Endurteil vom Amtsgericht München - 335 C 24046/20

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 299,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 43,31 EUR seit 06.08.2020, aus einem Betrag vom 45,82 EUR seit dem 06.08.2020, aus einem Betrag in Höhe von 163,41 EUR seit dem 16.04.2020 sowie aus einem Betrag von 0,60 EUR seit dem 06.08.2020 zu

2. zahlen. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 81,43 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.03.2021 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 11% und die Beklagte 89% zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf 336,24 € festgesetzt.

Gründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen weiteren Schadensersatzanspruch in Höhe von 299,50 € aus abgetretenem Recht i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG.

Die Haftung der Beklagtenseite als Haftpflichtversicherung der unfallverursachenden Kraftfahrzeuge zu 100% aufgrund der streitgegenständlichen insgesamt 5 Unfallereignisse ist dem Grunde nach unstreitig.

Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht den Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der noch offenen Sachverständigenkosten von insgesamt 336,24 EUR geltend. Die Geschädigten haben ihren Anspruch auf Schadensersatz betreffend die Sachverständigenkosten an die Sachverständigen B1. Y., F. L. sowie die St. & Partner GmbH, welche die jeweiligen Gutachten erstellt haben, abgetreten. Dies ergibt sich aus den Anlage K 3 Nr. 1 bis 5. Die Abtretung war auch wirksam, insbesondere hinreichend bestimmt.

Die Sachverständigen wiederum haben die ihnen abgetretenen Schadensersatzansprüche an die Klägerin zur Geltendmachung abgetreten, was das Gericht durch die Anlagen K 2 sowie die Anlagen zum Schriftsatz der Klägerin vom 25.08.2021 (Bl. 63/67 d.A.) als hinreichend nachgewiesen ansieht, § 286 ZPO.

Streitig war vorliegend, ob noch ausstehende Sachverständigenkosten von insgesamt 336,24 € erstattungsfähig sind.

Nach der aktuellen Rechtsprechung des OLG München (Urteil vom 26.02.2016, 10 U 579/15), der sich das Gericht in eigener Würdigung anschließt, sind die Sachverständigenkosten hier teilweise erstattungsfähig.

Nach dem Senat gilt grundsätzlich für Fälle ab dem 01.01.2016 - wegen der für den Geschädigten bestehenden Schwierigkeit der Ermittlung der üblichen Sachverständigenhonorare - das Folgende:

In Fällen, in denen „auch nur teilweise eine Erstattung der Kosten für ein Schadensgutachten durch einen Unfallgegner oder dessen Haftpflichtversicherung in Betracht kommt, ist der Sachverständige im Rahmen seiner aus dieser Dreiecksbeziehung resultierenden Aufklärungspflicht gegenüber dem Auftraggeber (als Nebenpflicht des Gutachtensauftrags) verpflichtet, spätestens in der Sachverständigenkostenrechnung schriftlich darauf hinzuweisen, wenn er über den üblichen Sätzen gemäß §§ 249, 633 Abs. 2 BGB liegt und deshalb für den Auftraggeber die Gefahr besteht, dass die gegnerische Versicherung den überschießenden Betrag nicht bezahlt “ (vgl. OLG München, Endurteil vom 26.02.2016, Az. 10 U 579/15 = BeckRS 2016, 04574, Rn. 18).

„Falls der Geschädigte vom Sachverständigen nicht ordnungsgemäß aufgeklärt wurde, bekommt der Geschädigte (nicht aber der klagende Sachverständige, § 242 BGB) in Fällen subjektiver Schadensbetrachtung die volle Kostenrechnung des Sachverständigen erstattet, ist aber verpflichtet, seine Rückforderungsansprüche gegenüber dem Sachverständigen an die Versicherung/den Schädiger abzutreten. Handelt es sich um keinen Fall der subjektiven Schadensbetrachtung, erhält der Geschädigte oder der Sachverständige nur die üblichen Sätze “ (vgl. OLG München, Endurteil vom 26.02.2016, Az. 10 U 579/15 = BeckRS 2016, 04574, Rn. 19).

Vorliegend klagt die Klägerin aus den ihr durch die Sachverständige selbst abgetretenen Sachdensersatzansprüche. Somit besteht nur ein Anspruch auf die üblichen Sachverständigenhonorarsätze, als auch der Anspruch der Sachverständigen selbst in diesem Maße zu begrenzen ist. Denn einem darüber hinaus gehenden Anspruch steht bei Geltendmachung durch den Sachverständigen selbst § 242 BGB entgegen. § 242 BGB bildet eine immanente Inhaltsbegrenzung (vgl. Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Auflage 2016, § 242 Rn. 38) des Honoraranspruchs. Die gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung ist als Rechtsüberschreitung unzulässig (vgl. BGH 12,157; OLG München, Urteil vom 23.09.2009, Az. 20 U 2749/09 - juris - Rn. 16).

Das Gericht hat dabei die maßgeblichen Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen. Die Generalklausel des § 242 BGB muss dabei im hiesigen Funktionskreis anhand folgender Tatbestandsvoraussetzungen wertend konkretisiert werden: Voraussetzung ist das Bestehen einer rechtlichen Sonderverbindung im weiteren Sinne (BGH 95, 279/88; Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Auflage 2016, § 242 Rn. 5). Diese ist vorliegend in der Dreieckskonstellation Geschädigter - Sachverständiger - Haftpflichtversicherer zu sehen. Kommt eine Erstattung der Kosten für ein Schadensgutachten durch Unfallgegner oder dessen Haftpflichtversicherung in Betracht, ist der Sachverständige im Rahmen seiner aus dieser Dreiecksbeziehung resultierenden Aufklärungspflicht gegenüber dem Auftraggeber (als Nebenpflicht des Gutachtensauftrags)“ obliegen dem Sachverständigen die obigen Hinweispflichten (vgl. OLG München, Endurteil vom 26.02.2016, Az. 10 U 579/15 = BeckRS 2016, 04574, Rn. 18).

Der Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet grundsätzlich zur Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Interessen des anderen Teils sowie zu einem redlichen und loyalen Verhalten (Schubert, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 242 Rn. 9). Überdies ist die Verkehrssitte in dem beteiligten Kreis zu berücksichtigen. Die nach § 242 BGB erforderliche umfassende Interessenabwägung (BGH 135, 133/37; Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Auflage 2016, § 242 Rn. 7), ergibt somit eine grundsätzliche Begrenzung des Anspruchs der Klägerin. Der Sachverständige muss sich seine Expertise anrechnen lassen. Ihm ist im vorliegenden Fall bekannt, wenn die Sätze oberhalb des üblicherweise Zulässigen liegen. Stellt er dem Geschädigten gleichwohl überhöhte Sätze in Rechnung und macht sie nach Abtretung des Anspruchs gegenüber dem Versicherer geltend, obwohl ihm zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung sowie bei Erhebung der Klage bekannt ist, dass die in Rechnung gestellten Sätze nach obergerichtlicher Rechtsprechung überhöht sind, ist sein Anspruch auf Grundlage von § 242 BGB zu begrenzen.

Vorliegend befinden sich die geltend gemachten Sachverständigenhonorare teilweise nicht mehr im Rahmen des Üblichen.

Es handelt sich bei den streitgegenständlichen Schadensgutachten sämtlich um „Standardgutachten zur Feststellung eines Kraftfahrzeugschadens“. Insofern kann der Rechtsprechung des OLG München folgend gemäß § 287 Abs. 1 ZPO „die Honorarbefragung des BVSK 2015 (Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V.; http://www…de/fileadmin/download/HONORARBEFRAGUNG-2015-Gesamt.pdf) als übliche Vergütung herangezogen werden (siehe hierzu auch LG Fulda, Urteil vom 24.04.2015, Az. 1 S. 17714). Dies gilt auch in den Fällen, in denen das Gutachten außerhalb des Gerichtsbezirks des OLG München beauftragt und/oder erstellt wurde, da die Honorarbefragung bundesweit erfolgte“ (vgl. OLG München, Endurteil vom 26.02.2016, Az. 10 U 579/15 = BeckRS 2016, 04574, Rn. 20).

Nach dieser Rechtsprechung ist eine Schätzung ab dem 01.01.2016 nicht zu beanstanden, die folgende Sätze zugrunde legt:

Das angemessene Grundhonorar (ohne Mehrwertsteuer) bestimmt sich nach dem BVSK HB V Korridor, wobei grundsätzlich der untere Betrag des Korridors anzuwenden ist, dazu kommen 50% Aufschlag des oberen Betrags minus des unteren Betrags des Korridors, wenn der Sachverständige öffentlich bestellt und allgemein vereidigt ist, und/oder 50% Aufschlag des oberen Betrags minus des unteren Betrags des Korridors, wenn der Sachverständige seinen Sitz in München oder im Landkreis München hat“ (vgl. OLG München, Endurteil vom 26.02.2016, Az. 10 U 579/15 = BeckRS 2016, 04574, Rn. 21). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Hinsichtlich der Nebenkosten ist zu berücksichtigen, dass die Forderung von „Nebenkosten“, die u.U. nicht genau den tatsächlichen Aufwand abbilden, sondern „versteckte Gewinnanteile“ enthalten, in Deutschland/München von zahlreichen - wenn nicht allen Sachverständigen - erfolgt, also absolut üblich ist.

Es gibt auch keinerlei gesetzliche Grundlage, wonach ein Sachverständiger gehalten ist, seine Aufwendungen besonders gering zu halten. Auch sein Honorar kann er grundsätzlich - innerhalb der Grenzen des § 138 BGB - frei bestimmen.

Das OLG München (Urteil vom 26.02.2016, Az. 10 U 579/15) hält Nebenkosten entsprechend der BVSK 2015-Vorgabe für angemessen und erstattungsfähig, wenn sie folgende Werte nicht übersteigen:

Fahrtkosten: 0,70 €/km Fotokosten mit 2,00 €/Lichtbild und 0,50 € je Lichtbild des zweiten Fotosatzes Porto/Telefon pauschal 15,00 € Schreibkosten mit 1,80 €/Seite und 0,50 €/Kopie Weitere Nebenkosten sind nicht erstattungsfähig, da sie entsprechend der Umfrage nicht üblich sind, letztlich als Teil des Grundhonorars und nicht als gesondert zu vergüten anzusehen sind. Hierzu zählen beispielsweise Stundenlöhne für die Fahrtzeit, Kosten für den Ausdruck des Originalgutachtens.

Gegen Nachweis können weitere zur Schadensfeststellung erforderlichen Zusatzleistungen verlangt werden, etwa das Auslesen des Fehlerspeichers, eine Achsvermessung etc. Bei Achsvermessung und Karosserviervermessung aber nur bis maximal des Zusatzleistungen-Korridors HB V oder Honorarbefragung BVSK 2015.

Die Rechtsprechung des OLG München steht nach Auffassung des erkennenden Gerichts auch im Einklang mit der jüngsten BGH-Rechtsprechung.

Im Urteil vom 26.04.2016, Az. VI ZR 50/15, hat der BGH ausgeführt, dass es nicht zu beanstanden sei, wenn im Rahmen der Schätzung der tatsächlich erforderlichen Nebenkosten mit Ausnahme der Fahrtkosten gemäß § 287 ZPO die Bestimmungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes als Orientierungshilfe herangezogen werden. Zwar regele dieses Gesetz lediglich das dem gerichtlichen Sachverständigen zustehende Honorar; eine Übertragung dieser Grundsätze auf die Vergütung privater Sachverständiger komme nicht in Betracht (so auch BGH, Urteil vom 04.06.2006, X ZR 122/05). Allerdings sei nicht über die dem Kläger als Sachverständigen gemäß § 632 BGB zustehende Vergütung zu entscheiden, sondern vielmehr, ob der in der Person des Geschädigten entstandene Schadensersatzanspruch die vom Kläger in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten in voller Höhe umfasst. Dies hänge davon ab, ob sich die vom Kläger berechneten Nebenkosten nach schadensrechtlichen Grundsätzen im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB halten.

Nach den weiteren Ausführungen des BGH begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn der Tatrichter das JVEG lediglich als Schätzungsgrundlage bei der Schadensbemessung nach § 287 ZPO - und eben nicht unmittelbar oder analog - heranzieht.

Entscheidend ist aber, dass der BGH sodann explizit feststellt, dass § 287 ZPO die Art der Schätzungsgrundlage nicht vorgibt. Der Senat führt hierzu aus:

„Soweit es sich um typische Fälle handelt, ist bei der Schadensbemessung das Interesse gleichmäßiger Handhabung mit in den Blick zu nehmen. Dementsprechend ist es anerkannt, dass sich der Tatrichter in Ermangelung konkreter Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung im Rahmen der Schadensschätzung gesetzlich geregelter oder in anerkannten Tabellen enthaltener Erfahrungswerte bedienen kann.“

Insofern ergibt sich aus dem neuesten BGH-Urteil nicht, dass das JVEG zwingend als Schätzgrundlage heranzuziehen ist.

Schließlich ist nach Ansicht des OLG München eine Gesamtbetrachtung der Honorarrechnung vorzunehmen, um zu vermeiden, dass der Sachverständige benachteiligt wird, der ein niedrigeres Grundhonorar, dafür aber höhere Nebenkosten verlangt (oder umgekehrt), wenn das Gesamthonorar andere Gesamthonorare von Sachverständigen in vergleichbaren Fällen nicht übersteigt.

Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die geltend gemachten Sachverständigenkosten wie folgt erstattungsfähig:

1. Geschädigter S.

Die hinsichtlich des Gutachtens betreffend den Geschädigten S2. A. in Rechnung gestellten 473,03 EUR sind daher umfassend erstattungsfähig. Insbesondere war das Grundhonorar vorliegend gemäß der Rechtsprechung des OLG Münchens auf 358,50 EUR zu erhöhen, als der Sachverständige hier sein Sachverständigenbüro in Düsseldorf und daher in einer hinsichtlich des Preisniveaus mit München vergleichbaren Großstadt unterhält.

Die Klägerin kann insoweit aus abgetretenem Recht weitere 43,41 EUR an Sachverständigengebühren erstattet verlangen.

2.) H.

Auch die hinsichtlich des Gutachtens betreffend den Geschädigten H. T. in Rechnung gestellten 481,36 EUR sind daher umfassend erstattungsfähig. Auch hier war das Grundhonorar vorliegend gemäß der Rechtssprechung des OLG Münchens auf 358,50 EUR zu erhöhen im Hinblick auf den Sitz des Sachverständigenbüros in Düsseldorf.

Die Klägerin kann insoweit aus abgetretenem Recht weitere 45,82 EUR erstattet verlangen.

3.) U.

Hinsichtlich des Geschädigten U. B2. sieht das Gericht hingegen nur Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 764,81 EUR als erstattungsfähig an. Insbesondere erachtet das Gericht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des OLGMünchen gesonderte EDV - Kosten bereits als mit dem Grundgehalt abgegolten.

Die Klägerin kann insoweit nur noch weitere 163,41 EUR erstattet verlangen:

Hinsichtlich des Geschädigten R. L. sind die geltend gemachten Sachverstäändigenkosten von insgesamt 499,56 EUR umfassend erstattungsfähig. Die Klägerin kann insoweit weitere Sachverständigenkosten von noch 46,36 EUR erstattet verlangen.

Hinsichtlich des für den Geschädigten R2. A. erstellten Gutachten sieht das Gericht lediglich Sachverständigengebühren in Höhe von 604,52 EUR als erstattungsfähig an. Auch insoweit waren unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des OLG Münchens die EDV Abrufgebühren nicht erstattungsfähig.

Die Klägerin kann daher weitere Sachverständigengebühren in Höhe von insgesamt 299,50 EUR erstattet verlangen.

Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 291, 288, 286 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91,92 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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