Urteil vom Amtsgericht Aurich - 12 C 842/16

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, das Mietobjekt (Einfamilienhaus) U., A., bestehend aus Erdgeschoss: 3 Zimmern, einer Küche sowie 2 Bädern und 2 Abstellräumen, ferner das Obergeschoss bestehend aus 3 Schlafzimmern, sowie 3 Kellerräumen, 1 Garage und Garten geräumt nebst sämtlichen Haustür-, Wohnungstür-, und Briefkastenschlüssel an den Kläger herauszugeben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert wird auf 3.180,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten sich über die Rechtmäßigkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung. Dabei begehrt der Kläger von der Beklagten die Räumung und Herausgabe des streitgegenständlichen Wohnhauses am U. in A.

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Das Mietverhältnis besteht seit ca. 46 Jahren, wobei zwischen den Parteien eine Bruttokaltmiete von 265,00 € vereinbart ist. Es wurde auch bereits ein Zivilverfahren im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis geführt.

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Am 24.08.2016 wendete sich die Beklagte mit einer Karte an den Kläger mit den Worten: "Lieber Natur(Tier)freund, ich bin zwar klein aber man bekommt mich nicht klein. Hochachtungsvoll D. R.". Weiterhin hängte die Beklagte, die mehrere Hunde und Katzen hat, am 30.08.2016 einen Brief, der mit dem Namen des Klägers versehen war, an die Jagdhütte, die, wie sie wusste, von dem Kläger und seinen Jägerkollegen genutzt wurde. Auf die Karte schrieb die Beklagte: "An den größten Tierfreund im Umkreis von M. Diese Bilder lassen das Herz höher schlagen. Der Herrgott wird’s schon richten. in Frieden D.". Anbei fügte sie diverse Fotografien von Hunden und Katzen nebst Zusätzen wie "erschlagen und auf die Straße geworfen", wobei sie auch noch ein Kreuz hinzumalte.

4

Mit Schreiben vom 06.09.2016, welches die Beklagte am selben Tag erhielt, kündigte der Kläger das Mietverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich unter Berufung darauf, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien zerrüttet sei. Dabei nahm der Kläger einerseits Bezug auf den Vorfälle vom 24.08.2016 und 30.08.2016. Andererseits führte der Kläger an, dass die Beklagte auch ehrverletzende Äußerungen gegenüber Dritten getätigt haben soll. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Kündigungsschreibens verwiesen.

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Der Kläger behauptet, dass darüber hinaus die Beklagte am 03.09.2016 gegenüber dem Zeugen A. O. wahrheitswidrig behauptet habe, dass der Kläger ihre Hunde totgeschlagen hätte. Dementsprechend meint der Kläger, dass das Verhalten der Beklagten zu einer endgültigen Zerrüttung des Mietverhältnisses geführt habe, die ihn ohne Abmahnung zu einer fristlosen Kündigung berechtigen. Das Verhalten der Beklagten sei schließlich geeignet, ihn in der Öffentlichkeit zu verunglimpfen, da ihm zu Unrecht eine Straftat vorgeworfen werde.

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Der Kläger beantragt daher,

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1. die Beklagte zu verurteilen, das Mietobjekt (Einfamilienhaus) U., A., bestehend aus Erdgeschoss: 3 Zimmern, einer Küche sowie 2 Bädern und 2 Abstellräumen, ferner das Obergeschoss bestehend aus 3 Schlafzimmern, sowie 3 Kellerräumen, 1 Garage und Garten zu räumen nebst sämtlichen Haustür-, Wohnungstür-, und Briefkastenschlüssel an den Kläger herauszugeben.

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Hilfsweise

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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Mietobjekt (Einfamilienhaus) U., A., bestehend aus Erdgeschoss: 3 Zimmern, einer Küche sowie 2 Bädern und 2 Abstellräumen, ferner das Obergeschoss bestehend aus 3 Schlafzimmern, sowie 3 Kellerräumen, 1 Garage und Garten zu räumen nebst sämtlichen Haustür-, Wohnungstür-, und Briefkastenschlüssel zum 01.10.2017 an den Kläger herauszugeben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte behauptet, dass sie zu keiner Zeit öffentlich in den Raum gestellt habe, dass der Kläger ihre Tiere getötet habe. Sie meint daher, dass das Mietverhältnis nicht zerrüttet sei und es lediglich in letzter Zeit zu atomsphärischen Eintrübungen kam, die jedoch keine Kündigung rechtfertigen, insbesondere im Hinblick auf die Dauer des Mietverhältnisses.

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Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen G. B. und A. O. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.03.2017 Bezug genommen.

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Weiterhin wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.

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I. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Mietshauses gem. § 546 Abs. 1 BGB zu, da das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung aufgrund der Zerrüttung des Mietverhältnisses vom 06.09.2016 gem. § 543 Abs. 1 BGB wirksam beendet wurde. Dementsprechend sind auch sämtliche Schlüssel für das Wohnhaus herauszugeben.

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1. Zunächst erfüllt das Kündigungsschreiben des Klägers vom 06.09.2016 nach Form und Inhalt die Voraussetzungen der §§ 568 Abs. 1, 569 Abs. 4 BGB. Der Kläger hat in der Kündigungserklärung seinen Wille zur einseitigen Vertragsbeendigung hinreichend klar zum Ausdruck gebracht und auch das beanstandete Verhalten der Beklagten hinreichend genau durch konkrete Angabe des Vorfalls mit zeitlicher Zuordnung aufgeführt, so dass es der Beklagten ohne weiteres möglich war zu erkennen, welche Umstände zur Kündigung geführt haben.

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2. Darüber hinaus liegt ein die außerordentliche Kündigung rechtfertigender wichtiger Grund gem. § 543 Abs. 1 BGB vor, da dem Kläger die Fortführung des Mietverhältnisses unzumutbar ist. Eine Unzumutbarkeit als wichtiger Grund im Sinne dieser Vorschriften ist gegeben, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 543 Abs. 1 BGB). Dabei ist es unschädlich, wenn sich der wichtige Grund aus einem Umstand ergibt, der zwar unmittelbar nichts mit dem Mietvertrag zu tun hat, sich aber dennoch auf das Mietverhältnis auswirkt (BGH LM Nr. 26 zu § 242 BGB). Grundsätzlich ist hierbei jedoch besondere Sorgfalt bei der Prüfung der Frage geboten, ob die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar ist (Schmidt-Futterer/Blank BGB § 543 Rn. 167-170, beck-online). Anerkannt ist jedoch, dass die Beleidigung, die üble Nachrede, die Verleumdung, die Nötigung und die Bedrohung gem. §§ 185–187, 240-241 StGB Straftaten sind, die zugleich Vertragsverletzungen, wenn sie gegenüber dem Vertragspartner verübt werden (LG München I WuM 1989, 180).

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Die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses ergibt sich hier aus dem Verhalten der der Beklagten gegenüber dem Kläger.

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Ob die Schreiben der Beklagten vom 24.08.2016 und 30.06.2016 geeignet sind eine Vertragsverletzung für sich herbeizuführen kann dahin stehen, da zumindest die Äußerung vom 03.09.2016 geeignet ist, eine Zerrüttung des Mietverhältnisses herbeizuführen. Dies gilt insbesondere in der Zusammenschau mit den anderen Vorfällen unter Beachtung der gebotenen Sorgfalt. Die Äußerung vom 03.09.2016 stellt eine üble Nachrede im Sinne des § 186 BGB dar. Eine üble Nachrede liegt vor, wenn gegenüber einem Dritten Tatsachen behauptet werden, die geeignet sind, den hiervon Betroffenen verächtlich zu machen. oder sonst zu schaden (vgl. LG Potsdam GE 2012, 64 = ZMR 2012, 627). Die üble Nachrede ist zwar straflos, wenn der Täter nachweisen kann, dass die Tatsache der Wahrheit entspricht; gleichwohl liegt auch in einem solchen Fall eine Vertragsverletzung vor, wenn der Täter kein anerkennenswertes Interesse an der Verbreitung der Tatsache geltend machen kann. Beweispflichtig für die üble Nachrede ist der Kündigende; der Gekündigte trägt die Beweislast für die Wahrheit seiner Behauptung und für  sein berechtigtes Interesse an der  Verbreitung der  Behauptung (Blank/Börstinghaus Miete BGB § 543 Rn. 28-39). Für die Überzeugung des Gerichts ist dabei der Maßstab des § 286 ZPO maßgebend. Demnach ist eine Tatsache dann als erwiesen anzusehen, wenn rechtliche Zweifel bei vernünftiger Betrachtungsweise zurückgestellt werden können und der Wahrheitsgehalt der Aussage so hoch anzusetzen ist, dass vernünftigen Zweifeln schweigen geboten ist (BGH NJW 2003, 1116). Eine unumstößliche Gewissheit ist dafür jedoch nicht erforderlich.

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Der Beweis darüber, dass die Beklagte die streitige Äußerung getätigt hat, wurde durch die Vernehmung des Zeugen A. O. erbracht. So schilderte der Zeuge O. widerspruchlos und glaubhaft, dass die Beklagte gegenüber ihm äußerte, dass der Kläger ihre Tiere erschießen würde. Dies wiederholt er auch auf Nachfragen. Dabei beschrieb der Zeuge besonders detailreich die Vorfälle von dem Tag. So konnte er sich noch daran erinnern, dass Anlass des Gesprächs ein Kürbis war und auf welchem Weg er an dem Tag das Grundstück betreten hat, da es ausnahmsweise ein anderer war als sonst. Weiterhin konnte sich der Zeuge O. auch noch an die Grundstimmung der Beklagten erinnern, die er damit beschrieb, dass sie sofort in den Modus "Attacke/Angriff" sprang. Die logische Konsistenz der Aussage, zusammen mit den sachverhaltstypischen Details und dem Zugeben von Erinnerungslücken dahingehend, dass er nicht sagen konnte ob auch die Worte "graben und erschlagen" gefallen sind, er sich aber noch sicher an "erschießen und töten" in diesem Zusammenhang erinnern kann, sprechen für die Glaubwürdigkeit des Zeugen und lassen keine begründeten Zweifel des Gerichts an der Tatsache zu. Anhaltspunkte dafür, dass eine einseitige Belastungstendenz beim Zeugen gegeben ist, lassen sich in seiner Aussage nicht erkennen. Vielmehr ist aufgrund des Umstandes, dass die Beklagte wusste das der Zeuge O. mit dem Kläger bekannt ist, von einem bewussten Verbreiten der von ihr getätigten Aussage auszugehen. Dafür, dass die von ihr behauptete Tatsache wahr ist hat die Beklagte keinen Beweis angeboten worden. Sie ist somit beweisfällig geblieben.

22

Eine Abmahnung der Beklagten nach § 543 Abs. 3 S.1 BGB war hier gemäß § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 und 2 BGB entbehrlich. Die Notwendigkeit der Fristsetzung oder Abmahnung entfällt im vorliegenden Fall gem. § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BGB bereits deshalb, weil diese offensichtlich keinen Erfolg verspricht. Dies begründet sich daraus, dass das Fehlverhalten der Beklagten, insbesondere in der Gesamtschau, die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien so schwerwiegend erschüttert worden ist, dass sie auch durch eine erfolgreiche Abmahnung nicht wieder hergestellt werden kann (Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl., § 543 Rn. 52, m.w.N.). Daneben ist die Fristsetzung oder Abmahnung hier auch deshalb entbehrlich, weil die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist, § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BGB. Zum einen wiegt die von der Beklagten durch die üble Nachrede des Klägers erfolgte Vertragsverletzung besonders schwer. Zum anderen kann dem Kläger auf Grund des Umstandes, dass beide Parteien in unmittelbarer Nachbarschaft wohnen und, ausweislich der Aussage des Zeugen H. B., die Streitigkeiten aufgrund der Schreiben der Beklagten auch schon über die Beteiligten des Mietverhältnisses hinaus getragen wurden, eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht länger zugemutet werden. Darüber hinaus ist auch hier im Rahmen der anzustellenden Abwägung zu berücksichtigen, dass der Beklagte sich für seine Vertragsverletzung durch das strafrechtlich relevante Verhalten beim Kläger nicht entschuldigt hat.

23

Über den Hilfsantrag war daher nicht mehr zu entscheiden.

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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 7 und 11, 711 S. 1 ZPO.

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IV. Der Beklagten war weiterhin eine Räumungsfrist gem. § 721 ZPO nicht zu gewähren. Grundsätzlich sind im Rahmen der Entscheidung nach § 721 ZPO die Interessen des Mieters und Vermieters gegeneinander abzuwägen (Hamm NJW-RR 95, 526). Dabei sind insbesondere das Alter und Bedürfnis des Mieters, die Dauer des Mietverhältnisses, der Bedarf des Vermieters, das Bereitstehen von Ersatzwohnraum sowie die Art und Weise der Pflichtverletzung und das Verschulden der Parteien gegeneinander im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen (Zöller, ZPO, 31. Aufl. § 721, Rn. 6).

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In Anbetracht der genannten Punkte ist hier insbesondere auf Grund der Art und Weise sowie der Intensität der Pflichtverletzung der Beklagten eine Räumungsfrist nicht zu gewähren. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger in keiner nachweisbaren Art und Weise zur Zerrüttung des Mietverhältnisses beigetragen hat. Auch die weiteren in der Abwägung zu berücksichtigenden Umstände, wie das Alter der Beklagten sowie die Dauer des Mietverhältnisses von über 46 Jahren, vermögen keine andere Entscheidung zur Räumungsfrist zu rechtfertigen.

 


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