Urteil vom Amtsgericht Ludwigslust - 5 F 169/09

Tenor

I. Die in 1983 vor dem Standesbeamten in G. zur Heiratsregisternummer xxx geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden.

II. Der Wertausgleich bei der Scheidung findet nicht statt.

III. Die Kosten des Verfahrens tragen die Parteien jeweils zur Hälfte

IV. Der Streitwert wird auf bis zu 13.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

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I. Ehescheidung

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Die Parteien haben in 1983 in G. geheiratet. Beide sind deutsche Staatsangehörige. Im 2006 zog die Antragsgegnerin aus der ehelichen Wohnung aus; die Parteien haben seither dauerhaft getrennt voneinander gewohnt. Der Parteien beantragen übereinstimmend,

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die in 1983 vor dem Standesbeamten in G. zur Heiratsregisternummer xxx geschlossene Ehe der Parteien zu scheiden.

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Das durchschnittliche Nettoeinkommen des Antragstellers betrug bei Antragseingang 1.600,00 €; die Antragsgegnerin verfügte über ein Einkommen in Höhe von 1.200,00 €.

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II. Versorgungsausgleich

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Die Parteien haben in 1983 geheiratet; der Scheidungsantrag wurde in 2009 zugestellt.

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1a. Der Antragsteller hat in der Ehezeit gemäß § 3 Abs. 1 VersAusglG von 1983 bis 2009 gemäß der Mitteilung der D R N von 2009 in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht angleichungsdynamische monatliche Anwartschaften in Höhe von 7,81 € sowie angleichungsdynamische monatliche Anwartschaften in Höhe von 539,10 € erworben.

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b. Die Anwartschaften des Antragstellers erhöhen sich gemäß der Mitteilung der A. L. von 2009 noch um eine Anwartschaft aus einer privaten Rentenversicherung mit einem Deckungskapital zum Ehezeitende in Höhe von 2.221,05 €. Dabei waren die Bewertungsreserven in Höhe von 8,91 € mit in den Versorgungsausgleich einzubeziehen; es ist für deren Berücksichtigung unerheblich, dass es sich bei ihnen nach der Auskunft des Versorgungsträgers um nicht garantierte Werte handelt, die wie Börsenkurse jederzeit steigen oder fallen können (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 02.10.2007, Az.: 10 UF 207/06, - zitiert nach juris -). Eine Umrechnung nach der Barwertverordnung führt zwingend zu der Ermittlung von nicht angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften (West). Denn der Wert der Anwartschaften auf eine Leibrente ändert sich in der Angleichungsphase bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet nicht mehr. Bei den in der privaten Leibrentenversicherung erworbenen Anrechten handelt es sich um statische Rechte, das heißt, diese Rechte sind anders als Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht dynamisch, weil ihnen ein Deckungskapital zugrundeliegt. Die Umrechnung in nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaften (West) spiegelt daher ihren heute tatsächlich bereits vorhandenen und bleibenden Wert wider. Dementsprechend ist auch die Umrechnung einer Anwartschaft auf eine Leibrente in eine entsprechende angleichungsdynamische Rentenanwartschaft (Ost) im Gesetz, insbesondere im VAÜG, nicht vorgesehen (OLG Brandenburg FamRZ 2001, 489 und FamRZ 2003, 534 m. w. N.). Die Umrechnung erfolgt, indem das Deckungskapital mit Hilfe des für das Ehezeitende maßgeblichen Umrechnungsfaktors in Entgeltpunkte umgerechnet und die Entgeltpunkte sodann mit dem für das Ehezeitende maßgeblichen Rentenfaktor (West) multipliziert werden. Auf dieser Grundlage ergibt sich ein Rentenwert (West) von (2.221,05 € x 0,0001627360 = 0,3614 x 26,56 € =) 9,60 €. Eine Realteilung ist nicht vorgesehen; der Versicherungsträger ist privat-rechtlich organisiert.

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2a. Die in 1961 geborene Antragsgegnerin hat in der Ehezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß der Mitteilung der D R B von 2009 angleichungsdynamische monatliche Anwartschaften in Höhe von 279,27 € erworben.

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b. Daneben verfügt die Antragsgegnerin nach den Mitteilungen der N. L. von 2009 und 2010 über zwei Kapitallebensversicherungen, die seit 2005 beitragsfrei gestellt sind, mit einem Deckungskapital einschließlich Überschussguthaben zum 2009 in Höhe von 2.077,37 € bzw. 5.498,21 €.

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3a. In 2008 schlossen die Parteien zur UR-Nr. xxx des A. B. in P. eine notariell beurkundete Scheidungsfolgenvereinbarung.

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In dieser vereinbarten die Parteien unter anderem die Veräußerung einer in ihrem Miteigentum stehenden Immobilie; diese hatte der Antragsteller seit dem Auszug der Antragsgegnerin alleine bewohnt und er hatte seither im Innenverhältnis der Parteien auch die betreffenden die Kreditverbindlichkeiten in Höhe von 10.361,13 € getragen, ohne dass hierfür nach der notariellen Vereinbarung noch ein Ausgleich erfolgen sollte. Von dem Veräußerungserlös sollte die Antragsgegnerin nach der Begleichung der noch bestehenden Darlehensverbindlichkeiten einen Betrag in Höhe von bis zu 25.000,00 € erhalten, der Antragsteller erst einen darüberhinausgehenden weiteren Erlös; Ansprüche auf Zugewinnausgleich sollten damit abgegolten sein. Von dem letztlich erzielten Kaufpreis für die Immobilie in Höhe von 130.000,00 € ergab sich nach der Ablösung der noch offenen Belastungen ein Überschuss in Höhe von 20.244,46 €, von dem noch 3.862,68 € an Vertrags- und Durchführungskosten zu begleichen waren.

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Weiterhin verzichteten die Parteien wechselseitig auf Getrenntlebens- und nachehelichen Unterhalt sowie unter Bezugnahme auf die Erzielung eines während der Ehezeit ungefähr gleich hohes Einkommens auf die Durchführung des Versorgungsausgleiches; ausweislich der betreffenden Regelung in der Scheidungsfolgenvereinbarung sollte der Versorgungsausschluss im Falle der Unwirksamkeit der Vereinbarung gemäß § 1408 Abs. 2 BGB a. F. nach § 1587o BGB a. F. ausgeschlossen sein und dies nach einem Hinweis des Notars der gerichtlichen Genehmigung unterliegen.

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Die Antragsgegnerin war während der Ehe von 1993 bis 2006 selbständig tätig; sie bedient einen Kredit über eine Darlehenssumme in Höhe von 6.441,60 €.

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Der Scheidungsantrag des Antragstellers ging bei Gericht in 2009 ein.

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b. Der Antragsteller ist der Auffassung, der Ausschluss des Versorgungausgleiches sei selbst nach § 1587o BGB a. F. genehmigungsfähig gewesen, weil die Antragstellerin durch den verbliebenen Erlös aus der Veräußerung der Immobilie in Höhe von 20.244,46 €, von dem die Vertragskosten wegen der vereinbarten hälftigen Tragung durch die Parteien nicht abzuziehen seien, und den Verzicht des Antragstellers auf einen hälftigen Ausgleich der von ihm im Innenverhältnis allein getragenen Verbindlichkeiten einen ausreichenden Ausgleich erhalten habe, zumal sie noch über zwei Kapitallebensversicherungen verfüge, die güterrechtlich nach der getroffenen Vereinbarung nicht auszugleichen seien.

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c. Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, der Ausschluss des Versorgungsausgleiches benachteilige sie unangemessen. Mit der Bezugnahme auf ein etwa gleich hohes Einkommen der Parteien während der Ehe als dessen Grundlage sei die Erwartung auch etwa gleich hoher Rentenanwartschaften verbunden gewesen, die aber wegen der selbständigen Tätigkeit der Antragsgegnerin unrichtig gewesen sei; ohne die Durchführung des Versorgungausgleiches bestehe die Gefahr einer Altersarmut für sie und einer daraus resultierenden Belastung für die öffentliche Hand. Einen vermögensrechtlichen Vorteil habe sie aus den Regelungen zur Verteilung des Erlöses aus der Veräußerung der Immobilie nur hinsichtlich des über dessen Hälfte hinausgehenden Betrages gehabt, weil sie erstere ohnehin hätte beanspruchen können; ebenso wären die für sie bestehenden Kapitallebensversicherungen im Rahmen eines Zugewinnausgleiches durch ihre Kreditbelastung neutralisiert worden mit der Folge einer für sie bestehenden Ausgleichsberechtigung. Bezüglich der von ihm während seiner alleinigen Nutzungszeit getragenen Hausverbindlichkeiten habe sich der Antragsteller zudem einen Wohnvorteil in Höhe der erzielbaren Marktmiete anrechnen lassen müssen. Es könne nicht außer Betracht gelassen werden, dass die Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungausgleiches auf der Grundlage des bis zum 01.09.2009 geltenden Rechtes geschlossen worden sei. Letztlich habe die Antragsgegnerin bei Abschluss des Notarvertrages unter erheblichem Druck gestanden, weil sie gerade einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen gehabt habe, und der Antragsteller habe ihr gegenüber erklärt, sie würden unter Kostengesichtspunkten eine gemeinsame Anwältin nehmen.

Entscheidungsgründe

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I.1. Ehescheidung:

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Die Ehe der Parteien war gemäß §§ 1565 Abs. 1, 1566 Abs. 2 BGB zu scheiden, weil sie gescheitert ist. Dies ist unwiderlegbar zu vermuten, nachdem die Parteien seit mehr als drei Jahren getrennt leben, was nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung der Parteien zur Überzeugung des Gerichtes feststeht.

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2. Versorgungsausgleich:

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Hinsichtlich des Versorgungsausgleiches war gemäß § 224 Abs. 3 FamFG in dem Urteilsbeschluss festzustellen, in der Urteilsformel festzustellen, dass ein solcher nicht stattfindet.

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a. Gemäß § 48 Abs. 3 VersAusglG ist in Verfahren, in denen am 31.08.2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, ab dem 01.09.2010 das ab dem 01.09.2009 geltende materielle Recht und Verfahrensrecht anzuwenden.

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b. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2, Abs. 2 VersAusglG können die Ehegatten Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich schließen, d. h. sie können ihn insbesondere ganz oder teilweise ausschließen; bestehen keine Wirksamkeits- und Durchsetzungshindernisse, ist das Familiengericht an die Vereinbarung gebunden. Nach § 8 Abs. 1 VersAusglG muss die Vereinbarung über den Versorgungsausgleich dabei unter anderem einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhalten, die sich an den hierfür mit Bezug auf Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen geltenden Grundsätzen orientiert (vgl. Palandt-Brudermüller, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., 2010, § 8 VersAusglG Rn. 4).

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c. Bei Durchführung einer solchen Kontrolle begegnet die von den Parteien getroffene Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungsausgleiches keinen Bedenken.

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aa. Die Wirksamkeitskontrolle konzentriert sich vor allem auf die Frage einer Sittenwidrigkeit der Vereinbarung im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB.

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(1) Diese setzt zum einen eine einseitige Verteilung von Lasten und Vorteilen voraus, wobei der Versorgungausgleich als vorweggenommener Altersunterhalt zu verstehen ist, und hinsichtlich der Möglichkeiten seiner Disponibilität im Hinblick auf die Zuordnung zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts auf derselben Stufe steht wie der Altersunterhalt. Je unmittelbarer die vertragliche Vereinbarung in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift, desto schwerer wiegt die daraus resultierende Belastung, und je dringlicher die gesetzliche Scheidungsfolge für die Existenzsicherung des Berechtigten ist, desto geringer ist die Dispositionsmöglichkeit. In einer Rangfolge der am wenigsten disponiblen Scheidungsfolgen stehen Alterunterhalt und damit auch der Versorgungsausgleich im Rang unmittelbar hinter dem Betreuungsunterhalt (vgl. Bamberger/Roth-J. Mayer, Beck'scher Online Kommentar zum BGB, Stand: 01.09.2009, § 1408 Rn. 19 und 23 m. w. N.). In diesem Sinne wirkt sich ein Ausschluss des Versorgungsausgleiches hier zum Nachteil der Antragsgegnerin aus.

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(a) Auf der Grundlage einer Berechnung nach dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht, d. h. einer Umrechnung von Anrechten nach der Barwertverordnung und einer vorzunehmenden Saldierung der Anwartschaften, verzichtete sie auf monatliche Anwartschaften in Höhe von 138,63 €. Nach dem Halbteilungsgrundsatz gemäß § 1587a Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. ergaben sich Übertragungsansprüche zugunsten der Antragsgegnerin in Höhe von (539,10 € - 279,27 € = 259,83 € : 2 =) 129,92 € bezogen auf die angleichungsdynamischen Anwartschaften und in Höhe von (7,81 € : 2 =) 3,91 € bezogen auf die nicht angleichungsdynamischen Anwartschaften, jeweils aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Nach dem Halbteilungsgrundsatz gemäß § 1587a Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. ergab sich weiterhin ein Übertragungsanspruch zugunsten der Antragsgegnerin in Höhe von (9,60 € : 2 =) 4,80 € bezogen auf die nicht angleichungsdynamischen Anwartschaften des Antragstellers aus dessen privater Rentenversicherung. Nach dem ab dem 01.09.2009 geltenden Recht verbleibt ein etwas darunter liegenden Betrag, soweit nach der Strukturreform des Versorgungsausgleiches das Anrecht des Antragstellers aus einer privaten Rentenversicherung nicht in diese Bilanz einzubeziehen ist, weil diese wegen Geringfügigkeit gemäß § 18 Abs. 2 und 3 VersAusglG auch im Falle der Durchführung des Versorgungausgleiches nicht ausgeglichen würde.

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(b) Ein entschädigungsloser Ausschluss des Versorgungsausgleiches wäre bei einem solchen Ausgleichsbetrag nach der bis zum 31.08.2009 einschlägigen Vorschrift des § 1587o Abs. 2 Satz 4 BGB a. F. nicht familiengerichtlich genehmigungsfähig gewesen. Die Genehmigung sollte danach nur verweigert werden, wenn unter Einbeziehung der Unterhaltsregelung und der Vermögensauseinandersetzung offensichtlich die vereinbarte Leistung nicht zu einer dem Ziel des Versorgungsausgleichs entsprechenden Sicherung des Berechtigten geeignet ist oder zu keinem nach Art und Höhe angemessenen Ausgleich unter den Ehegatten führt; die Regelung erforderte damit im Umkehrschluss außer bei Bagatellbeträgen (verneint bei BGH FamRZ 1987, 467 bei einem Ausgleichsbetrag in Höhe von 69,39 €) regelmäßig eine Ausgleichsleistung für den Verzicht auf die Übertragung von Rentenanwartschaften.

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(2) Im Rahmen des Begriffes der Sittenwidrigkeit ist eine einseitige Benachteiligung allerdings noch von der Vertragsfreiheit gedeckt und es bedarf zu ihrer Annahme zum anderen in einer Gesamtschau zusätzlicher gravierender Umstände, die etwa in einer Zwangslage des Verzichtenden oder seiner unterlegenen Verhandlungsposition bestehen können (vgl. Palandt-Brudermüller, a. a. O., § 1408 Rn. 10 m. w. N.; siehe auch OLG Koblenz FF 2003, 138 m. w. N.). Es sind hier jedoch weder eine intellektuelle Unterlegenheit noch eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erkennbar (vgl. OLG Celle NJW-RR 2009, 1302), zumal die Parteien bei dem Abschluss der notariellen Vereinbarung bereits über eineinhalb Jahre getrennt lebten. Zu keinem anderen Ergebnis führt die Bezugnahme der Antragsgegnerin auf einen für sie bestehenden Druck wegen des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages im zeitlichen Zusammenhang mit der notariellen Vereinbarung. Vor allem ist insoweit nicht nachvollziehbar, wie dies gerade zu einem Verzicht nicht nur auf den Versorgungsausgleich, sondern auch ihre sämtlichen eventuellen Unterhaltsansprüche gegen den Antragsteller hätte führen können; in Anbetracht der Umstände ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin sich gerade angesichts ihrer wirtschaftlichen Situation zumindest im Hinblick auf eine unmittelbare Wahrung von Rechten zum Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung hätte genötigt sehen müssen.

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(3) Zwar kann sich die Sittenwidrigkeit eines Verzichtes auf zwischen Ehegatten bestehende Ansprüche daneben auch noch daraus ergeben, dass die Vertragsschließenden dadurch bewusst eine Unterstützungsbedürftigkeit zu Lasten der Sozialhilfe herbeiführen, selbst wenn sie eine Schädigung des Trägers der Sozialhilfe nicht beabsichtigen, oder sich einer solchen Einsicht zumindest grob fahrlässig verschließen (vgl. BGH NJW 2007, 904 m. w. N.).

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(a) Die auf die Scheidungsfolgen bezogene Vertragsfreiheit entspringt aber zunächst dem legitimen Bedürfnis, Abweichungen von den gesetzlich geregelten Scheidungsfolgen zu vereinbaren, die zu dem individuellen Ehebild der Ehegatten besser passen. Die berechtigten Belange des Sozialhilfeträgers gebieten es ihnen demgegenüber noch nicht allein, mit Rücksicht auf ihn Regelungen zu unterlassen, die von den gesetzlichen Scheidungsfolgen abweichen, ihrem individuellen Ehebild aber besser gerecht werden als die gesetzliche Regelung; eine Pflicht von Eheleuten zur Begünstigung des Sozialhilfeträgers für den Scheidungsfall kennt das geltende Recht nicht (vgl. BGH a. a. O.). So können etwa Lebensrisiken eines Partners, wie sie z. B. in einer bereits vor der Ehe zu Tage getretenen Krankheit oder in einer Ausbildung angelegt sind, die offenkundig keine Erwerbsgrundlage verspricht, von vorneherein aus der gemeinsamen Verantwortung der Ehegatten füreinander herausgenommen werden; entsprechendes gilt auch für andere nicht ehebedingte Risiken und lässt sich wie im vorliegenden Fall auf die Folgen einer von einem Ehegatten ausgeübten selbständigen Tätigkeit übertragen. Aus dem Gedanken der nicht allein auf die Ehezeit beschränkten Solidarität ergibt sich nichts Gegenteiliges; dieser Gedanke ist weder dazu bestimmt noch geeignet, Pflichten, in denen sich die nacheheliche Solidarität konkretisiert, als zwingendes, der Disposition der Parteien entzogenes Recht zu statuieren (vgl. BGH FamRZ 2004, 601).

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(b) Insbesondere genügt im Weiteren mangels Vorhersehbarkeit der künftigen Erwerbslage zudem die bestehende allgemeine Gefahr einer späteren Sozialhilfebedürftigkeit nicht für die Annahme einer Sittenwidrigkeit (vgl. Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth-Hausch, juris Praxiskommentar zum BGB, Stand: 03.09.2009, § 1408 Rn. 64 m. w. N.); der Ausschluss des Versorgungsausgleiches wirkt sich regelmäßig erst in der Zukunft aus, so dass eine Änderung der künftigen Versorgungslage durch Erwerb eigener Versorgungsanrechte oder Zufluss sonstigen Vermögens möglich, folglich eine evident einseitige und unzumutbare Lastenverteilung nicht sicher vorhersehbar und deshalb auch nicht Teil der gemeinsamen Vorstellungen sein wird (vgl. so auch Staudinger-Rehme, Kommentar zum BGB, Bearbeitung 2007, § 1408 Rn. 85 m. w. N.). Es kann dabei nicht außer Betracht bleiben, dass die im Jahr 1961 geborene Antragsgegnerin derzeit 49 Jahre alt ist und ihr gesetzliches Renteneintrittsalter unter Berücksichtigung ihres Geburtsjahrganges bei 66 Jahren und sechs Monaten liegt. Zieht man die Grundsätze aus dem Bereich des nachehelichen Unterhaltes heran, so stellt das allgemeine Arbeitsmarktrisiko keinen ehebedingten Nachteil dar bzw. Schwierigkeiten bei der (Wieder)Erlangung eines Arbeitsplatzes nur dann, wenn sie sich konkret auf die Ausgestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse zurückführen lassen; gleichzeitig gibt es keinen Erfahrungssatz, dass Arbeitskräfte ab einem gewissen Alter nicht mehr vermittelbar sind (vgl. AG Flensburg FamRZ 2009, 1155). Allein aufgrund der jetzigen Nichtdurchführung des Versorgungsausgleiches zwingend auf eine Sozialhilfebedürftigkeit der Antragsgegnerin mehr als sechzehn Jahre in der Zukunft zu folgern, schließt sich damit praktisch von selbst aus.

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bb. Bezüglich der Ausübungskontrolle ist zu untersuchen, ob die Berufung auf eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich gegen die Grundsätze von Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB verstößt, beispielsweise in Anwendung der Grundsätze über einen Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen einer anderen tatsächlichen Entwicklung, als sie der früher getroffenen Vereinbarung zugrundegelegt worden war (vgl. Palandt-Brudermüller, a. a. O., § 1408 Rn. 11 f. m. w. N.). Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann nach § 313 BGB in diesem Sinne eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann; einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

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(1) Eine schwerwiegende Veränderung der Verhältnisse kann bei einer noch im zeitlichen Zusammenhang mit der Trennung der Eheleute und der Scheidung getroffenen Vereinbarung nach der Natur der Sache kaum zum Tragen kommen, zumal hier nicht erkennbar wäre, dass sich zwischen dem Abschluss der notariellen Vereinbarung vom 10.03.2008 und dem Ehezeitende nach § 3 Abs. 1 VersAusglG noch Veränderungen in den Verhältnissen der Parteien ergeben hätten.

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Dahinstehen kann auch vor diesem Hintergrund im Übrigen, dass die Vereinbarung noch auf der Grundlage des bis zum 31.08.2009 geltenden Rechtes abgeschlossen wurde, sie nun aber den ab dem 01.09.2009 geltenden Vorschriften unterfällt. Denn Gesetzesänderungen können zum einen nur dann einen Wegfall oder eine Störung der Geschäftsgrundlage zur Folge haben, wenn sie das Äquivalenzverhältnis stören (vgl. Palandt-Grüneberg, a. a. O., § 313 Rn. 34 m. w. N.). Wie oben unter lit. aa(1a) angedeutet, wären die Ausgleichsansprüche der Antragsgegnerin, die ihrem Verzicht auf den Versorgungausgleich unterliegen, aufgrund der Geringfügigkeitsregelung des § 18 VersAusglG zwischenzeitlich gerade nicht höher, sondern vielmehr allenfalls geringer als bei Anwendung des alten Rechtes. Dass die Vereinbarung zwischenzeitlich nicht mehr im Sinne von § 1587o BGB a. F. gerichtlich genehmigt werden muss, sondern nur noch einer Inhalts- und Ausübungskontrolle nach § 8 VersAusglG unterliegt, ist danach ebensowenig von Bedeutung; denn abgesehen davon, dass eine solche entsprechend den vorstehenden Ausführungen durchaus ebenfalls umfangreich ausfallen kann, hat die Veränderung der Parameter für die gerichtliche Prüfung einer Vereinbarung der Ehegatten keinerlei Auswirkungen auf das dieser zugrundeliegende Äquivalenzverhältnis. Zum anderen könnte eine Anpassung der vorliegenden Vereinbarung nach den Grundsätzen des § 313 BGB auch nur in Betracht kommen, wenn einer Partei das Festhalten an ihr unzumutbar wäre (vgl. Palandt-Grüneberg, a. a. O., § 313 Rn. 24 m. w. N.); hält die Vereinbarung aber der seitens des Gesetzgebers nun vor- und damit gleichzeitig als ausreichend angesehenen Inhalts- und Ausübungskontrolle stand, kann hiervon nicht ausgegangen werden.

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(2) Soweit die Parteien bei Abschluss der notariellen Vereinbarung sodann offenbar schlichtweg von unrichtigen Vorstellungen über die jeweils während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften aufgrund ihres etwa gleich hohen Einkommens ausgegangen sind, scheiden Rechte aus § 313 BGB dagegen aus, weil die Störung der Motivation ausschließlich in die Risikosphäre der Antragsgegnerin fällt (vgl. zur Risikobetrachtung bei einem Wegfall oder einer Störung der Geschäftsgrundlage Palandt-Grüneberg, a. a. O., § 313 Rn. 19 ff., 38 m. w. N.). Anders als im Hinblick auf die Berufung auf Ausschlussregelungen etwa hinsichtlich des Ehegattenunterhaltes in einem zu Beginn der Ehe geschlossenen Ehevertrag, wenn sich die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse beispielsweise durch die zunächst nicht vorgesehene Erziehung eines Kindes durch einen Ehegatten an Stelle der durchgehenden Ausübung einer Erwerbstätigkeit abweichend von den ursprünglichen gemeinsamen Vorstellungen entwickelt hat, liegt einer Scheidungsfolgenvereinbarung ein praktisch abgeschlossener Sachverhalt zugrunde; beiden Ehegatten sind ihre Einkommens- und Arbeitsverhältnisse während der Ehe bekannt und der Bestand an erworbenen Rentenanwartschaften ist über die Versorgungsträger konkret ermittelbar. Schon in der Motivation einer solchen Vereinbarung geht es den Beteiligten nicht mehr vorrangig um die Wahrung der ehelichen Solidarität, sondern vielmehr der eigenen Interessen. Hinsichtlich des vermögensrechtlichen Ausgleiches, in welchem Zusammenhang auch der Versorgungsausgleich gesehen werden kann (vgl. Palandt-Brudermüller, a. a. O., vor § 1 VersAusglG Rn. 1), obliegt es daher, wie bei anderen Austauschgeschäften auch, jeder Partei selbst, sich darüber zu informieren und klar zu werden, welche Vermögenswerte sie im Rahmen der Vereinbarung gegebenenfalls zur Disposition stellt. Hat sich die Antragsgegnerin daher wohl darüber geirrt, in welchem Umfang ihr ein Ausgleichsanspruch gegen den Antragsteller bezogen auf den Versorgungausgleich zustand, handelte es sich hierbei um einen selbst im Sinne des § 119 BGB unbeachtlichen und damit nicht zu einer Anfechtung berechtigenden Motivirrtum. Nichts anderes gilt für den Umstand, dass die Antragsgegnerin möglicherweise die Inanspruchnahme eines "gemeinsamen" Rechtsanwaltes bei einer einverständlichen Scheidung verkannt hat.

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(3) Aus den letzteren Überlegungen wird wohl zugegebenermaßen eine deutliche Schwäche der neuen gesetzlichen Regelung im Falle von Scheidungsfolgenvereinbarungen mit dem Gegenstand eines Ausschlusses des Versorgungsausgleiches deutlich, die aber sozusagen eine unvermeidbare Folge des grundlegenden Motivs der neuen Vorschriften ist. Während § 1587o BGB a. F. mit seinem Genehmigungerfordernis eine erhebliche Beschränkung der Privatautonomie darstellte, die einen wirksamen Schutz der Versorgungsträger vor Manipulationen der Ehegatten wie auch den Schutz des (regelmäßig) sozial schwächeren Berechtigten vor Übervorteilung unter dem Druck der Scheidungssituation gewährleisten sollte (vgl. Staudinger-Rehme, a. a. O., § 1587o Rn. 2 m. w. N.), sollte die Reform der Bestimmungen über vertragliche Vereinbarungen der Eheleute im VersAusglG deren Dispositionsmöglichkeiten stärken und betonen, dass Vereinbarungen der Eheleute über den Versorgungsausgleich grundsätzlich erwünscht sind (vgl. BT-Drs. 16/10144, S. 52). Abgesehen davon, dass das Recht des Versorgungausgleiches und der einzelnen Anwartschaften auch jetzt noch derart kompliziert ist, dass kein Laie seine auf individuellen Verhältnisse besonders zugeschnittene Regelung wird entwerfen können und Rechtsanwälte schon unter Haftungsgesichtspunkten auf diesem Gebiet mit großer Zurückhaltung agieren werden, sind gerade auch vor diesem Hintergrund in der gerichtlichen Praxis die Fälle nicht selten, in denen der Versorgungsausgleich von scheidungswilligen Eheleuten mit seinem Bezug zu einem oft noch Jahrzehnte in der Zukunft liegenden Renteneintritt lediglich als verzögerndes und lästiges Hindernis für einen schnellen Abschluss des Scheidungsverfahrens angesehen wird; ohne sich der Konsequenzen eines Verlustes oft erheblicher Ansprüche bewusst zu werden, wird daher die Durchführung des Versorgungsausgleiches häufig kurzerhand ausgeschlossen, und im Rahmen der Anwendung des früheren Rechtes erfolgten Reaktionen mit Unverständnis oder gar Empörung, wenn das Gericht zum Zwecke der Prüfung einer gerichtlichen Genehmigung dennoch die entsprechenden Ermittlungen mit Einholung aller Rentenauskünfte vollumfänglich durchführte. Seit dem Inkrafttreten der Strukturreform des Versorgungausgleiches scheint eine Tendenz vieler Gerichte nun dahin zu gehen, Vereinbarungen der Parteien ohne Weiteres und vor allem ohne genaue Kenntnis der jeweils erworbenen Anwartschaften unbeanstandet zu lassen, wenn sich Unwirksamkeitsgründe oder Ausübungshindernisse nicht geradezu aufdrängen. Selbst wenn man dies anders handhaben würde, lassen sich aber weder die öffentliche Hand in Form der Rentenversicherungen noch ohne ausreichende Informationen im Hinblick auf eine schnelle Scheidung aktiv werdende Ausgleichsberechtigte vor im Endeffekt zu ihrem Nachteil verunglückten Vereinbarungen wirksam schützen, weil nach dem oben Gesagten eine Ausgleichsleistung für einen Anspruchsverzicht zur Abwendung einer auch nur möglichen späteren Unterversorgung nicht mehr Wirksamkeitsvoraussetzung einer Vereinbarung ist, und ansonsten die Hürde für die Annahme einer Unbeachtlichkeit einer getroffenen Vereinbarung im Rahmen der Ausübungs- und Inhaltskontrolle sehr hoch liegt.

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d. Anzumerken ist, dass die Einholung dem ab dem 01.09.2009 geltende Recht entsprechender neuer Ehezeitauskünfte nicht veranlasst erscheint, weil sich die jeweiligen Positionen der Parteien für die Inhalts- und Ausübungskontrolle aus den bereits vorliegenden Auskünften ausreichend deutlich ablesen ließen. Offen bleiben kann zudem auch, ob oder wie die Kapitallebensversicherungen der Antragsgegnerin, von ihr aus der Immobilienveräußerung erhaltene Beträge oder ein Verzicht des Antragstellers auf die Geltendmachung eines Gesamtschuldnerausgleiches für von ihm allein beglichene Verbindlichkeiten sich als Gegengewicht zu dem Verzicht auf Versorgungsanwartschaften auswirken können.

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II. Die Kostenentscheidung beruht nach der Übernahme der Kostenregelung in der von den Parteien geschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarung auf § 93a Abs. 1 Satz 3 ZPO.

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III. Der Streitwert war gemäß §§ 48 Abs. 3 Satz 1, 49 Nr. 3 GKG auf bis zu 13.000,00 € festzusetzen.

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1. Ausschlaggebend war für den Streitwert hinsichtlich der Scheidung das dreifache monatliche Nettoeinkommen der Parteien. Dieses war für den Antragsteller in Höhe von monatlich 1.600,00 € anzusetzen, für die Antragsgegnerin in einer Höhe von monatlich 1.200,00 €. Es ergibt sich danach ein dreifacher Monatsbetrag in Höhe von 8.400,00 €.

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2. Hinzukam ein Streitwert für den Versorgungsausgleich in Höhe von 2.000,00 €, weil dem Versorgungsausgleich Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung und sonstige Anrechte unterliegen. Anzumerken ist, dass insoweit gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG wiederum das bis zum 01.09.2009 geltende Recht anzuwenden war, soweit danach auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des FamFG eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zu dessen Inkrafttreten beantragt wurde, weiter die vor seinem Inkrafttreten geltenden Vorschriften anzuwenden sind; § 48 Abs. 3 VersAusglG sieht insoweit Abweichendes allein für das materielle und Verfahrensrecht vor.

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3. Der sich ergebende Gesamtstreitwert fiel in die festgesetzte Gebührenstufe.

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