Urteil vom Amtsgericht Stralsund - 21 C 35/15

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin und die Gemeinde H., diese vertreten durch das Amt W., ..., vertreten durch den Amtsvorsteher, 4.468,72 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.234,36 € seit dem 11.12.2010 und aus weiteren 2.234,36 € seit dem 24.09.2011.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat von den Kosten des Rechtsstreits 58 % zu tragen und die Klägerin 42 %. Ausgenommen von dieser quotalen Verteilung der Rechtsstreitskosten sind diejenigen Mehrkosten, die sich aus der Verweisung des Rechtsstreits von Seiten des Landgerichts Stralsund an das Amtsgericht Bergen auf Rügen ergeben haben; diese verweisungsbedingten Mehrkosten trägt die Klägerin allein.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 7.617,82 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die gemeinsam mit der Gemeinde H. bruchteilige Miteigentümerin von Grundflächen in N. ... ist, nimmt den Beklagten auf Nutzungsentschädigung nach dem Recht der Vindikation für die Jahre 2009 und 2010 in Anspruch. Dabei ist das Verfahren zunächst vor dem Landgericht Stralsund anhängig gemacht worden und von dort aus mit Beschluss vom 18.03.2015 (Az.: 4 O 11/14; Bl. 72 f. d.A.) an das Amtsgericht Bergen auf Rügen verwiesen worden, in dessen Rechtsnachfolge mit Wirkung vom 23.11.2015 das nunmehr erkennende Amtsgericht Stralsund, Zweigstelle Bergen auf Rügen, getreten ist.

2

Im Jahr 2005 wurden große Teile des Grundbesitzes in der Ortslage N. ... durch Verwaltungsakt im Wege der wiedervereinigungsbedingten Vermögensneuzuordnung der Klägerin und der Gemeinde H. zu Miteigentum zugewiesen. Betroffen ist nahezu die gesamte Ortsfläche. Eingeschlossen in die betreffenden Flächen und durch diese gleichsam „eingekreist“ sind die in der Regel mit Einfamilienhäusern überbauten Parzellen, die den jeweiligen Hauseigentümern gehören und in der Regel unmittelbar an der Gebäudekante enden. Salopp formuliert: Mit dem Heraustreten aus der Haustür befindet der jeweilige Hauseigentümer sich durchweg unmittelbar auf dem Grund und Boden der Klägerin und der Gemeinde H. Für die das jeweilige unmittelbare Hausgrundstück umgebenden Flächen bestanden in der Mehrzahl der Fälle - und so auch beim Beklagten - Nutzungs- bzw. Pachtverträge aus den frühen 1990er Jahren mit der Gemeinde H. bzw. mit dem nach dem Recht der früheren DDR selbst rechtsfähigen Rat der Gemeinde H. Diese Nutzungs- bzw. Pachtverträge hat das Amt W., dem die Gemeinde H. seit dem 01.01.2005 angehört, Ende 2007 durchweg gekündigt. Das gilt konkret auch für den vorliegenden Fall. Insoweit kann auf den undatierten, wohl aber aus dem Jahr 1990 stammenden, Nutzungsvertrag (Bl. 19 d.A.) und auf die Kündigungserklärung des Amtes W. vom 27.11.2007 (Anlage H 7; Bl. 153-Rs., 154 d.A.) Bezug genommen werden.

3

Die Klägerin hat den Umfang der jeweils genutzten Flächen rund um die Hausgrundstücke in N. durch einen Parteigutachter ermitteln lassen und auf dieser Grundlage Nutzungsentschädigung geltend gemacht. Vorliegend ist insoweit auf das Parteigutachten vom 01.09.2009 des Sachverständigen S. (Anlage H 1; Bl. 5 ff. d.A.) zu verweisen. Der Beklagte hat die geforderten Zahlungen nicht geleistet.

4

Die Klägerin beantragt mit ihrer dem Beklagten am 23.09.2011 zugestellten Klage vom 19.09.2011,

5

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin und die Gemeinde H., diese vertreten durch das Amt W., ..., vertreten durch den Amtsvorsteher, 7.617,82 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.808,91 € seit dem 11.12.2010 und aus weiteren 3.808,91 € seit Rechtshängigkeit.

6

Der Beklagte beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Er hält die Kündigung vom 27.11.2007 für unwirksam. Er schulde daher lediglich die vertraglich vereinbarte Pacht, die deutlich hinter der klägerseitig auf der Grundlage des Vindikationsrechts angesetzten Entschädigung zurückbleibe. Das Amt W. habe die Pachtverhältnisse schon deshalb nicht wirksam kündigen können, weil es sich dabei nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung gehandelt habe. Die Gemeinde H. habe die Amtsverwaltung zum Ausspruch der in Rede stehenden Kündigungen nicht autorisiert.

9

Im Übrigen seien die klägerseitig angesetzten Bodenwerte übersetzt.

10

Außerdem sei die dem Beklagten zuzuordnende Nutzfläche dem Umfang nach übersetzt. Ein Großteil der von der Klägerin angenommenen Nutzfläche habe der Beklagte tatsächlich gar nicht genutzt.

11

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen, soweit nicht vorstehend bereits konkrete Bezugnahmen im Einzelnen erfolgt sind.

12

Das Gericht hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 30.06.2015 (Bl. 77 f. d.A.) Sachverständigenbeweis erhoben. Auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen L. vom 03.12.2015 (Bl. 84-118 d.A.) wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

13

Die insgesamt zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor hervorgehenden Teilumfang begründet.

1.

14

Der zuerkannte Anspruch in der Hauptsache - soweit zuerkannt - folgt aus § 987 Abs. 1 i.V.m. § 990 Abs. 1 S. 2 BGB.

15

Entgegen der Einschätzung der sechsten Kammer des Landgerichts Stralsund in dem dortigen Urteil vom 04.10.2011 (Az.: 6 O 258/10; Seite 3) folgt der Anspruch nicht aus § 988 BGB und damit nicht - über die dortige Verweisung - aus den Vorschriften des Bereicherungsrechts, denn der Beklagte hat den Besitz nicht „unentgeltlich“, wie in § 988 BGB ausdrücklich vorausgesetzt, erlangt; seinem Besitz lag vielmehr ein später gekündigtes Pachtverhältnis zu Grunde, aufgrund dessen Pachtzahlungen erfolgten (vgl. Bassenge, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 988 Rdnr. 3). Der Beklagte hat vorliegend auch nicht geltend gemacht, seine Haftung richte sich ggf. nach § 988 BGB.

16

Nach der Vorschrift des § 987 Abs. 1 i.V.m. § 990 Abs. 1 S. 2 BGB hat der Besitzer, dem ein Besitzrecht nicht bzw. nicht mehr zusteht und der von dem Fehlen bzw. dem Wegfall seines Besitzrechtes erfährt, von dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom Fehlen bzw. Wegfall des Besitzrechtes an dem Eigentümer diejenigen Nutzungen (§ 100 BGB), insbesondere Gebrauchsvorteile, herauszugeben, die er von diesem Zeitpunkt an zieht.

a)

17

Die Klägerin und die Gemeinde H. waren im hier maßgeblichen Nutzziehungszeitraum (01.01.2009 bis 31.12.2010) Miteigentümer der nutzungsgegenständlichen Grundfläche und damit Eigentümer i.S.d. § 985 BGB. Gemäß § 1011 BGB ist die Klägerin befugt, den Anspruch auch ohne Mitwirkung der Miteigentümerin und ggf. sogar gegen deren Willen geltend zu machen. Bedenken hinsichtlich der Aktivlegitimation der Klägerin bestehen daher nicht.

b)

18

Dem Beklagten stand im hier maßgeblichen Zeitraum auch kein Besitzrecht bezüglich der betreffenden Grundflächen i.S.d. § 986 BGB zu. Ein Besitzrecht konnte und kann sich allenfalls aus dem früheren Pachtvertrag mit der Gemeinde H. ergeben, wobei die Frage, ob dieses Besitzrecht auch der Klägerin gegenüber wirkt, was namentlich davon abhängen dürfte, ob die gesetzliche Vorschrift des § 566 BGB auch den hier erfolgten Miteigentumserwerb kraft Verwaltungsakts erfasst, letztlich offen bleiben kann, weil ein Besitzrecht jedenfalls für den hier streitbegriffenen Nutzungszeitraum insgesamt nicht mehr bestand.

19

Das in der Vergangenheit bestehende Pachtverhältnis mit der Gemeinde H., kraft dessen der Beklagte i.S.d. § 986 BGB zum Besitz berechtigt war bzw. gewesen sein mag, ist nämlich durch die Kündigungserklärung des Amtes W. vom 27.11.2007 (Anlage H 7; Bl. 153-Rs., 154 d.A.) wirksam beendet worden, ohne dass es letztlich darauf ankommt, ob diese Kündigung eine Angelegenheit der laufenden Verwaltung i.S.d. § 127 Abs. 1 S. 2 der Kommunalverfassung für Mecklenburg-Vorpommern (KV M-V) darstellt. Das Gericht hält insoweit auch im Ergebnis der mündlichen Erörterung im Termin vom 19.02.2016 an der Auffassung fest, die bereits vorläufig in den Hinweisverfügungen vom 18.12.2015, 11.01.2016 und 05.02.2016 - auf die Bezug genommen wird - zum Ausdruck gebracht worden ist.

20

Nochmals:

21

Die Vorschrift des § 127 Abs. 1 S. 4 KV M-V verweist für das Verhältnis zwischen der Gemeindevertretung der amtsangehörigen Gemeinde zum Amt bei der Erledigung der Verwaltungsgeschäfte ausdrücklich auf die Vorschrift des § 34 KV M-V, also auf diejenige Vorschrift, die - für eine amtsfreie Gemeinde mit eigenem hauptamtlichen Verwaltungsapparat unter Leitung des Bürgermeisters - das Verhältnis zwischen der Gemeindevertretung und dem Bürgermeister regelt. Strukturell bedeutet dies, dass ein Dritter, der mit dem Amt bei dessen nach außen gerichteter Verwaltungstätigkeit für die Gemeinde in Berührung kommt, hier also der Beklagte, im Verhältnis zum Amt so steht, wie er im Fall einer amtsfreien Gemeinde dieser gegenüber stünde, wenn er mit deren eigenem hauptamtlichen Verwaltungskörper - also dem Bürgermeister und dessen nachgeordnetem Personal - in Kontakt käme. Diese Regelungsstruktur hat zur Folge, dass eine fehlende Deckung von Verwaltungsmaßnahmen des Amtes nach außen durch einen Beschluss der Gemeindevertretung jedenfalls im Prinzip dieselben Konsequenzen hat bzw. nicht hat, die gegeben wären, wenn der hauptamtliche Bürgermeister einer amtsfreien Gemeinde ohne Deckung durch einen Gemeindevertretungsbeschluss nach außen handelt. Lediglich rechtstechnisch ergibt sich ein Unterschied insofern, als der Bürgermeister die Gemeinde im Sinne der §§ 164 ff. BGB „vertritt“, also in fremdem Namen handelt, während das Amt im Rahmen des § 127 KV M-V in der Regel - und so ausweislich der Gestaltung der Kündigungserklärung vom 27.11.2007 auch hier - im eigenem Namen agiert, wenn auch materiell mit Wirkung für und gegen die Gemeinde, was einer besonderen Form der gesetzlichen Verpflichtungsermächtigung entspricht bzw. einer gesetzlichen Ermächtigung, über fremde Rechtspositionen in eigenem Namen zu verfügen. Was für die Vertretung im eigentlichen Sinne gilt, lässt sich aber ansonsten ohne Weiteres auf die Fälle des § 127 KV M-V übertragen.

22

Für das Verhältnis zwischen Bürgermeister und Gemeindevertretung ist in der Rechtsprechung, auch zu den Kommunalverfassungen bzw. Gemeindeordnungen anderer Bundesländer, ganz überwiegend anerkannt, dass ein Handeln des Bürgermeisters nach außen nicht deshalb unwirksam ist, weil gemeindeintern ein notwendiger Beschluss der Gemeindevertretung fehlt. Allenfalls in besonderen Ausnahmekonstellationen kann unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauches etwas anderes gelten und damit das Auftreten nach außen trotz vorhandener Vertretungsmacht unwirksam sein, wenn ein Gemeindevertretungsbeschluss fehlt (vgl. z.B. VG Saarlouis, Urteil vom 11.12.2015 - 3 K 33/15 [Juris; Tz. 27]). Dass gerade für den Bereich des privatrechtsgeschäftlichen Auftretens des Bürgermeisters nach außen ein zustimmender Beschluss der Gemeindevertretung nur äußerst ausnahmsweise Wirksamkeitsvoraussetzung ist und ansonsten nur das Innenverhältnis innerhalb der Gemeinde betrifft, zeigt besonders deutlich die Regelung des § 38 Abs. 6 S. 6 KV M-V, wonach Verträge der Gemeinde mit bestimmten Personen - aber eben auch nur diese speziellen Verträge - zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der Gemeindevertretung bedürfen. Nur hier wirkt sich der Beschluss der Gemeindevertretung bzw. sein Fehlen im Außenverhältnis aus. Insgesamt treffend bringt es z. B. der VGH Kassel (BauR 2015, 1276 [Juris; Tz. 12]) auf den Punkt, indem er - konkret auch, wie hier, für eine Pachtvertragskündigung - ausführt:

23

Das Pachtverhältnis zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin ist durch Schreiben des Magistrats der Antragsgegnerin vom 17. November 2014 (Blatt 370 Gerichtsakte) wirksam gekündigt worden. Soweit der Antragsteller meint, das Kündigungsschreiben sei nicht wirksam, da der Bürgermeister der Antragsgegnerin im Innenverhältnis seine Kompetenzen gemäß § 70 der Hessischen Gemeindeordnung (Hessische Gemeindeordnung in der Fassung vom 7. März 2005, GVBl. I S. 142 – HGO) überschritten habe, da der Kündigung weder ein Magistratsbeschluss noch ein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vorausgegangen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Wie die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 25. Februar 2015 zutreffend angemerkt hat, kommt es auf die von dem Antragsteller behauptete Überschreitung der Kompetenzen des Bürgermeisters bereits deshalb nicht an, da selbst bei Missbrauch der Vertretungsmacht dies auf die Wirksamkeit der abgegebenen Erklärung keine Auswirkungen hat, sofern die Vertretungsregelung des § 71 HGO - wie hier - beachtet worden ist. Gemäß § 71 Abs. 1 HGO vertritt der Gemeindevorstand die Gemeinde. Erklärungen der Gemeinde werden in seinem Namen durch den Bürgermeister oder dessen allgemeinen Vertreter, innerhalb der einzelnen Arbeitsgebiete durch die dafür eingesetzten Beigeordneten, abgegeben. Nicht verpflichtende Erklärungen der Gemeinde im Sinne des § 71 Abs. 1 HGO sind insbesondere gegeben, wenn die Gemeinde Willenserklärungen abgibt, durch die unmittelbar ein Recht begründet, aufgehoben oder inhaltlich verändert wird, wie dies etwa bei einer Übereignung oder einer Kündigung der Fall ist (vgl. Rauber/Rupp/Stein/Schmidt/Bennemann/Euler/Ruder/Stöhr, Hessische Gemeindeordnung, Kommentar, 2. Auflage, 2014, § 71 Rdnr. 2.1). Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist die am 17. November 2014 durch die Antragsgegnerin erfolgte Kündigung wirksam erfolgt (...).“

24

Richtig ist, dass sich Entscheidungen finden, die von einem - in das Außenverhältnis „durchschlagenden“ - Vertretungsmachtsmangel ausgehen, wenn der Bürgermeister ein Geschäft geführt hat, das nicht mehr zu den Angelegenheiten der laufenden Verwaltung gehört. Diese Entscheidungen betreffen aber landesrechtliche Vorschriften, die - anders als § 38 Abs. 6 KV M-V und die gleichlautenden Parallelreglung z.B. des § 143 Abs. 2 KV M-V - gerade ausdrücklich für den Umfang der Vertretungsmacht nach außen auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Angelegenheit der laufenden Verwaltung abstellen (so z. B. § 71 Abs. 2 S. 3 HessGO und dazu OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 30.09.2015 - 19 U 19/15 [Juris; Tz. 25], oder Art. 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 39 Abs. 2, 2. Halbs. BayGO und dazu OLG München, FamRZ 2015, 2186 [Juris; Tz. 29 ff.]; ähnlich auch die Sachlage nach niedersächsischem Recht bei OLG Celle, Urteil vom 17.02.1999 - 2 U 37/98, NVwZ-RR 2000, 105). Für das in Mecklenburg-Vorpommern geltende Recht lässt sich hieraus daher nichts dem Beklagten Günstiges ableiten.

25

Eine andere - vom Beklagten zuletzt ergänzend aufgeworfene - Frage ist, ob man die Regelung des § 127 Abs. 1 S. 4 KV M-V bzw. den daraus grundsätzlich abzuleitenden Schluss, wie vorstehend skizziert, vor dem Hintergrund der in Grundgesetz und Landesverfassung verbürgten gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie einschränkend auslegen muss. Ob eine solche Notwendigkeit im Grundsatz angenommen werden muss und ob sie ggf. so weit geht, wie der Beklagte annimmt, kann allerdings letztlich offen bleiben. Auch aus den betreffenden Verfassungsnormen ist nämlich jedenfalls nicht zwingend abzuleiten, dass ein Überschreiten des gegenständlichen Umfanges der laufenden Verwaltungsangelegenheiten i.S.d. § 127 Abs. 1 S. 2 KV M-V durch die Amtsverwaltung, wenn man einen solchen Fall hier überhaupt annimmt, zur Unwirksamkeit des Verwaltungshandelns im Außenverhältnis führen muss. Es erscheint zur Wahrung der gemeindlichen Rechtsposition durchaus ausreichend, wenn die Bindung des Amtes an die Beschlüsse der Gemeindevertretung außerhalb der laufenden Verwaltungsangelegenheiten (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 20.04.2010 - 5 W 14/10 [Juris; Tz. 5]), die Ausfluss der verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsautonomie der Gemeinde ist, dadurch geschützt wird, dass Sanktionen im Innenverhältnis zwischen Amt und Gemeinde wirken, z.B. im Wege disziplinarischer oder sonst dienstaufsichtlicher Belangung der Amtsmitarbeiter oder ggf. auch in Gestalt von Schadensersatzansprüchen der Gemeinde gegen das Amt wegen der Verletzung der aus § 127 Abs. 1 S. 2 KV M-V folgenden Pflicht des Amtes, außerhalb des Bereiches der laufenden Angelegenheiten einen Gemeindevertretungsbeschluss einzuholen und zu befolgen. Dass die Verfassung zwingend gebieten würde, die Sanktion in das Außenverhältnis (Amt/Dritter) zu verlegen, ist nicht erkennbar.

26

Das Gericht vermag sich auch dem Ansatz des Beklagten nicht anzuschließen, wonach der etwaige Legitimationsmangel der Tätigkeit des Amtes auf das Außenverhältnis gegenüber dem Kündigungsadressaten jedenfalls deshalb durchdringen müsse, weil eine etwa anzunehmende grundsätzliche Beschränkung der gesetzlichen Sanktionen auf das Innenverhältnis zwischen Amt und Gemeinde allein dem Schutz des außerhalb des Verwaltungskörpers stehenden redlichen Dritten diene und der Beklagte hier durch die Annahme, dass die Kündigung wirksam sei, gerade nicht geschützt, sondern benachteiligt würde. Es dürfte zwar Einiges dafür sprechen, dass der Schutz gutgläubiger Dritter vor den ihnen nicht erkennbaren möglichen Legitimationsmängeln aus dem Binnenbereich der Hoheitsträger ein wesentlicher Gesichtspunkt war, der den Landesgesetzgeber bewogen hat, die Regelung des § 127 Abs. 1 S. 4 KV M-V so zu fassen, wie er es getan hat. Daraus folgt aber nicht, dass sich die Anwendung der ausgeführten Grundsätze im Sinne einer teleologischen Reduktion auf Fälle beschränken ließe, in denen dem Dritten bei der Annahme von Unwirksamkeit des fiskalischen Amtshandelns unmittelbar ein Rechtsnachteil drohen würde. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass eine solche Restriktion zwar den unmittelbar Betroffenen schützen mag, weitere - mittelbar beteiligte - Dritte aber wiederum benachteiligen kann. Beispielsweise würde sich eine derart einschränkende Auslegung zum - nicht gerechtfertigten - Nachteil eines Dritten auswirken, der, um beim vorliegenden Fall zu bleiben, z. B. die betreffenden Grundflächen zu Eigentum von der Klägerin und der Gemeinde H. erwirbt (wenn es nicht der Beklagte selbst ist) und dabei redlicherweise davon ausgeht, das Eigentum ohne die „Last“ des nach § 566 BGB mitübergehenden Pachtverhältnisses zu erwerben. Insoweit greift die Betrachtung des Beklagten, die nur ihn selbst als den unmittelbaren Adressaten der Kündigungserklärung in den Blick nimmt und weitere privatrechtsgeschäftliche Vorgänge, die zumindest potentiell möglich erscheinen, ausblendet, zu kurz.

27

Es bleibt daher dabei, dass auch bei einer etwa anzunehmenden Überschreitung dessen, was das Amt nach Maßgabe des § 127 Abs. 1 S. 2 KV M-V „durfte“, das Amt im Außenverhältnis gegenüber dem Beklagten dennoch entsprechend wirksam handeln „konnte“.

28

Insoweit kann letztlich offen bleiben, ob die Einschätzung des erkennenden Gerichtes bzw. des vormaligen Amtsgerichts Bergen auf Rügen in den vorausgegangenen Verfahren, dass die in Rede stehenden Pachtvertragskündigungen durchweg eine Angelegenheit der laufenden Verwaltung dargestellt hätten (so u.a. AG Bergen auf Rügen, Urteil vom 12.09.2012 - 21 C 42/12, S. 4 [Punkt I.3.a], unter Bezug auf OLG Celle, Urteil vom 17.02.1999 - 2 U 37/98, NVwZ-RR 2000, 105 [Juris; Tz. 6 f.]), was bisher auch die zuständige Berufungskammer des Landgerichts Stralsund stets ebenso beurteilt hat, zutrifft oder ob womöglich aus der Vielzahl der Kündigungen geschlussfolgert werden kann, dass kein laufendes Verwaltungsgeschäft mehr vorgelegen habe. Letztlich kommt es darauf aus oben genannten Gründen nicht an.

c)

29

Der Beklagte war im hier streitbegriffenen Zeitraum auch Besitzer i.S.d. § 985 BGB und hat die in seinem Besitz befindlichen Flächen genutzt. Insoweit ist auf das Gutachten des Gerichtssachverständigen L. vom 03.12.2015 zu verweisen, dort konkret auf die Ausführungen in Abschnitt 4 (S. 12 ff.). Die von dem Sachverständigen L. nachvollziehbar in Ansatz gebrachten Besitz- und Nutzflächen hat der Beklagte konkret nur insoweit angegriffen, als er sich dahingehend eingelassen hat, einen Streifen im nördlichen Bereich der ihm zugeordneten Fläche seit Aufgabe seines Dachdeckergewerbes vor ca. 8 Jahren nicht mehr zu nutzen, der allerdings von erheblichem Umfang ist (996 qm) und fast die gesamte weitere Arrondierungsfläche (1.023 qm) umfasst, die der Sachverständige ermittelt hat. Ansonsten greift der Beklagte die Flächenermittlung des Sachverständigen als solche - im Detail - nicht weiter an, sondern beschränkt sich neben der Frage der Beendigung des Pachtverhältnisses auf Ausführungen zum anzusetzenden Bodenwert je Quadratmeter. Auch der einzig konkret angegriffene nördliche Geländestreifen ist aber dem Beklagten zuzuordnen mit der Folge, das insgesamt die vom Sachverständigen ermittelte Gesamtfläche von 1.555 qm anzusetzen ist, davon 532 qm engere Arrondierungsfläche und 1.023 qm weitere Arrondierungsfläche. Der Beklagte hat nämlich keine plausible Erklärung dafür geliefert, wer sonst - wenn nicht er - in dem betreffenden nördlichen Geländebereich nach wie vor und offensichtlich auch in der streitbegriffenen Zeit Dachdeckerutensilien bzw. Baumaterial gelagert haben soll. Dass eine entsprechende Lagerung zumindest im Zeitpunkt der Ortsbesichtigung durch den Sachverständigen am 09.09.2015 unverändert vorgelegen hat, ist durch die im Gutachten festgehaltenen örtlichen Feststellungen des Sachverständigen und insbesondere durch die dem Gutachten beigefügten Luftbildaufnahmen (S. 29 f.) frei von vernünftigem Zweifel belegt. Es kommt nur der Beklagte als derjenige in Betracht, der die betreffenden Gegenstände gelagert hat; ob im Zeitpunkt der Lagerung während des hier streitbegriffenen Zeitraumes noch ein Dachdeckergewerbe betrieben worden ist, spielt für die rechtliche Qualifizierung der Lagerung als Nutzziehung i.S.d. § 100 BGB keine Rolle.

d)

30

Der Beklagte besaß auch die notwendige Kenntnis i.S.d. § 990 Abs. 1 S. 2 BGB vom objektiven Fehlen des Besitzrechtes, denn die das Besitzrecht entfallen lassenden tatsächlichen Umstände - mithin der Ausspruch und Zugang der unzweifelhaft als Kündigung zu verstehenden und auch unstreitig so verstandenen Erklärung des Amtes W. vom 27.11.2007 - waren dem Beklagten positiv bekannt und er befand sich angesichts der bereits in der Vergangenheit geführten gleichgelagerten Gerichtsverfahren auch nicht in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum (vgl. Bassenge, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 990 Rdnr. 5, m.w.N.). Dass der Beklagte - bei zutreffender und vollständiger Tatsachenkenntnis - eine andere Rechtsauffassung zur Frage der Wirksamkeit der Kündigung vom 27.11.2007 vertreten hat und auch weiterhin vertritt, ist insoweit nicht ausschlaggebend.

e)

31

Herauszugeben sind die tatsächlich gezogenen Nutzungen.

32

Das folgt eindeutig aus dem Wortlaut des § 987 Abs. 1 BGB und auch aus dem objektiven Normzweck.

33

Es kommt also entgegen der Auffassung des Beklagten - anders als gegebenenfalls im Bereicherungsrecht bzw. als im Falle des lediglich bereicherungsrechtlich haftenden unentgeltlichen Besitzers nach § 988 BGB und womöglich auch anders als im Deliktsrecht - nicht darauf an, ob der Eigentümer (oder ein Dritter) die Nutzungen nach Art und Umfang so gezogen hätte wie der Besitzer oder, aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen, so hätte ziehen können (BGH, Urteil vom 12.08.2009 - XII ZR 76/08, NJW-RR 2009 [Juris; Tz. 25]; Gursky, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 987 Rdnr. 9; Baldus, in: MünchKommBGB, 05. Aufl. 2009, § 987 Rdnr. 19; Bassenge, a.a.O., § 987 Rdnr. 4, m.w.N.). Während bei einem auf § 823 Abs. 1 BGB oder sonst auf deliktsrechtliche Vorschriften gestützten Anspruch lediglich der Wert auszugleichen ist, um den der Eigentümer geschädigt wurde, also nur dasjenige, was dem Eigentümer an ihm möglicher Nutzung vorenthalten worden ist, bzw. während der Bereicherungsschuldner, zumindest im Rahmen der Eingriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB), nur dasjenige auszukehren hat, was er „auf Kosten“ des Eigentümers erlangt hat, womit ebenfalls eine Limitierung auf dasjenige einherginge, was der Eigentümer selbst an ihm möglicher Nutzziehung einbüßt, will § 987 Abs. 1 BGB dem Eigentümer alles - auch das Weitergehende - zuweisen, was der Besitzer tatsächlich an Nutzen gezogen hat (vgl. zu dieser systematischen Unterscheidung insbesondere Gursky, a.a.O., und Baldus, a.a.O.); eine Abweichung wäre allenfalls in dem - hier ersichtlich nicht gegebenen - Fall in Erwägung zu ziehen, in dem eine weitergehende Nutzziehung allein auf spezifischen individuellen Fertigkeiten des Besitzers beruht (vgl. BGH, NJW-RR 2009 [Juris; Tz. 26]). Nicht ausschlaggebend ist also, dass die auszugleichende tatsächliche Nutzziehung u.a. wesentlich dadurch geprägt ist und ihre Werthaltigkeit erfährt, dass der Beklagte als Nutzer Eigentümer des von der Nutzfläche unmittelbar umschlossenen überbauten Erdbodens ist und ihm bei der Nutzung öffentlichrechtlicher Bestandsschutz zukommt, der einem Dritten und insbesondere der Klägerin nicht zukäme.

34

Es ist daher unverändert richtig, wenn das erkennende Gericht bzw. zuvor das Amtsgericht Bergen auf Rügen im Anschluss an die gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen L. darauf abgestellt hat, wie die Flächen durch den jeweiligen „N.-Dorfer“, hier also durch den Beklagten, tatsächlich genutzt worden sind und welchen wirtschaftlich messbaren Wert diese tatsächliche Nutzung für den jeweiligen Nutzer effektiv aufweist. Die tatsächliche Nutzung erfolgte und erfolgt in der Ortslage N. - und insoweit konkret auch beim Beklagten - dergestalt, dass der jeweilige Hauseigentümer, dem durchweg nur die unmittelbar überbaute Grundfläche zu Eigentum gehört, die sein Haus umgebenden angrenzenden Flächen im Wesentlichen wie ein Eigentümer oder sonst dinglich berechtigter mitnutzt. Jedenfalls in dem Bereich des engeren Gebäudegürtels, in dem die mitgenutzten Flächen z.B. durch gepflasterte Verandabereiche, Wäschetrockenplätze, Fahrradständer, Wäschespinnen, Sichtschutzwände, Umzäunungen usw. erkennbar „in Beschlag“ genommen und dadurch vergleichsweise deutlich von der Allgemeinfläche abgegrenzt worden sind, resultiert daher für den Hauseigentümer ein ganz erheblicher wirtschaftlicher Mehrwert, der mit zunehmender Entfernung von der Gebäudeaußenwand und fortschreitender Lockerung der äußerlich sichtbaren vorbezeichneten Inbesitznahmeanzeichen abnimmt. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund erscheint es einerseits sachgerecht und überzeugend, und zwar entgegen der Einschätzung der in anderen Verfahren bestellten Gutachter K. (LG Stralsund; Az.: 7 O 248/10) und H. (LG Stralsund; Az.: 7 O 269/11), für die Frage des Jahreszinssatzes, vermöge dessen aus dem jeweiligen Quadratmeterbodenwert der zu zahlende Entgeltbetrag ermittelt wird, auf die bei Erbbaurechten üblichen Zinssätze zurückzugreifen, wie der Sachverständige L. es auch vorliegend getan hat, und andererseits, entgegen der - zumindest bisherigen - Spruchpraxis der Berufungskammer des Landgerichts Stralsund, nicht die Gesamtfläche einem einheitlichen Quadartmeterwert zu unterwerfen, sondern zwischen enger und weiterer Arrondierungsfläche zu unterscheiden. Damit ergeben sich die hier teilzuerkannten Beträge für die in Rede stehenden Jahre 2009 und 2010.

2.

35

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB.

II.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. §§ 281 Abs. 3 S. 2, 495 Abs. 1 ZPO.

III.

37

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.

IV.

38

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 63 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG.

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