zur Demonstration u.a. von Ciwanên Azad, einer kurdischen Jugendorganisation, unterstützt werde. Eine von der Behörde vorgeschlagene Durchführung als stationäre Kundgebung lehnte sie ab. U.a. wegen Baumaßnahmen einigten sich die Behörde und die Klägerin auf eine Alternativroute: Willy-Brandt-Platz (Auftaktkundgebung), Bismarckstraße, Schloss, verlängerte Breite Straße, Paradeplatz (Zwischenkundgebung), Erbprinzenstraße (P1/P2), Herschelplatz (Zwischenkundgebung), Kurpfalzkreisel, Kurpfalzbrücke, Alter Messplatz (Zwischenkundgebung), Kurpfalzstraße und -brücke, Kaiser-/Friedrichsring, Willy-Brandt-Platz (Abschlusskundgebung). |
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| Wenige Tage später veröffentlichte der Verein Ciwanên Azad – Ludwigshafen/Mannheim auf seiner Facebook-Seite ein Video zur Mobilisierung für die Versammlung mit dem Titel „08. April 2017 - 13 Uhr Demo Mannheim Hauptbahnhof: Staatsterrorismus stoppen! Weg mit dem Verbot der PKK!“. Das Video zeigt u.a. das Sprühen von Graffiti mit dem Schriftzug „PKK“, das nicht genehmigte Anbringen von Werbeplakaten für die angemeldete Versammlung sowie die Präsentation von Fahnen u.a. der Koma Civaken Kurdistan (KCK) und des Ciwanên Azad sowie mit dem Bildnis von Abdullah Öcalan durch vermummte Personen. Es nennt als Verantwortliche für die Versammlung am 08.04.2017 ein Demonstrationsbündnis u.a. der Antifaschistischen Initiative Heidelberg, der Interventionistischen Linken Rhein-Neckar, der Linksjugend Mannheim/Ludwigshafen sowie des Ciwanên Azad Ludwigshafen/Mannheim. Die Antifaschistische Initiative Heidelberg teilte das Video auf ihrer Facebook-Seite mit dem Zusatz: „Die Mobi läuft. Kommt am 8.4. zu unserer Demo Staatsterrorismus stoppen - Weg mit dem Verbot der PKK‘ Schulter an Schulter gegen Staat, Kapital und Faschismus“. |
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| Die Versammlungsbehörde nahm Zweifel, die ihr wegen des von ihrer bisherigen Praxis abweichenden Erlasses des Bundesministeriums des Innern vom 02.03.2017 zu einer Neubewertung der Kennzeichen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gekommen waren, zum Anlass für ein zweites Kooperationsgespräch am 31.03.2017. In diesem machte sie unter Bezug u.a. auf das veröffentlichte Video deutlich, dass von der Demonstration nach ihrer Einschätzung Gefahren für die öffentliche Sicherheit durch Verstöße gegen das vereinsrechtliche Verbot der Verwendung von Kennzeichen der PKK ausgingen. Nach eigener Schilderung erläuterte sie, dass die Versammlung (nur) stattfinden könne, wenn die Klägerin als Veranstalterin ein öffentliches Signal sende, auf die Verwendung insbesondere von Bildnissen Abdullah Öcalans zu verzichten, die Ordner entsprechend geschult würden, und sie darlege, wie sie auf Verstöße gegen das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot reagieren werde. Auf Vorhalt des Videos erwiderte die Klägerin, dass es nicht unüblich sei, dass im Vorfeld einer Demonstration (auch illegal) plakatiert werde. Auf die behördlicherseits vorgeschlagene Möglichkeit, die Versammlung stationär auf dem Willy-Brandt-Platz durchzuführen, sofern organisatorische Maßnahmen getroffen würden, um Verstöße gegen das Vereinsgesetz weitgehend zu verhindern, ging die Klägerin nicht ein. |
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| Mit Verfügung vom 04.04.2017 verbot der Fachbereich Sicherheit und Ordnung der Stadt Mannheim die angemeldete Versammlung am 08.04.2017 in der Mannheimer Innenstadt in der Zeit von 13.00 bis 18.00 Uhr (Ziffer 1), jede Form einer Ersatzveranstaltung am 08.04.2017 auf dem Gebiet der Stadt Mannheim (Ziffer 2) und ordnete die sofortige Vollziehung der Verbote an (Ziffer 3). Zur Begründung führte die Behörde, gestützt auf § 15 Abs. 1 VersG, an, dass aufgrund des Gesamtgepräges der Versammlung, namentlich des Themas, des Teilnehmerkreises und spezifischer Vorfeldaktivitäten, des gewählten Zeitpunkts, der geplanten Aufzugstrecke, einer geänderten Erlasslage und des Verhaltens der Veranstalterin im Vorfeld tatsächliche Anhaltspunkte für eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vorlägen. Eine Störung der öffentlichen Sicherheit sei durch Straftaten einer nicht nur unbedeutenden Minderheit der Versammlungsteilnehmer, namentlich Gewaltdelikte und Verstöße gegen das Vereinsgesetz, zu besorgen. |
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| Gewalttätige Auseinandersetzungen seien zu befürchten, da zu den Teilnehmern nach polizeilichen Erfahrungswerten u.a. etwa 200 Personen aus dem Kreis der gewaltbereiten kurdischen Jugendgruppen gehörten. Dass insbesondere bei der Jugendorganisation der PKK weiterhin eine Neigung zur Gewaltausübung vorhanden sei, belegten verschiedene Vorgänge, wie etwa die gewalttätigen Ausschreitungen anlässlich des Kurdischen Jugendmarsches und des Kurdischen Kulturfestivals in Mannheim am 07./08.09.2012, die handgreiflichen Auseinandersetzungen mit türkischen Jugendlichen anlässlich einer Demonstration am 11.05.2011 in Ludwigshafen, der Versuch einer unangemeldeten Gegenkundgebung und eine körperliche Auseinandersetzung im Anschluss an eine Kundgebung des Türkischen Landesverbandes Rheinland-Pfalz e.V. sowie Provokationen durch Türken am 12.09.2015, ein Handgemenge in der Folge von Provokationen durch Passanten bei einer kurdischen Kundgebung vor dem Mannheimer Hauptbahnhof am 19.01.2016, eine Körperverletzung nach einer negativen Bemerkung zur PKK anlässlich einer Spontankundgebung auf dem Marktplatz im Anschluss an eine Kundgebung des Kurdischen Kulturvereins Ludwigshafen/Mannheim am 08.02.2016, ein nicht genehmigter Aufzug des Ciwanên Azad Ludwigshafen/Mannheim am 21.05.2016, eine Auseinandersetzung mit Kurden im Anschluss an eine Demonstration von Türken am 24.07.2016, eine gefährliche Körperverletzung gegen zwei Türken im Verlauf eines kurdischen Demonstrationszuges am 17.08.2016, eine Körperverletzung und das Zünden von Pyrotechnik im Rahmen des Aufzugs des Kurdischen Gemeinschaftszentrums Ludwigshafen am 04.11.2016, das unerlaubte Zünden von Pyrotechnik beim Aufzug des Sozialistischen Frauenbundes am 09.11.2016 und verschiedene körperliche Auseinandersetzungen mit türkischen Gruppen anlässlich des von einer PKK-Jugendorganisation initiierten „Langen Marsches“ von Mannheim nach Straßburg ab dem 05.02.2017. |
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| Gefahrerhöhend wirke der Zeitpunkt der Versammlung in der heißen Wahlkampfphase des Verfassungsreferendums zur Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei, während der die Spaltung innerhalb der türkisch-kurdischen Gemeinschaft in Deutschland besonders ausgeprägt sei. Bei einem Aufeinandertreffen beider Lager, welches bei einem Aufzug durch die Mannheimer Innenstadt wahrscheinlich sei, könne die aufgeheizte Stimmungslage aufgrund des teilweise gewaltbereiten Teilnehmerkreises mit überwiegender Wahrscheinlichkeit spontane Gewalttaten auslösen. |
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| Eine erhöhte Gefahrenlage ergäbe sich des Weiteren daraus, dass die Versammlung als Aufzug durchgeführt werden solle und deshalb für die Ordner und die Polizei schwerer unter Kontrolle zu halten sei. Die Polizei könne bei einer nur stationären Veranstaltung effektiver reagieren und etwaige Störer identifizieren. Bei der beabsichtigten Aufzugstrecke durch die Mannheimer Innenstadt komme hinzu, dass es sich um besonders enge Straßenzüge handele, die eine permanente polizeiliche Absicherung unmöglich machten. |
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| Daneben bestehe die unmittelbare Gefahr, dass durch das Zeigen verbotener PKK-Symbole gegen § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG verstoßen werde. Insbesondere sei zu befürchten, dass das durch den Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 02.03.2017 dem Kennzeichenverbot unterfallende Bild Abdullah Öcalans gezeigt werde. Das Video, mit dem auf der Facebook-Seite des Ciwanên Azadi – Mannheim/Ludwigshafen für die Versammlung am 08.04.2017 mobilisiert werde, zeige zahlreiche Straftaten; u.a. seien verbotene Kennzeichen der PKK zu sehen. Dies belege, dass bei den beteiligten Personen, die mit großer Wahrscheinlichkeit an der Versammlung teilnehmen würden, die persönliche Interessenlage (affirmative Bezugnahme zur PKK) über der Einhaltung von Strafrechtsnormen stehe. |
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| Die Veranstalterin habe keine hinreichenden Maßnahmen getroffen, um die Begehung von Straftaten während der angemeldeten Demonstration zu verhindern. Sie habe sich nicht öffentlichkeitswirksam von Straftaten distanziert. Vielmehr habe sie mögliche Gefahren bagatellisiert oder negiert. |
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| Das Versammlungsverbot sei schließlich verhältnismäßig. Im Falle einer ortsfesten Versammlung wäre zwar die Gefahr gewalttätiger Zusammenstöße aufgrund der polizeilichen Beherrschbarkeit der Lage zu verneinen, es bestünde indes gleichwohl die unmittelbare Gefahr des massierten Zeigens verbotener Kennzeichen. Der Erlass von Auflagen in Form einer Beschränkung der Versammlung auf eine Kundgebung und der Untersagung einer Verwendung von verbotenen Symbolen als milderes Mittel komme (noch) nicht in Betracht. Es sei (noch) nicht hinreichend sicher, dass entsprechende Auflagen ebenso geeignet wären. Denn es sei zweifelhaft, ob sie überhaupt Beachtung finden würden. Die Klägerin habe im zweiten Kooperationsgespräch die aufgezeigten Alternativen abgelehnt. Eine ortsfeste Versammlung auf dem Willy-Brandt-Platz könne jedoch stattfinden, falls die Klägerin noch rechtzeitig nachweisliche organisatorische Vorkehrungen treffe, um Verstöße gegen das Vereinsgesetz durch die Verwendung verbotener Kennzeichen weitgehend zu verhindern. Für diesen Fall würde die Behörde einen gesonderten Bescheid erlassen. |
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| Die Klägerin hat am 21.07.2017 Klage mit dem Ziel erhoben, festzustellen, dass die Verfügung vom 04.04.2017 rechtswidrig war. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vorgelegen hätten. Die polizeiliche Gefahrenprognose sei nicht nachvollziehbar. Die im ersten Kooperationsgespräch erzielten Ergebnisse seien von der Beklagten ohne ersichtlichen Grund annulliert worden. Die Begründung des Versammlungsverbots behaupte abstrakt ein Aggressionspotenzial bestimmter Personenkreise, lege ein solches aber für die Gruppen, die zu der Versammlung aufgerufen hätten, und die Klägerin als Leiterin, die in der Vergangenheit mehrfach Demonstrationen durchgeführt habe, ohne dass es zu Ausschreitungen gekommen sei, nicht dar. Die pauschale Annahme der Gewaltbereitschaft junger Kurden spreche diesen in diskriminierender Weise das Versammlungsrecht ab. Die beispielhaft angeführten Vorfälle seien nicht geeignet, eine Gewaltbereitschaft der Teilnehmer zu belegen, da sie durch Provokationen türkischer Nationalisten ausgelöst worden seien. Hypothetische Provokationen durch Dritte rechtfertigten indes keine Einschränkungen des Versammlungsrechts. Die Wahl des Datums sei von dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit umfasst, die Veranstaltung auch im Hinblick auf ein aktuelles Thema – hier in Gestalt des Referendums in der Türkei – durchführen zu können. Die (geänderte) Aufzugstrecke könne nicht als Begründung für das Versammlungsverbot herangezogen werden, da sie das Ergebnis einer Absprache der Klägerin und der Beklagten gewesen sei. Der Veranstalter einer Versammlung sei für ein Video, das lediglich auf dem Facebook-Account einer einzelnen Gruppe veröffentlicht worden sei, nicht verantwortlich. Die behördliche Schlussfolgerung, dass auch auf der Versammlung am 08.04.2017 verbotene Symbole der PKK gezeigt würden, erschöpfe sich angesichts der Breite des aufrufenden Bündnisses und der Kooperationsbereitschaft der Anmelderin in einer pauschalen Vermutung. Die Versammlung weise keinen für die PKK werbenden Charakter auf, sondern wende sich gegen die Verfolgung der Kurden durch die türkische Regierung. Die vereinsrechtlichen Vorgaben, insbesondere das verschärfte Symbolverbot, seien ihr bekannt gewesen. Die geforderten organisatorischen Vorkehrungen, um Verstöße gegen das Vereinsgesetz zu verhindern, seien jedoch diffus geblieben und nicht hinreichend konkretisiert worden. Ungeachtet dessen seien mehrsprachige Ordner vorgesehen gewesen, die bei Verstößen gegen das Vereinsverbot einschreiten und für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Demonstration sorgen sollten. Gesetzesverstöße Einzelner rechtfertigten schließlich kein unverhältnismäßiges Versammlungsverbot. Rechtswidrig habe es die Versammlungsbehörde jedenfalls unterlassen, vorrangige Auflagen zu prüfen. |
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| Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 27.05.2019 festgestellt, dass Ziffer 1 der Verfügung der Stadt Mannheim vom 04.04.2017 rechtwidrig war. Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersG erfüllt gewesen seien, das ausgesprochene Verbot der Versammlung sich jedoch als ermessensfehlerhaft, da unverhältnismäßig darstelle. |
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| Das Thema und der Teilnehmerkreis habe in Verbindung mit einzelnen der von der Beklagten angeführten gewalttätigen Auseinandersetzungen bei vergleichbaren Vorgängerversammlungen eine Gewaltbereitschaft von geringem Umfang indiziert. Eine hinreichende Vergleichbarkeit wiesen die Veranstaltungen am 09.01.2016, 08.02.2016, 17.08.2016, 04.11.2016, 09.11.2016 und der sogenannte Kurdenmarsch im Zeitraum vom 05.02.2017 bis 09.02.2017 auf. Aus ihrem Verlauf habe gefolgert werden dürfen, dass sich die Teilnehmer der angemeldeten Versammlung von Außenstehenden provozieren lassen und es in der Folge zu handgreiflichen Auseinandersetzungen bis hin zu vereinzelten gefährlichen Körperverletzungen kommen könnte. Gefahrerhöhend seien die Ausgestaltung als Aufzug, der Streckenverlauf und der Zeitpunkt der Versammlung zu würdigen gewesen. Ein Aufzug sei von Polizeikräften grundsätzlich schwerer als eine ortsfeste Versammlung unter Kontrolle zu halten. Zudem führte die geplante Aufzugstrecke durch enge Straßenzüge der Mannheimer Innenstadt, namentlich die Erbprinzenstraße, was eine polizeiliche Absicherung weiter erschwert hätte. Das Datum der Versammlung am 08.04.2017 im Vorfeld des Verfassungsreferendums in der Türkei am 16.04.2017 und im Nachgang zu dem Geburtstag Abdullah Öcalans am 04.04.2017 sei geeignet gewesen, die stark politisierte und emotionalisierte Stimmungslage aufzuheizen, so dass bei einem Aufeinandertreffen der verschiedenen Lager mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit verbalen Provokationen bis hin zu tätlichen Auseinandersetzungen zu rechnen gewesen wäre. Die Klägerin habe trotz der behördlich festgestellten Anhaltspunkte für die Gefahr gewalttätiger Auseinandersetzungen keine Signale gesendet, sich von der Anwendung von Gewalt zu distanzieren. |
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| Die Behörde habe des Weiteren von der unmittelbaren Gefahr ausgehen dürfen, dass während des Aufzuges unter Verletzung vereinsrechtlicher Vorschriften Kennzeichen der verbotenen PKK gezeigt würden, unter die nach dem Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 02.03.2017 auch der für die PKK werbende Einsatz des Bildnisses von Abdullah Öcalan falle. Indizien hierfür lieferten das Thema und der Teilnehmerkreis der Versammlung sowie der Verlauf vergleichbarer Vorgängerversammlungen. Diese Indizwirkung habe sich aufgrund weiterer Umstände zu einer konkreten Gefahrenlage verdichtet. So zeige das von dem Verein Ciwanên Azad mit konkretem Bezug zu der angemeldeten Versammlung veröffentlichte Video verbotene Symbole der PKK, darunter auch zwei Fahnen mit dem Bildnis Abdullah Öcalans. |
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| Mit dem Verbot der Versammlung habe die Beklagte jedoch die Grenzen ihres Ermessens überschritten. Denn die Beeinträchtigungen der Grundrechte der Teilnehmer aus Art. 8 GG stünden außer Verhältnis zu dem verfolgten Zweck der Gefahrenabwehr. Der Gefahr gewalttätiger Zusammenstöße hätte durch den Erlass einer Auflage wirksam begegnet werden können, welche die Versammlung auf eine stationäre Kundgebung beschränkte; denn nach den behördlichen Darlegungen wäre die Gefahr gewalttätiger Zusammenstöße bei einer ortsfesten Kundgebung polizeilich beherrschbar gewesen. Die Vorrangigkeit einer solchen Auflage sei auch nicht entfallen, weil die Klägerin eine ortsfeste Versammlung in den Kooperationsgesprächen abgelehnt habe. Denn die Teilnahme an Kooperationsgesprächen stehe den Beteiligten frei. Beschränkungen der Versammlungsfreiheit könnten daher nicht mit einer mangelnden Mitwirkung begründet werden. Die Verpflichtung der Versammlungsbehörde, gegenüber einem Verbot mildere Auflagen zu erlassen, bestehe fort. |
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| Auch die Gefahr, dass verbotene Kennzeichen der PKK gezeigt werden, hätte durch Auflagen abgewandt werden können. Der Eignung einer solchen Auflage stehe nicht entgegen, dass das Tragen der Symbole der PKK bereits kraft Gesetzes verboten sei. Denn durch die Aufnahme einer auf das Kennzeichenverbot rekurrierenden Auflage, welche ausdrücklich auf die bei der streitgegenständlichen Versammlung konkret zu erwartenden Symbole abstelle, würden sowohl der Veranstalter, die Ordner als auch die Teilnehmer der Versammlung noch einmal besonders auf die entsprechende Gefahrenlage hingewiesen und zur Einhaltung der Vorschriften des Vereinsgesetzes angehalten. |
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| Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 28.07.2020 - 1 S 2581/19 - die Berufung gegen das Urteil zugelassen. |
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| Die Beklagte führt zur Begründung ihrer Berufung an: Der Erlass von Auflagen sei nicht in Betracht gekommen. Die Klägerin habe einen Aufzug angemeldet. Mit diesem Inhalt habe sie den Gegenstand des weiteren Verwaltungsverfahrens bestimmt. Die Anzeige einer Versammlung sei dabei der Antragstellung bei einer Behörde vergleichbar. Ohne einen entsprechenden Antrag dürfe eine Behörde jedoch nicht tätig werden. Mit der Beschränkung der Versammlung auf eine örtliche Kundgebung wäre der Klägerin danach etwas aufgezwungen worden, was sie nicht wollte. Denn in den Kooperationsgesprächen habe sie mehrfach eine Durchführung als stationäre Kundgebung kategorisch abgelehnt. Ein entsprechender Auflagenbescheid wäre daher ins Leere gelaufen. Zudem spreche die Rechtssicherheit gegen die Ansicht des Verwaltungsgerichts, da nicht klar wäre, ob die Versammlung tatsächlich stattfinde. Die organisatorischen Vorkehrungen der Behörden für eine derart große Versammlung unter freiem Himmel seien jedoch enorm. Eine Auflage sei auch nicht geeignet, um der Gefahr zu begegnen, dass verbotene Kennzeichen der PKK gezeigt würden; denn dies sei bereits von Gesetzes wegen verboten. Zudem sei äußerst zweifelhaft, ob eine solche Auflage Beachtung gefunden hätte. Die Klägerin habe nicht dargelegt, wie sie vereinsrechtliche Verstöße verhindern und gegen solche vorgehen wollte. Schließlich gehe die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs davon aus, dass eine Versammlung verboten werden könne, wenn die konkrete Gefahr bestehe, dass Kennzeichen der verbotenen PKK gezeigt würden. |
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| das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27.05.2019 - 1 K 9981/17 - abzuändern und die Klage abzuweisen. |
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| die Berufung zurückzuweisen. |
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| Sie erwidert: Die von dem Verwaltungsgericht als milderes Mittel angesehene Auflage, die Versammlung als ortsfeste Kundgebung durchzuführen, entspreche dem Vorschlag der Beklagten in den Kooperationsgesprächen. Sie wäre daher behördlicherseits vor Erlass einer Verbotsverfügung zu prüfen gewesen. Der Anmelder einer Versammlung sei grundsätzlich mit keiner Einschränkung durch eine Auflage einverstanden. Die Anzeige einer Versammlung sei nicht mit einer behördlichen Antragstellung zu vergleichen. Auflagen seien immer „aufgedrängt“. Dies enthebe die Versammlungsbehörde jedoch nicht von ihrer aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Verpflichtung, mildere Mittel gegenüber einem Verbot zu prüfen. Der von der Beklagten angeführte Ressourceneinsatz führe nicht weiter; denn die Möglichkeit, dass eine Versammlung doch nicht stattfinde, bestehe immer. Schließlich verliere der Anmelder einer Versammlung, der sich im Rahmen eines Kooperationsgespräches mit einer Einschränkung einverstanden erkläre, die Möglichkeit, eine entsprechende Auflage erfolgversprechend gerichtlich anfechten zu können. Für die Annahme, dass auf der Versammlung verbotene Symbole der PKK gezeigt worden wären, habe die Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte geliefert. Überdies verkenne die Beklagte, dass die Auflage, gegenüber konkreten vereinsrechtlichen Verstößen einzuschreiten, über eine die Rechtslage wiederholende Auflage, verbotene Kennzeichen nicht zu zeigen, hinausgehe. |
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| Der Senat hat Beweis erhoben durch die Inaugenscheinnahme des Mobilisierungsvideos des Ciwanên Azad – Ludwigshafen/Mannheim für die Versammlung am 08.04.2017. Die Klägerin und der in den Kooperationsgesprächen anwesende Beklagten-Vertreter sind in der mündlichen Verhandlung angehört worden; wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift (SN) Bezug genommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte, die Verfahrensakte des Verwaltungsgerichts - 1 K 9981/17 - und den beigezogenen Verwaltungsvorgang (VV) der Beklagten verwiesen. |
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| Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.). |
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| I. Die Klage ist zulässig. |
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| 1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (st. Rspr.; vgl. Senat, Urt. v. 27.01.2015 - 1 S 257/13 -, juris Rn. 23; BVerwG, Urt. v. 24.11.2010 - 6 C 16.09 -, juris Rn. 26), nachdem sich das angefochtene Versammlungsverbot vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat. |
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| 2. Die Klägerin hat als Anmelderin und Leiterin der Versammlung ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ziffer 1 der Verfügung vom 04.04.2017. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) hat. Hier kann die Klägerin ein berechtigtes Feststellungsinteresse auf die grundgesetzliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) stützen. |
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| Das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) verlangt, ein berechtigtes Feststellungsinteresse über die einfach-rechtlichen Konkretisierungen hinaus anzuerkennen, wenn ein tiefgreifender Eingriff in die Grundrechte sich typischerweise so kurzfristig erledigt, dass gerichtlicher Rechtsschutz in einem Hauptsachverfahren regelmäßig nicht erlangt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urt. v. 14.04.2005 - 1 S 2362/04 -, juris Rn. 25; Urt. v. 18.11.2021 - 1 S 803/19 -, juris Rn. 33; BVerwG, Beschl. v. 20.12.2017 - 6 B 14.17 -, juris Rn. 13; Beschl. v. 25.06.2019 - 6 B 154.18 u.a. -, juris Rn. 5; Urt. v. 12.11.2020 - 2 C 5.19 -, juris Rn. 15). Verfassungsrecht gebietet, eine drohende Rechtsschutzlücke zu schließen, wenn es sich bei der angegriffenen Maßnahme um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff handelt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 -, juris Rn. 25 f.; Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris Rn. 28, 36; Beschl. v. 04.02.2005 - 2 BvR 308/04 -, juris Rn. 19; BVerwG, Beschl. v. 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, juris Rn. 9; Beschl. v. 20.12.2017 - 6 B 14.17 -, juris Rn. 13; s.a. SächsOVG, Beschl. v. 17.11.2015 - 3 A 440/15 -, juris Rn. 8; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 27.03.2014 - 7 A 11202/13 -, juris, Rn. 26). |
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| Diese Voraussetzungen werden hier von dem mit der Verfügung der Beklagten vom 04.04.2017 angeordneten Verbot der Versammlung am 08.04.2017, welches schwerwiegend in die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) eingreift und typischerweise nur von so kurzer Dauer ist, dass gerichtlicher Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren nicht rechtzeitig erreicht werden kann, ohne Weiteres erfüllt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris Rn. 37; OVG NRW, Beschl. v. 19.03.2018 - 15 A 943/17 -, juris Rn. 11). |
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| II. Die Klage ist unbegründet. Das Versammlungsverbot in Ziffer 1 des Bescheides das Fachbereichs Sicherheit und Ordnung der Stadt Mannheim vom 04.04.2017 war rechtmäßig und verletzte die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
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| Rechtsgrundlage des angefochtenen Versammlungsverbotes ist § 15 Abs. 1 VersG. Danach kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. |
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| Diese Voraussetzungen lagen hier im maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung vor. Die Beklagte hat zu Recht eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bei Durchführung der Versammlung am 08.04.2017 angenommen (1.), durfte die Versammlung als Störerin ansehen (2.) und hat bei der Entscheidung für ein Verbot ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt (3.). |
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| a) Die öffentliche Sicherheit umfasst den Schutz gewichtiger Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen (vgl. Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 5; BVerwG, Urt. v. 25.06.2008 - 6 C 21.07 -, juris Rn. 13; BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 -, juris Rn. 77). Eine unmittelbare Gefährdung ist bei einer Sachlage gegeben, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit führt (vgl. Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 6; BVerwG, Urt. v. 25.06.2008 - 6 C 21.07 -, juris Rn. 14). Mit Blick auf die grundlegende Bedeutung der verfassungsrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) sind keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen (vgl. Senat, Urt. v. 06.11.2013 - 1 S 1640/12 -, juris Rn. 49; Beschl. v. 16.05.2020 - 1 S 1541/20 -, juris Rn. 3; BVerwG, Beschl. v. 24.08.2020 - 6 B 18.20 -, juris Rn. 6; BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17). Dies setzt konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte voraus; bloße Vermutungen genügen nicht (vgl. Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 6; BVerwG, Beschl. v. 24.08.2020 - 6 B 18.20 -, juris Rn. 6; BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17). |
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| Für die Gefahrenprognose können Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen als Indizien herangezogen werden, soweit sie bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen (vgl. Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 7; BVerfG, Beschl. v. 12.05.2010 - 1 BvR 2636/04 -, juris, Rn. 17; Beschl. v. 21.11.2020 - 1 BvQ 135/20 -, juris Rn. 11; OVG NRW, Beschl. v. 24.05.2020 - 15 B 755/20 -, juris Rn. 9; BayVGH, Beschl. v. 14.05.2021 - 10 CS 21.1385 -, juris Rn. 18). Haben sich bei Veranstaltungen an anderen Orten mit anderen Beteiligten Gefahren verwirklicht, so müssen besondere, von der Behörde bezeichnete Umstände die Annahme rechtfertigen, dass ihre Verwirklichung ebenfalls bei der nunmehr geplanten Versammlung zu befürchten sei (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.09.2009 - 1 BvR 2147/09 -, juris, Rn. 13). |
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| Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflage liegt bei der Behörde (vgl. Senat, Beschl. v. 16.04.2021 - 1 S 1304/21 -, juris Rn. 10; BVerwG, Beschl. v. 05.03.2020 - 6 B 1.20 -, juris Rn. 11; BVerfG, v. 12.05.2010 - 1 BvR 2636/04 -, juris Rn. 17; v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17; Beschl. v. 11.09.2015 - 1 BvR 2211/15 -, juris Rn. 3). |
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| b) Gemessen an diesen Anforderungen durfte die Beklagte davon ausgehen, dass bei Durchführung der Versammlung am 08.04.2017 eine unmittelbare Gefährdung von Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit drohte, da mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (aa) und nach dem Vereinsgesetz (bb) zu rechnen war. |
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| aa) Bei der gebotenen Würdigung der Gesamtumstände, namentlich des Themas und des Teilnehmerkreises (aaa) sowie des Zeitpunktes (bbb) der Versammlung, vergleichbarer Versammlungen im Vorfeld (ccc) und der geplanten Aufzugstrecke (ddd), drohten bei der angemeldeten Versammlung gewalttätige Ausschreitungen durch einzelne Teilnehmer sowie Dritte unter Begehung von Straftaten gemäß § 113 Abs. 1, § 125 Abs. 1 und §§ 223 ff. StGB. Das von der Klägerin gerügte Versäumnis der Behörde, diese Sachverhalte in den Kooperationsgesprächen (vollständig) mitzuteilen, stellt die Gefahrenprognose tatbestandlich nicht in Frage (eee). |
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| aaa) Das Thema der Versammlung „Weg mit dem Verbot der PKK!“ sprach mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Teilnahme von Personen aus dem Unterstützerumfeld der PKK. |
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| Nachweislich erfuhr die Versammlung Unterstützung durch einen Aufruf des Ciwanên Azad, der von 2013 bis 2018 existierenden europäischen Dachorganisation der PKK-Jugendorganisation Komalên Ciwan (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Arbeiterpartei Kurdistans, 2019 - im Folgenden: BfV, PKK -, S. 14 mit Fn. 4). Die Entwicklungen in Syrien, im Irak und insbesondere in der Türkei hatten sich auf das Aktionsverhalten der PKK-Jugendorganisation ausgewirkt (vgl. zum Folgenden Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2016, S. 224 f.). Im Jahr 2016 gab es eine Vielzahl von öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie Besetzungen von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, Parteibüros, Flughafengebäuden oder Bahnhöfen. Insbesondere bei Demonstrationen verhinderten eingesetzte Polizeibeamte mehrmals schwere gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen kurdisch- und türkischstämmigen Jugendlichen. In einigen Fällen gab es dennoch massive gewalttätige Konflikte. |
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| Für die in der Begründung der angefochtenen Verbotsverfügung angeführten polizeilichen Erfahrungswerte, wonach mit der Teilnahme von etwa 200 Personen aus diesem Kreis der gewaltgeneigten kurdischen Jugendgruppen an der Versammlung am 08.04.2017 gerechnet wurde, hat die Beklagte indes auf wiederholte gerichtliche Nachfragen weder im erstinstanzlichen Verfahren (vgl. VG-Urteil, S. 22) noch im Berufungsverfahren (vgl. Schriftsatz v. 15.03.2022 und S. 2 SN) einen konkreten und gerichtlich nachprüfbaren Beleg erbracht. |
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| Jedoch hatte sich das Aggressionspotenzial einzelner Gruppen junger Kurden in Mannheim bereits zuvor wiederholt gezeigt. So konnten Polizeikräfte im Nachgang zu einer Kundgebung des Türkischen Landesverbandes Rheinland-Pfalz e.V. am 12.09.2015 eine durch lautstarke Provokationen von Türken vor dem Caffee 2000, einem bekannten kurdischen Treffpunkt, ausgelöste körperliche Auseinandersetzung nur durch Einsatz von starken Kräften und Pfefferspray beenden (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 02.04.2019 [sic!], Bl. 307 ff. VG-Streitakte). Die Neigung zu gewalttätigen Handlungen belegt schließlich eine Auseinandersetzung junger Kurden mit abwandernden Teilnehmern einer „Anti-Terror-Demonstration“ von Türken am 24.07.2016, die nur durch den schnellen Einsatz starker Interventionskräfte beendet werden konnte; im Nachgang konnte die Polizei einen Facebook-Post der „Bahoz Mannheim“, einer kurdischen Jugendgang, feststellen, mit dem zu einem „Showdown auf der Straße“ aufgerufen worden war (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 24.07.2016, Bl. 327 ff. VG-Streitakte). |
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| bbb) Die verschärfte Sicherheitslage in der Türkei hatte die Spannungen zwischen der Anhängerschaft der PKK und den Türkischstämmigen im Bundesgebiet verschärft. Zahlreiche Kundgebungen kurdischer Organisationen im gesamten Bundesgebiet, die von türkischer Seite teilweise als Provokation verstanden wurden, brachten die Gefahr von gewalttätigen Auseinandersetzungen mit sich. Die Durchführung der Versammlung am 08.04.2017 hätte diese Gefahr mit hoher Wahrscheinlichkeit erheblich erhöht. Das Datum der Versammlung im Vorfeld des Referendums zur Änderung der Verfassung der Republik Türkei, welches in der Türkei am 16.04.2017 stattfand und für das die im Bundesgebiet lebenden türkischen Staatsangehörigen im Zeitraum vom 27.03.2017 bis 09.04.2017 abstimmen konnten, sowie im unmittelbaren Nachgang zu dem Geburtstag Abdullah Öcalans am 4. April war aufgrund der hiermit verbundenen stärkeren Politisierung und Emotionalisierung des gesellschaftlichen Klimas in der kurdischen und türkischen Gemeinschaft im Bundesgebiet geeignet, die Hemmschwelle für Gewalttätigkeiten in einem Maße weiter zu senken, dass bei einem Aufeinandertreffen verfeindeter kurdischer und türkischer Gruppen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Provokationen und im weiteren Verlauf mit tätlichen Auseinandersetzungen zu rechnen gewesen wäre. |
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| ccc) Diese Gefahr hatte sich im Vorfeld bei vergleichbaren Versammlungen bereits realisiert. Als Beleg für Provokationen zwischen kurdischen und türkischen Gruppen, die zu körperlichen Auseinandersetzungen Einzelner führten, durfte die Beklagte jedenfalls die folgenden – jeweils durch die zugehörigen polizeilichen Einsatzberichte dokumentierten – Versammlungen berücksichtigen, die aufgrund ihrer zeitlichen Nähe, ihres Themas, ihres Teilnehmerkreises und ihres Veranstaltungsortes (noch) als vergleichbar angesehen werden konnten: |
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| (1) Bei der am 09.01.2016 durchgeführten Kundgebung des Kurdischen Kulturvereins Ludwigshafen zum Thema „Kriegspolitik der AKP Regierung in der Stadt Nusaybin, Terror des Islamischen Staates, Freilassung v. A. Öcalan und Aufhebung des PKK Verbots“ auf dem Willy-Brandt-Platz mit etwa 100 Teilnehmern (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 20.01.2016, Bl. 313 f. VG-Streitakte) kam es infolge einer Provokation durch zwei Passanten zu einem Handgemenge zwischen den Passanten, den Ordnern und den Kundgebungsteilnehmern. Durch sofortiges Einschreiten der Polizei konnte die Situation bereinigt werden. |
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| (2)Am 08.02.2016 ereignete sich anlässlich einer Kundgebung des Kurdischen Kulturvereins Ludwigshafen zum Thema „Thematisierung der aktuellen Geschehnisse in Kurdistan“ auf dem Willy-Brandt-Platz mit etwa 150 - 200 Teilnehmern (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 08.02.2016, Bl. 317 f. VG-Streitakte) eine kleine Rangelei zwischen einem Ordner und einem türkischen Passanten. Bei einem Teilnehmer wurde ein Teleskop-Schlagstock aufgefunden. Im Anschluss an die Kundgebung kam es zu einem Körperverletzungsdelikt zwischen zwei Jugendlichen anlässlich einer negativen Bemerkung über die PKK. |
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| (3) Am 21.05.2016 fand nach der Absage einer von dem Kurdischen Kulturverein Ludwigshafen angemeldeten „Gedenkdemo für die gefallenen Völker in Rojava und Kurdistan“ in Mannheim ein spontaner Aufzug statt, für den der Ciwanên Azad trotz der Absage der ursprünglich geplanten Kundgebung mobilisiert hatte (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 21.05.2016, Bl. 321 ff. VG-Streitakte). Vom Paradeplatz zogen etwa 50 bis 70 Personen durch die Fußgängerzone in Richtung Wasserturm und erhielten aus den Seitenstraßen Zulauf durch weitere 30 bis 50 Personen. Die Polizei schritt ein, löste die Versammlung auf und begleitete die Gruppe zum Hauptbahnhof; hierbei wurden Strafanzeigen wegen Landfriedensbruchs in vier Fällen und wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz in einem Fall aufgenommen. Die Vorfälle belegen das (spontane) Mobilisierungspotential des Ciwanên Azad in Mannheim, die Bereitschaft, sich hierbei auch über Absprachen hinwegzusetzen und bei einem polizeilichen Einschreiten Straftaten zu begehen. |
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| (4) Bei dem am 17.08.2016 von dem Kurdischen Gemeinschaftszentrum Ludwigshafen durchgeführten Aufzug zu dem Thema „Hinweis auf den Gesundheitszustand von Abdullah Öcalan“ in Mannheim mit 110 bis 200 Teilnehmern (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 17.08.2016, Bl. 333 ff. VG-Streitakte) wurden die Teilnehmer massiv von Passanten in türkischer Sprache beleidigt und durch Zeigen des sogenannten Wolfsgrußes – einem Erkennungs- und Grußzeichen der Grauen Wölfe, einer rechtsextremen, nationalistischen Gruppierung in der Türkei – provoziert. Nur durch sofortiges Einschreiten der Polizeikräfte konnte ein Zusammentreffen der Gruppen verhindert werden. Aus der Aufzugsmenge wurden zwei PET-Flaschen auf die Provokateure geworfen. Kurz vor Ende der Abschlusskundgebung kam es durch zwei Kurden zu einer gefährlichen Körperverletzung mit einer Eisenstange gegenüber zwei Türken. Ein Geschädigter erlitt eine Platzwunde über dem Auge bzw. einen kleinen Cut unter dem Auge. |
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| (5) Am 04.11.2016 fand eine von dem Kurdischen Kulturverein Ludwigshafen (NCK) und Ciwanên Azad Ludwigshafen/Mannheim anlässlich der Verhaftung von Abgeordneten der Halklarin Demokratik Partisi (HDP) in der Türkei organisierte Kundgebung auf dem Paradeplatz mit etwa 800 Teilnehmern statt (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 04.11.2016, Bl. 337 ff. VG-Streitakte). Abgesetzt vom Kundgebungsort kam es zu einer Körperverletzung zwischen zwei Teilnehmern; innerhalb des Aufzuges wurde einmal Pyrotechnik gezündet. |
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| (6) Am 09.11.2016 veranstaltete der Sozialistische Frauenbund (SKB) einen Aufzug in der Mannheimer Innenstadt mit etwa 1.000 Teilnehmern zu dem Thema „Protest gegen die Inhaftierung von HDP Abgeordneten in der Türkei und den Kriegskurs der AKP Regierung gegen die KurdInnen, Presse und Meinungsfreiheit“ (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 09.11.2016, Bl. 343 ff. VG-Streitakte), bei dem es aufgrund einer Störung von außen kurzzeitig zu gegenseitigen Provokationen kam, welche von den Polizeieinsatzkräften sofort unterbunden wurden. Aus dem Aufzug wurde ein Knallkörper über die Köpfe der Einsatzkräfte geworfen. |
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| (7) Aufgrund ihrer zeitlichen Nähe mit besonderem Gewicht zu berücksichtigen sind schließlich die Vorkommnisse anlässlich des sogenannten „Kurdenmarsches II“ vom 05.02.2017 bis 11.02.2017 von Mannheim nach Straßburg mit dem Thema „Freiheit für Öcalan. Ein Status für Kurdistan“, der von dem Demokratischen Gesellschaftszentrum der Kurdinnen in Deutschland e.V. (NAV-DEM) - einer unselbständigen Teilvereinigung der PKK und Dachverband der örtlichen kurdischen Vereine in Deutschland (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Arbeiterpartei Kurdistans, 2019, S. 13) –, dem Ciwanên Azad und dem Kurdischen Gemeinschaftszentrum Ludwigshafen/Mannheim unterstützt wurde (vgl. die polizeilichen Meldungen v. 06.02.2017, 08.02.2017 und 09.02.2017, Bl. 349 ff. VG-Streitakte). Am 05.02.2017 wurde ein Polizeidienstkraftfahrzeug aus einem Gebäude mit einem Stein beworfen. Zwei Personen zeigten den sog. Wolfsgruß und schmissen Eier auf die Aufzugsteilnehmer; die Versammlungsteilnehmer erwiderten dies mit dem Wurf von PET-Flaschen. Am 06.02.2017 erfolgten vereinzelt Provokationen durch türkische Verkehrsteilnehmer, auf welche die Versammlungsteilnehmer reagierten; hierbei wurde ein Kraftfahrzeug beschädigt. Nach Versammlungsende gab es am Bahnhof in Bruchsal eine Schlägerei zwischen Türken und Kurden, in deren Verlauf es zu einer Stichverletzung zum Nachteil eines Türken kam. Der 08.02.2017 war in Rastatt durch eine Zunahme von Provokationen und Beleidigungen von türkischer Seite geprägt. Mehrfach wurde in aggressiver Weise versucht, den Ablauf der Versammlung zu stören. Nur durch einen hohen Kräfteeinsatz und ein konsequentes Vorgehen der Polizei konnte die Versammlung durchgeführt werden; ein Beamter wurde leicht verletzt. Am 09.02.2017 nahm die Polizei eine türkische Person in Gewahrsam, die fortgesetzt die Versammlung zu stören suchte. Nach Beendigung der Demonstration in Achern wurden kurdische Aufzugsteilnehmer durch eine 17 Personen starke Gruppe Türkischstämmiger angegriffen. Der Angriff konnte nur durch die sofortige und konsequente Intervention der Polizei unterbunden werden. |
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| ddd) Schließlich durfte die Beklagte berücksichtigen, dass die Ausgestaltung der Versammlung als Aufzug und die hierfür vorgesehene Strecke durch die Mannheimer Innenstadt die Möglichkeiten der Polizei, im Falle von Provokationen und tätlichen Auseinandersetzungen unverzüglich konsequent einschreiten und so eine weitere Eskalation verhindern zu können, erheblich einschränkte. Die Dynamik eines Aufzuges hätte den Polizeikräften ein effektives Vorgehen gegenüber Störern erschwert (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 07.10.2016 - 15 B 1154/16 -, juris Rn. 16). Zudem hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass die Polizeikräfte sich namentlich in der besonders engen Erbprinzenstraße gänzlich aus der Begleitung des Demonstrationszuges herausziehen hätten müssen. Die Ereignisse bei den vergleichbaren Versammlungen im Vorfeld (vgl. II. 1. b) aa) ccc) hatten jedoch gezeigt, dass es der Polizei wiederholt nur durch den unverzüglichen und massiven Einsatz von Kräften gelungen war, weitere schwere Auseinandersetzungen zwischen kurdischen Versammlungsteilnehmern und türkischen Provokateuren zu verhindern. Zu Recht ist die Beklagte daher davon ausgegangen, dass eine konsequente und ununterbrochene polizeiliche Begleitung des Aufzuges zwingend erforderlich war, um der Gefahr gewalttätiger Ausschreitungen zu begegnen. |
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| eee) Der Einwand der Klägerin, dass diese Umstände, insbesondere das Datum des Verfassungsreferendums in der Türkei, der Beklagten bereits im Zeitpunkt des ersten Kooperationsgespräches am 21.03.2017 bekannt gewesen sein dürften, von dieser aber nicht angesprochen worden seien, ist nicht geeignet, die nachvollziehbare behördliche Gefahrenprognose für den maßgeblichen Zeitpunkt der Versammlung am 08.04.2017 in Frage zu stellen, sondern erlangt erst Bedeutung für die Frage, ob das durch Art. 8 Abs. 1 GG begründete Kooperationsgebot von Versammlungsbehörde und Versammlungsveranstalter (vgl. vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, juris Rn. 84 und 88; Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, PolR, 7. Aufl. 2021, J Rn. 267 ff. m.w.N.) in einem solchen Fall eine weitergehende behördliche Anhörungspflicht auslöst (vgl. hierzu unten II. 2.). Denn der Anmelder einer Versammlung hat keinen Anspruch darauf, dass die Behörde eine zunächst unvollständige oder unzutreffende Gefahrenprognose (rechtswidrig) aufrechterhält. Auch die von der Klägerin aufgeworfene Frage, aus welchem Grund die Beklagte im zweiten Kooperationsgespräch als milderes Mittel nicht (erneut) eine abweichende Demonstrationsroute über breitere Straßen geprüft habe, betrifft nicht die tatbestandliche Gefahrenprognose, sondern die Rechtmäßigkeit der behördlichen Ermessensausübung. |
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| bb) Des Weiteren lagen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass bei der angemeldeten Versammlung mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG (aaa) durch das Verwenden von Kennzeichen der PKK (bbb) begangen würden. |
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| aaa) Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG begeht eine Straftat, wer Kennzeichen eines von einem vollziehbaren Betätigungsverbot nach § 15 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1 VereinsG betroffenen Vereins verbreitet oder öffentlich oder in einer Versammlung verwendet. Ausgenommen von dem Verbot ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG eine Verwendung von Kennzeichen im Rahmen der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen und ähnlicher Zwecke. Kennzeichen sind für den außenstehenden Dritten in ihrem Bedeutungsgehalt erkennbare Symbole, die auf einen bestimmten Verein hinweisen (vgl. OVG Brem., Urt. v. 25.10.2005 - 1 A 144/05 -, juris, Rn. 22; OLG Hamb., Urt. v. 07.04.2014 - 1 - 31/13 -, juris Rn. 12; vgl. Schenke/Graulich/Ruthig/Roth, 2. Aufl. 2018, VereinsG § 9 Rn. 4; Nomos-BR/Groh, VereinsG § 9 Rn. 6). Erfasst sind alle sicht- und hörbaren Symbole, deren sich ein verbotener Verein bedient oder bedient hat, um propagandistisch auf seine Ziele und die Zusammengehörigkeit seiner Anhänger hinzuweisen (vgl. OVG Brem, Urt. v. 25.10.2005 - 1 A 144/05 -, juris, Rn. 22; Schenke/Graulich/Ruthig/Roth, 2. Aufl. 2018, VereinsG § 9 Rn. 5). Dies können nach § 9 Abs. 2 Satz 1 VereinsG insbesondere Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen sein. Auch Bildnisse von Personen können im Einzelfall die Voraussetzungen eines Kennzeichens erfüllen, wenn sie – mit ihrer konkreten Verwendung – der Identifizierung mit dem Verein dienen (vgl. OVG Brem., Urt. v. 25.10.2005 - 1 A 144/05 -, juris, Rn. 24; Nomos-BR/Groh VereinsG § 9 Rn. 7; Schenke/Graulich/Ruthig/Roth, 2. Aufl. 2018, VereinsG § 9 Rn. 6). § 9 Abs. 2 Satz 2 VereinsG stellt solche Kennzeichen gleich, die zum Verwechseln ähnlich sind. Ein Kennzeichen ist einem anderen „zum Verwechseln ähnlich“, wenn es geeignet ist, einem unbefangenen, weder besonders sachkundigen noch genau prüfenden Betrachter aufgrund der auf objektiver Übereinstimmung in wesentlichen Vergleichspunkten beruhenden Ähnlichkeit den Eindruck des verbotenen Kennzeichens zu vermitteln (vgl. OLG Hamb., Urt. v. 07.04.2014 - 1-20/13 -, juris Rn. 8 m.w.N.; Schenke/Graulich/Ruthig/Roth, 2. Aufl. 2018, VereinsG § 9 Rn. 11; s.a. Albrecht/Roggenkamp/Albrecht, 1. Aufl. 2014, VereinsG § 9 Rn. 20). |
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| bbb) Danach durfte die Beklagte bei Würdigung des Themas, des Teilnehmerkreises und vor allem der Werbung für die Versammlung, aber auch vergleichbarer Versammlungen im zeitlichen Vorfeld davon ausgehen, dass bei Durchführung der Versammlung am 08.04.2017 Kennzeichen der mit bestandskräftigen Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 mit einem Betätigungsverbot belegten PKK gezeigt würden. |
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| (1) Das Thema der Versammlung „Weg mit dem Verbot der PKK!“ sprach mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für die Teilnahme von Mitgliedern und Unterstützern der PKK. Zu den Unterstützern gehörte namentlich Ciwanên Azad, eine Jugendorganisation der PKK. Die Bereitschaft dieser Teilnehmerkreise, sich über das vereinsrechtliche Verbot, Kennzeichen der PKK zu verwenden, hinwegzusetzen, hatte sich im Vorfeld bei vergleichbaren Versammlungen wiederholt gezeigt. Anlässlich des von der NAV-DEM, Ciwanên Azad und Kurdischem Gemeinschaftszentrum Ludwigshafen/Mannheim organisierten sogenannten Kurdenmarsches II wurde am 05.02.2017 ein Transparent gezeigt, auf dem die Aufschrift „Freiheit oder Azadi“ und die Grundzüge der PKK-Fahne angebracht waren (Polizeiliche Meldung v. 05.02.2017, Bl. 413 VG-Streitakte). Am 19.03.2017 fand in Frankfurt am Main eine Demonstration von ca. 30.000 Kurden gegen die türkische Regierungspolitik unter dem Motto „Nein zur Diktatur - Ja zu Demokratie und Freiheit“ statt, bei der viele Demonstranten Fahnen mit dem Porträt Abdullah Öcalans schwenkten und diese auch auf Aufforderung der Polizei nicht entfernten (vgl. Bl. 27 VV). Das Verhalten der Versammlungsteilnehmer lieferte einen konkreten Beleg für die zum damaligen Zeitpunkt fehlende Bereitschaft von Teilen der kurdischen Gemeinschaft, auch auf polizeiliche Aufforderung, verbotene Kennzeichen der PKK nicht mehr zu zeigen. Diese Anhaltspunkte verdichteten sich im Einzelfall zu einer konkreten Gefahr. Denn in dem Video, mit dem Ciwanên Azad – Ludwigshafen/Mannheim im Internet zu der Teilnahme an der Versammlung am 08.04.2017 aufrief, werden u.a. die Flagge der Koma Civaken Kurdistan (KCK), des Ciwanên Azad und zwei Fahnen mit Abbildungen Abdullah Öcalans gezeigt (ab 02:38 min.). Anders als die Klägerin meint, stellte sich die behördliche Annahme von Verstößen gegen das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot danach nicht nur als eine hypothetische Vermutung dar. Das Video weist einen konkreten Bezug zu der Versammlung am 08.04.2017 auf. Daneben berechtigte die Urheberschaft des Videos durch Ciwanên Azad, bei dem es sich nicht nur um die Jugendorganisation der PKK handelte, sondern nach dem mit den Angaben der Klägerin im ersten Kooperationsgespräch übereinstimmenden Abspann des Videos zugleich um einen der Partner des Demonstrationsbündnisses, die Behörde dazu, davon auszugehen, dass die mitwirkenden Personen mit großer Wahrscheinlichkeit auch an der Versammlung teilnehmen und dort verbotene Kennzeichen der PKK zeigen würden. Hinzukommt der appellative Charakter der Präsentation der verbotenen Flaggen in dem Video durch eine Gruppe martialisch auftretender vermummter Personen, mit dem anknüpfend an das Motto der Versammlung „Weg mit dem PKK-Verbot!“ ersichtlich dazu aufgerufen werden sollte, die Verwendung von Kennzeichen der PKK unter Verstoß gegen das gesetzlich untrennbar mit dem Vereinsverbot verknüpfte Kennzeichenverbot (vgl. § 9 Abs. 1 VereinsG) als ein bewusstes Mittel einzusetzen, um gegen das Verbot der PKK zu protestieren. Dies ließ eine nicht unerhebliche Zahl von Nachahmern auf der angemeldeten Versammlung wahrscheinlich erscheinen. |
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| (2) Sämtliche dieser Kennzeichen unterliegen dem von dem Gericht, welches nicht an den Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 02.03.2017 gebunden ist, eigenständig zu prüfenden Verwendungsverbot auf Versammlungen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG. Bei der KCK handelt es sich um die seit 2007 verwendete Bezeichnung der Koma Komalên Kurdistan (KKK), unter der die PKK nach wiederholten Umbenennungen u.a. seit dem Jahr 2005 firmierte (vgl. BfV, PKK, 2019, S. 10 f.; Schreiben des Bundesministers des Innern v. 02.03.2017 - im Folgenden: BMI v. 02.03.2017 -, Anlage S. 2; Bl. 383 ff. VG-Streitakte). Der Ciwanên Azad ist eine Jugendorganisation der PKK (BfV, PKK, S. 14; BMI v. 02.03.2017, Anlage S. 4 f.). Schließlich stellte auch die zu erwartende Präsentation von Fahnen mit einem Abbild von Abdullah Öcalan auf der Versammlung am 08.04.2017 im konkreten Fall die verbotene Verwendung eines Kennzeichens der PKK dar (vgl. BMI v. 02.03.2017, S. 5 und Anlage S. 2). Denn Abbildungen Abdullah Öcalans werden von einem durchschnittlichen Betrachter aufgrund dessen alleinbeherrschender Stellung und Außendarstellung als Gründer und Führer der Partei regelmäßig als ein Kennzeichen für die PKK verstanden werden. Seine herausgehobene Stellung entfaltet eine Symbol- und Identifikationswirkung für die PKK. Jedenfalls dann, wenn das Versammlungsthema nicht Abdullah Öcalan als Menschen, etwa mit Blick auf seine Haftbedingungen, in den Vordergrund stellt, sondern sich – wie hier – gegen das Verbot der PKK richtet, ist das Zeigen seines Konterfeis auch nicht ausnahmsweise gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG als „sozialadäquat“ und damit zulässig anzusehen (vgl. hierzu OVG NRW, Beschl. v. 09.10.2020 - 15 B 1528/20 -, juris Rn. 18 ff.), sondern dient der Identifikation mit dem Anliegen der PKK (vgl. hierzu OVG Brem., Urt. v. 25.10.2005 - 1 A 144/05 -, juris Rn. 25 ff.; Beschl. v. 21.02.2011 - 1 A 227/09 -, juris Rn. 10; OVG Bln-Bbg, Beschl. v. 25.11.2011 - OVG 1 S 187.11 -, juris Rn. 7; OVG NRW, Beschl. v. 03.11.2017 - 15 B 1371/17 - juris Rn. 28). |
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| 2. Die Beklagte durfte gegen die angemeldete Versammlung als Störerin vorgehen. |
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| a) Die Versammlungsbehörde darf eine Versammlung nur verbieten, wenn die Versammlung selbst als Störerin der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung angesehen werden kann. |
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| Wird die öffentliche Sicherheit nicht durch die Versammlung, sondern durch Dritte unmittelbar gefährdet, müssen sich behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer richten. Drohen Gewalttaten als Reaktion auf eine Versammlung, ist es Aufgabe der Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung der Versammlungsfreiheit für alle Grundrechtsträger hinzuwirken. Gegen die Versammlung selbst darf nur unter den besonderen Voraussetzungen des sogenannten polizeilichen Notstands eingeschritten werden (stRspr; vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.10.2008 - 6 B 53.08 -, juris Rn. 5; Beschl. v. 05.03.2020 - 6 B 1.20 -, juris Rn. 9; BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233, 341/81 -, juris Rn. 91; Beschl. v. 06.06.2007 - 1 BvR 1423/07 -, juris Rn. 38; Beschl. v. 12.05.2010 - 1 BvR 2636/04 -, juris Rn. 18; v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17;Beschl. v. 11.09.2015 – 1 BvR 2211/15 -, juris Rn. 3 jeweils m.w.N.). |
|
| Auch von einzelnen Teilnehmern ausgehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit können in der Regel Maßnahmen gegenüber der gesamten Versammlung, insbesondere ein Versammlungsverbot, regelmäßig nicht rechtfertigen (vgl. Dürig-Friedl/Enders/Dürig-Friedl VersammlG § 15 Rn. 69; Groscurth, in: Peters/Janz, VersammlungsR, 2. Aufl. 2021, G Rn. 138). Die Versammlung wird allerdings als Ganzes zum Störer, wenn die Störung der öffentlichen Sicherheit durch einzelne Teilnehmern der gesamten Versammlung zugerechnet werden kann. Dies ist der Fall, wenn der Veranstalter in Kenntnis, dass von einem durch seine Versammlung mobilisierten Teilnehmerkreis Straftaten zu befürchten sind, keine Vorkehrungen trifft, dies zu verhindern (vgl. Senat, Beschl. v. 19.03.1993 - 1 S 118/93 -, juris Rn. 13; v. 18.06.1999 - 1 S 1464/99 -, juris Rn. 5). Die Verpflichtung des Veranstalters setzt dabei nicht voraus, dass er selbst einen entsprechenden Einfluss auf die Teilnehmerschaft genommen hat; vielmehr genügen Äußerungen Dritter mit einem straftatfördernden Inhalt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.07.2000 - 1 BvR 1245/00 -, juris Rn. 27). Zu dem von dem Veranstalter in einem solchen Fall zu erwartenden Verhalten gehören deutliche öffentliche Signale im Vorfeld für einen straftatfreien Verlauf der Versammlung(vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.07.2000 - 1 BvR 1245/00 -, juris Rn. 27; v. 01.05.2001 - 1 BvQ 21/01 -, juris Rn. 13; v. 04.09.2009 - 1 BvR 2147/09 -, juris Rn. 15; s.a. Dürig-Friedl/Enders/Dürig-Friedl VersammlG § 15 Rn. 63; Groscurth, in: Peters/Janz, VersammlungsR, 2. Aufl. 2021, G Rn. 116; Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, PolR, 7. Aufl. 2021, J Rn. 286). |
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| b) Gemessen an diesen Anforderungen durfte die Beklagte die angemeldete Versammlung nicht hinsichtlich der zu befürchtenden gewalttätigen Ausschreitungen (aa), aber hinsichtlich der zu erwartenden Verstöße gegen das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot (bb) als Störerin im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG ansehen. |
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| aa) Die Gefahr von Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit durch einzelne Teilnehmer konnte der Versammlung als Ganzes nicht zugerechnet werden. Zwar entfällt die Störereigenschaft entgegen der Ansicht der Klägerin nicht schon deshalb, weil die körperlichen Angriffe durch kurdische Versammlungsteilnehmer in der Vergangenheit überwiegend erst auf Provokationen durch Dritte erfolgten. Denn von einer Versammlung muss verlangt werden, dass sie auch mit Blick auf Provokationen Dritter friedlich bleibt (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 07.10.2016 - 15 B 1154/16 -, juris Rn. 18). Da die Beklagte jedoch keinen belastbaren Nachweis für die Teilnahme von 200 gewaltbereiten Angehörigen kurdischer Jugendgruppen erbringen konnte, war nur die Prognose der in der Begründung des angefochtenen Versammlungsverbots für vergleichbare Vorgängerversammlungen beispielhaft belegten Gewalttätigkeiten vereinzelter Versammlungsteilnehmer gerechtfertigt. Diese konnten der Versammlung im maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung jedoch nicht zugerechnet werden. Denn es fehlte insoweit an der nachweislichen Kenntnis der Veranstalterin von den konkret befürchteten gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass die konkreten Sachverhalte, auf welche die angefochtene Verbotsentscheidung ihre Prognose von Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit stützt, nicht Gegenstand der Kooperationsgespräche gewesen seien. Auch das behördliche Protokoll für das Kooperationsgespräch am 21.03.2017 (Bl. 21 f. VV) und der am 18.09.2017 anlässlich des Klageverfahrens nachträglich gefertigte Bericht zum Inhalt des Kooperationsgesprächs am 31.03.2017 (Bl. 77 f. VV) liefern keine Hinweise hierauf. Gegenstand des zweiten Kooperationsgesprächs waren danach das Mobilisierungsvideo des Ciwanên Azad und die in der Folge befürchteten Verstöße gegen das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot. Dies deckt sich mit der schlüssigen Erläuterung des Anlasses für das zweite Kooperationsgespräch durch den Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung, wonach die Versammlungsbehörde nach zwischenzeitlicher Würdigung des Erlasses des Bundesministeriums des Innern vom 02.03.2017 eine Neubewertung der Gefahr von Straftaten nach dem Vereinsgesetz vorgenommen hatte (S. 2 SN-Anlage). Dem veröffentlichten Video lassen sich indes keine Anhaltspunkte für ein gewalttätiges Verhalten von Versammlungsteilnehmern entnehmen. Auf gerichtliche Nachfrage haben die erschienenen Beklagten-Vertreter, die an den Kooperationsgesprächen teilgenommen haben, nicht zu erklären vermocht, dass sämtliche Verbotsgründe, namentlich die befürchteten gewalttätigen Auseinandersetzungen einzelner Versammlungsteilnehmer mit türkischstämmigen Provokateuren, wie sie sich im Vorfeld wiederholt ereignet hatten, Inhalt der behördlichen Gefahrenprognose in den Kooperationsgesprächen gewesen seien (S. 3 SN-Anlage). Der fehlende Nachweis eines abweichenden Gegenstandes des zweiten Kooperationsgesprächs in Ermangelung eines Protokolls geht zu Lasten der Versammlungsbehörde. Mangels eines entsprechenden behördlichen Vorhaltes und fehlender anderweitiger sicherer Kenntnis von gewaltbereiten Teilnehmern der Versammlung war die Klägerin nicht verpflichtet, als Veranstalterin von sich aus in öffentlichkeitswirksamer Weise auf einen friedlichen Verlauf der Versammlung hinzuwirken. Das Unterlassen eines solchen Aufrufs berechtigte die Versammlungsbehörde daher auch nicht dazu, die Versammlung als Ganzes als Störerin für die befürchteten Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit durch einzelne Teilnehmer in Anspruch zu nehmen. |
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| bb) Die durch eine nicht nur unbedeutende Minderheit der Teilnehmer zu befürchtende Begehung von Straftaten nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG war der Versammlung dagegen als Ganzes zurechenbar. Denn die Klägerin gab auf den Vorhalt der Beklagten im zweiten Kooperationsgespräch am 31.03.2017, wonach nach behördlicher Einschätzung bei Durchführung der Versammlung am 08.04.2017 mit der Verwendung von Kennzeichen der PKK zu rechnen sei, nicht zu erkennen, dass sie willens und in der Lage war, Straftaten nach dem Vereinsgesetz zu verhindern. |
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| Der pauschale Einwand der Klägerin, das Mobilisierungsvideo einer einzelnen Gruppe sei ihr als Veranstalterin nicht zurechenbar, geht bereits tatsächlich fehl. Denn es handelte sich bei dem Urheber, Ciwanên Azad – Ludwigshafen/Mannheim, um einen der Partner des Versammlungsbündnisses. Zudem hatte die Antifaschistische Initiative Heidelberg das Video auf ihrer Facebookseite verlinkt und gelikt (Bl. 249 VG-Streitakte). Ungeachtet dessen besteht die Verpflichtung des Veranstalters, auf den straftatfreien Verlauf einer Versammlung hinzuwirken, auch dann, wenn die Teilnehmer durch Dritte zu einem solchen Verhalten veranlasst werden sollen. |
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| Maßgeblich gestützt auf das Video des Ciwanên Azad – Ludwigshafen/Mannheim hatte die Versammlungsbehörde der Klägerin in dem Kooperationsgespräch am 31.03.2017, wie sich der E-Mail vom 18.09.2017 entnehmen lässt (Bl. 77 VV) und der Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung ausführlich geschildert hat (S. 2 SN-Anlage), konkret und nachvollziehbar erläutert, aus welchen Gründen man bei Durchführung der Versammlung am 08.04.2017 von der nicht nur vereinzelten Begehung von Straftaten nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG ausging. |
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| Der Senat ist nach Würdigung der Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung und dem Inhalt der Akten davon überzeugt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass die Klägerin dies nicht zum Anlass nahm, sich in einer der Behörde erkennbaren Weise von dem strafbewehrten Inhalt des Mobilisierungsvideos zu distanzieren und ihre Bereitschaft zu signalisieren, bereits im Vorfeld und sodann bei der Durchführung der Versammlung Verstößen gegen das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot, namentlich der Verwendung von Bildnissen Abdullah Öcalans, entgegenzuwirken. Auf Vorhalt des Videos erklärte die Klägerin in dem Gespräch lediglich, dass das (auch illegale) Plakatieren im Vorfeld einer Demonstration nicht ungewöhnlich sei, ging indes nicht auf die präsentierten verbotenen Kennzeichen der PKK ein (Bl. 77 VV). Die Angabe des Beklagten-Vertreters in der mündlichen Verhandlung, wonach die Veranstalterin in dem Gespräch nach seiner Erinnerung den Eindruck erweckt habe, sich nicht dazu veranlasst zu sehen, öffentlichkeitswirksam gegen Straftaten nach dem Vereinsgesetz aufzurufen, da sie selbst nicht zu der Gefahr beigetragen habe, dass verbotene Kennzeichen der PKK gezeigt würden (S. 2 SN-Anlage), erscheint dem Senat danach glaubhaft. Denn auch im gerichtlichen Verfahren hat die Klägerin eine ausdrückliche Distanzierung von den Kennzeichen der verbotenen PKK erkennbar vermieden. Noch in der mündlichen Verhandlung hat sie die in dem Video zu sehenden Flaggen der PKK mit dem Hinweis zu relativieren gesucht, dass sich auf einer der Fahnen mit einem Bildnis Abdullah Öcalans der Zusatz „Freedom for Öcalan“ finde. Wiederholt hat sie schriftsätzlich betont, sich für den Inhalt des Videos von Ciwanên Azad nicht verantwortlich zu sehen. Auch die gerichtliche Frage, warum sie keine Anstrengungen unternommen habe, um die von der Beklagten erwartete Verwendung von Kennzeichen der verbotenen PKK auf der Versammlung zu verhindern, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ersichtlich ausweichend beantwortet und sich darauf zurückgezogen, dass das Thema mehrfach angesprochen worden sei, woraufhin sie wiederholt darauf hingewiesen habe, mit 20 dreisprachigen Ordnern zu planen, um eine Kommunikation mit den Teilnehmern sicherzustellen und zu intervenieren, falls es zu Straftaten kommen sollte (S. 1 SN-Anlage). Auf die von dem Beklagten-Vertreter aufgezeigte Möglichkeit, mit einem Appell in den sozialen Medien die Begehung von Straftaten von vorneherein zu verhindern, ist sie ersichtlich nicht eingegangen. Der Senat vermochte sich auch nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin über ein Konzept verfügte, um Verstößen gegen das Vereinsgesetz wirksam zu begegnen. Ihre Einlassungen auf die gerichtliche Frage, welche konkreten Vorkehrungen sie bei der Vorbereitung der Versammlung getroffen habe, um das Zeigen von verbotenen Kennzeichen der PKK auf der Versammlung zu unterbinden, sind offensichtlich vage geblieben und erscheinen daher nicht glaubhaft. So hat die Klägerin erklärt, dass der neue Erlass bereits „in die Bündnisgruppen gegeben“ worden sei, wo er „breites Thema“ gewesen und „diskutiert“ worden sei, „ob die Reichweite des Kennzeichenverbotes den Teilnehmern hinreichend bekannt sei“, und „es eventuell angebracht gewesen wäre“, mit den Ordnern noch einmal die verbotenen Symbole durchzugehen, und „eventuell […] über die Lautsprecheranlage vor Beginn der Versammlung noch einmal auf die geänderte Erlasslage hinzuweisen gewesen“ wäre, was jedoch „von den behördlichen Auflagen abgehangen“ hätte (S. 1 f. SN-Anlage). Ungeachtet dessen hatte die Klägerin diese Vorstellungen aber jedenfalls nicht schon gegenüber der Behörde im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung kommuniziert. Eine schlüssige Erklärung dafür, warum sie trotz der von ihr in Anspruch genommenen genauen Kenntnis der Rechtslage in dem Gespräch am 31.03.2017 gegenüber der Behörde nicht deutlich machte, willens zu sein, im Vorfeld der Versammlung dazu aufzurufen, Straftaten nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG zu unterlassen, ist die Klägerin schuldig geblieben. |
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| Die Versammlungsbehörde ist grundsätzlich nicht verpflichtet, konkrete Anforderungen an ein geeignetes öffentliches Signal des Veranstalters für einen straftatfreien Versammlungsverlauf zu stellen. Vielmehr liegt es in der originären Verantwortung des Veranstalters, von sich aus tätig zu werden und autonom darüber zu entscheiden, welche Vorkehrungen er zur Verhinderung von Straftaten treffen möchte. Ob das verfassungsrechtliche Kooperationsgebot im Einzelfall als Reaktion hierauf ein weiteres erläuterndes behördliches Tätigwerden gebieten kann, kann hier dahingestellt bleiben. Denn nachdem die Klägerin sich gegenüber der Versammlungsbehörde schon nicht willens zeigte, auf eine Verhinderung von Verstößen gegen das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot im Vorfeld der Versammlung hinzuwirken, bestand für die Versammlungsbehörde schon tatsächlich kein Anlass, weitergehend darzulegen, welche konkreten Vorstellungen sie von einem Verhalten der Veranstalterin hatte, welches eine Inanspruchnahme der gesamten Versammlung als Störerin auszuschließen geeignet war. Danach kann die Frage, ob und gegebenenfalls welche konkreten Ausführungen die Versammlungsbehörde hierzu in dem Gespräch am 31.03.2017 machte, offenbleiben. Die anschauliche Angabe des Beklagten-Vertreters, dass er sich noch gut daran erinnern könne, dass damals die Frage erörtert worden sei, auf welche Weise die Veranstalterin ein öffentliches Signal – etwa durch einen Aufruf in den sozialen Medien, keine Bildnisse von Abdullah Öcalan zu zeigen – senden könnte (S. 2 SN-Anlage), erscheint dem Senat allerdings glaubhaft. Sie wird durch den fortgesetzten Einwand der Klägerin, dass die behördlicherseits geforderten „organisatorischen Vorkehrungen“ gegenüber Straftaten nach dem Vereinsgesetz zu unbestimmt geblieben und nicht hinreichend konkretisiert worden seien, auch nicht in Abrede gestellt. |
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| 3. Schließlich hat die Beklagte bei Ausübung des nach § 15 Abs. 1 VersG eröffneten Ermessens keinen der gerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 Satz 1 VwGO unterliegenden Fehler begangen. |
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| a) Die Versammlungsbehörde hat nach § 40 VwVfG ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. § 15 Abs. 1 VersG genügt verfassungsrechtlichen Anforderungen nur, wenn die Vorschrift unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Bedeutung der Versammlungsfreiheit ausgelegt wird. Art. 8 Abs. 1 GG verlangt eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung. An ein Versammlungsverbot sind daher gesteigerte Anforderungen zu stellen. Das Verbot einer Versammlung scheidet aus, solange ein milderes, die Versammlungsfreiheit weniger einschränkendes Mittel existiert, welches gleichermaßen geeignet ist, der konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu begegnen. Als mildere Mittel kommt u.a. die Beschränkung eines Aufzugs auf eine ortsfeste Versammlung im Wege einer Auflage (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 -, juris Rn. 30; v. 20.12. 2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17; OVG NRW, Beschl. v. 21.10.2015 – 15 B 1201/15 -, juris Rn. 12; Groscurth, in: Peters/Janz, VersammlungsR, 2. Aufl. 2021, G Rn. 116) oder die nachträgliche Auflösung der Versammlung in Betracht. Letzteres ist insbesondere dann zu prüfen, wenn Gefahren nur von einem Teil der Versammlung ausgehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 -, juris Rn. 80 und 93). Ein Verbot der Versammlung kommt schließlich nur als ultima ratio zur Abwehr von Gefahren für solche Rechtsgüter in Betracht, die der Versammlungsfreiheit gleichwertig sind (vgl. Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 6; BVerfG, Beschl. v. 30.08.2020 - 1 BvQ 94/20 -, juris Rn. 14 und 16;Dürig-Friedl/Enders/Dürig-Friedl VersammlG § 15 Rn. 113; Groscurth, in: Peters/Janz, VersammlungsR, 2. Aufl. 2021, G Rn. 137). |
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| b) Gemessen an diesem Maßstab hat die Versammlungsbehörde mit dem angefochtenen Verbot ihren durch Art. 8 Abs. 1 GG eingeschränkten Ermessensspielraum nicht überschritten. Sie war zur Abwehr der zutreffend prognostizierten nicht nur vereinzelten Verwendung von Kennzeichen der verbotenen PKK nicht gehalten, vorrangig eine Auflage zu erlassen. Das Verbot der Versammlung war geeignet und erforderlich (aa) sowie angemessen (bb), um der Gefahr von Straftaten gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG zu begegnen. |
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| aa) Eine mildere und in gleicher Weise geeignete Auflage kam nicht in Betracht. |
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| Eine solche Auflage konnte nicht in einer Regelung gesehen werden, welche die Verwendung von verbotenen Kennzeichen der PKK untersagte. Eine Auflage im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG ist darauf gerichtet, durch die originäre rechtsverbindliche Begründung von Verhaltenspflichten zur Abwehr einer Gefahr beizutragen; bloße Hinweise auf die Rechtslage stellen danach keine Auflage dar (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2007 - 1 BvR 232/04 -, juris Rn. 22; s.a. Beschl. v. 25.10.2007 - 1 BvR 943/02 -, juris). So verhielte es sich aber hier. Der Auflage fehlte es in Ermangelung eines eigenständigen Regelungsgehaltes schon an der erforderlichen Eignung, da die Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG bereits von Gesetzes wegen verboten ist (vgl. Senat, Beschl. v. 24.09.1994 - 1 S 2665/94 -, juris Rn. 9; HessVGH, Beschl. v. 17.03.1995 - 3 TG 802/95 -, juris Rn. 5). |
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| Auch der von dem Verwaltungsgericht als ein milderes Mittel angesehenen Auflage, die auf der Versammlung am 08.04.2017 konkret erwarteten Kennzeichen der PKK, namentlich das Bildnis Abdullah Öcalans, unter ein Verwendungsverbot zu stellen, um auf diese Weise den Veranstalter, die Ordner und die Teilnehmer der Versammlung zur Einhaltung der Vorschriften des Vereinsgesetzes anzuhalten, fehlte es vorliegend an der erforderlichen Eignung.Zwar mag eine Konkretisierung des abstrakten gesetzlichen Verbots des § 9 Abs. 1 VereinsG, insbesondere nach der kurzfristigen Änderung des Erlasses des Bundesministeriums des Innern vom 02.03.2017, im Einzelfall geeignet sein, die Wahrscheinlichkeit der Verwendung von bestimmten Kennzeichen eines verbotenen Vereins zu verringern und so zu einer Verhinderung von Straftaten beizutragen. Dies war hier indes nicht der Fall.Die Versammlungsbehörde ist zu Recht davon ausgegangen, dass ernsthaft zweifelhaft war, dass eine solche Auflage die verbotene Verwendung von Kennzeichen der PKK auf der Versammlung am 08.04.2017 wirksam verhindern hätte können. Denn die Klägerin hatte auf den konkreten und mit dem Mobilisierungsvideo des Ciwanên Azad als Teil des Demonstrationsbündnisses nachvollziehbar begründeten behördlichen Vorhalt im zweiten Kooperationsgespräch am 31.03.2017 nicht den Eindruck vermittelt, willens zu sein, Verstöße gegen das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot zu verhindern und gegen derartige Straftaten konsequent einzuschreiten, und im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nicht belastbar dargelegt, mit welchen konkreten Maßnahmen sie dieser spezifischen Gefahr auf der Versammlung mit Aussicht auf Erfolg zu begegnen dachte (vgl. hierzu ausführlich II. 2. b) bb)). |
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| Der klägerische Verweis auf die Möglichkeit, die Versammlungsleitung im Wege einer Auflage zu einem Einschreiten bei Verstößen gegen das Vereinsgesetz zu verpflichten, geht angesichts der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nicht erkennbaren entsprechenden Bereitschaft der Veranstalterin ins Leere. Zudem stellte sich eine derartige Regelung nicht als in gleicher Weise geeignet dar, um Straftaten nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG zu verhindern; denn sie nähme die verbotene Verwendung von Kennzeichen der PKK zunächst in Kauf. |
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| bb) Das Versammlungsverbot stellte sich unter Berücksichtigung der fehlenden Bemühungen der Klägerin, die Gefahr der Verwendung von verbotenen Kennzeichen der PKK auf erfolgversprechende Weise zumindest weitestgehend zu verhindern, schließlich auch als angemessen dar (vgl. Senat, Beschl. v. 24.09.1994 - 1 S 2665/94 -, juris Rn. 8 f.; Beschl. v. 18.06.1999 - 1 S 1464/99 -, juris Rn. 5 f.; s.a. OVG Berlin-Brandenburg v. 25. 11. 2011, 1 S 187.11, juris Rn. 3 ff.). Es diente der Abwehr von Gefahren für ein gleichwertiges Rechtsgut. Mit der Zuwiderhandlung gegen das Verbot gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG wäre eine Vielzahl von Straftaten begangen worden. Das Kennzeichenverbot gemäß § 9 Abs. 2 VereinsG ist dabei untrennbar mit einem Vereinsverbot verknüpft, das als Instrument präventiven Verfassungsschutzes auf den Schutz von Rechtsgütern hervorgehobener Bedeutung zielt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.07.2020 - 1 BvR 2067/17 u.a. -, juris Rn. 39). Ausländervereine können gemäß § 14 Abs. 2 VereinsG über die in Art. 9 Abs. 2 GG genannten Gründe hinaus verboten werden, soweit ihr Zweck oder ihre Tätigkeit die politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern oder von verschiedenen Ausländergruppen im Bundesgebiet, die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet (Nr. 1), den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderläuft (Nr. 2), Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets fördert, deren Ziele oder Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind (Nr. 3), Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange unterstützt, befürwortet oder hervorrufen soll (Nr. 4) oder Vereinigungen innerhalb oder außerhalb des Bundesgebiets unterstützt, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen (Nr. 5). Die Rechtsgüter, zu deren Schutz danach ein Ausländerverein verboten werden kann, tragen auch das Verbot, seine Kennzeichen in einer Versammlung zu verwenden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.07.2020 - 1 BvR 2067/17 u.a. -, Rn. 39). |
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| Die PKK unterliegt nach der bestandskräftigen Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 einem Betätigungsverbot im Bundesgebiet, welches damit begründet ist, dass die Tätigkeit der PKK gegen Strafgesetze verstößt, sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, die innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (vgl. BfV, PKK, 2019, S. 15). Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung im Zeitpunkt des Erlasses des Versammlungsverbotes verfolgte sie ihre Ziele in der Türkei und im europäischen Ausland mit terroristischen Mitteln (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.01.2016 - 11 S 889/15 -, juris Rn. 73 ff. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23.98 -, juris Rn. 24; Urt. v. 22.01.2017 - 1 C 3.16 -, juris Rn. 37; Urt. v. 27.07.2017 - 1 C 28.16 -, juris Rn. 23). Die Europäische Union stuft die PKK fortdauernd als eine terroristische Vereinigung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 ein (vgl. den Anhang der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/138 des Rates vom 05.02.2021, ABl. L 43, S. 1). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die PKK als eine ausländische terroristische Vereinigung im Sinne des § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB anzusehen (vgl. BGH, Beschl. v. 08.02.2018 - AK 3/18 -, juris; Beschl. v. 13.04.2021 - AK 29/21 -, juris Rn. 5; Beschl. v. 13.04.2021 - AK 29/21 -, juris Rn. 4 f.). |
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| IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. |
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| Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 Euro festgesetzt. |
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| Der Beschluss ist unanfechtbar. |
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| Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.). |
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| I. Die Klage ist zulässig. |
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| 1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (st. Rspr.; vgl. Senat, Urt. v. 27.01.2015 - 1 S 257/13 -, juris Rn. 23; BVerwG, Urt. v. 24.11.2010 - 6 C 16.09 -, juris Rn. 26), nachdem sich das angefochtene Versammlungsverbot vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat. |
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| 2. Die Klägerin hat als Anmelderin und Leiterin der Versammlung ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ziffer 1 der Verfügung vom 04.04.2017. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) hat. Hier kann die Klägerin ein berechtigtes Feststellungsinteresse auf die grundgesetzliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) stützen. |
|
| Das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) verlangt, ein berechtigtes Feststellungsinteresse über die einfach-rechtlichen Konkretisierungen hinaus anzuerkennen, wenn ein tiefgreifender Eingriff in die Grundrechte sich typischerweise so kurzfristig erledigt, dass gerichtlicher Rechtsschutz in einem Hauptsachverfahren regelmäßig nicht erlangt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urt. v. 14.04.2005 - 1 S 2362/04 -, juris Rn. 25; Urt. v. 18.11.2021 - 1 S 803/19 -, juris Rn. 33; BVerwG, Beschl. v. 20.12.2017 - 6 B 14.17 -, juris Rn. 13; Beschl. v. 25.06.2019 - 6 B 154.18 u.a. -, juris Rn. 5; Urt. v. 12.11.2020 - 2 C 5.19 -, juris Rn. 15). Verfassungsrecht gebietet, eine drohende Rechtsschutzlücke zu schließen, wenn es sich bei der angegriffenen Maßnahme um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff handelt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 -, juris Rn. 25 f.; Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris Rn. 28, 36; Beschl. v. 04.02.2005 - 2 BvR 308/04 -, juris Rn. 19; BVerwG, Beschl. v. 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, juris Rn. 9; Beschl. v. 20.12.2017 - 6 B 14.17 -, juris Rn. 13; s.a. SächsOVG, Beschl. v. 17.11.2015 - 3 A 440/15 -, juris Rn. 8; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 27.03.2014 - 7 A 11202/13 -, juris, Rn. 26). |
|
| Diese Voraussetzungen werden hier von dem mit der Verfügung der Beklagten vom 04.04.2017 angeordneten Verbot der Versammlung am 08.04.2017, welches schwerwiegend in die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) eingreift und typischerweise nur von so kurzer Dauer ist, dass gerichtlicher Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren nicht rechtzeitig erreicht werden kann, ohne Weiteres erfüllt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris Rn. 37; OVG NRW, Beschl. v. 19.03.2018 - 15 A 943/17 -, juris Rn. 11). |
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| II. Die Klage ist unbegründet. Das Versammlungsverbot in Ziffer 1 des Bescheides das Fachbereichs Sicherheit und Ordnung der Stadt Mannheim vom 04.04.2017 war rechtmäßig und verletzte die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
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| Rechtsgrundlage des angefochtenen Versammlungsverbotes ist § 15 Abs. 1 VersG. Danach kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. |
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| Diese Voraussetzungen lagen hier im maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung vor. Die Beklagte hat zu Recht eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bei Durchführung der Versammlung am 08.04.2017 angenommen (1.), durfte die Versammlung als Störerin ansehen (2.) und hat bei der Entscheidung für ein Verbot ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt (3.). |
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| a) Die öffentliche Sicherheit umfasst den Schutz gewichtiger Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen (vgl. Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 5; BVerwG, Urt. v. 25.06.2008 - 6 C 21.07 -, juris Rn. 13; BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 -, juris Rn. 77). Eine unmittelbare Gefährdung ist bei einer Sachlage gegeben, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit führt (vgl. Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 6; BVerwG, Urt. v. 25.06.2008 - 6 C 21.07 -, juris Rn. 14). Mit Blick auf die grundlegende Bedeutung der verfassungsrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) sind keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen (vgl. Senat, Urt. v. 06.11.2013 - 1 S 1640/12 -, juris Rn. 49; Beschl. v. 16.05.2020 - 1 S 1541/20 -, juris Rn. 3; BVerwG, Beschl. v. 24.08.2020 - 6 B 18.20 -, juris Rn. 6; BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17). Dies setzt konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte voraus; bloße Vermutungen genügen nicht (vgl. Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 6; BVerwG, Beschl. v. 24.08.2020 - 6 B 18.20 -, juris Rn. 6; BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17). |
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| Für die Gefahrenprognose können Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen als Indizien herangezogen werden, soweit sie bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen (vgl. Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 7; BVerfG, Beschl. v. 12.05.2010 - 1 BvR 2636/04 -, juris, Rn. 17; Beschl. v. 21.11.2020 - 1 BvQ 135/20 -, juris Rn. 11; OVG NRW, Beschl. v. 24.05.2020 - 15 B 755/20 -, juris Rn. 9; BayVGH, Beschl. v. 14.05.2021 - 10 CS 21.1385 -, juris Rn. 18). Haben sich bei Veranstaltungen an anderen Orten mit anderen Beteiligten Gefahren verwirklicht, so müssen besondere, von der Behörde bezeichnete Umstände die Annahme rechtfertigen, dass ihre Verwirklichung ebenfalls bei der nunmehr geplanten Versammlung zu befürchten sei (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.09.2009 - 1 BvR 2147/09 -, juris, Rn. 13). |
|
| Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflage liegt bei der Behörde (vgl. Senat, Beschl. v. 16.04.2021 - 1 S 1304/21 -, juris Rn. 10; BVerwG, Beschl. v. 05.03.2020 - 6 B 1.20 -, juris Rn. 11; BVerfG, v. 12.05.2010 - 1 BvR 2636/04 -, juris Rn. 17; v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17; Beschl. v. 11.09.2015 - 1 BvR 2211/15 -, juris Rn. 3). |
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| b) Gemessen an diesen Anforderungen durfte die Beklagte davon ausgehen, dass bei Durchführung der Versammlung am 08.04.2017 eine unmittelbare Gefährdung von Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit drohte, da mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (aa) und nach dem Vereinsgesetz (bb) zu rechnen war. |
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| aa) Bei der gebotenen Würdigung der Gesamtumstände, namentlich des Themas und des Teilnehmerkreises (aaa) sowie des Zeitpunktes (bbb) der Versammlung, vergleichbarer Versammlungen im Vorfeld (ccc) und der geplanten Aufzugstrecke (ddd), drohten bei der angemeldeten Versammlung gewalttätige Ausschreitungen durch einzelne Teilnehmer sowie Dritte unter Begehung von Straftaten gemäß § 113 Abs. 1, § 125 Abs. 1 und §§ 223 ff. StGB. Das von der Klägerin gerügte Versäumnis der Behörde, diese Sachverhalte in den Kooperationsgesprächen (vollständig) mitzuteilen, stellt die Gefahrenprognose tatbestandlich nicht in Frage (eee). |
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| aaa) Das Thema der Versammlung „Weg mit dem Verbot der PKK!“ sprach mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Teilnahme von Personen aus dem Unterstützerumfeld der PKK. |
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| Nachweislich erfuhr die Versammlung Unterstützung durch einen Aufruf des Ciwanên Azad, der von 2013 bis 2018 existierenden europäischen Dachorganisation der PKK-Jugendorganisation Komalên Ciwan (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Arbeiterpartei Kurdistans, 2019 - im Folgenden: BfV, PKK -, S. 14 mit Fn. 4). Die Entwicklungen in Syrien, im Irak und insbesondere in der Türkei hatten sich auf das Aktionsverhalten der PKK-Jugendorganisation ausgewirkt (vgl. zum Folgenden Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2016, S. 224 f.). Im Jahr 2016 gab es eine Vielzahl von öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie Besetzungen von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, Parteibüros, Flughafengebäuden oder Bahnhöfen. Insbesondere bei Demonstrationen verhinderten eingesetzte Polizeibeamte mehrmals schwere gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen kurdisch- und türkischstämmigen Jugendlichen. In einigen Fällen gab es dennoch massive gewalttätige Konflikte. |
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| Für die in der Begründung der angefochtenen Verbotsverfügung angeführten polizeilichen Erfahrungswerte, wonach mit der Teilnahme von etwa 200 Personen aus diesem Kreis der gewaltgeneigten kurdischen Jugendgruppen an der Versammlung am 08.04.2017 gerechnet wurde, hat die Beklagte indes auf wiederholte gerichtliche Nachfragen weder im erstinstanzlichen Verfahren (vgl. VG-Urteil, S. 22) noch im Berufungsverfahren (vgl. Schriftsatz v. 15.03.2022 und S. 2 SN) einen konkreten und gerichtlich nachprüfbaren Beleg erbracht. |
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| Jedoch hatte sich das Aggressionspotenzial einzelner Gruppen junger Kurden in Mannheim bereits zuvor wiederholt gezeigt. So konnten Polizeikräfte im Nachgang zu einer Kundgebung des Türkischen Landesverbandes Rheinland-Pfalz e.V. am 12.09.2015 eine durch lautstarke Provokationen von Türken vor dem Caffee 2000, einem bekannten kurdischen Treffpunkt, ausgelöste körperliche Auseinandersetzung nur durch Einsatz von starken Kräften und Pfefferspray beenden (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 02.04.2019 [sic!], Bl. 307 ff. VG-Streitakte). Die Neigung zu gewalttätigen Handlungen belegt schließlich eine Auseinandersetzung junger Kurden mit abwandernden Teilnehmern einer „Anti-Terror-Demonstration“ von Türken am 24.07.2016, die nur durch den schnellen Einsatz starker Interventionskräfte beendet werden konnte; im Nachgang konnte die Polizei einen Facebook-Post der „Bahoz Mannheim“, einer kurdischen Jugendgang, feststellen, mit dem zu einem „Showdown auf der Straße“ aufgerufen worden war (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 24.07.2016, Bl. 327 ff. VG-Streitakte). |
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| bbb) Die verschärfte Sicherheitslage in der Türkei hatte die Spannungen zwischen der Anhängerschaft der PKK und den Türkischstämmigen im Bundesgebiet verschärft. Zahlreiche Kundgebungen kurdischer Organisationen im gesamten Bundesgebiet, die von türkischer Seite teilweise als Provokation verstanden wurden, brachten die Gefahr von gewalttätigen Auseinandersetzungen mit sich. Die Durchführung der Versammlung am 08.04.2017 hätte diese Gefahr mit hoher Wahrscheinlichkeit erheblich erhöht. Das Datum der Versammlung im Vorfeld des Referendums zur Änderung der Verfassung der Republik Türkei, welches in der Türkei am 16.04.2017 stattfand und für das die im Bundesgebiet lebenden türkischen Staatsangehörigen im Zeitraum vom 27.03.2017 bis 09.04.2017 abstimmen konnten, sowie im unmittelbaren Nachgang zu dem Geburtstag Abdullah Öcalans am 4. April war aufgrund der hiermit verbundenen stärkeren Politisierung und Emotionalisierung des gesellschaftlichen Klimas in der kurdischen und türkischen Gemeinschaft im Bundesgebiet geeignet, die Hemmschwelle für Gewalttätigkeiten in einem Maße weiter zu senken, dass bei einem Aufeinandertreffen verfeindeter kurdischer und türkischer Gruppen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Provokationen und im weiteren Verlauf mit tätlichen Auseinandersetzungen zu rechnen gewesen wäre. |
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| ccc) Diese Gefahr hatte sich im Vorfeld bei vergleichbaren Versammlungen bereits realisiert. Als Beleg für Provokationen zwischen kurdischen und türkischen Gruppen, die zu körperlichen Auseinandersetzungen Einzelner führten, durfte die Beklagte jedenfalls die folgenden – jeweils durch die zugehörigen polizeilichen Einsatzberichte dokumentierten – Versammlungen berücksichtigen, die aufgrund ihrer zeitlichen Nähe, ihres Themas, ihres Teilnehmerkreises und ihres Veranstaltungsortes (noch) als vergleichbar angesehen werden konnten: |
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| (1) Bei der am 09.01.2016 durchgeführten Kundgebung des Kurdischen Kulturvereins Ludwigshafen zum Thema „Kriegspolitik der AKP Regierung in der Stadt Nusaybin, Terror des Islamischen Staates, Freilassung v. A. Öcalan und Aufhebung des PKK Verbots“ auf dem Willy-Brandt-Platz mit etwa 100 Teilnehmern (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 20.01.2016, Bl. 313 f. VG-Streitakte) kam es infolge einer Provokation durch zwei Passanten zu einem Handgemenge zwischen den Passanten, den Ordnern und den Kundgebungsteilnehmern. Durch sofortiges Einschreiten der Polizei konnte die Situation bereinigt werden. |
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| (2)Am 08.02.2016 ereignete sich anlässlich einer Kundgebung des Kurdischen Kulturvereins Ludwigshafen zum Thema „Thematisierung der aktuellen Geschehnisse in Kurdistan“ auf dem Willy-Brandt-Platz mit etwa 150 - 200 Teilnehmern (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 08.02.2016, Bl. 317 f. VG-Streitakte) eine kleine Rangelei zwischen einem Ordner und einem türkischen Passanten. Bei einem Teilnehmer wurde ein Teleskop-Schlagstock aufgefunden. Im Anschluss an die Kundgebung kam es zu einem Körperverletzungsdelikt zwischen zwei Jugendlichen anlässlich einer negativen Bemerkung über die PKK. |
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| (3) Am 21.05.2016 fand nach der Absage einer von dem Kurdischen Kulturverein Ludwigshafen angemeldeten „Gedenkdemo für die gefallenen Völker in Rojava und Kurdistan“ in Mannheim ein spontaner Aufzug statt, für den der Ciwanên Azad trotz der Absage der ursprünglich geplanten Kundgebung mobilisiert hatte (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 21.05.2016, Bl. 321 ff. VG-Streitakte). Vom Paradeplatz zogen etwa 50 bis 70 Personen durch die Fußgängerzone in Richtung Wasserturm und erhielten aus den Seitenstraßen Zulauf durch weitere 30 bis 50 Personen. Die Polizei schritt ein, löste die Versammlung auf und begleitete die Gruppe zum Hauptbahnhof; hierbei wurden Strafanzeigen wegen Landfriedensbruchs in vier Fällen und wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz in einem Fall aufgenommen. Die Vorfälle belegen das (spontane) Mobilisierungspotential des Ciwanên Azad in Mannheim, die Bereitschaft, sich hierbei auch über Absprachen hinwegzusetzen und bei einem polizeilichen Einschreiten Straftaten zu begehen. |
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| (4) Bei dem am 17.08.2016 von dem Kurdischen Gemeinschaftszentrum Ludwigshafen durchgeführten Aufzug zu dem Thema „Hinweis auf den Gesundheitszustand von Abdullah Öcalan“ in Mannheim mit 110 bis 200 Teilnehmern (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 17.08.2016, Bl. 333 ff. VG-Streitakte) wurden die Teilnehmer massiv von Passanten in türkischer Sprache beleidigt und durch Zeigen des sogenannten Wolfsgrußes – einem Erkennungs- und Grußzeichen der Grauen Wölfe, einer rechtsextremen, nationalistischen Gruppierung in der Türkei – provoziert. Nur durch sofortiges Einschreiten der Polizeikräfte konnte ein Zusammentreffen der Gruppen verhindert werden. Aus der Aufzugsmenge wurden zwei PET-Flaschen auf die Provokateure geworfen. Kurz vor Ende der Abschlusskundgebung kam es durch zwei Kurden zu einer gefährlichen Körperverletzung mit einer Eisenstange gegenüber zwei Türken. Ein Geschädigter erlitt eine Platzwunde über dem Auge bzw. einen kleinen Cut unter dem Auge. |
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| (5) Am 04.11.2016 fand eine von dem Kurdischen Kulturverein Ludwigshafen (NCK) und Ciwanên Azad Ludwigshafen/Mannheim anlässlich der Verhaftung von Abgeordneten der Halklarin Demokratik Partisi (HDP) in der Türkei organisierte Kundgebung auf dem Paradeplatz mit etwa 800 Teilnehmern statt (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 04.11.2016, Bl. 337 ff. VG-Streitakte). Abgesetzt vom Kundgebungsort kam es zu einer Körperverletzung zwischen zwei Teilnehmern; innerhalb des Aufzuges wurde einmal Pyrotechnik gezündet. |
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| (6) Am 09.11.2016 veranstaltete der Sozialistische Frauenbund (SKB) einen Aufzug in der Mannheimer Innenstadt mit etwa 1.000 Teilnehmern zu dem Thema „Protest gegen die Inhaftierung von HDP Abgeordneten in der Türkei und den Kriegskurs der AKP Regierung gegen die KurdInnen, Presse und Meinungsfreiheit“ (Bericht des Polizeipräsidiums Mannheim v. 09.11.2016, Bl. 343 ff. VG-Streitakte), bei dem es aufgrund einer Störung von außen kurzzeitig zu gegenseitigen Provokationen kam, welche von den Polizeieinsatzkräften sofort unterbunden wurden. Aus dem Aufzug wurde ein Knallkörper über die Köpfe der Einsatzkräfte geworfen. |
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| (7) Aufgrund ihrer zeitlichen Nähe mit besonderem Gewicht zu berücksichtigen sind schließlich die Vorkommnisse anlässlich des sogenannten „Kurdenmarsches II“ vom 05.02.2017 bis 11.02.2017 von Mannheim nach Straßburg mit dem Thema „Freiheit für Öcalan. Ein Status für Kurdistan“, der von dem Demokratischen Gesellschaftszentrum der Kurdinnen in Deutschland e.V. (NAV-DEM) - einer unselbständigen Teilvereinigung der PKK und Dachverband der örtlichen kurdischen Vereine in Deutschland (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Arbeiterpartei Kurdistans, 2019, S. 13) –, dem Ciwanên Azad und dem Kurdischen Gemeinschaftszentrum Ludwigshafen/Mannheim unterstützt wurde (vgl. die polizeilichen Meldungen v. 06.02.2017, 08.02.2017 und 09.02.2017, Bl. 349 ff. VG-Streitakte). Am 05.02.2017 wurde ein Polizeidienstkraftfahrzeug aus einem Gebäude mit einem Stein beworfen. Zwei Personen zeigten den sog. Wolfsgruß und schmissen Eier auf die Aufzugsteilnehmer; die Versammlungsteilnehmer erwiderten dies mit dem Wurf von PET-Flaschen. Am 06.02.2017 erfolgten vereinzelt Provokationen durch türkische Verkehrsteilnehmer, auf welche die Versammlungsteilnehmer reagierten; hierbei wurde ein Kraftfahrzeug beschädigt. Nach Versammlungsende gab es am Bahnhof in Bruchsal eine Schlägerei zwischen Türken und Kurden, in deren Verlauf es zu einer Stichverletzung zum Nachteil eines Türken kam. Der 08.02.2017 war in Rastatt durch eine Zunahme von Provokationen und Beleidigungen von türkischer Seite geprägt. Mehrfach wurde in aggressiver Weise versucht, den Ablauf der Versammlung zu stören. Nur durch einen hohen Kräfteeinsatz und ein konsequentes Vorgehen der Polizei konnte die Versammlung durchgeführt werden; ein Beamter wurde leicht verletzt. Am 09.02.2017 nahm die Polizei eine türkische Person in Gewahrsam, die fortgesetzt die Versammlung zu stören suchte. Nach Beendigung der Demonstration in Achern wurden kurdische Aufzugsteilnehmer durch eine 17 Personen starke Gruppe Türkischstämmiger angegriffen. Der Angriff konnte nur durch die sofortige und konsequente Intervention der Polizei unterbunden werden. |
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| ddd) Schließlich durfte die Beklagte berücksichtigen, dass die Ausgestaltung der Versammlung als Aufzug und die hierfür vorgesehene Strecke durch die Mannheimer Innenstadt die Möglichkeiten der Polizei, im Falle von Provokationen und tätlichen Auseinandersetzungen unverzüglich konsequent einschreiten und so eine weitere Eskalation verhindern zu können, erheblich einschränkte. Die Dynamik eines Aufzuges hätte den Polizeikräften ein effektives Vorgehen gegenüber Störern erschwert (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 07.10.2016 - 15 B 1154/16 -, juris Rn. 16). Zudem hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass die Polizeikräfte sich namentlich in der besonders engen Erbprinzenstraße gänzlich aus der Begleitung des Demonstrationszuges herausziehen hätten müssen. Die Ereignisse bei den vergleichbaren Versammlungen im Vorfeld (vgl. II. 1. b) aa) ccc) hatten jedoch gezeigt, dass es der Polizei wiederholt nur durch den unverzüglichen und massiven Einsatz von Kräften gelungen war, weitere schwere Auseinandersetzungen zwischen kurdischen Versammlungsteilnehmern und türkischen Provokateuren zu verhindern. Zu Recht ist die Beklagte daher davon ausgegangen, dass eine konsequente und ununterbrochene polizeiliche Begleitung des Aufzuges zwingend erforderlich war, um der Gefahr gewalttätiger Ausschreitungen zu begegnen. |
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| eee) Der Einwand der Klägerin, dass diese Umstände, insbesondere das Datum des Verfassungsreferendums in der Türkei, der Beklagten bereits im Zeitpunkt des ersten Kooperationsgespräches am 21.03.2017 bekannt gewesen sein dürften, von dieser aber nicht angesprochen worden seien, ist nicht geeignet, die nachvollziehbare behördliche Gefahrenprognose für den maßgeblichen Zeitpunkt der Versammlung am 08.04.2017 in Frage zu stellen, sondern erlangt erst Bedeutung für die Frage, ob das durch Art. 8 Abs. 1 GG begründete Kooperationsgebot von Versammlungsbehörde und Versammlungsveranstalter (vgl. vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, juris Rn. 84 und 88; Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, PolR, 7. Aufl. 2021, J Rn. 267 ff. m.w.N.) in einem solchen Fall eine weitergehende behördliche Anhörungspflicht auslöst (vgl. hierzu unten II. 2.). Denn der Anmelder einer Versammlung hat keinen Anspruch darauf, dass die Behörde eine zunächst unvollständige oder unzutreffende Gefahrenprognose (rechtswidrig) aufrechterhält. Auch die von der Klägerin aufgeworfene Frage, aus welchem Grund die Beklagte im zweiten Kooperationsgespräch als milderes Mittel nicht (erneut) eine abweichende Demonstrationsroute über breitere Straßen geprüft habe, betrifft nicht die tatbestandliche Gefahrenprognose, sondern die Rechtmäßigkeit der behördlichen Ermessensausübung. |
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| bb) Des Weiteren lagen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass bei der angemeldeten Versammlung mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG (aaa) durch das Verwenden von Kennzeichen der PKK (bbb) begangen würden. |
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| aaa) Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG begeht eine Straftat, wer Kennzeichen eines von einem vollziehbaren Betätigungsverbot nach § 15 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1 VereinsG betroffenen Vereins verbreitet oder öffentlich oder in einer Versammlung verwendet. Ausgenommen von dem Verbot ist nach § 20 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG eine Verwendung von Kennzeichen im Rahmen der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen und ähnlicher Zwecke. Kennzeichen sind für den außenstehenden Dritten in ihrem Bedeutungsgehalt erkennbare Symbole, die auf einen bestimmten Verein hinweisen (vgl. OVG Brem., Urt. v. 25.10.2005 - 1 A 144/05 -, juris, Rn. 22; OLG Hamb., Urt. v. 07.04.2014 - 1 - 31/13 -, juris Rn. 12; vgl. Schenke/Graulich/Ruthig/Roth, 2. Aufl. 2018, VereinsG § 9 Rn. 4; Nomos-BR/Groh, VereinsG § 9 Rn. 6). Erfasst sind alle sicht- und hörbaren Symbole, deren sich ein verbotener Verein bedient oder bedient hat, um propagandistisch auf seine Ziele und die Zusammengehörigkeit seiner Anhänger hinzuweisen (vgl. OVG Brem, Urt. v. 25.10.2005 - 1 A 144/05 -, juris, Rn. 22; Schenke/Graulich/Ruthig/Roth, 2. Aufl. 2018, VereinsG § 9 Rn. 5). Dies können nach § 9 Abs. 2 Satz 1 VereinsG insbesondere Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen sein. Auch Bildnisse von Personen können im Einzelfall die Voraussetzungen eines Kennzeichens erfüllen, wenn sie – mit ihrer konkreten Verwendung – der Identifizierung mit dem Verein dienen (vgl. OVG Brem., Urt. v. 25.10.2005 - 1 A 144/05 -, juris, Rn. 24; Nomos-BR/Groh VereinsG § 9 Rn. 7; Schenke/Graulich/Ruthig/Roth, 2. Aufl. 2018, VereinsG § 9 Rn. 6). § 9 Abs. 2 Satz 2 VereinsG stellt solche Kennzeichen gleich, die zum Verwechseln ähnlich sind. Ein Kennzeichen ist einem anderen „zum Verwechseln ähnlich“, wenn es geeignet ist, einem unbefangenen, weder besonders sachkundigen noch genau prüfenden Betrachter aufgrund der auf objektiver Übereinstimmung in wesentlichen Vergleichspunkten beruhenden Ähnlichkeit den Eindruck des verbotenen Kennzeichens zu vermitteln (vgl. OLG Hamb., Urt. v. 07.04.2014 - 1-20/13 -, juris Rn. 8 m.w.N.; Schenke/Graulich/Ruthig/Roth, 2. Aufl. 2018, VereinsG § 9 Rn. 11; s.a. Albrecht/Roggenkamp/Albrecht, 1. Aufl. 2014, VereinsG § 9 Rn. 20). |
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| bbb) Danach durfte die Beklagte bei Würdigung des Themas, des Teilnehmerkreises und vor allem der Werbung für die Versammlung, aber auch vergleichbarer Versammlungen im zeitlichen Vorfeld davon ausgehen, dass bei Durchführung der Versammlung am 08.04.2017 Kennzeichen der mit bestandskräftigen Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 mit einem Betätigungsverbot belegten PKK gezeigt würden. |
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| (1) Das Thema der Versammlung „Weg mit dem Verbot der PKK!“ sprach mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für die Teilnahme von Mitgliedern und Unterstützern der PKK. Zu den Unterstützern gehörte namentlich Ciwanên Azad, eine Jugendorganisation der PKK. Die Bereitschaft dieser Teilnehmerkreise, sich über das vereinsrechtliche Verbot, Kennzeichen der PKK zu verwenden, hinwegzusetzen, hatte sich im Vorfeld bei vergleichbaren Versammlungen wiederholt gezeigt. Anlässlich des von der NAV-DEM, Ciwanên Azad und Kurdischem Gemeinschaftszentrum Ludwigshafen/Mannheim organisierten sogenannten Kurdenmarsches II wurde am 05.02.2017 ein Transparent gezeigt, auf dem die Aufschrift „Freiheit oder Azadi“ und die Grundzüge der PKK-Fahne angebracht waren (Polizeiliche Meldung v. 05.02.2017, Bl. 413 VG-Streitakte). Am 19.03.2017 fand in Frankfurt am Main eine Demonstration von ca. 30.000 Kurden gegen die türkische Regierungspolitik unter dem Motto „Nein zur Diktatur - Ja zu Demokratie und Freiheit“ statt, bei der viele Demonstranten Fahnen mit dem Porträt Abdullah Öcalans schwenkten und diese auch auf Aufforderung der Polizei nicht entfernten (vgl. Bl. 27 VV). Das Verhalten der Versammlungsteilnehmer lieferte einen konkreten Beleg für die zum damaligen Zeitpunkt fehlende Bereitschaft von Teilen der kurdischen Gemeinschaft, auch auf polizeiliche Aufforderung, verbotene Kennzeichen der PKK nicht mehr zu zeigen. Diese Anhaltspunkte verdichteten sich im Einzelfall zu einer konkreten Gefahr. Denn in dem Video, mit dem Ciwanên Azad – Ludwigshafen/Mannheim im Internet zu der Teilnahme an der Versammlung am 08.04.2017 aufrief, werden u.a. die Flagge der Koma Civaken Kurdistan (KCK), des Ciwanên Azad und zwei Fahnen mit Abbildungen Abdullah Öcalans gezeigt (ab 02:38 min.). Anders als die Klägerin meint, stellte sich die behördliche Annahme von Verstößen gegen das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot danach nicht nur als eine hypothetische Vermutung dar. Das Video weist einen konkreten Bezug zu der Versammlung am 08.04.2017 auf. Daneben berechtigte die Urheberschaft des Videos durch Ciwanên Azad, bei dem es sich nicht nur um die Jugendorganisation der PKK handelte, sondern nach dem mit den Angaben der Klägerin im ersten Kooperationsgespräch übereinstimmenden Abspann des Videos zugleich um einen der Partner des Demonstrationsbündnisses, die Behörde dazu, davon auszugehen, dass die mitwirkenden Personen mit großer Wahrscheinlichkeit auch an der Versammlung teilnehmen und dort verbotene Kennzeichen der PKK zeigen würden. Hinzukommt der appellative Charakter der Präsentation der verbotenen Flaggen in dem Video durch eine Gruppe martialisch auftretender vermummter Personen, mit dem anknüpfend an das Motto der Versammlung „Weg mit dem PKK-Verbot!“ ersichtlich dazu aufgerufen werden sollte, die Verwendung von Kennzeichen der PKK unter Verstoß gegen das gesetzlich untrennbar mit dem Vereinsverbot verknüpfte Kennzeichenverbot (vgl. § 9 Abs. 1 VereinsG) als ein bewusstes Mittel einzusetzen, um gegen das Verbot der PKK zu protestieren. Dies ließ eine nicht unerhebliche Zahl von Nachahmern auf der angemeldeten Versammlung wahrscheinlich erscheinen. |
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| (2) Sämtliche dieser Kennzeichen unterliegen dem von dem Gericht, welches nicht an den Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 02.03.2017 gebunden ist, eigenständig zu prüfenden Verwendungsverbot auf Versammlungen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG. Bei der KCK handelt es sich um die seit 2007 verwendete Bezeichnung der Koma Komalên Kurdistan (KKK), unter der die PKK nach wiederholten Umbenennungen u.a. seit dem Jahr 2005 firmierte (vgl. BfV, PKK, 2019, S. 10 f.; Schreiben des Bundesministers des Innern v. 02.03.2017 - im Folgenden: BMI v. 02.03.2017 -, Anlage S. 2; Bl. 383 ff. VG-Streitakte). Der Ciwanên Azad ist eine Jugendorganisation der PKK (BfV, PKK, S. 14; BMI v. 02.03.2017, Anlage S. 4 f.). Schließlich stellte auch die zu erwartende Präsentation von Fahnen mit einem Abbild von Abdullah Öcalan auf der Versammlung am 08.04.2017 im konkreten Fall die verbotene Verwendung eines Kennzeichens der PKK dar (vgl. BMI v. 02.03.2017, S. 5 und Anlage S. 2). Denn Abbildungen Abdullah Öcalans werden von einem durchschnittlichen Betrachter aufgrund dessen alleinbeherrschender Stellung und Außendarstellung als Gründer und Führer der Partei regelmäßig als ein Kennzeichen für die PKK verstanden werden. Seine herausgehobene Stellung entfaltet eine Symbol- und Identifikationswirkung für die PKK. Jedenfalls dann, wenn das Versammlungsthema nicht Abdullah Öcalan als Menschen, etwa mit Blick auf seine Haftbedingungen, in den Vordergrund stellt, sondern sich – wie hier – gegen das Verbot der PKK richtet, ist das Zeigen seines Konterfeis auch nicht ausnahmsweise gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG als „sozialadäquat“ und damit zulässig anzusehen (vgl. hierzu OVG NRW, Beschl. v. 09.10.2020 - 15 B 1528/20 -, juris Rn. 18 ff.), sondern dient der Identifikation mit dem Anliegen der PKK (vgl. hierzu OVG Brem., Urt. v. 25.10.2005 - 1 A 144/05 -, juris Rn. 25 ff.; Beschl. v. 21.02.2011 - 1 A 227/09 -, juris Rn. 10; OVG Bln-Bbg, Beschl. v. 25.11.2011 - OVG 1 S 187.11 -, juris Rn. 7; OVG NRW, Beschl. v. 03.11.2017 - 15 B 1371/17 - juris Rn. 28). |
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| 2. Die Beklagte durfte gegen die angemeldete Versammlung als Störerin vorgehen. |
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| a) Die Versammlungsbehörde darf eine Versammlung nur verbieten, wenn die Versammlung selbst als Störerin der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung angesehen werden kann. |
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| Wird die öffentliche Sicherheit nicht durch die Versammlung, sondern durch Dritte unmittelbar gefährdet, müssen sich behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer richten. Drohen Gewalttaten als Reaktion auf eine Versammlung, ist es Aufgabe der Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung der Versammlungsfreiheit für alle Grundrechtsträger hinzuwirken. Gegen die Versammlung selbst darf nur unter den besonderen Voraussetzungen des sogenannten polizeilichen Notstands eingeschritten werden (stRspr; vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.10.2008 - 6 B 53.08 -, juris Rn. 5; Beschl. v. 05.03.2020 - 6 B 1.20 -, juris Rn. 9; BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233, 341/81 -, juris Rn. 91; Beschl. v. 06.06.2007 - 1 BvR 1423/07 -, juris Rn. 38; Beschl. v. 12.05.2010 - 1 BvR 2636/04 -, juris Rn. 18; v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17;Beschl. v. 11.09.2015 – 1 BvR 2211/15 -, juris Rn. 3 jeweils m.w.N.). |
|
| Auch von einzelnen Teilnehmern ausgehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit können in der Regel Maßnahmen gegenüber der gesamten Versammlung, insbesondere ein Versammlungsverbot, regelmäßig nicht rechtfertigen (vgl. Dürig-Friedl/Enders/Dürig-Friedl VersammlG § 15 Rn. 69; Groscurth, in: Peters/Janz, VersammlungsR, 2. Aufl. 2021, G Rn. 138). Die Versammlung wird allerdings als Ganzes zum Störer, wenn die Störung der öffentlichen Sicherheit durch einzelne Teilnehmern der gesamten Versammlung zugerechnet werden kann. Dies ist der Fall, wenn der Veranstalter in Kenntnis, dass von einem durch seine Versammlung mobilisierten Teilnehmerkreis Straftaten zu befürchten sind, keine Vorkehrungen trifft, dies zu verhindern (vgl. Senat, Beschl. v. 19.03.1993 - 1 S 118/93 -, juris Rn. 13; v. 18.06.1999 - 1 S 1464/99 -, juris Rn. 5). Die Verpflichtung des Veranstalters setzt dabei nicht voraus, dass er selbst einen entsprechenden Einfluss auf die Teilnehmerschaft genommen hat; vielmehr genügen Äußerungen Dritter mit einem straftatfördernden Inhalt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.07.2000 - 1 BvR 1245/00 -, juris Rn. 27). Zu dem von dem Veranstalter in einem solchen Fall zu erwartenden Verhalten gehören deutliche öffentliche Signale im Vorfeld für einen straftatfreien Verlauf der Versammlung(vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.07.2000 - 1 BvR 1245/00 -, juris Rn. 27; v. 01.05.2001 - 1 BvQ 21/01 -, juris Rn. 13; v. 04.09.2009 - 1 BvR 2147/09 -, juris Rn. 15; s.a. Dürig-Friedl/Enders/Dürig-Friedl VersammlG § 15 Rn. 63; Groscurth, in: Peters/Janz, VersammlungsR, 2. Aufl. 2021, G Rn. 116; Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, PolR, 7. Aufl. 2021, J Rn. 286). |
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| b) Gemessen an diesen Anforderungen durfte die Beklagte die angemeldete Versammlung nicht hinsichtlich der zu befürchtenden gewalttätigen Ausschreitungen (aa), aber hinsichtlich der zu erwartenden Verstöße gegen das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot (bb) als Störerin im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG ansehen. |
|
| aa) Die Gefahr von Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit durch einzelne Teilnehmer konnte der Versammlung als Ganzes nicht zugerechnet werden. Zwar entfällt die Störereigenschaft entgegen der Ansicht der Klägerin nicht schon deshalb, weil die körperlichen Angriffe durch kurdische Versammlungsteilnehmer in der Vergangenheit überwiegend erst auf Provokationen durch Dritte erfolgten. Denn von einer Versammlung muss verlangt werden, dass sie auch mit Blick auf Provokationen Dritter friedlich bleibt (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 07.10.2016 - 15 B 1154/16 -, juris Rn. 18). Da die Beklagte jedoch keinen belastbaren Nachweis für die Teilnahme von 200 gewaltbereiten Angehörigen kurdischer Jugendgruppen erbringen konnte, war nur die Prognose der in der Begründung des angefochtenen Versammlungsverbots für vergleichbare Vorgängerversammlungen beispielhaft belegten Gewalttätigkeiten vereinzelter Versammlungsteilnehmer gerechtfertigt. Diese konnten der Versammlung im maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung jedoch nicht zugerechnet werden. Denn es fehlte insoweit an der nachweislichen Kenntnis der Veranstalterin von den konkret befürchteten gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass die konkreten Sachverhalte, auf welche die angefochtene Verbotsentscheidung ihre Prognose von Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit stützt, nicht Gegenstand der Kooperationsgespräche gewesen seien. Auch das behördliche Protokoll für das Kooperationsgespräch am 21.03.2017 (Bl. 21 f. VV) und der am 18.09.2017 anlässlich des Klageverfahrens nachträglich gefertigte Bericht zum Inhalt des Kooperationsgesprächs am 31.03.2017 (Bl. 77 f. VV) liefern keine Hinweise hierauf. Gegenstand des zweiten Kooperationsgesprächs waren danach das Mobilisierungsvideo des Ciwanên Azad und die in der Folge befürchteten Verstöße gegen das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot. Dies deckt sich mit der schlüssigen Erläuterung des Anlasses für das zweite Kooperationsgespräch durch den Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung, wonach die Versammlungsbehörde nach zwischenzeitlicher Würdigung des Erlasses des Bundesministeriums des Innern vom 02.03.2017 eine Neubewertung der Gefahr von Straftaten nach dem Vereinsgesetz vorgenommen hatte (S. 2 SN-Anlage). Dem veröffentlichten Video lassen sich indes keine Anhaltspunkte für ein gewalttätiges Verhalten von Versammlungsteilnehmern entnehmen. Auf gerichtliche Nachfrage haben die erschienenen Beklagten-Vertreter, die an den Kooperationsgesprächen teilgenommen haben, nicht zu erklären vermocht, dass sämtliche Verbotsgründe, namentlich die befürchteten gewalttätigen Auseinandersetzungen einzelner Versammlungsteilnehmer mit türkischstämmigen Provokateuren, wie sie sich im Vorfeld wiederholt ereignet hatten, Inhalt der behördlichen Gefahrenprognose in den Kooperationsgesprächen gewesen seien (S. 3 SN-Anlage). Der fehlende Nachweis eines abweichenden Gegenstandes des zweiten Kooperationsgesprächs in Ermangelung eines Protokolls geht zu Lasten der Versammlungsbehörde. Mangels eines entsprechenden behördlichen Vorhaltes und fehlender anderweitiger sicherer Kenntnis von gewaltbereiten Teilnehmern der Versammlung war die Klägerin nicht verpflichtet, als Veranstalterin von sich aus in öffentlichkeitswirksamer Weise auf einen friedlichen Verlauf der Versammlung hinzuwirken. Das Unterlassen eines solchen Aufrufs berechtigte die Versammlungsbehörde daher auch nicht dazu, die Versammlung als Ganzes als Störerin für die befürchteten Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit durch einzelne Teilnehmer in Anspruch zu nehmen. |
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| bb) Die durch eine nicht nur unbedeutende Minderheit der Teilnehmer zu befürchtende Begehung von Straftaten nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG war der Versammlung dagegen als Ganzes zurechenbar. Denn die Klägerin gab auf den Vorhalt der Beklagten im zweiten Kooperationsgespräch am 31.03.2017, wonach nach behördlicher Einschätzung bei Durchführung der Versammlung am 08.04.2017 mit der Verwendung von Kennzeichen der PKK zu rechnen sei, nicht zu erkennen, dass sie willens und in der Lage war, Straftaten nach dem Vereinsgesetz zu verhindern. |
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| Der pauschale Einwand der Klägerin, das Mobilisierungsvideo einer einzelnen Gruppe sei ihr als Veranstalterin nicht zurechenbar, geht bereits tatsächlich fehl. Denn es handelte sich bei dem Urheber, Ciwanên Azad – Ludwigshafen/Mannheim, um einen der Partner des Versammlungsbündnisses. Zudem hatte die Antifaschistische Initiative Heidelberg das Video auf ihrer Facebookseite verlinkt und gelikt (Bl. 249 VG-Streitakte). Ungeachtet dessen besteht die Verpflichtung des Veranstalters, auf den straftatfreien Verlauf einer Versammlung hinzuwirken, auch dann, wenn die Teilnehmer durch Dritte zu einem solchen Verhalten veranlasst werden sollen. |
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| Maßgeblich gestützt auf das Video des Ciwanên Azad – Ludwigshafen/Mannheim hatte die Versammlungsbehörde der Klägerin in dem Kooperationsgespräch am 31.03.2017, wie sich der E-Mail vom 18.09.2017 entnehmen lässt (Bl. 77 VV) und der Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung ausführlich geschildert hat (S. 2 SN-Anlage), konkret und nachvollziehbar erläutert, aus welchen Gründen man bei Durchführung der Versammlung am 08.04.2017 von der nicht nur vereinzelten Begehung von Straftaten nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG ausging. |
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| Der Senat ist nach Würdigung der Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung und dem Inhalt der Akten davon überzeugt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass die Klägerin dies nicht zum Anlass nahm, sich in einer der Behörde erkennbaren Weise von dem strafbewehrten Inhalt des Mobilisierungsvideos zu distanzieren und ihre Bereitschaft zu signalisieren, bereits im Vorfeld und sodann bei der Durchführung der Versammlung Verstößen gegen das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot, namentlich der Verwendung von Bildnissen Abdullah Öcalans, entgegenzuwirken. Auf Vorhalt des Videos erklärte die Klägerin in dem Gespräch lediglich, dass das (auch illegale) Plakatieren im Vorfeld einer Demonstration nicht ungewöhnlich sei, ging indes nicht auf die präsentierten verbotenen Kennzeichen der PKK ein (Bl. 77 VV). Die Angabe des Beklagten-Vertreters in der mündlichen Verhandlung, wonach die Veranstalterin in dem Gespräch nach seiner Erinnerung den Eindruck erweckt habe, sich nicht dazu veranlasst zu sehen, öffentlichkeitswirksam gegen Straftaten nach dem Vereinsgesetz aufzurufen, da sie selbst nicht zu der Gefahr beigetragen habe, dass verbotene Kennzeichen der PKK gezeigt würden (S. 2 SN-Anlage), erscheint dem Senat danach glaubhaft. Denn auch im gerichtlichen Verfahren hat die Klägerin eine ausdrückliche Distanzierung von den Kennzeichen der verbotenen PKK erkennbar vermieden. Noch in der mündlichen Verhandlung hat sie die in dem Video zu sehenden Flaggen der PKK mit dem Hinweis zu relativieren gesucht, dass sich auf einer der Fahnen mit einem Bildnis Abdullah Öcalans der Zusatz „Freedom for Öcalan“ finde. Wiederholt hat sie schriftsätzlich betont, sich für den Inhalt des Videos von Ciwanên Azad nicht verantwortlich zu sehen. Auch die gerichtliche Frage, warum sie keine Anstrengungen unternommen habe, um die von der Beklagten erwartete Verwendung von Kennzeichen der verbotenen PKK auf der Versammlung zu verhindern, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ersichtlich ausweichend beantwortet und sich darauf zurückgezogen, dass das Thema mehrfach angesprochen worden sei, woraufhin sie wiederholt darauf hingewiesen habe, mit 20 dreisprachigen Ordnern zu planen, um eine Kommunikation mit den Teilnehmern sicherzustellen und zu intervenieren, falls es zu Straftaten kommen sollte (S. 1 SN-Anlage). Auf die von dem Beklagten-Vertreter aufgezeigte Möglichkeit, mit einem Appell in den sozialen Medien die Begehung von Straftaten von vorneherein zu verhindern, ist sie ersichtlich nicht eingegangen. Der Senat vermochte sich auch nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin über ein Konzept verfügte, um Verstößen gegen das Vereinsgesetz wirksam zu begegnen. Ihre Einlassungen auf die gerichtliche Frage, welche konkreten Vorkehrungen sie bei der Vorbereitung der Versammlung getroffen habe, um das Zeigen von verbotenen Kennzeichen der PKK auf der Versammlung zu unterbinden, sind offensichtlich vage geblieben und erscheinen daher nicht glaubhaft. So hat die Klägerin erklärt, dass der neue Erlass bereits „in die Bündnisgruppen gegeben“ worden sei, wo er „breites Thema“ gewesen und „diskutiert“ worden sei, „ob die Reichweite des Kennzeichenverbotes den Teilnehmern hinreichend bekannt sei“, und „es eventuell angebracht gewesen wäre“, mit den Ordnern noch einmal die verbotenen Symbole durchzugehen, und „eventuell […] über die Lautsprecheranlage vor Beginn der Versammlung noch einmal auf die geänderte Erlasslage hinzuweisen gewesen“ wäre, was jedoch „von den behördlichen Auflagen abgehangen“ hätte (S. 1 f. SN-Anlage). Ungeachtet dessen hatte die Klägerin diese Vorstellungen aber jedenfalls nicht schon gegenüber der Behörde im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung kommuniziert. Eine schlüssige Erklärung dafür, warum sie trotz der von ihr in Anspruch genommenen genauen Kenntnis der Rechtslage in dem Gespräch am 31.03.2017 gegenüber der Behörde nicht deutlich machte, willens zu sein, im Vorfeld der Versammlung dazu aufzurufen, Straftaten nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG zu unterlassen, ist die Klägerin schuldig geblieben. |
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| Die Versammlungsbehörde ist grundsätzlich nicht verpflichtet, konkrete Anforderungen an ein geeignetes öffentliches Signal des Veranstalters für einen straftatfreien Versammlungsverlauf zu stellen. Vielmehr liegt es in der originären Verantwortung des Veranstalters, von sich aus tätig zu werden und autonom darüber zu entscheiden, welche Vorkehrungen er zur Verhinderung von Straftaten treffen möchte. Ob das verfassungsrechtliche Kooperationsgebot im Einzelfall als Reaktion hierauf ein weiteres erläuterndes behördliches Tätigwerden gebieten kann, kann hier dahingestellt bleiben. Denn nachdem die Klägerin sich gegenüber der Versammlungsbehörde schon nicht willens zeigte, auf eine Verhinderung von Verstößen gegen das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot im Vorfeld der Versammlung hinzuwirken, bestand für die Versammlungsbehörde schon tatsächlich kein Anlass, weitergehend darzulegen, welche konkreten Vorstellungen sie von einem Verhalten der Veranstalterin hatte, welches eine Inanspruchnahme der gesamten Versammlung als Störerin auszuschließen geeignet war. Danach kann die Frage, ob und gegebenenfalls welche konkreten Ausführungen die Versammlungsbehörde hierzu in dem Gespräch am 31.03.2017 machte, offenbleiben. Die anschauliche Angabe des Beklagten-Vertreters, dass er sich noch gut daran erinnern könne, dass damals die Frage erörtert worden sei, auf welche Weise die Veranstalterin ein öffentliches Signal – etwa durch einen Aufruf in den sozialen Medien, keine Bildnisse von Abdullah Öcalan zu zeigen – senden könnte (S. 2 SN-Anlage), erscheint dem Senat allerdings glaubhaft. Sie wird durch den fortgesetzten Einwand der Klägerin, dass die behördlicherseits geforderten „organisatorischen Vorkehrungen“ gegenüber Straftaten nach dem Vereinsgesetz zu unbestimmt geblieben und nicht hinreichend konkretisiert worden seien, auch nicht in Abrede gestellt. |
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| 3. Schließlich hat die Beklagte bei Ausübung des nach § 15 Abs. 1 VersG eröffneten Ermessens keinen der gerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 Satz 1 VwGO unterliegenden Fehler begangen. |
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| a) Die Versammlungsbehörde hat nach § 40 VwVfG ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. § 15 Abs. 1 VersG genügt verfassungsrechtlichen Anforderungen nur, wenn die Vorschrift unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Bedeutung der Versammlungsfreiheit ausgelegt wird. Art. 8 Abs. 1 GG verlangt eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung. An ein Versammlungsverbot sind daher gesteigerte Anforderungen zu stellen. Das Verbot einer Versammlung scheidet aus, solange ein milderes, die Versammlungsfreiheit weniger einschränkendes Mittel existiert, welches gleichermaßen geeignet ist, der konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu begegnen. Als mildere Mittel kommt u.a. die Beschränkung eines Aufzugs auf eine ortsfeste Versammlung im Wege einer Auflage (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 -, juris Rn. 30; v. 20.12. 2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris Rn. 17; OVG NRW, Beschl. v. 21.10.2015 – 15 B 1201/15 -, juris Rn. 12; Groscurth, in: Peters/Janz, VersammlungsR, 2. Aufl. 2021, G Rn. 116) oder die nachträgliche Auflösung der Versammlung in Betracht. Letzteres ist insbesondere dann zu prüfen, wenn Gefahren nur von einem Teil der Versammlung ausgehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 -, juris Rn. 80 und 93). Ein Verbot der Versammlung kommt schließlich nur als ultima ratio zur Abwehr von Gefahren für solche Rechtsgüter in Betracht, die der Versammlungsfreiheit gleichwertig sind (vgl. Senat, Beschl. v. 05.06.2021 - 1 S 1849/21 -, juris Rn. 6; BVerfG, Beschl. v. 30.08.2020 - 1 BvQ 94/20 -, juris Rn. 14 und 16;Dürig-Friedl/Enders/Dürig-Friedl VersammlG § 15 Rn. 113; Groscurth, in: Peters/Janz, VersammlungsR, 2. Aufl. 2021, G Rn. 137). |
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| b) Gemessen an diesem Maßstab hat die Versammlungsbehörde mit dem angefochtenen Verbot ihren durch Art. 8 Abs. 1 GG eingeschränkten Ermessensspielraum nicht überschritten. Sie war zur Abwehr der zutreffend prognostizierten nicht nur vereinzelten Verwendung von Kennzeichen der verbotenen PKK nicht gehalten, vorrangig eine Auflage zu erlassen. Das Verbot der Versammlung war geeignet und erforderlich (aa) sowie angemessen (bb), um der Gefahr von Straftaten gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG zu begegnen. |
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| aa) Eine mildere und in gleicher Weise geeignete Auflage kam nicht in Betracht. |
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| Eine solche Auflage konnte nicht in einer Regelung gesehen werden, welche die Verwendung von verbotenen Kennzeichen der PKK untersagte. Eine Auflage im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG ist darauf gerichtet, durch die originäre rechtsverbindliche Begründung von Verhaltenspflichten zur Abwehr einer Gefahr beizutragen; bloße Hinweise auf die Rechtslage stellen danach keine Auflage dar (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2007 - 1 BvR 232/04 -, juris Rn. 22; s.a. Beschl. v. 25.10.2007 - 1 BvR 943/02 -, juris). So verhielte es sich aber hier. Der Auflage fehlte es in Ermangelung eines eigenständigen Regelungsgehaltes schon an der erforderlichen Eignung, da die Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG bereits von Gesetzes wegen verboten ist (vgl. Senat, Beschl. v. 24.09.1994 - 1 S 2665/94 -, juris Rn. 9; HessVGH, Beschl. v. 17.03.1995 - 3 TG 802/95 -, juris Rn. 5). |
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| Auch der von dem Verwaltungsgericht als ein milderes Mittel angesehenen Auflage, die auf der Versammlung am 08.04.2017 konkret erwarteten Kennzeichen der PKK, namentlich das Bildnis Abdullah Öcalans, unter ein Verwendungsverbot zu stellen, um auf diese Weise den Veranstalter, die Ordner und die Teilnehmer der Versammlung zur Einhaltung der Vorschriften des Vereinsgesetzes anzuhalten, fehlte es vorliegend an der erforderlichen Eignung.Zwar mag eine Konkretisierung des abstrakten gesetzlichen Verbots des § 9 Abs. 1 VereinsG, insbesondere nach der kurzfristigen Änderung des Erlasses des Bundesministeriums des Innern vom 02.03.2017, im Einzelfall geeignet sein, die Wahrscheinlichkeit der Verwendung von bestimmten Kennzeichen eines verbotenen Vereins zu verringern und so zu einer Verhinderung von Straftaten beizutragen. Dies war hier indes nicht der Fall.Die Versammlungsbehörde ist zu Recht davon ausgegangen, dass ernsthaft zweifelhaft war, dass eine solche Auflage die verbotene Verwendung von Kennzeichen der PKK auf der Versammlung am 08.04.2017 wirksam verhindern hätte können. Denn die Klägerin hatte auf den konkreten und mit dem Mobilisierungsvideo des Ciwanên Azad als Teil des Demonstrationsbündnisses nachvollziehbar begründeten behördlichen Vorhalt im zweiten Kooperationsgespräch am 31.03.2017 nicht den Eindruck vermittelt, willens zu sein, Verstöße gegen das vereinsrechtliche Kennzeichenverbot zu verhindern und gegen derartige Straftaten konsequent einzuschreiten, und im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nicht belastbar dargelegt, mit welchen konkreten Maßnahmen sie dieser spezifischen Gefahr auf der Versammlung mit Aussicht auf Erfolg zu begegnen dachte (vgl. hierzu ausführlich II. 2. b) bb)). |
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| Der klägerische Verweis auf die Möglichkeit, die Versammlungsleitung im Wege einer Auflage zu einem Einschreiten bei Verstößen gegen das Vereinsgesetz zu verpflichten, geht angesichts der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nicht erkennbaren entsprechenden Bereitschaft der Veranstalterin ins Leere. Zudem stellte sich eine derartige Regelung nicht als in gleicher Weise geeignet dar, um Straftaten nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG zu verhindern; denn sie nähme die verbotene Verwendung von Kennzeichen der PKK zunächst in Kauf. |
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| bb) Das Versammlungsverbot stellte sich unter Berücksichtigung der fehlenden Bemühungen der Klägerin, die Gefahr der Verwendung von verbotenen Kennzeichen der PKK auf erfolgversprechende Weise zumindest weitestgehend zu verhindern, schließlich auch als angemessen dar (vgl. Senat, Beschl. v. 24.09.1994 - 1 S 2665/94 -, juris Rn. 8 f.; Beschl. v. 18.06.1999 - 1 S 1464/99 -, juris Rn. 5 f.; s.a. OVG Berlin-Brandenburg v. 25. 11. 2011, 1 S 187.11, juris Rn. 3 ff.). Es diente der Abwehr von Gefahren für ein gleichwertiges Rechtsgut. Mit der Zuwiderhandlung gegen das Verbot gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG wäre eine Vielzahl von Straftaten begangen worden. Das Kennzeichenverbot gemäß § 9 Abs. 2 VereinsG ist dabei untrennbar mit einem Vereinsverbot verknüpft, das als Instrument präventiven Verfassungsschutzes auf den Schutz von Rechtsgütern hervorgehobener Bedeutung zielt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.07.2020 - 1 BvR 2067/17 u.a. -, juris Rn. 39). Ausländervereine können gemäß § 14 Abs. 2 VereinsG über die in Art. 9 Abs. 2 GG genannten Gründe hinaus verboten werden, soweit ihr Zweck oder ihre Tätigkeit die politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern oder von verschiedenen Ausländergruppen im Bundesgebiet, die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet (Nr. 1), den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderläuft (Nr. 2), Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets fördert, deren Ziele oder Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind (Nr. 3), Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange unterstützt, befürwortet oder hervorrufen soll (Nr. 4) oder Vereinigungen innerhalb oder außerhalb des Bundesgebiets unterstützt, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen (Nr. 5). Die Rechtsgüter, zu deren Schutz danach ein Ausländerverein verboten werden kann, tragen auch das Verbot, seine Kennzeichen in einer Versammlung zu verwenden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.07.2020 - 1 BvR 2067/17 u.a. -, Rn. 39). |
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| Die PKK unterliegt nach der bestandskräftigen Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 einem Betätigungsverbot im Bundesgebiet, welches damit begründet ist, dass die Tätigkeit der PKK gegen Strafgesetze verstößt, sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, die innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (vgl. BfV, PKK, 2019, S. 15). Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung im Zeitpunkt des Erlasses des Versammlungsverbotes verfolgte sie ihre Ziele in der Türkei und im europäischen Ausland mit terroristischen Mitteln (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.01.2016 - 11 S 889/15 -, juris Rn. 73 ff. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23.98 -, juris Rn. 24; Urt. v. 22.01.2017 - 1 C 3.16 -, juris Rn. 37; Urt. v. 27.07.2017 - 1 C 28.16 -, juris Rn. 23). Die Europäische Union stuft die PKK fortdauernd als eine terroristische Vereinigung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 ein (vgl. den Anhang der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2021/138 des Rates vom 05.02.2021, ABl. L 43, S. 1). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die PKK als eine ausländische terroristische Vereinigung im Sinne des § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB anzusehen (vgl. BGH, Beschl. v. 08.02.2018 - AK 3/18 -, juris; Beschl. v. 13.04.2021 - AK 29/21 -, juris Rn. 5; Beschl. v. 13.04.2021 - AK 29/21 -, juris Rn. 4 f.). |
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| IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. |
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| Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 Euro festgesetzt. |
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| Der Beschluss ist unanfechtbar. |
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