Urteil vom Amtsgericht Siegburg - 121 C 88/19
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) einen Betrag in Höhe von 1.300,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.06.2019 zu zahlen. Die Beklagte wird zudem verurteilt, an die Klägerin zu 2) einen Betrag in Höhe von 1.300,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.06.2019 zu zahlen. Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an die Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 406,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.06.2019 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Die Kläger sind Eheleute und von Beruf Ärzte. Sie haben ihre medizinische Ausbildung in der Ukraine abgeschlossen und benötigen, um in Deutschland als Ärzte arbeiten zu können, eine Approbation gemäß § 3 BÄO. Um die Approbation zu erhalten, müssen die Kläger gegenüber der zuständigen Behörde nachweisen, dass sie einen mit einem Studium der Medizin in Deutschland gleichwertigen Ausbildungs- und Kenntnisstand haben. Die Beklagte bietet u.a. die Erstellung von Gutachten und Auswertungen zum Thema Approbation an. Am 24.10.2018 erteilten die Kläger der Beklagten per E-Mail jeweils einen „Auswertungsauftrag“, die von der Beklagten jeweils angenommen wurden. Eine Belehrung über ein etwaiges Widerrufsrecht der Kläger unterblieb. Zu den Leistungen, zu denen sich die Beklagte verpflichtete, gehörte u.a. eine schriftliche detaillierte Auswertung der Unterlagen der Kläger über ihre medizinische Ausbildung. Die Kläger verpflichteten sich zur Zahlung einer Vergütung in Höhe von jeweils 1.300,- €. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Auswertungsauftrag vom 24.10.2018 (Bl. 6-7 d.A.) verwiesen. Die Kläger zahlten jeweils 1.300,- € an die Beklagte. Mit Schreiben vom 14.03.2019, der Beklagten am 15.03.2019 per Fax zugegangen, erklärten die Kläger den Widerruf ihrer am 24.10.2018 abgegebenen Erklärungen gegenüber der Beklagten, hilfsweise die außerordentliche Kündigung. Zudem forderten die Kläger die Beklagte zur Rückzahlung der 2.600,- € bis zum 31.03.2019 auf. Am 19.03.2019 erhielten die Kläger ein Schreiben der Beklagten, dem zwei auf den 14.02.2019 datierte Auswertungen ihrer Unterlagen über die medizinische Ausbildung beigefügt waren. Diese Auswertungen sendeten die Kläger im Original an die Beklagte zurück. Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.04.2019 forderten die Kläger die Beklagte nochmals erfolglos zur Zahlung auf.
2Die Kläger sind der Ansicht, sie hätten bei Abschluss der Auswertungsaufträge jeweils als Verbraucher gehandelt. Hierzu behaupten sie, sie hätten in der Vergangenheit stets als Angestellte gearbeitet und beabsichtigten, dies auch in Zukunft zu tun.
3Die Kläger beantragen,
41. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 1.300,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
52. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) 1.300,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
63. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 406,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Die Beklagte behauptet, die Kläger wollten nach Erteilung der Approbation einer selbständigen Tätigkeit als niedergelassene Ärzte nachgehen.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen und auf das Sitzungsprotokoll vom 02.10.2019 verwiesen.
11Die Klage ist der Beklagten am 12.06.2019 zugestellt worden.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
13Die zulässige Klage ist begründet.
14Der Kläger zu 1) hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 1.300,- € gemäß den §§ 355 Abs. 3 Satz 1, 312g Abs. 1 BGB.
15Dem Kläger zu 1) stand das Recht zu, seine auf den Abschluss des Auswertungsauftrages gerichtete Willenserklärung vom 24.10.2018 gemäß den §§ 312c Abs. 1, 312g Abs. 1 BGB zu widerrufen. Bei dem am 24.10.2018 zwischen dem Kläger zu 1) und der Beklagten abgeschlossenen Vertrag handelte es sich um einen Fernabsatzvertrag i.S.d. § 312c Abs. 1 BGB. Dieser Vertrag ist per E-Mail und damit ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Unternehmer i.S.d. § 14 BGB, da sie bei Abschluss des Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit handelte.
16Der Kläger zu 1) hat bei Abschluss des Vertrages vom 24.10.2018 als Verbraucher gehandelt. Verbraucher ist gemäß § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Unternehmer- und nicht Verbraucherhandeln liegt zwar schon dann vor, wenn das betreffende Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit (sogenannte Existenzgründung) geschlossen wird (BGH, Urteil vom 15. November 2007, Az. III ZR 295/06). Entscheidend hierfür ist die - objektiv zu bestimmende - Zweckrichtung des Verhaltens (BGH, Urteil vom 15. November 2007, Az. III ZR 295/06). Rechtsgeschäfte im Zuge einer Existenzgründung, z.B. die Miete von Geschäftsräumen, der Abschluss eines Franchisevertrags oder der Kauf eines Anteils an einer freiberuflichen Gemeinschaftspraxis, sind nach den objektiven Umständen klar auf unternehmerisches Handeln ausgerichtet (BGH, Urteil vom 15. November 2007, Az. III ZR 295/06). Ein Verbrauchergeschäft liegt jedoch vor, wenn es nicht um ein Rechtsgeschäft im Zuge der Existenzgründung geht, sondern um ein solches, das die Entscheidung, ob es überhaupt zu einer Existenzgründung kommen soll, erst vorbereiten soll (BGH, Urteil vom 15. November 2007, Az. III ZR 295/06). Da es auf den objektiven Zweck des Rechtsgeschäfts ankommt, ist es unerheblich, ob subjektiv bereits der feste Entschluss zu einer Existenzgründung vorhanden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass die getroffene Maßnahme noch nicht Bestandteil der Existenzgründung selbst ist, sondern sich im Vorfeld einer solchen bewegt (BGH, Urteil vom 15. November 2007, Az. III ZR 295/06). Dementsprechend fallen allgemeine Berufsvorbereitungen, wie allgemeine Existenzgründerseminare, Umschulungskurse oder eine Berufsausbildung, selbst wenn sie auf ein konkretes Berufsbild abzielt, unter den Anwendungsbereich des § 13 BGB, weil die Entscheidung über die Eröffnung eines Geschäfts oder einer Praxis noch nicht gefallen ist und damit der direkte Bezug zur unternehmerischen Tätigkeit fehlt (Fritzsche, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, § 13 Rn. 60).
17Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger den Vertrag vom 24.10.2018 zu Zwecken abgeschlossen, die überwiegend weder seiner gewerblichen noch seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war der Kläger zu 1) unstreitig nicht als selbständiger Arzt tätig. Es kann dahinstehen, ob der Kläger zu 1) bereits damals die Absicht hatte, nach Erteilung der Approbation einer selbständigen Tätigkeit als niedergelassener Arzt nachzugehen. Denn nach dem objektiven Zweck diente der Abschluss des Auswertungsvertrages nicht einer Existenzgründung, sondern sollte lediglich die Erlangung der Approbation gemäß § 3 BÄO vorbereiten. Gemäß § 2 Abs. 1 BÄO bedarf jeder, der den ärztlichen Beruf ausüben will, der Approbation als Arzt, d.h. unabhängig davon, ob der ärztliche Beruf als Selbständiger oder als Angestellter ausgeübt werden soll. Demnach konnte erst nach der Erteilung der Approbation die tatsächliche Entscheidung fallen, ob der Kläger zu 1) als angestellter Arzt arbeitet oder sich selbständig macht. Damit diente der Abschluss des Vertrages vom 24.10.2018 lediglich der Berufsvorbereitung und ist, da er dem Kläger zu 1) dazu verhelfen sollte, dass seine medizinische Ausbildung in Deutschland anerkannt wird, noch der Phase der Berufsausbildung zuzurechnen. Ein direkter Bezug zu einer unternehmerischen Tätigkeit fehlte hingegen.
18Der Kläger zu 1) hat den Widerruf mit Schreiben vom 14.03.2019 form- und fristgerecht erklärt. Da der Kläger zu 1) unstreitig nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist, wäre das Widerrufsrecht gemäß § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB frühestens ein Jahr und 14 Tage nach dem Vertragsabschluss vom 24.10.2018, d.h. am 07.11.2019 erloschen.
19Der Kläger zu 1) hat unstreitig aufgrund des Vertrages vom 24.10.2018 einen Betrag in Höhe von 1.300,- € an die Beklagte bezahlt.
20Aus den oben genannten Gründen hat auch die Klägerin zu 2) gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 1.300,- € gemäß den §§ 355 Abs. 3 Satz 1, 312g Abs. 1 BGB.
21Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
22Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 406,50 € gemäß den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB. Die Beklagte ist mit der Rückzahlung der 2.600,- € durch die Mahnung der Kläger vom 14.03.2019 in Verzug geraten.
23Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen wegen der Kosten auf § 91 Abs. 1 ZPO und wegen der Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
24Streitwert: 2.600,- € (§§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO)
25Rechtsbehelfsbelehrung:
26A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
271. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
282. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
29Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht X, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
30Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht X zu begründen.
31Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht X durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
32Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
33B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht P statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht P, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
34Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
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Referenzen
- § 2 Abs. 1 BÄO 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 48 Selbstablehnung; Ablehnung von Amts wegen 1x
- BGB § 356 Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen 1x
- III ZR 295/06 5x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- BGB § 13 Verbraucher 2x
- BGB § 355 Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen 2x
- BGB § 312c Fernabsatzverträge 2x
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- BGB § 14 Unternehmer 1x
- BGB § 312g Widerrufsrecht 3x
- § 3 BÄO 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- BGB § 291 Prozesszinsen 1x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x
- ZPO § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen 1x