Urteil vom Arbeitsgericht Hamburg (3. Kammer) - 3 Ca 247/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf Euro 660,81 festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um die Änderung der Rentendynamik des Klägers.
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Der am ... 1948 geborene Kläger stand bis zum 31. Oktober 2003 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in einem Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis endete auf Veranlassung der Beklagten aufgrund eines Aufhebungsvertrages vom 11. März 2003.
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Die Beklagte gewährt betriebliche Altersversorgung nach der Betriebsvereinbarung Soziale Richtlinien, BV 75.14 (im Folgenden: BV 75.14).
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Ziffer 7 („Anpassung“) der BV 75.14 in der Fassung ab 01. Juli 1986 (auszugsweise Anlage K 1, Bl. 8 bis 10 d. A.) lautet wie folgt:
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„Die Ruhegeldberechnung wird zu bestimmten Zeitpunkten jeweils der Entwicklung der Gehaltstarife angepaßt.
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Soweit bestehende Anwartschaften vorzeitig ausgeschiedener Mitarbeiter in Ruhegeld umgewandelt werden, ist dieses alle drei Jahre auf eine Anpassung hin zu überprüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage der H. zu berücksichtigen (gesetzliche Regelung)“
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Mit Wirkung zum 01. Juli 2005 vereinbarten die Betriebsparteien in der Betriebsvereinbarung Nr. 2005.03 (Anlage K 6, Bl. 16 d. A., im Folgenden: BV 2005.03) die folgende Neufassung der Ziffer 7 der BV 75.14:
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„Die Anpassung der Ruhegeldzahlbeträge, des Weihnachtsgeldes (nominelles Ruhegeld) und der Hinterbliebenenrente erfolgt jährlich zum Zeitpunkt der allgemeinen Anpassung der Sozialversicherungsrenten (SV-.Renten). In Jahren ohne SV-Rentenerhöhung erfolgt die Anpassung der betrieblichen Leistungen grundsätzlich zum gleichen Stichtag wie im Vorjahr.
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Dieses Verfahren gilt auch für bereits im Ruhestand befindliche ehemalige Mitarbeiter und deren Hinterbliebene.
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Die Festlegung der Höhe des Anpassungssatzes erfolgt unter Berücksichtigung der Entwicklung der Gehaltstarife, der Lebenshaltungskosten bzw. der Realeinkommen sowie der wirtschaftlichen Lage der H..
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Soweit bestehende Anwartschaften vorzeitig ausgeschiedener Mitarbeiter in Ruhegeld umgewandelt werden, ist dieses alle drei Jahre auf eine Anpassung hin zu überprüfen und hierüber nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung von § 16 BetrAVG zu entscheiden.“
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Seit dem 1. November 2008 bezieht der Kläger eine gesetzliche Rente sowie ein Ruhegeld nach der bei der Beklagten bestehenden betrieblichen Altersversorgungs-regelung. Das Ruhegeld passte die Beklagte jährlich zum 1. Juli unter Berücksichtigung der Entwicklung der Gehaltstarife an. Zum 1. Juli 2014 erhöhte sie es erstmals auf Grundlage der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland des Monats Juni 2014 um 1,03 %. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2014 (Anlage K 4, Bl. 13 d. A.) begehrte der Kläger eine Anpassung auf Grundlage der Entwicklung der Gehaltstarife (Steigerung um 1,8 % bei 11-monatiger Laufzeit) um 1,96 %. Dieses Begehren verfolgt er mit seiner Klage, der Beklagten zugestellt am 13. Mai 2015, weiter. Der Kläger errechnet auf Grundlage der begehrten 1,96 %, der gewährten 1,03 % und der vor der Anpassung 2014 bezogenen Betriebsrente iHv 1.739,04 € eine monatliche Differenz von 16,17 €. In dieser Höhe begehrt er mit seinem Klagantrag zu Ziffer 1. für die Monate Juli 2014 bis April 2015 eine Nachzahlung iHv 161,70 € brutto; ferner eine Differenz beim Weihnachtsgeld iHv 26,23 € brutto.
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Der Kläger trägt vor, die Anpassung seines Ruhegeldes richte sich nach Ziffer 7 Abs. 1 BV 75.14. Ziffer 7 Abs. 2 BV 75.14 sei nicht anwendbar, weil er nicht im Sinne der Regelung vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Er habe nicht das Unternehmen verlassen und habe seine Arbeitskraft auch keinem anderen Unternehmen angeboten. Nur diese „Gruppe“ von Arbeitnehmern könne mit „vorzeitig“ gemeint sein. Im Übrigen verstoße die Differenzierung in § 7 Abs. 1 und Abs. 2 BV 75.14 gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Grund für die Bevorzugung der in Absatz 1 genannten Arbeitnehmer sei die Schaffung eines Anreizes, den Betrieb nicht zu verlassen und die Honorierung der Betriebstreue. Diese Differenzierung passe für ihn nicht, weil er auf Wunsch der Beklagten wegen „Auflösung seines Arbeitsplatzes“ zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung ausgeschieden sei. Deshalb könne es nicht der Wille der Betriebsparteien gewesen sein, ihn bei der Anpassung seines Ruhegeldes schlechter zu stellen als die anderen Arbeitnehmer.
- 14
Die BV 2005.03 habe Ziffer 7 der BV 75.14 nicht abgelöst, weil die Neuregelung aus verschiedenen Gründen unwirksam sei; außerdem werde er von ihrem Geltungsbereich nicht erfasst.
- 15
Im Übrigen habe er aufgrund einer betrieblichen Übung einen Anspruch auf Anpassung des Ruhegeldes entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife. Die Beklagte habe nach der BV 2005.03 bereits seit dem Jahr 2005 die wirtschaftliche Lage des Unternehmens bei den Ruhegeldanpassungen berücksichtigen können bzw. müssen. Im Übrigen flössen wirtschaftliche Belange auch in die Tarifverhandlungen ein, so dass die jeweilige wirtschaftliche Lage bereits in der Gehaltsentwicklung Berücksichtigung gefunden habe. Die Versorgungsempfänger hätten darauf vertraut, dass die Beklagte weiterhin auf die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage bei der Bemessung der Anpassung des Ruhegeldes verzichten werde. Die wirtschaftliche Lage des Konzerns habe sich nicht erst 2014 weniger gut entwickelt; vielmehr sei es bereits 2010 zu einem Rückgang der Umsatzerlöse gekommen, wie die vorliegende Grafik (vgl. Seite 7 des Schriftsatzes des Klägers vom 20. August 2015, Bl. 126 d. A.) zeige.
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Auch habe auf mehreren Informationsveranstaltungen für „Vorruheständler“ die damalige Leiterin der Pensionärsbetreuung auf Nachfrage ausdrücklich und mehrfach bestätigt, dass für alle Pensionäre auch weiterhin eine Anpassung der Bezüge wie bei den aktiven Mitarbeitern erfolgen würde.
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Der Kläger beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 187,93 € brutto nebst 5 %-Punkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Erhöhung und Festsetzung der laufenden Ruhegeldbezüge jeweils die Steigerung der Gehaltstarife gemäß Ziffer 7 der Betriebsvereinbarung Soziale Richtlinien (BV 75.14 in der Fassung ab 1. Juli 1986) zugrunde zu legen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor, es müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Änderung der BV 75.14 noch nicht ruhegeldberechtigt gewesen sei. Im engeren Sinn sei die Anpassung für vorzeitig ausgeschiedene Mitarbeiter durch die BV 2005.03 nicht geändert worden.
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Ein Anspruch aus einer betrieblichen Übung komme nicht in Betracht, weil die Anpassung stets auf Grundlage einer kollektiven Regelung in Form der Betriebsvereinbarung erfolgt sei.
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Wegen der sonstigen Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg.
I.
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1. Der Klagantrag zu Ziffer 2. ist als Feststellungsantrag zulässig. Die Voraussetzungen einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG liegen vor. Der Antrag richtet sich auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich des Inhalts der Verpflichtung der Beklagten, die Betriebsrente des Klägers nach Ziffer 7 Abs. 1 BV 75.14 auf Grundlage der Steigerung der Gehaltstarife anzupassen. Von der Entscheidung über diese Frage hängt - zumindest auch - die Entscheidung der Zahlungsklage ab. Eines besonderen Feststellungsinteresses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO bedarf es daher nicht (BAG, Urteil vom 28. Juni 2011, 3 AZR 282/09, zit. nach juris Rn. 21 m.w.N.).
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2. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Vornahme der Ruhegelderhöhung auf Grundlage der Steigerung der Gehaltstarife gemäß Ziffer 7 der BV 75.14. Ein solcher Anspruch folgt weder aus der BV 75.14, noch aus der BV 2005.03 noch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, noch aus einer einzelvertraglichen Zusage, noch aus einer betrieblichen Übung. Andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht. Ob die BV 2005.03 wirksam ist und die BV 75.14 abgelöst hat und ob der Kläger von ihrem Geltungsbereich erfasst wird, kann dahin stehen.
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a. Die BV 75.14 gewährt dem Kläger keinen Anspruch auf eine Ruhegelderhöhung entsprechend der Steigerung der Gehaltstarife, weil für den Kläger Ziffer 7 Abs. 2 der BV 75.14 anwendbar ist.
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aa. Ziffer 7 Abs. 2 BV 75.14 gilt für Arbeitnehmer, die vorzeitig, d.h. vor Eintritt des Versorgungsfalls, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und bereits eine Versorgungsanwartschaft erworben haben. Das ist beim Kläger der Fall, weil er bereits zum 31. Oktober 2003 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits eine Anwartschaft auf die betriebliche Altersversorgung erworben. Der Versorgungsfall trat jedoch erst mit Bezug der Sozialversicherungsrente zum 01. November 2008 ein.
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Die Auffassung des Klägers, die vorgenannte Regelung sei bereits dem Wortlaut nach nicht anwendbar, weil er nicht vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei, teilt die Kammer nicht. Das Arbeitsverhältnis des Klägers war durch Aufhebungsvereinbarung zum 1. November 2003 beendet worden. Damit ist er aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Der Umstand, dass er als Ausgleich für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, auch in Form eines Vor-Ruhestandsgeldes erhalten hat, rechtfertigt keine andere Bewertung. Entscheidend ist, dass er vor Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist und zu diesem Zeitpunkt noch kein Ruhegeld nach der BV 75.14 bzw. der BV 2005.03 beziehen konnte.
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Aus welchen Gründen die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt, ist für die Anwendbarkeit der Anpassungsregelung ebenso unerheblich wie die Frage, in wessen Interesse die Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Ziffer 7 BV 75.14 kommt eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass Ziffer 7 Abs. 2 BV 75.14 nur anwendbar ist, wenn die vorzeitige Beendigung auf Initiative und im Interesse des Arbeitnehmers erfolgt, nicht in Betracht. Ein derartiger Wille der Betriebsparteien kommt in der Betriebsvereinbarung, für die das Schriftformgebot gilt (§ 77 Abs. 2 S. 1 BetrVG), nicht andeutungsweise zum Ausdruck. Der von den Betriebspartnern beabsichtigte Sinn und Zweck der Regelung ist nur zu berücksichtigen, soweit diese in den Regelungen der Betriebsvereinbarung noch ihren Niederschlag gefunden haben (LAG Hamm, Urteil vom 04. Mai 1998, 17 Sa 2270/97, zit. nach juris Rn. 215 m.w.N.; Reichold in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth, jurisPK-BGB Band 1, 7. Auflage 2014, § 133 BGB Rn. 16).
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bb. Für die vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmer gilt ausweislich Ziffer 7 Abs. 2 BV 75.14 eine andere Anpassungsregelung als für die Arbeitnehmer, an deren Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis sich unmittelbar ein Ruhegeldbezug anschließt. Das Ruhegeld für vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer ist alle drei Jahre auf eine Anpassung hin zu überprüfen und nach billigem Ermessen über eine Erhöhung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Die Anpassungsregelung entspricht damit der gesetzlichen Anpassungspflicht für betriebliche Altersversorgungen gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG. Ein Anspruch auf Anpassung entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife besteht für vorzeitig ausscheidende Arbeitnehmer wie den Kläger gerade nicht.
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cc. Die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer bei der Anpassung ihrer Betriebsrenten verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG, Art. 3 Abs. 1 GG). Dies gilt auch dann, wenn sich die Wirksamkeit der BV 75.14 nach den Grundsätzen für Betriebsvereinbarungen und nicht nach den Grundsätzen für tarifliche Ruhestandsregelungen, wie die Beklagte meint, beurteilen sollte. Denn ein vorzeitig ausscheidender Arbeitnehmer befindet sich nicht in einer vergleichbaren Situation mit einem Arbeitnehmer, der mit seinem Rentenbezug aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Arbeitnehmer, die bis zum Ende ihres Erwerbslebens in den Diensten des Arbeitgebers verbleiben, haben nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses in der Regel keine Möglichkeit, durch ein Erwerbseinkommen für die Verbesserung ihrer Altersversorgung zu sorgen. Ob der Kläger diese Möglichkeit bei seinem Ausscheiden hatte, kann dahin gestellt bleiben, da es für die Beurteilung auf eine generalisierende Betrachtung ankommt. Der Kläger ist - wenn auch auf Wunsch und Initiative der Beklagten - vorzeitig durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und hat – als Ausgleich für sein vorzeitiges Ausscheiden und die damit verbundenen Nachteile – Vorruhestandsleistungen erhalten. In einer solchen Situation befindet sich ein mit Bezug der Sozialversicherungsrente ausscheidender Arbeitnehmer nicht. Dieser muss in der Regel bis zum Rentenbezug Arbeitsleistung erbringen und erhält in der Regel auch keine Abfindung.
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Dementsprechend beurteilt auch das Bundesarbeitsgericht die Änderung von Versorgungsordnungen nach unterschiedlichen Maßstäben, je nachdem, ob es sich um Eingriffe in Anwartschaften oder bereits bezogene Betriebsrenten handelt (BAG, Urteil vom 18. September 2012, 3 AZR 431/10, zit. nach juris, Rn. 35 f.).
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b. Auch die BV 2005.03 gewährt dem Kläger keinen Anspruch auf eine Erhöhung des Ruhegeldes entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife. Denn auch die BV 2005.03 sieht in ihrem Absatz 4 für vorzeitig ausscheidende Arbeitnehmer nur eine dreijährige Anpassung entsprechend der gesetzlichen Regelung (§ 16 BetrAVG) vor. Insoweit hat sich durch die BV 2005.03 gegenüber der BV 75.14 nichts geändert.
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c. Der Kläger kann sich auch nicht auf eine einzelvertragliche Zusage einer Anpassung seiner betrieblichen Altersversorgung entsprechend der Gehaltsentwicklung der aktiven Mitarbeiter berufen. Zwar trägt der Kläger insoweit vor, auf mehreren Informationsveranstaltungen für „Vorruheständler“ seien durch die damalige Leiterin der Pensionärsbetreuung auf Nachfrage ausdrücklich und mehrfach bestätigt worden, dass für alle Pensionäre auch weiterhin eine Anpassung der Bezüge wie bei den aktiven Mitarbeitern erfolgen würde.
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Dieser Vortrag des Klägers ist jedoch unsubstantiiert. Der Kläger trägt weder substantiiert vor, wann genau welche namentliche Person eine derartige Aussage getätigt hätte, noch ist erkennbar, ob eine Leiterin der Pensionärsbetreuung überhaupt zu einer Zusage einer bestimmten Höhe der Ruhestandleistungen bzw. deren Erhöhungssatz berechtigt wäre.
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d. Der Kläger kann auch aus einer betrieblichen Übung keinen Anspruch auf eine Anpassung entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife herleiten.
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aa. Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ist die betriebliche Übung als Rechtsquelle vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt worden (§ 1 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG in der Fassung bis 31. Dezember 2000 bzw. § 1 b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Die betriebliche Übung ist ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gestaltet und geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durften, ihnen werde die Leistung auch künftig gewährt (BAG, Urteil vom 23. April 2002, 3 AZR 224/01, zit. nach juris, Rn. 25 m.w.N.). Eine betriebliche Übung, die dem versorgungspflichtigen Arbeitgeber keinen Entscheidungsspielraum belässt und ihn unabhängig von der Belastbarkeit des Unternehmens zum vollen Ausgleich des Geldwertverlustes verpflichtet, ist ein Ausnahmetatbestand. Das Verhalten des Arbeitgebers muss deutlich auf einen entsprechenden Verpflichtungswillen hinweisen (BAG, Urteil vom 25. April 2006, 3 AZR 30/05, zit. nach juris, Rn. 27).
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bb. Ein derartiges, der Beklagten zuzurechnendes Verhalten fehlt. Der Umstand, dass die Beklagte die Ruhegeldanpassung in der Vergangenheit stets in Anlehnung an die Entwicklung der Gehaltstarife vorgenommen hat, begründet unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß § 242 BGB und der Begleitumstände nicht die berechtigte Annahme auf einen Rechtsbindungswillen der Beklagten, dies auch in Zukunft zu tun. Denn die Anpassung ist in der BV 75.14 und der BV 2005.03 schriftlich geregelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, kann ein Anspruch aus betrieblicher Übung nur entstehen, wenn es an einer anderen kollektiv- oder individualrechtlichen Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Vergünstigung fehlt (BAG, Urteil vom 15. Mai 2012, 3 AZR 610/11, zit. nach juris).
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Da es eine schriftliche Regelung in Form der Betriebsvereinbarungen für die Anpassung gibt, ist davon auszugehen, dass die Beklagte eine Anpassung in Anlehnung an die Gehaltssteigerung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Belange der Versorgungsempfänger und der wirtschaftlichen Lage der H., d.h. entsprechend der Regelung in Ziffer 7 Abs. 2 BV 75.14 bzw. in Abs. 4 BV 2005.03, für angemessen hielt. Ob diese Ermessensentscheidung zutreffend ist oder bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgrund der wirtschaftlichen Lage eine geringere Anpassung hätte erfolgen können, wie der Kläger meint, kann dahin gestellt bleiben. Aufgrund der schriftlichen Anpassungsregelung in der BV hätte es konkreter Erklärungen oder Verhaltensweisen der Beklagten bedurft, aus denen der Kläger hätte darauf schließen dürfen, dass die Beklagte sich – über die BV hinausgehend – stets zu einer Anpassung entsprechend der Steigerung der Gehaltstarife habe verpflichten wollen. Eine solche Anpassung – unabhängig von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens – ist, wie dargelegt, der Ausnahmefall. Die bloße Erhöhung in den vergangenen Jahren ist hierfür kein zureichendes Indiz.
II.
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Der zulässige Klagantrag zu Ziffer 1. ist ebenfalls unbegründet. Der Kläger hat aus den unter I. 2. dargelegten Gründen keinen Nachzahlungsanspruch für die Monate Juli 2014 bis April 2015 sowie bzgl. des Weihnachtsgeldes.
III.
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1. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO).
- 44
2. Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert beläuft sich für den Antrag zu 1. auf EUR 187,93 €. Für den Antrag zu 2. wäre zwar grundsätzlich der Wert des 36-fachen der für 2014/2015 monatlich begehrten Betriebsrente einschließlich des dreifachen Weihnachtsgeldunterschiedsbetrages (§ 42 Abs. 1 Satz 1 GKG) beziffert (((16,17 € x 12) + 26,23 €) : 12 x 36 = 660,81 €). Wegen § 42 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. GKG war der Wert beider Klaganträge jedoch insgesamt auf 660,81 € begrenzt, so dass sich für den Antrag zu 2. ein Teilwert von 472,88 € ergab.
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