Urteil vom Amtsgericht Mannheim - 10 C 69/10

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 490,28 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.01.2010 sowie weitere 48,73 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.5.2010 zu bezahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

 
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger kann die Erstattung der geleisteten Zahlungen sowie Schadensersatz verlangen.
Der Kläger hat den streitgegenständlichen Vertrag wirksam gem. § 123 Abs. 1 BGB wegen einer arglistigen Täuschung durch den Beklagten angefochten. Das dem Kläger übersandte Angebot ist in einer Form gestaltet, dass dies objektiv wie subjektiv die Annahme eines arglistigen Verhaltens durch den Beklagten belegt.
Das Anfechtungsrecht setzt voraus, dass der Anfechtende sich bei Abgabe seiner Willenserklärung auf Grund einer der Gegenseite zurechenbaren Täuschungshandlung über einen vertragswesentlichen Umstand geirrt hat, und der Irrtum seine Entschließung - hier zum Vertragsschluss - zumindest beeinflusst hat (vgl. nur BGH , NJW 1982, 2861 [2863]). Als mögliche Täuschungshandlung kommt indes nicht nur das Vorspiegeln falscher oder das Entstellen oder Verschweigen bestehender Tatsachen trotz Aufklärungspflicht in Betracht (vgl. LG Köln , Urteil v. 26.09.2007, 9 S 139/07 , zitiert bei Juris; Palandt/Heinrichs, BGB, 69. Aufl., § 123 Rdnrn. 3ff.). Als Handlungsvariante der arglistigen Täuschung kommt darüber hinaus auch jedes andere Verhalten in Betracht, sofern es geeignet ist, beim Gegenüber einen Irrtum hervorzurufen und den Entschluss zur Abgabe der gewünschten Willenserklärung zu beeinflussen. So reicht es aus, wenn der Handelnde sich darüber bewusst ist, dass sein Verhalten jedenfalls in der Gesamtschau aller Einzelakte geeignet ist, den anderen in die Irre zu führen. Er muss insoweit zumindest mit der Möglichkeit rechnen, der Gegner würde bei Kenntnis aller Umstände die begehrte Willenserklärung nicht oder nicht mit dem erhofften Inhalt abgeben (vgl. BGH , VersR 1985, 156; BGH , NJW 1982, 2861 [2863] m.w. Nachw.), wobei ein bedingter Vorsatz beim Täuschungswillen für die Annahme eines "arglistigen" Verhaltens ausreicht (vgl. BGH , NJW-RR 1998, 904).
Es ist für die Berechtigung zur Anfechtung nicht entscheidend, ob die Beklagte dabei die im geschäftlichen Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet oder hinsichtlich des "Überlesens" gewisser Vertragsinformationen selbst fahrlässig gehandelt hat (st. Rspr., vgl. nur BGHZ 33, 302 [310] = NJW 1961, 164; NJW 1971, 1795 [1798] m.w. Nachw.; NJW 1989, 287 [288]). Die Bestimmung des § 123 BGB verfolgt ersichtlich das Ziel, ein auf Arglist und Täuschung beruhendes Geschäftsgebaren in aller Regel auf Wunsch des Getäuschten die Rechtswirkung nehmen zu können. Es kann mithin auch derjenige anfechten, der dem Täuschenden die Irreführung leicht gemacht hat ( BGH , NJW-RR 2005, 1082 [1083]). Mit anderen Worten: Soweit der Irrtum beim Kunden durch ein rechtserhebliches Täuschungsverhalten der Klägerin ausgelöst worden ist, so scheitert die Möglichkeit zur Vertragsanfechtung nicht daran, dass der Irrtum des Bekl. auch auf eigene Fahrlässigkeit im Umgang mit Werbepost beruht ( LG Köln aaO).
Andererseits kann ein besonders hohes Maß an Unaufmerksamkeit auf der einen Seite im Rahmen der Gesamtabwägung dazu führen, dass der anderen Seite ein arglistiges Täuschungsverhalten nicht mehr nachgewiesen werden kann. Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage sind die Umstände des Einzelfalls, eine rein schematische Bewertung verbietet sich. Insbesondere in Fällen, in denen der Verfasser eines Vertragsangebots mittels Aufmachung und Formulierung eine Art der Gestaltung wählt, die objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine fehlerhafte Vorstellung über dessen tatsächlichen Inhalt hervorzurufen, kann eine Täuschung selbst dann angenommen werden, wenn der wahre Charakter des Schreibens bei sorgfältigem Lesen hätte erkannt werden können (vgl. BGH , NJW 2001, 2187 [2189]). Die jeweilige Täuschung muss mithin planmäßig eingesetzt worden und nicht bloß Folge, sondern Zweck des Handelns sein ( BGH , NJW 2001, 2187). Der BGH hat dies an genannter Stelle für das Strafrecht ausdrücklich festgestellt. Die Grundsätze gelten indes gleichermaßen für das Zivilrecht (vgl. nur BGH , NJW-RR 2005, 1082 [1084]): So kommt es nach der Rechtsprechung des BGH bei einer lediglich irreführenden Darstellung vor allem darauf an, wie stark maßgebliche Vertragsparameter verzerrt oder entstellt aufbereitet worden sind. Dabei kann die Täuschung außer durch bewusst unwahre Behauptungen auch konkludent durch irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung aufzufassen ist, erfolgen. Davon ist auszugehen, wenn der Täter zwar die Unwahrheit nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten mit erklärt. Diese Voraussetzungen werden durch die von dem Beklagten versandten Angebotsschreiben erfüllt (vgl. hierzu OLG Frankfurt NJW 2003, 3215).
Die Täuschung über den wahren Inhalt des Schreibens wird bereits mit dem Kopf des Schreibens initiiert. Dort heißt es „A., Gewerbe Industrie/-Handelsveröffentlichungen“. Direkt rechts daneben ist zwar als Betreff „Eintragung/-Veröffentlichungsofferte“ genannt, allerdings unter nachfolgender Bezugnahme auf die „Veränderung Ihres Handelsregistereintrages“, wobei der Begriff „Handelsregister“ unterstrichen ist und im fortlaufenden Text nochmals unterstrichen wiederholt wird als „Handelsregistertext“ und sich anschließender Wiedergabe des Wortlauts der Eintragung im Handelsregister. Danach folgt eine Tabelle überschrieben mit „Veröffentlichung/Hinterlegung“ und der Wiedergabe der Eintragungsdaten des Amtsgerichts. In der letzten Zeile taucht dann zwar wieder das Wort Offerte auf, allerdings mit einer 13-stelligen! Belegnummer, welche den Eindruck erweckt, dahinter stehe ein im Massenverkehr verwendetes Kassenzeichen.
Hierdurch wird bei dem nur flüchtigen Leser, insbesondere bei der routinemäßigen Zahlung offener Rechnungen im betrieblichen Alltag der Eindruck erweckt, es handele sich um einen Vorgang, welcher in einem engen sachlichem Zusammenhang mit der Eintragung im Handelsregister steht. Tatsächlich ist diese Eintragung aber inhaltlich überhaupt nicht Gegenstand des Schreibens. Der Beklagte bezweckt vielmehr allein den Abschluss eines entgeltlichen Vertrages über die Veröffentlichung der Daten des Klägers in einer Datenbank im Internet. Die Bezugnahme auf den Handelsregistertext dient erkennbar nur dem Ziel, den wahren Hintergrund des Handelns zu verschleiern, wie ja auch kein Interesse des Einzelunternehmers, welcher eine Fahrschule betreibt, erkannt werden kann, den Text seiner Handelsregistereintragung in einer Internetdatenbank bekannt zu machen.
Danach erfolgt dann zwar die textliche Wiedergabe des wahren Anliegens des Beklagten. Diese ist aber denkbar klein gedruckt und engzeilig geschrieben. Dies zur Kenntnis zu nehmen und konzentriert zu lesen wird dadurch erschwert, ja der Blick förmlich abgelenkt, dass darunter wiederum eine über die ganze Breite der Seite gezogene Tabelle steht, in welcher - wiederum in für typischerweise durch Verwaltungshandeln veranlasster Weise der Rechnungsstellung – es heißt "Kosten/Bezeichnung" und diese dann auch noch als "Eintragung/Veröffentlichungsbetrag" bezeichnet werden. In der Zusammenschau mit dem schon im Briefkopf aufgeführten Bezügen auf das Handelsregister springt es damit bei einem ersten Blick auf das Schreiben förmlich in das Auge, dass es sich um die Abrechnung von Kosten für die Eintragung und Veröffentlichung im Handelsregister handelt.
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Der nachfolgende Text, in dem der Erklärungsempfänger gebeten wird " bei Annahme" die Zahlungen zu veranlassen, wird zum einen dadurch wieder relativiert, dass direkt darunter der Überweisungsträger/Zahlschein abgedruckt ist, zum anderen eine Frist gesetzt wird, binnen 7 Tagen zu zahlen, also eine fristgebundene und damit bereits bestehende Zahlungspflicht suggeriert wird. Davon abgesehen, dass die Frist auch als äußerst kurz anzusehen ist, obwohl für eine derartige Eile keinerlei Veranlassung besteht, wäre es bei redlichem Verhalten üblich, dem Erklärungsempfänger eine Annahmefrist und nicht eine Zahlungsfrist zu setzen. Der durch diese Gestaltung der Schreiben hervorgerufene prägende Gesamteindruck einer Rechnung wird durch kleinere Abweichungen, wie z.B. die zum Teil unterschiedlich gestaltete Anordnung des Wortes „Annahme“ im Zusammenhang mit der Zahlungsfrist oder das Weglassen einzelner Rechnungsmerkmale, deshalb nicht beeinträchtigt. Denn es ist nicht auf die jeweiligen Einzelmerkmale der Anschreiben abzustellen, sondern auf den planmäßig vermittelten Gesamteindruck der Aufmachung „nach Art einer Rechnung“ (vgl. hierzu OLG Frankfurt a.a.O.).
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Dies gilt auch für die Zusammenschau mit dem Bestandteil „Handelsveröffentlichungen“ und den daneben aufgeführten handelsregisterrechtlichen Eintragungen. Gerade weil in den letzten Jahren verstärkt Verwaltungsleistungen auf Zentralinstanzen übertragen werden, wobei auch teilweise eine Auslagerung aus dem allgemeinen Aufbau der Verwaltung zu verzeichnen ist, wird damit suggeriert, es handele sich um die Rechnungen einer Zentralstelle für die durchgeführte Eintragung.
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Das Gericht ist auch überzeugt, dass der Beklagte die " Offerte " in dem Bewusstsein dem Kläger zugesandt hat, dass diese sich in der geschehenen Weise zur Irreführung und Beeinflussung eignet, ja diesbezüglich in Täuschungsabsicht handelt. Diese zum subjektiven Bereich menschlichen Handelns gehörenden Umstände sind regelmäßig dem unmittelbaren Beweis nicht zugänglich, auf sie muss vielmehr in aller Regel aus den jeweiligen objektiv feststellbaren Umständen, hier also Inhalt und Aufmachung des Schreibens geschlossen werden (vgl. hierzu BGH NJW-RR 2005, 1082). Nach Überzeugung des erkennenden Gerichts ergibt sich aus den obigen Ausführungen hinreichend deutlich, dass es der Beklagte planmäßig darauf anlegt, Einkünfte daraus zu erzielen, indem er bei dem jeweiligen Empfänger des Schreibens den Eindruck erwecken will, es handele sich um die Abrechnung von Kosten für die Eintragung im Handelsregister. Die Erstellung und Versendung erfolgt absichtlich und planmäßig im Rahmen eines Gesamtkonzeptes, welches gezielt darauf angelegt ist, mit den an sich inhaltlich wahren, aber zur Erregung eines Irrtums geeigneten Schreiben unter dem Anschein äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens bei den Adressaten Missverständnis und Irrtum hervorzurufen und sie zur Zahlung zu veranlassen. Aus der vorstehend geschilderten Gestaltung der Schreiben wird deutlich, dass der Beklagte gerade eine vermeintlich noch zulässige Fassung der Schreiben wählte, um trotz des angestrebten Irrtums auf Seiten des jeweiligen Empfängers in juristisch möglichst wenig angreifbarer Weise einen Vertragsschluss und eine Zahlung zu erreichen. Der isoliert wahre Inhalt der Schreiben diente unter diesen Umständen lediglich als "Fassade", um die von vornherein in unlauterer Absicht angestrebte Zahlung nach außen hin als vertraglich geschuldet und damit als rechtmäßig erscheinen lassen zu können.
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Entsprechend ist der Beklagte auch im Internet präsent. Eine nur flüchtige Recherche über Google mit den Suchbegriffen „A.“ führt zu einer Vielzahl von einschlägigen Erfahrungsberichten auf Seiten wie „antiabzockenet, bauernfaenger-info, adressbuchbetrug-info und verbraucherabzocke.info“. Abgerundet wird das Bild dadurch, dass es sich bei dem vorliegenden Verfahren um nur eines von mehreren bei dem Amtsgericht Mannheim anhängigen handelt.
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Der Kläger kann daher auf Grund der mit Schreiben vom 17.12.2009 erklärten Anfechtung gem. §§ 123, 812 BGB die Rückzahlung der geleisteten Zahlung verlangen sowie gem. §§ 311, 249 Ersatz der aufgewendeten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (vgl. hierzu Palandt-Grüneberg, BGB 69. Aufl. § 311 Rdnr. 55) samt der Verpflichtung zum Ersatz des entstandenen Verzugsschadens gem. §§ 280 Abs. 2, 286, 288, 249 BGB.
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Die prozessuale Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708, 713 ZPO. Da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen, war die Berufung nicht zuzulassen.

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