Urteil vom Amtsgericht Solingen - 14 C 204/13
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.947,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. November 2012 sowie 1085,04 EUR an außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Aus Klarstellungsgründen wird festgestellt, dass die Widerklage erledigt ist und als zurückgenommen gilt.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen die Klägerin und der Drittwiderbeklagte 2 % als Gesamtschuldner und die Klägerin darüber hinaus weitere 39 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten trägt der Beklagte 50 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin und den Gerichtskosten trägt der Beklagte 59 %. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen behaupteter Vereitelung ihres Vorkaufsrechts an der von ihr innegehaltenen Mietwohnung.
3Die Klägerin ist gemäß Mietvertrag vom 8. Juni 2009 Mieterin der im Büro- und Wohngebäude in S. im vierten Geschoss gelegenen Penthousewohnung, bestehend aus vier Zimmern, einer Küche, einer Diele und zwei Bädern sowie Dachterrasse. Die Wohnungsgröße beträgt 167 m².
4Der Beklagte war Eigentümer des vorgenannten Büro- und Wohngebäudes. Das gesamte Objekt weist eine Nutzfläche von 1788 m² auf. Neben der vorgenannten Wohnung ist im vierten Geschoss eine weitere Penthousewohnung mit einer Fläche von 200 m² vorhanden. Bei der von der Klägerin bewohnten Wohnung handelt es sich um die hintere der beiden Wohnungen.
5Über die Immobilie wurde ein Verkehrswertgutachten zum Stichtag 22. Juli 2009 eingeholt. In diesem wurde der Ertragswert des Gesamtgebäudes mit 981.000 EUR ermittelt. Bei dem im Jahre 2009 durchgeführten Zwangsversteigerungsverfahren erwarb der Beklagte das Gebäude zu einem Preis von 719.000 EUR. Der Verkehrswert der streitgegenständlich betroffenen Wohnung wurde in einem außergerichtlich zum Stichtag 3. April 2012 eingeholten Gutachten mit 202.000 EUR ermittelt. Hinsichtlich der Gutachten wird auf Bl. 58 ff., 43 ff. dA Bezug genommen.
6Am 23. September 2011 gab der Beklagte eine Teilungserklärung ab. Durch diese wurden insgesamt sechs Miteigentumsanteile gebildet, unter anderem, genannt unter der lfd. Nr. 1 der Anlage 1 der Teilungserklärung, ein Miteigentumsanteil von 167/1788 verbunden mit dem Sondereigentum an den im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichneten zu Wohnzwecken dienenden Räumen nebst Dachterrasse und Spitzboden, jeweils Nr. 1 des Aufteilungsplans, und genannt unter der lfd. Nr. 2 der Anlage 1 der Teilungserklärung ein Miteigentumsanteil von 200/1788 verbunden mit dem Sondereigentum an den im Aufteilungsplan mit Nr. 2 bezeichneten zu Wohnzwecken dienenden Räumen nebst Dachterrasse und Spitzboden, jeweils Nr. 2 des Aufteilungsplans.
7Im Aufteilungsplan ist die von der Klägerin bewohnte Wohnung mit der Nr. 2 bezeichnet. Hinsichtlich der Teilungserklärung wird auf Bl. 16 ff. der Akte, insbesondere auf die Anl. 1, Bl. 20 dA, Bezug genommen. Hinsichtlich des Aufteilungsplanes wird auf Bl. 118 ff. dA Bezug genommen.
8Mit notariellem Vertrag vom 24. Februar 2012 verkaufte der Beklagte den gesamten Grundbesitz an die GbR. In diesem Kaufvertrag wurde der Kaufpreis für die streitgegenständlich betroffene Wohnung auf 300.000 EUR festgesetzt, wobei der Gesamtkaufpreis des Gebäudes 810.000 EUR beträgt, wovon wiederum 28.000 EUR auf mitverkaufte Einbauküchen entfallen.
9Mit Schreiben vom 27. Februar 2012 unterrichtete der Verfahrensbevollmächtigte des Beklagten die Klägerin und den Drittwiderbeklagten über das bestehende Vorkaufsrecht.
10Mit Schreiben vom 23. April 2012 erklärten die Klägerin und der Drittwiderbeklagte:
11"Unter der rechtlichen Voraussetzung, dass der in dem Kaufvertrag unter § 3 enthaltene Teilkaufpreis i.H.v. 300.000 EUR uns gegenüber nicht wirksam bzw. nicht rechtlich bindend ist, üben wir hiermit das Vorkaufsrecht hinsichtlich der von uns derzeit genutzten Wohnung aus.
12Bei dieser Wohnung handelt es sich um die in der Anl. 1 zur notariellen Urkunde vom 23.9.2011 als laufende Nr. 1 bezeichneten Räume. In dem Kaufvertrag werden wir fälschlich als Mieter der Wohnungseigentumseinheit Nr. 2 des Aufteilungsplans aufgeführt. Die laufende Nr. 2 des Aufteilungsplans ist tatsächlich jedoch die vordere, größere Wohnung mit 200/1788 Miteigentumsanteilen, während auf „unsere“ Wohnung 167/1788 Miteigentumsanteile entfallen.
13Der Wert ist nach objektiven Kriterien zu ermitteln, wobei der Vorkaufsberechtigte gemäß § 467 BGB nur einen verhältnismäßigen Teil des Gesamtpreises zu zahlen hat. Wie sich aus dem Verkehrswertgutachten des Sachverständigen vom 03.04.2012 ergibt, beläuft sich der Gesamtwert der Wohnung auf 202.000,00 €. Der Gesamtwert des Objekts hat im Juli 2009 bekanntlich 980.000 € betragen. Demnach beträgt der Anteil der von uns genutzten Wohnung 20,61 %.
14Dieser Anteil ist zu dem hier vereinbarten Gesamtpreis von 782.000 EUR (exklusive der mitverkauften beweglichen Gegenstände) ins Verhältnis zu setzen. Demnach beträgt der auf die Wohnung entfallende verhältnismäßige Teil des Gesamtpreises 161.170,20 EUR.
15Wir legen diesen Betrag für die Abwicklung des Kaufvertrages zugrunde.“
16Hinsichtlich dieses Schreibens wird auf Bl. 41 f. Akte Bezug genommen.
17Am 25. Mai 2012 wurde der Erwerber, die GbR, als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
18Mit anwaltlichem Schreiben vom 5. November 2012 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung des nunmehr klageweise geltend gemachten Schadensersatzanspruchs bis zum 26. November 2012 auf.
19Die Klägerin ist der Ansicht, das Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt zu haben.
20Es sei unerheblich, dass sie in dem Schreiben vom 23. April 2012 die Wohnung als Nr. 1 gemäß dem Aufteilungsplan bezeichnet habe. Denn zum einen habe sie klargestellt, dass sie das Vorkaufsrecht hinsichtlich der von ihr bewohnten Wohnung ausübe. Zum anderen sei in dem Sachverständigengutachten im Zwangsversteigerungsverfahren die Wohnungsgröße der von ihr bewohnten Wohnung mit 167 m² und für die andere Wohnung mit 200 m² ermittelt worden. Deswegen hätte sie extra darauf hingewiesen, dass es sich bei der genutzten Wohnung um die als laufende Nr. 1 bezeichnete Wohnung mit 167/1788 Miteigentumsanteilen handele.
21Es sei unerheblich, dass in dem Schreiben vom 23. April 2012 eine Beschränkung auf den angemessenen Preis enthalten sei. Denn bei dieser handele es sich um eine zulässige Bedingung im Rechtssinne. Mit der Angabe des Preises von EUR 161.170,20 EUR hätte sie keine Bedingung erklärt, sondern lediglich klargemacht, dass der überhöht angesetzte Teilkaufpreis für sie unbeachtlich sei. Der zwischen dem Beklagten und dem Käufer vereinbarte Teilkaufpreis für die Wohnung i.H.v. 300.000 EUR entfalte ihr gegenüber keine Wirksamkeit, da dieser extra hoch angesetzt worden sei. Der Vorkaufsberechtigte müsse dann lediglich den niedrigeren anteiligen Preis bezahlen.
22Da der Erwerber mittlerweile im Grundbuch eingetragen sei, könne sie lediglich Schadensersatzansprüche geltend machen: Der objektive Wert der Teilfläche belaufe sich auf 202.000 EUR. Der Gesamtwert des Objekts belaufe sich auf 980.000 EUR. Der Wert der Teilfläche betrage im Verhältnis zum Wert des Gesamtobjektes 20,61 %. 20,61 % von dem vereinbarten Kaufpreis i.H.v. 782.000 EUR wiederum betrage 161.170,20 EUR. Ihr Schadensersatzanspruch sei die Differenz zwischen diesem verhältnismäßigen Teilpreis und dem objektiven Verkehrswert der Wohnung in Höhe von 202.000 EUR, mithin also 40.829,80 EUR.
23Sie haben im Weiteren einen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 1.530,58 EUR.
24Die Klägerin beantragt,
25den Beklagten zu verurteilen, an sie 40.829,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2012 sowie als Nebenforderung 1.530,58 EUR für die außergerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu zahlen.
26Der Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Widerklagend hat der Beklagte ursprünglich beantragt,
29die Widerbeklagte und den Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.621,96 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
30Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte haben ursprünglich beantragt,
31die Widerklage abzuweisen.
32Hinsichtlich der Widerklage haben die Parteien einen Vergleich abgeschlossen, der durch Beschluss vom 19.11.2014 protokolliert worden ist. Hiernach bezahlen die Klägerin und der Widerbeklagte zur Abgeltung der Widerklage an den Beklagten 811,00 EUR und der Beklagte verpflichtet sich, die Widerklage zurückzunehmen.
33Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin das Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt habe. Denn mit der Erklärung vom 23. April 2012 habe sie sich ausdrücklich auf das Wohnungseigentum bezogen, das mit der Nr. 1 der Teilungserklärung in Verbindung mit dem Aufteilungsplan, der Bestandteil der Teilungserklärung gewesen sei, bezeichnet war. Die Klägerin sei jedoch niemals Mieterin dieser Wohnung, sondern sei Mieterin der Wohnung Nr. 2 dieses Aufteilungsplanes gewesen. Allein die Nummerierung des Aufteilungsplan sei bei der Individualisierung von Wohnungseigentum rechtlich relevant wie sich aus § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG ergebe. Die Klägerin hätte erkennen können, dass es sich bei der von ihr bewohnten Wohnung um die Wohnung Nr. 2 gemäß Aufteilungsplan handele.
34Im Weiteren sei das Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt worden, da es unter eine Bedingung gestellt worden sei. Das Vorkaufsrecht sei jedoch eine einseitige empfangsbedürftige und damit bedingungsfeindliche Willenserklärung. Die Klägerin habe auch nicht eine zulässige Rechtsbedingung erklärt, denn diese hätte gelautet, dass sie den für die Wohnung angemessenen, anteiligen Kaufpreis zahlen würde. Die Klägerin habe den Kaufpreis jedoch mit 161.170,20 EUR beziffert und dadurch eine echte Bedingung im Sinne des §§ 158 BGB erklärt. Mit dieser Bedingung habe die Klägerin zu erkennen gegeben, dass sie nicht gewillt sei, den auf die Wohnung entfallenden Kaufpreis zu zahlen.
35Schließlich sei auch der von der Klägerin ermittelte Teilkaufpreis falsch berechnet worden. Der auf die Wohnung entfallende Teilkaufpreis sei im Kaufvertrag verbindlich und gerade kein Gesamtkaufpreis für das Gesamtobjekt vereinbart worden. § 467 BGB sei daher nicht anzuwenden
36Selbst bei der Ermittlung des anteiligen Kaufpreises, gehe die Klägerin von falschen Werten aus. Der Verkehrswert des Gesamtobjektes habe im Zeitpunkt des Verkaufs höchstens 810.000,00 EUR betragen. Zu diesem Preis sei das Gebäude verkauft worden. Ein höherer Preis sei nicht zu erzielen gewesen. Der Verkehrswert der Wohnung habe mindestens 300.000,00 EUR betragen. Die Käufer seien bereit gewesen, auch im Rahmen eines einzelnen Kaufvertrages diesen Preis zu zahlen.
37Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
38Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 22. August 2013, Bl. 190 dA, und Ergänzungsbeweisbeschluss vom 25. Juni 2014, Bl. 372 dA, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 23. April 2012, Bl. 262 ff. dA, und auf die Ergänzung vom 4. August 2014, Bl. 380 ff. dA, Bezug genommen.
39Entscheidungsgründe:
40Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
41Die zulässige Widerklage gilt aufgrund des Vergleichsabschluss als zurückgenommen.
42Die Klägerin hat zunächst gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von EUR 23.947,80 gemäß §§ 577, 280, 281 BGB.
43Denn, obwohl die Klägerin ihr Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt hat, wurde die von ihr bewohnte Wohnung von dem Beklagten an den Erwerber, die GbR, übereignet.
44Die Klägerin hat das Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt.
45Keinen Bedenken begegnet, dass die Klägerin in dem Schreiben vom 23. April 2012 Bezug auf die laufende Nr. 1 der Anl. 1 zur notariellen Urkunde Bezug genommen hat, die sich auf die Wohnungseigentumseinheit Nr. 1 des Aufteilungsplanes bezieht, bei der es sich unstreitig nicht um die streitgegenständliche betroffene Wohnung handelt.
46Denn auch bei der Ausübung des Vorkaufsrechts ist eine Willenserklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Vorliegend ergibt sich bereits aus der Formulierung, dass „das Vorkaufsrecht hinsichtlich der von uns derzeit genutzten Wohnung“ ausgeübt werde, dass keine andere Wohnung gemeint sein kann, als die streitgegenständliche betroffene Wohnung, im Aufteilungsplan bezeichnet als Nr. 2. Auch aus der weiteren Formulierung wird deutlich, dass die Klägerin trotz anderer Bezeichnung die streitgegenständlich betroffene Wohnung meint. Denn sie selbst weist darauf hin, dass es sich wohl um eine Verwechslung in der Teilungserklärung handelt. Aus der Erklärung der Klägerin wird eindeutig klar, dass sie das Vorkaufsrecht hinsichtlich der kleineren Wohnung mit einer Wohnungsgröße von 167 m² ausübt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin die kleinere, nämlich die Wohnung mit einer Wohnungsgröße von 167 m² bewohnt.
47Auch soweit die Klägerin in der Erklärung von 23. April 2012 erklärt, dass sie der Abwicklung des Kaufvertrages einen Betrag i.H.v. 161.170,20 EUR zugrunde legt, steht dies der wirksamen Ausübung des Vorkaufsrechts nicht entgegen.
48Grundsätzlich wird nach § 464 Abs. 2 BGB der Kaufvertrag zu den Bedingungen abgeschlossen, die zwischen dem Käufer und dem Verkäufer vereinbart worden sind. Vorliegend haben die Parteien des Kaufvertrages, also der Beklagte und der Erwerber, für die streitgegenständlich betroffene Wohnung einen Kaufpreis von 300.000,00 EUR vereinbart, so dass dieser Wert auch im Verhältnis zu der Klägerin grundsätzlich Wirkung entfalten würde.
49Im Falle eines Verkaufs mehrerer Miteigentumsanteile zu einem Gesamtpreis, bei dem der Eigentümer mit dem Käufer einen besonders hohen Teilpreis für eine bestimmte Wohnung vereinbart, um einen bestimmten Mieter von der Ausübung seines Vorkaufsrechts abzuhalten, wirkt die Vereinbarung des Teilpreises nicht gegenüber dem Vorkaufsberechtigten. Der Mieter muss in einem solchen Fall nicht den vereinbarten Teilpreis, sondern nur den niedrigeren, anteiligen Preis zahlen.
50Vorliegend gilt diese Ausnahmeregelung. Die Klägerin hatte ihrerseits ein Wertgutachten über die Wohnung eingeholt, aus dem sich ein Verkehrswert i.H.v. 202.000 EUR ergibt. In der Erklärung vom 23. April 2012 hat sie primär erklärt, dass der zwischen den Kaufvertragsparteien vereinbarte Kaufpreis im Verhältnis zu ihr keine Wirkung habe und hat dies mit dem abweichenden Wert aus dem von ihr eingeholten Gutachten begründet. Das Schreiben vom 23. April 2012 beinhaltet im Weiteren die zunächst abstrakte Erklärung, wie nach Ansicht der Klägerin der für sie maßgebende Kaufpreis berechnet werden müsse. Ausdrücklich erklärt die Klägerin, dass der Wert der Teilfläche nach objektiven Kriterien zu ermitteln sei und der Vorkaufsberechtigte nur einen verhältnismäßigen Teil des Gesamtpreises zu zahlen habe. Diese allgemeine Berechnungsweise wendet die Klägerin sodann auf den vorliegenden Fall konkret an und errechnet hiernach den Wert i.H.v. 161.170,20 EUR, wobei sie im Weiteren erklärt, diesen Wert der Abwicklung des Kaufvertrages zugrundezulegen.
51Aufgrund der dieser Wertbenennung vorhergehenden allgemeinen Ausführungen über den Berechnungsweg und der hierin geäußerten Kenntnis der Klägerin, wie sich der Wohnwert berechnet, ist die Benennung des Wertes 161.170,20 EUR nicht als der dem Vorkaufsrecht abschließend zugrunde gelegte Kaufpreis zu verstehen. Sondern die Benennung dieses konkreten Wertes ist das Ergebnis der Berechnung mit den zum damaligen Zeitpunkt der Klägerin vorliegenden Wertfeststellungen. Dieser von der Klägerin genannte Wert ist daher nicht als der von ihr akzeptierte abschließende Kaufpreis zu verstehen, sondern ihre Erklärung ist dahin zu verstehen, dass sie bereit ist, den verhältnismäßigen Teil des Gesamtpreises zu zahlen der unter Zugrundelegung der derzeit bekannten Werte eben 161.170,20 EUR betragen würde. Die Klägerin erklärt gerade nicht, dass die ihrer Berechnung zugrundegelegten Werte nicht verhandelbar seien bzw. nicht bei Verhandlung des Kaufpreises objektiv ermittelt werden sollen.
52Vorliegend ist nicht der von den Kaufvertragsparteien vereinbarte Teilkaufpreis i.H.v. 300.000 EUR nach § 464 Abs. 2 BGB maßgebend. Denn dieser Wert ist erkennbar hoch angesetzt, wobei zunächst nicht auf die objektiven, durch den Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren ermittelten Werte abgestellt wird, sondern auf die zwischen den Kaufvertragsparteien vereinbarten Preise. Denn maßgeblich ist zunächst, um eine Abweichung der Regelung des § 464 Abs. 2 BGB zu begründen, ob der Teilkaufpreis im Verhältnis zum Gesamtkaufpreis außer Verhältnis steht, also erkennbar zu hoch angesetzt wurde. Die Kaufvertragsparteien haben einen Gesamtkaufpreis i.H.v. 810.000,00 EUR vereinbart, wovon 28.000,00 EUR auf bewegliches Vermögen entfallen. Es verbleibt daher in Bezug auf das unbewegliche Vermögen ein Gesamtkaufpreis von 782.000,00 EUR. Das Gesamtobjekt umfasst zwei Penthousewohnungen, von denen die streitgegenständlich betroffene Wohnung die kleinere ist.
53Der für die Wohnung berechnete Quadratmeterpreis ist bei einer Wohnungsgröße von 167 m² und einem Kaufpreis von EUR 300.000,00 mit EUR 1.796,00 zu beziffern. Der Kaufpreis der anderen Penthousewohnung mit einer Größe von 200 m² würde daher ca. EUR 360.000,00 betragen.
54Der Kaufpreis für beide Wohnungen mit einer Gesamtfläche von 367 m² würde 660.000 EUR betragen, der Kaufpreis hinsichtlich der übrigen Nutzfläche noch 122.000 EUR. Auf die übrige Nutzfläche entfallen weitere 1421 m². Auch unter Berücksichtigung, dass es sich hierbei nicht um Wohnfläche handelt, steht der Wohnungskaufpreis dennoch erkennbar außer jedem Verhältnis. Der Kaufpreis für die Wohnung i.H.v. 300.000 EUR ist daher zu hoch angesetzt. Von der Klägerin ist daher nur der angemessene anteilige Teilkaufpreis zu zahlen.
55Die Frist des §§ 469 Abs. 2 BGB ist eingehalten.
56Da die Klägerin das Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt hat und dennoch der Erwerber ins Grundbuch eingetragen wurde und damit Eigentum erworben hat, ist der Beklagte gegenüber der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet.
57Die Höhe des Schadensersatzanspruchs richtet sich nach einem Gesamtvermögensausgleich, bei der die tatsächliche Vermögensentwicklung der Vermögenssituation bei ordnungsgemäßer Erfüllung gegenübergestellt wird. Der Vermögensschaden liegt daher regelmäßig in der Differenz zwischen dem anteiligen Kaufpreis der Wohnung und ihrem Verkehrswert.
58Bei der Berechnung der Höhe des Schadensersatzes bezieht sich das Gericht auf die überzeugenden und gut begründeten Feststellungen des Sachverständigen . Dieser hat festgestellt, dass die streitgegenständlich betroffene Wohnung einen Verkehrswert von 225.000,00 EUR hat. Der Verkehrswert des Gesamtobjekts betrage 875.000,00 EUR. Der Wert der Wohnung zum Gesamtobjekt entspricht somit 25,71 % (225.000,00/875.000,00).
59Die von dem Beklagten vorgelegten Vergleichsangebote für die Städte V, R, E und W erschüttern das Gutachten nicht. Denn es fehlt bereits, da es sich um verschiedene Städte handelt, an der Vergleichbarkeit.
60Der von dem Beklagten erzielte Gesamtkaufpreis beträgt 782.000,00 EUR. Hiervon 25,71 % betragen 201.052,20 EUR. Der angemessene, auf die streitgegenständlich betroffene Wohnung entfallende Kaufpreis hätte daher 201.052,20 EUR betragen. Der der Klägerin entstandene Schaden ist die Differenz des Verkehrswertes zu dem anteiligen Kaufpreis, mithin 23.947,80 EUR.
61Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzugsgesichtspunkten, §§ 280, 286 BGB.
62Die Klägerin hatte den Beklagten aufgefordert, den Schadensersatzanspruch bis zum 26. November 2012 zu zahlen. Der Beklagte befindet sich seit dem 27. November 2012 in Verzug.
63Die Klägern hat im Weiteren einen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren gemäß §§ 280, 249 BGB als erforderliche Rechtsverfolgungskosten. Bei einem begründeten Anspruch in Höhe von 23.947,80 EUR ist von einem Gegenstandswert bis 25.000 EUR auszugehen. Die einfache Gebühr beträgt nach RVG in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung 686,00 EUR. Eine 1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer beträgt 1085,04 EUR
64Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
65Der Streitwert wird bis zum 6. Juni 2013 auf 40.829,80 EUR,
66vom 7. Juni 2013 bis zum 18.11.2014 auf 42.451,76 (Klage EUR 40.829,80, Widerklage EUR 1.621,96)
67und danach auf EUR 40.829,80 festgesetzt.
68Rechtsbehelfsbelehrung:
69Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
70a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
71b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
72Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
73Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht zu begründen.
74Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
75Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 158 Aufschiebende und auflösende Bedingung 1x
- BGB § 467 Gesamtpreis 2x
- BGB § 281 Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung 1x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- BGB § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes 1x
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- BGB § 464 Ausübung des Vorkaufsrechts 3x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 3x
- BGB § 469 Mitteilungspflicht, Ausübungsfrist 1x
- BGB § 577 Vorkaufsrecht des Mieters 1x
- § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG 1x (nicht zugeordnet)