Urteil vom Amtsgericht Ludwigslust - 5 F 124/09

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt,

1. an die Klägerin zu 1)

a. rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 17.596,36 € für die Zeit von Januar 2003 bis Mai 2010,

b. Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhaltes für die zweite Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind für die Zeit von Juni 2010 bis Juni 2011,

c. Kindesunterhalt in Höhe von 91 % des Mindestunterhaltes für ein Kind der dritten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind für die Zeit von Juli 2011 bis August 2013 und

d. Kindesunterhalt in Höhe von 82,3 % des Mindestunterhaltes für ein Kind der dritten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind für die Zeit ab September 2013,

2. an die Klägerin zu 2)

a. rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 16.330,00 € für die Zeit von Januar 2003 bis Mai 2010,

b. Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhaltes für die zweite Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind für die Zeit von Juni 2010 bis Juni 2011,

c. Kindesunterhalt in Höhe von 91 % des Mindestunterhaltes für ein Kind der zweiten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind für die Zeit von Juli 2011 bis August 2013 und

d. Kindesunterhalt in Höhe von 82,3 % des Mindestunterhaltes für ein Kind der dritten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind für die Zeit ab September 2013

zu zahlen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III1. Das Urteil ist für die Klägerin zu 1) vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheit in Höhe von 6.000,00 € bezüglich der Unterhaltsbeträge von Januar 2003 bis Juli 2005. Darüber hinaus darf der Beklagte die Vollstreckung der Klägerin zu 1) hinsichtlich der Unterhaltsbeträge von August 2005 bis Mai 2010 gegen Sicherheit in Höhe von 12.316,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet; die Sicherheit erhöht sich mit jedem der folgenden Monate um 272,00 €.

2. Das Urteil ist für die Klägerin zu 2) vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheit in Höhe von 5.900,00 € bezüglich der Unterhaltsbeträge von Januar 2003 bis Juli 2005. Darüber hinaus darf der Beklagte die Vollstreckung der Klägerin zu 2) hinsichtlich der Unterhaltsbeträge von August 2005 bis Mai 2010 gegen Sicherheit in Höhe von 11.101,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet; die Sicherheit erhöht sich mit jedem der folgenden Monate um 272,00 €.

IV. Der Streitwert wird auf bis zu 13.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Kindesunterhalt.

2

Der Beklagte ist der Vater der in 1999 geborenen Klägerin zu 1) und der in 2001 geborenen Klägerin zu 2), die aus einer nichtehelichen Beziehung des Beklagten mit der Mutter der Klägerinnen hervorgegangen sind. Der Beklagte hat ein Studium als Grundschullehrer nicht abgeschlossen, ebensowenig wie eine begonnene Ausbildung zum Rettungsassistenten. Er war ungelernt im Gerüstbau in Hamburg tätig und machte sich nach der Trennung von der Mutter der Klägerinnen selbständig, was bis zum Verlust seines Führerscheins andauerte; er hatte insoweit in der Zeit von September bis Dezember 2004 Einnahmen in Höhe von 4.156,00 €. Nach vergeblichen Anfragen hinsichtlich einer Arbeitsstelle bei neun verschiedenen Unternehmen bzw. Betrieben war der Beklagte von Januar bis April 2007 in einem Callcenter tätig. Von Oktober 2007 bis August 2009 absolvierte er eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung zum Großhandelskaufmann, während der er Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 290,00 € bezog, und ist seither weiter arbeitssuchend. In der Zeit von Anfang 2005 bis Oktober 2006 wohnte der Beklagte im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in Boizenburg. Der Beklagte hat Verbindlichkeiten aus offenen Miet- und anderen Forderungen in einer Höhe von über 10.000,00 €.

3

Die Klägerinnen beziehen Unterhaltsvorschussleistungen, wobei die Unterhaltsvorschusskasse auf sie übergegangene und noch übergehende Unterhaltsansprüche mit Verträgen jeweils vom 20.03.2006 wieder an die Klägerinnen zurückabgetreten hat. Die Klägerinnen hatten den Beklagten bereits mit Schreiben vom 02.01.2003 aufgefordert, zum Zwecke der Feststellung bestehender Unterhaltsansprüche Auskunft über sein Einkommen zu erteilen. Unterhaltszahlungen des Beklagten erfolgten seither mit Ausnahme einer Steuerabtretung in Höhe von 59,64 € zu Gunsten der Klägerin zu 1) nicht.

4

Die Klägerinnen machten Unterhaltsansprüche in der Folge gerichtlich geltend. Die Klägerinnen sind der Auffassung, der Beklagte sei seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht ausreichend nachgekommen. Die Klägerinnen beantragten zunächst im Wege eines vereinfachten Verfahrens,

5

den Beklagten zu verpflichten, an die Klägerinnen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % der Regelbeträge zu zahlen.

6

Der Antrag ging am 13.07.2004 bei Gericht ein, wobei seine Zustellung zunächst versehentlich unterblieb. Im weiteren Verlauf beantragten die Klägerinnen die Durchführung des streitigen Verfahrens und beantragten insoweit zunächst,

7

den Beklagten zu verurteilen,

8

1. an die Klägerin zu 1)

9

a. rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 2.964,00 € für die Zeit von Juli 2004 bis Oktober 2005,

10

b. ab November 2005 Kindesunterhalt in Höhe von 228,00 € und

11

c. ab Juli 2007 Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages (Ost) der zweiten Altersstufe sowie ab Juli 2011 Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages (Ost) der dritten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135 % des Regelbetrages übersteigt,

12

2. an die Klägerin zu 2)

13

a. rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 2.760,00 € für die Zeit von Juli 2004 bis Oktober 2005,

14

b. ab November 2005 Kindesunterhalt in Höhe von 177,00 € und

15

c. ab Juli 2007 Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages (Ost) der ersten Altersstufe, ab September 2007 Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages (Ost) der zweiten Altersstufe sowie ab September 2013 Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages (Ost) der dritten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135 % des Regelbetrages übersteigt,

16

zu zahlen.

17

Dieser Antrag wurde dem Beklagten am 11.11.2005 zugestellt. In der Folge beantragten die Klägerinnen sodann unter Verrechnung der Steuerabtretung in Höhe von 59,64 € auf einen Unterhaltsanspruch für den Monat Januar 2003,

18

den Beklagten zu verurteilen,

19

1. an die Klägerin zu 1)

20

a. rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 12.800,36 € für die Zeit von Januar 2003 bis April 2008,

21

b. ab Mai 2008 Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhaltes der zweiten Altersstufe sowie ab Juli 2011 Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhaltes der dritten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes, 2. an die Klägerin zu 2)

22

a. rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 11.534,00 € für die Zeit von Januar 2003 bis April 2008,

23

b. ab Mai 2008 Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhaltes der zweiten Altersstufe sowie ab September 2013 Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhaltes der dritten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes,

24

zu zahlen.

25

Letztlich beantragen die Klägerinnen nunmehr unter teilweiser Klagerücknahme,

26

den Beklagten zu verurteilen,

27

1. an die Klägerin zu 1)

28

a. rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 17.596,36 € für die Zeit von Januar 2003 bis Mai 2010,

29

b. Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhaltes für die zweite Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind für die Zeit von Juni 2010 bis Juni 2011,

30

c. Kindesunterhalt in Höhe von 91 % des Mindestunterhaltes für ein Kind der dritten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind für die Zeit von Juli 2011 bis August 2013 und

31

d. Kindesunterhalt in Höhe von 82,3 % des Mindestunterhaltes für ein Kind der dritten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind für die Zeit ab September 2013,

32

2. an die Klägerin zu 2)

33

a. rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 16.330,00 € für die Zeit von Januar 2003 bis Mai 2010,

34

b. Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhaltes für die zweite Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind für die Zeit von Juni 2010 bis Juni 2011,

35

c. Kindesunterhalt in Höhe von 91 % des Mindestunterhaltes für ein Kind der zweiten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind für die Zeit von Juli 2011 bis August 2013 und

36

d. Kindesunterhalt in Höhe von 82,3 % des Mindestunterhaltes für ein Kind der dritten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind für die Zeit ab September 2013

37

zu zahlen.

38

Der Beklagte beantragt,

39

die Klage abzuweisen.

40

Der Beklagte ist Auffassung, er sei nicht leistungsfähig. Er hat verschiedentlich vorgeschlagen, dass er an jede der Klägerinnen eine monatlichen betrag in Höhe von 20,00 € bzw. 25,00 € zahlen könne.

41

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

42

Die Klage ist zulässig und begründet.

43

Die Klägerin zu 1) hat einen Anspruch gegen den Beklagten gemäß §§ 1601, 1602, 1612a Abs. 1, 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, 1613 Abs. 1 Satz 1, 398 BGB auf Kindesunterhalt in Höhe von 17.596,36 € für die Zeit von Januar 2003 bis Mai 2010 sowie in Höhe von 100 % des Mindestunterhaltes für die zweite Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind für die Zeit von Juni 2010 bis Juni 2011, in Höhe von 91 % des Mindestunterhaltes für ein Kind der dritten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind für die Zeit von Juli 2011 bis August 2013 und in Höhe von 82,3 % des Mindestunterhaltes für ein Kind der dritten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind für die Zeit ab September 2013; die Klägerin zu 2) hat entsprechend einen Anspruch gegen den Beklagten auf Kindesunterhalt in Höhe von 16.330,00 € für die Zeit von Januar 2003 bis Mai 2010 sowie in Höhe von 100 % des Mindestunterhaltes für die zweite Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind für die Zeit von Juni 2010 bis Juni 2011, in Höhe von 91 % des Mindestunterhaltes für ein Kind der zweiten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind für die Zeit von Juli 2011 bis August 2013 und in Höhe von 82,3 % des Mindestunterhaltes für ein Kind der dritten Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind für die Zeit ab September 2013.

44

1. Für minderjährige Kinder besteht bei Geltendmachung des Mindestunterhaltes hinsichtlich ihres im übrigen unstreitigen Bedarfes und jedenfalls bis zum Erreichen eines Alters, in dem ein Abschluss der allgemeinen Schulausbildung möglich erscheint, auch ihrer Bedürftigkeit keine weitere Darlegungslast (Wendl/Staudigl-Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., 2008, § 6 Rn. 704 m. w. N.).

45

2. Der Beklagte hat demgegenüber nicht ausreichend dargetan, dass er im Sinne des § 1603 Abs. 1 und 3 BGB leistungsunfähig sei; hierfür ist er darlegungs- und beweispflichtig, nachdem eine Partei immer die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen derjenigen Rechtsnorm trägt, auf deren Rechtsfolgen sie sich beruft.

46

aaa. Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen wird nicht nur durch die tatsächlichen Einkünfte, sondern auch durch seine Erwerbsobliegenheit und die hierdurch bei gutem Willen erzielbaren Einkünfte bestimmt. Soweit den Unterhaltspflichtigen gemäß § 1603 Abs. 2 BGB gegenüber einem minderjährigen Kind eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit trifft, muss er entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten, der Arbeitsmarktlage und seinem Gesundheitszustand seine Arbeitskraft in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen. Dabei besteht entsprechend der bereits unter Ziffer 1) angesprochenen Vermutung für den Bedarf des minderjährigen Kindes in Höhe des Mindestunterhaltes ebenso eine Vermutung für die Leistungsfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteiles in dieser Höhe, d. h. dahingehend, dass er bei entsprechenden Bemühungen einen für die Abdeckung des Mindestunterhaltes ausreichenden Verdienst erzielen könnte (OLG Köln FamRZ 2000, 310; Koblenz FamRZ 2000, 313; OLG Hamm FamRZ 1996, 629).

47

bb. Auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sind dabei intensive Bemühungen um einen Arbeitsplatz mit ausreichendem Gehalt erforderlich, die neben einer Meldung beim Arbeitsamt in Form der laufenden privaten Suche nach in Zeitungen und sonstigen Medien veröffentlichten in Betracht kommenden Stellenanzeigen und entsprechenden Bewerbungen erfolgen müssen. Selbst bei einfachen Arbeitsplätzen ist die regelmäßige und kontinuierliche Auswertung der gesamten einschlägigen örtlichen wie gegebenenfalls überörtlichen Tages- und Wochenpresse erforderlich. Eigene Annoncen sind ebenso zu erwarten, wie "Blind-Bewerbungen" bei allen in Betracht kommenden Arbeitgebern. Bewerbungen sind auch bei einfachen Arbeitsplätzen grundsätzlich in schriftlicher Form abzufassen und so zu gestalten, dass sie geeignet erscheinen, den Adressaten von der Ernsthaftigkeit der Bewerbung und der Eignung des Bewerbers zu überzeugen. Bloße telefonische Bewerbungen sind demgegenüber selbst bei einfachen Arbeitsplätzen in aller Regel nicht ausreichend, weil bei der heutigen Arbeitsmarktlage davon ausgegangen werden muss, dass ein gewerblicher Arbeitgeber nur schriftliche Arbeitsgesuche in die engere Auswahl einbezieht (vgl. OLG Brandenburg ZFE 2007, 192). Im Regelfall kann bei einem Arbeitslosen erwartet werden, dass er etwa zwanzig bis dreißig Bewerbungsversuche im Monat unternimmt. Der Unterhaltspflichtige hat sich nach besten Kräften ernsthaft und mit Nachdruck um eine entsprechende Arbeitsstelle zu bemühen, wobei auch Angebote auf überregionaler Ebene und dann gegebenenfalls ein Ortswechsel oder eine ergänzende Nebentätigkeit in Betracht zu ziehen sind. Aufgrund der vorstehenden Erläuterungen kann der Unterhaltspflichtige sich nicht darauf zurückziehen, sich erst nach der tatsächlichen Beendigung eines noch laufenden Arbeitsverhältnisses um eine neue Stelle zu bemühen; vielmehr hat er damit bereits nach Ausspruch der Kündigung unter Berücksichtigung der zeitlichen Einschränkungen durch sein noch bestehendes Arbeitsverhältnis zu beginnen, wobei wiederum nicht außer Acht gelassen werden kann, dass sein jetziger Arbeitgeber ihn gemäß § 629 BGB für die Stellensuche gegebenenfalls freizustellen hat (AG Ludwigslust FamRZ 2005, 1114). Unter Berücksichtigung des Arbeitsmarktes ist dem Unterhaltspflichtigen dabei eine angemessene Zeit zur Arbeitssuche einzuräumen, welche auf etwa sechs bis acht Monate zu veranschlagen ist. Die geschilderten und zu fordernden Bemühungen an eine Arbeitssuche müssen vor der Annahme einer bestehenden Leistungsunfähigkeit dann aber auch überhaupt aufgenommen werden und für einen entsprechenden Zeitraum aufrechterhalten bleiben; anderenfalls ist die Annahme selbst einer nur vorübergehenden Leistungsunfähigkeit wegen der Zubilligung einer angemessenen Frist für die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz gemäß § 242 BGB nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht gerechtfertigt (vgl. OLG Köln FamRZ 1997, 1104; AG Leverkusen FamRZ 1997, 1195; OLG Naumburg FamRZ 1997, 311).

48

cc. Der Unterhaltspflichtige hat sich jedoch nicht nur um eine Arbeitsstelle überhaupt, sondern insbesondere auch um eine solche zu bemühen, die ihm mit dem erzielten Verdienst bei bestmöglicher Ausnutzung seiner Arbeitskraft die Deckung zumindest des Mindestunterhaltes ermöglicht; allenfalls wenn der Unterhaltsschuldner eine tarifgerecht bezahlte und seiner Ausbildung oder seinen Fähigkeiten entsprechende Arbeitsstelle hat, ist es ihm nicht zuzumuten, eine besser bezahlte Arbeit zu suchen und dadurch seine jetzige Stelle zu gefährden (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 29.03.2007, Az.: 9 WF 34/07, - zitiert nach juris -, und ZFE 2007, 430; siehe auch OLG Naumburg FamRZ 2008, 1277). Wenn der Unterhaltsschuldner als selbständiger Unternehmer die zur Deckung des angemessenen Kindesunterhalts erforderlichen Mittel in absehbarer Zeit nicht erzielen kann, ist er seinen minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber gehalten, eine - besser bezahlte - abhängige Arbeit anzunehmen (vgl. OLG Koblenz FamRZ 1984. 1225). Gegebenenfalls ist im Rahmen der Zumutbarkeit bei der gesteigerten Unterhaltspflicht gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB wiederum nach dem schon zuvor Gesagten eine ergänzende Nebentätigkeit zur Erzielung eines ausreichenden Verdienstes aufzunehmen.

49

dd. Dass der Beklagte diesen Anforderungen an seine Erwerbsobliegenheit gerecht geworden wäre, ist nicht erkennbar; denn er hat lediglich pauschal auf Bewerbungs- und Erwerbsbemühungen Bezug genommen und nicht weiter konkretisiert zu diesen vorgetragen.

50

baa. Wenn der Unterhaltspflichtige die ihm subjektiv zuzumutenden Anstrengungen, eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden, nicht oder nicht ausreichend unternommen hat und feststeht oder zumindest nicht auszuschließen ist, dass bei genügenden Bemühungen eine reale Beschäftigungschance mit einem höheren erzielbaren Einkommen bestanden hätte, kommt dann nach den unter lit. a aa) a. E. angesprochenen Grundsätzen die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht. Auch wenn die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltspflichtigen für seine Leistungsunfähigkeit nicht bedeutet, dass ihm Einkünfte zugerechnet werden können, die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge für ihn nicht erzielbar sind, kann ein Verweis auf die unbestreitbar schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt allein grundsätzlich nicht genügen, um die Leistungsunfähigkeit des nicht über ausreichende Einkünfte verfügenden Unterhaltsschuldners als erwiesen zu betrachten, und insbesondere nicht den Nachweis intensiver privater Bemühungen ersetzen (vgl. OLG Brandenburg OLG-NL 2004, 270 m. w. N.). Ebensowenig sind grundsätzlich Sachverständigengutachten oder eine Auskunft des Arbeitsamtes zu der Frage einer Vermittelbarkeit des Unterhaltsschuldners einzuholen. Denn maßgebend sind nicht abstrakte Maßstäbe, sondern allein die individuellen Verhältnisse des Stellungssuchenden; sie lassen sich, zumal es auch auf intensive private Erwerbsbemühungen ankommt, aber weder durch das Arbeitsamt noch durch einen Sachverständigen zuverlässig prognostizieren (vgl. OLG Hamm FamRZ 1998, 892). Die Arbeitsmarktlage ist nicht etwa bereits dergestalt schlecht, dass überhaupt keine Stellen mehr ausgeschrieben oder zu besetzen wären; vielmehr finden sich regelmäßig Stellenangebote in den Tageszeitungen oder bei privaten Stellenbörsen, ebenso erhält die Bundesagentur für Arbeit Anfragen von Arbeitgebern. Unter diesen Umständen ist es zumindest nach dem Vortrag des Beklagten gerade nicht auszuschließen, dass der Beklagte bei ausreichenden Bemühungen eine entsprechende Arbeitsstelle hätte erhalten können; etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen, offenbarungspflichtige Vorstrafen oder ähnliches hinzuträten. Der Beklagte selbst hat in diesem Zusammenhang nichts vorgetragen.

51

bb. Ein fiktives Einkommen war dem Beklagten insbesondere auch während der Zeit seiner Ausbildung zum Großhandelskaufmann in der Zeit von Oktober 2007 bis August 2009 zuzurechnen.

52

(1) Das Interesse eines unterhaltspflichtigen Elternteils, unter Zurückstellung bestehender Erwerbsmöglichkeiten eine Aus- oder Weiterbildung aufzunehmen, hat grundsätzlich hinter dem Unterhaltsinteresse seiner Kinder zurückzutreten; das gilt vor allem dann, wenn der Unterhaltspflichtige bereits über eine Berufsausbildung verfügt und ihm die Erwerbsmöglichkeiten in dem erlernten Beruf - wenn auch möglicherweise nach einem zumutbaren Ortswechsel - eine ausreichende Lebensgrundlage bieten. Anders kann es dagegen zwar sein, wenn es nicht um die Aufgabe einer Berufstätigkeit zum Zwecke einer Zweitausbildung oder der Weiterbildung in dem erlernten Beruf, sondern darum geht, erstmals eine abgeschlossene Berufsausbildung zu erlangen. Einer solchen Erstausbildung ist unter Umständen Vorrang auch gegenüber der Obliegenheit zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung des Kindesunterhalts einzuräumen. Denn die Erlangung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf gehört zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, den dieser grundsätzlich vorrangig befriedigen darf. Etwas anderes kann aber gelten, wenn der Unterhaltspflichtige sich in der Vergangenheit stets auf die Ausübung von ungelernten Tätigkeiten beschränkt hat und sich erst später zur Aufnahme einer Berufsausbildung entschließt, obwohl sich der Anlass, seine Arbeits- und Verdienstchancen durch eine Ausbildung zu verbessern, für ihn nicht verändert hat; in derartigen Fällen kann es dem Unterhaltspflichtigen gegebenenfalls zuzumuten sein, die nunmehr angestrebte Ausbildung zu verschieben und ihre Aufnahme solange zurückzustellen, bis die Kinder nicht mehr unterhaltsbedürftig sind oder mit einem etwaigen reduzierten Unterhalt, den der Unterhaltspflichtige auch während der Ausbildung zu leisten vermag, ihr Auskommen finden. In die Abwägung miteinzubeziehen sein können dabei zum einen die Ergebnisse eventueller früherer Ausbildungsversuche, zum anderen, inwieweit sich eine Möglichkeit der Erzielung eines verbesserten Einkommens aufgrund eines erlangten Abschlusses bereits verdichten lässt; insbesondere muss außerdem sichergestellt sein, dass das unterhaltsberechtigte Kind für die Zeit der Ausbildung des unterhaltspflichtigen Elternteils - sei es von dem anderen Elternteil, sei es von dritter Seite - ausreichend versorgt wird (vgl. zum Ganzen BGH FamRZ 1994, 372; OLG Hamm FamRZ 1998, 979; KG FamRZ 1981, 301).

53

(2) Der Beklagte hat hier zwar mit der eingangs angesprochen zum Großhandelskaufmann erstmals eine Ausbildung abgeschlossen; allerdings hat er diese erst im Alter von 36 Jahren begonnen, nachdem er zuvor bereits Ausbildungen zum Grundschullehrer und zum Rettungsassistenten begonnen, jedoch wieder abgebrochen hatte und ansonsten, soweit eine Erwerbstätigkeit bestand, im Bereich ungelernter Tätigkeiten beschäftigt war. Danach war zum einen ein ausreichender Anlass für den Beklagten nicht ersichtlich, trotz des Bestehens einer Unterhaltspflicht gegenüber zwei minderjährigen Kindern eine erneute Ausbildung aufzunehmen. Zum anderen könnte in Frage gestellt werden, inwiefern eine begründete Hoffnung bestand, dass der Beklagte diese Ausbildung abschließen und in der Folge insbesondere eine besser bezahlte Arbeit tatsächlich erhalten würde; einen entsprechenden Arbeitsplatz hat er nach Abschluss der Ausbildung jedenfalls bislang noch nicht gefunden. Zudem ist eine ausreichende Absicherung der Versorgung der Klägerinnen für die Dauer der Ausbildung des Beklagten nicht erkennbar; insbesondere bei den Unterhaltsvorschussleistungen handelt es sich um subsidiäre Sozialleistungen der öffentlichen Hand (vgl. Heiß/Born-Heiß/Heiß, Unterhaltsrecht - Ein Handbuch für die Praxis, Loseblattsammlung, Stand: September 2009, § 3 Rn. 667b), sodass sie den Beklagten nicht entlasten können. In der Gesamtschau war danach nicht davon auszugehen, dass die Klägerinnen die Aufnahme selbst einer Erstausbildung durch den Beklagten mit der Folge einer Einschränkung bzw. sogar eines Wegfall ihres Unterhaltsanspruches für die betreffende Zeit akzeptieren mussten. (3) Anzumerken ist, dass es zu keinem anderen Ergebnis führt, dass der Beklagte die Ausbildung zum Großhandelskaufmann erfolgreich abgeschlossen hat und ihm aufgrund dessen ab diesem Zeitpunkt eine verbesserte Erwerbsmöglichkeit zu unterstellen sowie entsprechend ein höheres fiktives Einkommen zuzurechnen ist.

54

(a) Denn zum einen kann die Zumutbarkeit einer Zurückstellung ihres Unterhaltsanspruches durch die Klägerinnen gegenüber der Ausbildung des Beklagten nicht erst aufgrund einer entsprechenden Rückschau bejaht werden. Auch wenn Entscheidungsgrundlage grundsätzlich der Sach- und Streitstand in der letzten mündlichen Verhandlung ist, muss für die Beurteilung der Handlungen von an einem Unterhaltsrechtsverhältnis Beteiligten doch vielmehr immer auf den Zeitpunkt von deren Vornahme abgestellt werden; denn ausschlaggebend ist gerade für den Unterhaltsberechtigten, wie das Bestehen seines Anspruches in der Prognose auf die Zukunft, d. h. ex ante zu bewerten ist. Ein diesbezüglicher Hinweis ergibt sich zunächst aus der seit dem 01.09.2009 geltenden Regelung der Möglichkeit einer rückwirkenden Herabsetzung des im Rahmen einer gerichtlichen Entscheidung festgesetzten Unterhaltes in § 238 Abs. 3 Satz 3 und 4 FamFG; sie ist nach der Gesetzesbegründung aus Gründen der Rechtssicherheit nicht für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit zulässig (vgl. BT-Drs. 16/6308, Seite 258). Gerade der Vergleich mit der Situation eines Abänderungsverfahrens macht die Maßgeblichkeit der hier zugrundegelegten Sichtweise weiter deutlich. Wäre über die Klage bereits zum Beginn der Ausbildung des Beklagten entschieden worden, wäre nach dem zuvor unter Ziffern (1) und (2) Gesagten die Aufnahme der Ausbildung für die Feststellung seiner Leistungsfähigkeit außer Betracht gelassen und er auf der sich danach ergebenden Grundlage zur Unterhaltszahlung verurteilt worden. Den Eintritt einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse, auf welche diese Entscheidung damit gestützt worden wäre, hätte man als Voraussetzung ihrer Abänderung dann frühestens mit dem tatsächlich erfolgreichen Abschluss der Ausbildung annehmen können; bis letztlich zu diesem Zeitpunkt wären dagegen die Zweifel hinsichtlich eines solchen Erfolges des Beklagten als der Ausgangsentscheidung zugrunde liegende tatsächliche und rechtliche Verhältnisse eben nicht ausgeräumt gewesen und eine Abänderung für die davor liegende Zeit der eigentlichen Ausbildungsdauer folglich nicht in Betracht gekommen.

55

(b) Zum anderen bleiben die Aussichten der Klägerinnen auf eine real verbesserte Unterhaltssituation durch die erworbene Ausbildung des Beklagten weiterhin offen, nachdem er auch mit dieser noch keine neue und entsprechend entlohnte Arbeitsstelle gefunden hat. Es kann zudem nicht zu Lasten der Klägerinnen gehen, wenn dem Beklagten nun eine bessere Erwerbsmöglichkeit unterstellt wird, die er zunächst unter Verstoß gegen eine bestehende Erwerbsobliegenheit erlangt hat und die Klägerinnen für die Ausbildungsdauer auf einen in seiner Durchsetzbarkeit wegen einer allein fiktiven Einkommensberechnung zudem fragwürdigen Unterhaltsanspruch verwiesen sind.

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cc. Bereits bei ungelernten Arbeitslosen kann von Nettobezügen in Höhe von 1.265,00 € ausgegangen werden; selbst wenn man hiervon 50,00 € Werbungskosten absetzt sowie im Hinblick auf die häufig nur zeitlich befristete Einstellung ungelernter Hilfskräfte einen weiteren Abschlag von 10 % vornimmt, verbleiben immer noch etwa 1.100,00 € (vgl. OLG Hamm FamRZ 2005, 803 und FamRZ 2006, 726; OLG Stuttgart FamRZ 2007, 1738; vgl. auch OLG Brandenburg a. a. O.). Soweit dabei auf die Verhältnisse in den alten Bundesländern abgestellt wird, ist aufgrund des niedrigeren Einkommensniveaus in den neuen Bundesländern demgegenüber ein Betrag in Höhe von 920,00 € zugrundezulegen (vgl. AG Ludwigslust FamRZ 2005, 2089 m. w. N.). Im Falle der Ausübung einer Nebentätigkeit kann ein zusätzlich erzielbares Einkommen in Höhe von bis zu 150,00 € monatlich angenommen werden (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 03.06.2009, Az.: 3 WF 121/09, - zitiert nach juris -; OLG Schleswig MDR 2008, 392).

57

dd. Dem Beklagten war damit für die Zeit von Januar 2005 bis Oktober 2006 ein fiktives Einkommen in Höhe von (920,00 € + 150,00 € =) 1.070,00 € anzurechnen. Er lebte während dieser Zeit in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, sodass ihm auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnte Bemühungen um einen Arbeitsplatz nicht zumutbar waren; ein derartig schwerer und dauerhafter Eingriff in seine Lebensplanung wäre dem Beklagten nicht zumutbar gewesen, während die Klägerinnen entsprechende Änderungen in seinen Lebensverhältnissen akzeptieren mussten (vgl. auch OLG Hamm NJWE-FER 2000, 308). Im Übrigen war von einem fiktiven Einkommen in Höhe von (1.100,00 € + 150,00 € =) 1.250,00 € bzw. ab dem Abschluss der Ausbildung wegen der damit verbesserten Erwerbsmöglichkeiten in Höhe von (1.300,00 € + 150,00 € =) 1.450,00 € auszugehen.

58

c. Dem Beklagten stand gegenüber den Klägerinnen grundsätzlich ein Selbstbehalt in Höhe von 750,00 € in der Zeit von Januar 2003 bis Juni 2005, in Höhe von 820,00 € von Juli 2005 bis Dezember 2007 und in Höhe von 900,00 € ab Januar 2008 zu (vgl. Ziffer 21.2 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Rostock). Wegen der Kostenersparnisse bei gemeinschaftlicher Haushaltsführung kommt jedoch eine Kürzung des Selbstbehaltes dann in Betracht, wenn der Unterhaltspflichtige, wie hier der Beklagte mit seiner Lebengefährtin, mit einem Dritten zusammenlebt; die Haushaltsersparnis kann mit 25 % des Selbstbehaltes angesetzt und dieser entsprechend reduziert werden (vgl. Ziffer 21.7 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Rostock; OLG Nürnberg NJW 2003, 3138; OLG Hamm FamRZ 2003, 1210), sodass sich (750,00 € x 75 % =) 562,50 € für die Zeit von Januar bis Juni 2005 und (820,00 € x 75 % =) 615,00 € für die Zeit von Juli 2005 bis Oktober 2006 ergeben.

59

3a. Die Einsatzbeträge für die Klägerinnen belaufen sich monatlich auf (174,00 € + 174,00 € =) 348,00 € monatlich für die Zeit von Januar 2003 bis Juni 2003, auf (183,00 € + 183,00 € =) 366,00 € für die Zeit von Juli 2003 bis Juni 2005, auf (228,00 € + 188,00 € =) 416,00 € für die Zeit von Juli 2005 bis Juni 2007, auf (226,00 € + 186,00 € =) 412,00 € für die Monate Juli und August 2007, auf (226,00 € + 226,00 € =) 452,00 € für die Zeit von September 2007 bis Dezember 2007, auf (245,00 € + 245,00 € =) 490,00 € für das Jahr 2008, auf (240,00 € + 240,00 € =) 480,00 für das Jahr 2009 und auf (272,00 € + 272,00 € =) 544,00 € ab Januar 2010; ab Juli 2011 ergeben sich nach den derzeitigen Mindestunterhaltsbeträgen (334,00 € + 272,00 € =) 606,00 € und ab September 2013 (334,00 € + 334,00 € =) 668,00 €. Für die Zeit bis Dezember 2007 waren die Regelbedarfssätze nach der Regelbedarfsverordnung, für die Zeit ab Januar 2008 die Mindestunterhaltsbeträge abzüglich des nach § 1612b Abs. 1 BGB zur Bedarfsdeckung zu verwendenden Kindergeldes einzusetzen (vgl. Ziffer 23.2.1 bzw. 23.2 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Rostock).

60

b. Danach reicht das fiktive Einkommen des Beklagten unter Abzug seines Selbstbehaltes zur vollen Deckung der Unterhaltsansprüche aus in den Zeiten von Januar 2003 bis August 2007 sowie von September 2009 bis Juni 2011, während im Übrigen eine Mangelfallberechnung vorzunehmen war. Unter Berücksichtigung seines Selbstbehaltes standen in der Zeit von Januar 2003 bis Dezember 2004 insoweit (1.250,00 € - 750,00 € =) 500,00 €, für die Zeit von Januar bis Juni 2005 (1.070,00 € - 562,50 € =) 507,50 €, für die Zeit von Juli 2005 bis Oktober 2006 (1.070,00 € - 615,00 € =) 455,00 €, für die Zeit von November 2006 bis Dezember 2007 (1.250,00 € - 820,00 € =) 430,00 €, für die Zeit von Januar 2008 bis August 2009 (1.250,00 € - 900,00 € =) 350,00 € und ab September 2009 (1.450,00 € - 900,00 € =) 550,00 € zur Verfügung.

61

aa. Es ergeben sich in der Folge für die Klägerin zu 1) Unterhaltsansprüche in Höhe von 158,00 € für die Zeit von Januar bis Juni 2003, in Höhe von 171,00 € für die Zeit von Juli 2003 bis Juni 2005, in Höhe von 228,00 € für die Zeit von Juli 2005 bis Juni 2007, in Höhe von 226,00 € für die Monate Juli und August 2007, in Höhe von (430,00 € : 452,00 € x 226,00 € =) 215,00 € die Zeit von September 2007 bis Dezember 2007, in Höhe von (350,00 € : 490,00 € x 245,00 € bzw. 350,00 € : 480,00 € x 240,00 € =) 175,00 € für die Zeit von Januar 2008 bis August 2009, in Höhe von 240,00 € für die Zeit von September 2009 bis Dezember 2009 und in Höhe von 272,00 € für die Zeit ab Januar 2010 sowie ab Juli 2011 in Höhe von (550,00 € : 606,00 € =) 91 % und ab September 2013 in Höhe von (550,00 € : 668,00 € =) 82,3 % des Mindestunterhaltes; der rückständige Unterhalt für die Zeit von Januar 2003 bis Mai 2010 beläuft sich danach auf (158,00 € x 6 Monate von Januar bis Juni 2003 + 171,00 € x 24 Monate für die Zeit von Juli 2003 bis Juni 2005 + 228,00 € x 24 Monate von Juli 2005 bis Juni 2007 + 226,00 € x 2 Monate für Juli und August 2007 + 215,00 € x 4 Monate von September bis Dezember 2007 + 175,00 € x 20 Monate von Januar 2008 bis August 2009 + 240,00 € x 4 Monate von September bis Dezember 2009 + 272,00 € x 5 Monate von Januar bis Mai 2010 - 59,64 € Steuerabtretung =) 17.596,36 €.

62

bb. Für die Klägerin zu 2) ergeben sich entsprechend Unterhaltsansprüche in Höhe von 158,00 € für die Zeit von Januar bis Juni 2003, in Höhe von 171,00 € für die Zeit von Juli 2003 bis Juni 2005, in Höhe von 177,00 € für die Zeit von Juli 2005 bis Juni 2007, in Höhe von 175,00 € für die Monate Juli und August 2007, in Höhe von (430,00 € : 452,00 € x 226,00 € =) 215,00 € die Zeit von September 2007 bis Dezember 2007, in Höhe von (350,00 € : 490,00 € x 245,00 € bzw. 350,00 € : 480,00 € x 240,00 € =) 175,00 € für die Zeit von Januar 2008 bis August 2009, in Höhe von 240,00 € für die Zeit von September 2009 bis Dezember 2009 und in Höhe von 272,00 € für die Zeit ab Januar 2010 sowie ab Juli 2011 in Höhe von (550,00 € : 606,00 € =) 91 % und ab September 2013 in Höhe von (550,00 € : 668,00 € =) 82,3 % des Mindestunterhaltes; der rückständige Unterhalt für die Zeit von Januar 2003 bis Mai 2010 beläuft sich danach auf (158,00 € x 6 Monate von Januar bis Juni 2003 + 171,00 € x 24 Monate für die Zeit von Juli 2003 bis Juni 2005 + 177,00 € x 24 Monate von Juli 2005 bis Juni 2007 + 175,00 € x 2 Monate für Juli und August 2007 + 215,00 € x 4 Monate von September bis Dezember 2007 + 175,00 € x 20 Monate von Januar 2008 bis August 2009 + 240,00 € x 4 Monate von September bis Dezember 2009 + 272,00 € x 5 Monate von Januar bis Mai 2010 =) 16.330,00 €.

63

cc. Die Unterhaltsbeträge waren gegebenenfalls auf volle € aufzurunden (vgl. Ziffer 24 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Rostock). Da eine für die Tragung des vollen Unterhaltes auch bei einem Vorrücken der Kläger in die höheren Altersstufen notwendige Einkommensverbesserung des Beklagten ungeachtet der Entwicklung des Selbstbehaltes prognostisch nicht unterstellt werden kann, war eine Mangelfallberechnung entsprechend auch für den dynamisierten Unterhalt in Abweichung von der Festsetzung eines gleich bleibenden Prozentsatzes vorzunehmen (vgl. Wendl/Staudigl-Schmitz, a. a. O., § 10 Rn. 133).

64

dd(1) Die Klägerinnen können gemäß § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB rückständigen Unterhalt seit Januar 2003 verlangen. Danach kann der Unterhaltsberechtigte für die Vergangenheit Erfüllung von dem Zeitpunkt an fordern, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, was hier mit dem Schreiben vom 02.01.2003 geschehen ist; der Unterhalt wird ab dem Ersten des Monats, in den das bezeichnete Ereignisse fällt, geschuldet, wenn der Unterhaltsanspruch dem Grunde nach zu diesem Zeitpunkt bestanden hat.

65

(2) Weiterhin kann gemäß § 398 BGB durch Abtretung eine Forderung von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden; mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers. Soweit Ansprüche der Klägerinnen gegen den Beklagten aufgrund von Unterhaltsvorschussleistungen gemäß § 7 Abs. 1 UnterhVG auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangen waren, hat diese die entsprechenden Ansprüche durch die Verträge vom 20.03.2006 auf die Klägerinnen zurückübertragen.

66

c. Die von dem Beklagten angeführten Kreditverbindlichkeiten führen im Übrigen nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Berücksichtigung von Schulden findet dort ihre Grenze, wo es um den Mindestbedarf eines minderjährigen unverheirateten Kindes geht; allenfalls wenn der Unterhaltsschuldner trotz aller Bemühungen durch eine Umschuldung oder Tilgungsstreckung nicht verhindern kann, dass durch den monatlichen Abtrag wenigstens die Zinsen voll getilgt werden, sich also trotz aller Anstrengungen des Schuldners seine Verbindlichkeiten ständig durch Verzugszinsen weiter erhöhen, kommt eine Unterschreitung der Mindestunterhaltssätze auch für die minderjährigen Kinder in Betracht (Oelkers, Aktuelles Unterhaltsrecht, Loseblattsammlung, Stand: November 2004, Stichwort: Schulden, Seite 3 f. m. w. N.). Kann der Unterhaltsschuldner den Mindestunterhalt minderjähriger Kinder aus anderen Mitteln nicht decken, sind Schulden in der Regel jedoch überhaupt nur bis zur Höhe des gemäß § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO pfändbaren Betrages zu berücksichtigen (Ziffer 10.4 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Rostock); dieser beläuft sich für den Beklagten mit zwei unterhaltsberechtigten Kindern auf (985,15 € + 370,76 + 206,56 € =) 1.562,47 € und liegt damit noch über dem ihm zugerechneten fiktiven Einkommen. Bei nachhaltiger und dauerhafter Überschuldung kann es sogar zumutbar sein, den Unterhaltsschuldner auf die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens und einer Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff., 304 InsO zu verweisen (OLG Dresden FamRZ 2003, 1028).

67

4. Abschließend ist anzumerken, dass aufgrund der von dem Beklagten verschiedentlich geäußerten Bereitschaft, an jede Klägerin 20,00 € bzw. 25,00 € Unterhalt zu zahlen, nicht von einem Anerkenntnis im prozessualen Sinne auszugehen war. Ein solches ergibt sich aus den betreffenden Formulierungen des Beklagten jedenfalls nicht ausdrücklich. Aber auch für die Annahme eines konkludenten Anerkenntnisses fehlte es abgesehen von den wechselnden Beträgen und dem offenen Zeitraum, für den die Zahlung erfolgen soll, an der erforderlichen Eindeutigkeit; der Beklagte hat die genannte Zahlungsbereitschaft unter anderem als "Vorschlag" bezeichnet bzw. erklärt, dass er entsprechende Zahlungen leisten "könnte" oder "würde".

II.

68

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 8 und 11, 711 ZPO.

III.

69

Der Streitwert war gemäß §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1 und 5 GKG a. F. auf bis zu 13.000,00 € festzusetzen.

70

1. Danach ist bei Ansprüchen auf Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht der für die ersten zwölf Monate nach Einreichung der Klage oder des Antrags geforderte Betrag maßgeblich; bei Unterhaltsansprüchen nach den §§ 1612a bis 1612c des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist dem Wert nach Satz 1 der Monatsbetrags des Unterhalts nach dem Regelbetrag bzw. Mindestunterhalt und der Altersstufe zugrunde zu legen, die im Zeitpunkt der Einreichung der Klage oder des Antrags maßgebend sind. Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet; der Einreichung der Klage steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird. Diese Regelungen sind im vereinfachten Verfahren zur Festsetzung von Unterhalt Minderjähriger entsprechend anzuwenden. Von dem Tabellenunterhalt bzw. Mindestunterhalt ist anteiliges Kindergeld abzuziehen, weil es nur auf den letztlich geschuldeten Unterhalt ankommt (Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., 2008, § 42 GKG Rn. 15 m. w. N.).

71

2a. Hier wurde ein Antrag auf Durchführung eines vereinfachten Verfahrens am 13.07.2004 eingereicht. Für die Rückstandsberechnung war damit die Zeit von Januar 2003 bis einschließlich Juli 2004 zugrundezulegen, für den laufenden Zeitraum dagegen die anschließenden zwölf Monate bis einschließlich Juli 2005.

72

b. Es ergab sich danach ein Streitwert in Höhe von ([158,00 € + 158,00 € =] 316,00 € x 6 Monate von Januar 2003 bis Juni 2003 + [171,00 € + 171,00 € =] 342,00 € x 25 Monate von Juli 2003 bis Juli 2005 =) 10.446,00 €, der in die festgesetzte Gebührenstufe fiel. Die späteren teilweisen Klagerücknahmen wirken sich auf diese Streitwerthöhe nicht aus.

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