Beschluss vom Bundesgerichtshof (Senat für Notarsachen) - NotSt (Brfg) 4/15

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Senats für Notarsachen des Kammergerichts vom 21. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 9.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er ist am 9. Dezember 1997 zum Notar für den Bezirk des Kammergerichts bestellt worden. Im Jahr 2008 wurde gegen ihn unter anderem wegen der nicht ordnungsgemäßen Abwicklung eines Verwahrungsgeschäfts eine Ermahnung ausgesprochen. Mit Schreiben vom 18. September 2012 teilte die örtlich zuständige Notarkammer dem Kläger mit, von Richtern des Handelsregisters des Amtsgerichts Ch. sei der Verdacht geäußert worden, dass der Kläger die Übertragung von Gesellschaftsanteilen insolvenzbedrohter oder insolvenzreifer Gesellschaften mit beschränkter Haftung beurkunde, die als illegale Firmenbestattungen zu qualifizieren seien. Der Kläger verlangte daraufhin, ihm die Namen der Richter und die Beurkundungsgeschäfte konkret zu benennen. Nur so könne er beurteilen, ob ein Pflichtenverstoß vorliege. Die sich im Folgenden entwickelnde Korrespondenz heftete der Kläger zu einem Rundschreiben des Präsidenten des Landgerichts vom 30. November 2004 zu den charakteristischen Merkmalen und der rechtlichen Problematik von Firmenbestattungen in seiner Generalakte unter dem Sachgebiet "Firmenbestattungen" ab. Aufgrund des Inhalts von Unterlagen zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen die in B. geschäftsansässige A. Wirtschaftsdienste GmbH führte der Präsident des Landgerichts am 30. Mai und 4. Juni 2013 eine Prüfung der Amtsgeschäfte des Klägers durch. Mit Verfügung vom 25. Oktober 2013 leitete er das Disziplinarverfahren gegen den Kläger ein. Zu den bis dahin vorliegenden Ermittlungsergebnissen wurde der Kläger mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 angehört. Mit Schreiben des Präsidenten des Landgerichts vom 9. Januar 2014, zugegangen am 27. März 2014, wurde dem Kläger Gelegenheit zur abschließenden Äußerung gegeben. Der Kläger verzichtete auf eine Stellungnahme.

2

Mit Bescheid vom 5. Mai 2014 hat der Präsident des Landgerichts B. dem Kläger einen Verweis wegen Verstoßes gegen § 14 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 BNotO erteilt und gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 8.000 € verhängt. Der Kläger hat gegen die am 14. Mai 2014 zugestellte Disziplinarverfügung am 16. Juni 2014 Klage zum Kammergericht eingereicht und die Aufhebung der Disziplinarverfügung beantragt.

3

Das Kammergericht hat die Geldbuße auf 4000 € ermäßigt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat die Berufung nicht zugelassen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestünden (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der Fall besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten aufweise (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und ein erheblicher Verfahrensmangel vorliege (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) jeweils i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO.

II.

4

1. Das Kammergericht hat die verfahrensrechtlichen Einwände des Klägers gegen das Disziplinarverfahren nicht für durchgreifend erachtet. Den Erfordernissen des § 20 Abs. 1 BDG sei dadurch genügt, dass das disziplinarrechtliche Verfahren mit Verfügung vom 25. Oktober 2013 eingeleitet und der Kläger mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 zu den bisherigen Ermittlungen angehört worden sei. Es sei unschädlich, dass dem Kläger das Schreiben des Beklagten vom 9. Januar 2014 mit dem letzten Stand der Ermittlungen lediglich in Abschrift zugegangen sei. § 30 BDG schreibe für die abschließende Anhörung des von dem Disziplinarverfahren Betroffenen keine bestimmte Form vor. Der Kläger habe hinreichend Gelegenheit erhalten, zu dessen Inhalt Stellung zu nehmen, was er aber abgelehnt habe. Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit gegenüber dem Kläger bei dem Beklagten seien nicht erkennbar gegeben.

5

In der Sache hat der Senat die Auffassung der Dienstaufsichtsbehörde geteilt, dass der Kläger gegen die Verpflichtung aus § 14 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 BNotO verstoßen habe, seine Amtstätigkeit zu versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar sei. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass ein Notar bereits dann unredlich handle, wenn er an Geschäften mitwirke, bei denen sich die Verfolgung unredlicher Ziele als möglich darstelle oder gar aufdränge, deren rechtliche und wirtschaftliche Tragweite er aber mangels sorgfältiger Prüfung der damit zusammenhängenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen nicht durchschaue. Es bestünden gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die A. Wirtschaftsdienste GmbH mit den beim Kläger veranlassten Beurkundungen im großen Stile an möglicherweise illegalen oder doch unredlichen Zwecken dienenden Firmenbestattungen mitwirkte. Diese hätten dem Kläger mit zunehmender, auf Veranlassung der A. Wirtschaftsdienste GmbH vorgenommener Beurkundungstätigkeit genügen müssen, von weiteren Beurkundungen ohne eine genaue Prüfung ihrer rechtlichen und tatsächlichen Hintergründe abzusehen.

6

Der Kläger habe von März 2010 bis April 2013 die Übertragung von Gesellschaftsanteilen an zweihundert offensichtlich verschiedensten Branchen angehörigen Gesellschaften auf gerade einmal neunzehn in der Rechtsform einer Limited Corporation (Ltd.) mit Sitz in Großbritannien firmierende Gesellschaften beurkundet. Als Vertreter der übernehmenden Gesellschaften seien lediglich sechzehn Personen aufgetreten, die in der Regel zu Geschäftsführern der übernommenen Gesellschaften bestellt worden und in dieser Funktion nach eigenen Angaben des Klägers überwiegend unter der Anschrift der A. Wirtschaftsdienste GmbH in B. geschäftsansässig gewesen seien. Schon aufgrund des Umfangs der beurkundeten Gesellschaftsanteilsübertragungen auf nur wenige Gesellschaften und der dadurch bedingten Unmöglichkeit der ordnungsgemäßen Fortführung der den unterschiedlichsten Branchen zuzuordnenden operativen Geschäfte oder der ordnungsgemäßen Abwicklung der übernommenen Gesellschaften, hätte sich dem Kläger erschließen müssen, dass es sich um reine Mantelverkäufe handle. Tatsächlich seien nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nur noch achtundsiebzig der übernommenen Gesellschaften in welcher Form auch immer aktiv, der Rest sei aufgelöst oder gar gelöscht. Im Hinblick auf die Durchgriffshaftung auf die englische Limited mit einem möglicherweise sehr geringen Haftungskapital seien die Folgen einer Insolvenz der im Ausland ansässigen Muttergesellschaften nach ausländischem Insolvenzrecht für die Gläubiger der übertragenen Kapitalgesellschaften unwägbar. Auch ließen sich Weiterveräußerungen der übernommenen Geschäftsanteile durch die im Ausland ansässige Gesellschafterin schwerer nachvollziehen. Zweifel an der Werthaltigkeit und der Liquidität der zu übernehmenden Gesellschaften hätten dem Kläger auch kommen müssen, weil die Kosten der Beurkundungen noch am Beurkundungstag in bar entrichtet worden seien. Auch sei auffällig, dass in keiner Urkunde der Kaufpreis genannt worden sei. Die A. Wirtschaftsdienste GmbH sei ein wichtiger Geschäftspartner des Klägers gewesen, auch wenn die von ihr vermittelten Beurkundungen nur 10% der Beurkundungen des Notariats ausmachten. Diese Gesichtspunkte hätten den Kläger unabhängig von einer Intervention von dritter Seite, spätestens aber nach dem Schreiben der Notarkammer im September 2012 veranlassen müssen, konkret zu hinterfragen, was mit den von ihm auf Vermittlung der A. Wirtschaftsdienste GmbH beurkundeten Transaktionen wirklich bezweckt wird. Gleichwohl habe der Kläger noch im Jahre 2013 vierzehn durch die A. Wirtschaftsdienste GmbH vermittelte Beurkundungen von Gesellschaftsübertragungen nach dem vorbezeichneten Muster vorgenommen, bevor er die Tätigkeit im April 2013 einstellte. Der in der Niederschrift zur Beurkundung enthaltene unbestimmte Hinweis, es sei die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Problem des unzulässigen Mantelkaufs erörtert worden, reiche ebenso wenig aus wie die sonstigen in den Urkunden enthaltenen allgemeinen Hinweise auf Haftungstatbestände für Gesellschafter und Geschäftsführer. Der Kläger könne sich auch nicht dadurch entlasten, dass den an den Geschäften beteiligten Parteien nicht näher bekannte Musterbelehrungen der A. Wirtschaftsdienste GmbH über die Folgen einer illegalen Firmenbestattung vorgelegen hätten. Damit habe der Kläger nicht aufgeklärt, ob eine Firmenbestattung vorliege. Es hätte nahe gelegen, zumindest zu erfragen, welchen Zweck die übernehmende Gesellschaft mit dem Erwerb der Gesellschaftsanteile verfolge, ob beispielsweise das operative Geschäft fortgeführt werden solle oder es sich um einen reinen Mantelkauf handle und was mit dem Mantel geschehen solle.

7

Nach Abwägung aller Umstände sei ein Verweis bei gleichzeitiger Verhängung einer Geldbuße angemessen und zweckmäßig. Die Höhe der Geldbuße sei aber zu reduzieren, denn eine Mitwirkung an illegalen Firmenbestattungen sei dem Kläger nicht zu unterstellen. Ihm sei nur vorzuwerfen, dass er hierfür bestehende Anhaltspunkte nicht aufgeklärt, sondern die Augen davor verschlossen habe. Die dem Kläger vorzuwerfenden Pflichtverletzungen rückten ihn allerdings in die Nähe strafbarer bzw. sittenwidriger Geschäftspraktiken. Sie seien daher geeignet, dem Ansehen des Notarberufes in besonderem Maße zu schaden. Erschwerend komme hinzu, dass er sein pflichtwidriges Verhalten auch noch fortsetzte, als er bereits von der Notarkammer auf Zweifel an seiner Beurkundungspraxis angesprochen worden sei.

8

2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig. Er ist insbesondere rechtzeitig und formgerecht gestellt worden (§ 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 64 Abs. 2 BDG, §§ 124, 124a Abs. 4, 5 VwGO). Er erweist sich aber als unbegründet, da ein Zulassungsgrund nicht gegeben ist.

9

a) Ein entscheidungserheblicher Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) ist nicht gegeben.

10

aa) Ein solcher ergibt sich nicht daraus, dass das Kammergericht Erkenntnisse aus der Geschäftsprüfung verwertet hat. Zutreffend weist der Kläger allerdings daraufhin, dass der Dienstvorgesetzte die Dienstpflicht hat, das behördliche Disziplinarverfahren einzuleiten, sobald zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BDG, § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO). Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 BDG ist der Beamte über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unverzüglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich ist.

11

Danach ist zwar fraglich, ob das Verfahren gegen den Kläger nicht bereits zu Beginn der Geschäftsprüfung am 30. Mai 2013, nicht erst am 25. Oktober 2013, hätte eingeleitet werden müssen. Die Verzögerung, die der Kläger rügt, stellt aber keinen wesentlichen Mangel dar, weil sich ausschließen lässt, dass ihm durch die erst am 28. Oktober 2013 erfolgte Unterrichtung über die Einleitung des Disziplinarverfahrens ein Nachteil erwachsen ist. Auch wenn der Beklagte im Rahmen der Geschäftsprüfung am 30. Mai 2013 und 4. Juni 2013 unzulässige Vorermittlungen durchgeführt hätte, um Beweise zum Nachweis der Mitwirkung des Klägers an den Beurkundungen von rechtlich unzulässigen oder zumindest rechtlich zweifelhaften Firmenbestattungen zu erlangen, wirkt sich dies nicht auf die Rechtmäßigkeit der Disziplinarverfügung aus.

12

Die Einleitungspflicht gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG und die Unterrichtungspflicht gemäß § 20 Abs. 1 BDG dienen zwar auch dem Schutz des Beamten. Sie sollen sicherstellen, dass disziplinarische Ermittlungen so früh wie möglich im Rahmen eines gesetzlich geordneten Disziplinarverfahrens mit seinen rechtsstaatlichen Sicherungen zu Gunsten des Beamten, insbesondere dem Recht auf Beweisteilhabe gemäß § 24 Abs. 4 BDG, geführt werden (BVerwG, NVwZ 2009, 399 juris Rn. 11; Urban/Wittkowski, BDG, § 17 Rn. 2). Sobald sich Vermutungen zu dem Verdacht konkretisiert haben, ein bestimmter Beamter habe ein bestimmtes Dienstvergehen begangen, verbietet § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG, von der Verfahrenseinleitung abzusehen und den Sachverhalt außerhalb eines behördlichen Disziplinarverfahrens ohne Kenntnis des Beamten zu ermitteln (BVerwG, NVwZ 2009, 399 aaO). Verstöße gegen die Einleitungspflicht des Dienstvorgesetzten gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG haften dem Disziplinarverfahren aber schon deshalb nicht als Mangel an, weil sie ihm zeitlich vorgelagert sind (BVerwG, NVwZ 2009, 399 juris Rn. 15). Sie können allerdings zur Unzulässigkeit des Disziplinarverfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 4 BDG führen, wenn nach § 15 BDG eine Maßnahme wegen Zeitablaufs nicht mehr verhängt werden darf (BVerwG, NVwZ 2009, 399 juris Rn. 15). Verzögert der Dienstvorgesetzte die Einleitung des Disziplinarverfahrens entgegen seiner Dienstpflicht gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG, so ist dies bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme gemäß § 13 Abs. 1 und 2 BDG zu berücksichtigen. Ein solches Verhalten kann dem Beamten als mildernder Umstand zugutekommen, wenn es für sein weiteres Fehlverhalten ursächlich war (BVerwG, NVwZ 2009, 399 juris Rn. 16). Ein Verstoß gegen das Recht des Beamten auf Beweisteilhabe im behördlichen Disziplinarverfahren kann durch eine nachträgliche Beweiserhebung geheilt werden (vgl. BVerwG, NVwZ 2009, 399 juris Rn. 18; BVerwG, ZBR 2011, 34, juris Rn. 11; Urban/Wittkowski, BDG, § 24 Rn. 21). Von diesen Grundsätzen ist auch in einem gegen einen Notar gerichteten Disziplinarverfahren auszugehen (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO).

13

Danach hat eine verspätete Einleitung des Disziplinarverfahrens gegebenenfalls keine Auswirkungen auf die Verhängung der Disziplinarmaßnahme. Nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens (vgl. Urban/Wittkowski, BDG, § 15 Rn. 8 mwN) richtet sich der Zeitpunkt der Vollendung des dem Kläger zur Last liegenden Dienstvergehens nach der letzten Pflichtverletzung im Beurkundungstermin am 9. April 2013. Ein Maßnahmeverbot gemäß § 15 BDG wegen Zeitablaufs ist mithin nicht gegeben. Eine Milderung kommt nicht in Betracht, weil nur Beurkundungstermine vor der Geschäftsprüfung am 30. Mai 2013 Gegenstand des Disziplinarverfahrens sind und sich die förmliche Einleitung des Disziplinarverfahrens erst am 25. Oktober 2013 ersichtlich auf sein Fehlverhalten nicht ausgewirkt hat. Eine etwaige Verletzung des Rechts des Klägers auf Beweisteilhabe wäre ebenfalls vom Beklagten im behördlichen Disziplinarverfahren dadurch geheilt worden, dass dem Kläger durch Schreiben vom 28. Oktober 2013 und nach Abschluss der Ermittlungen durch Schreiben vom 9. Januar 2014, zugegangen am 14. März 2014, Gelegenheit gegeben worden ist, Stellung zu nehmen. Der Beklagte hat die Möglichkeit der Äußerung nach dem Schreiben vom 28. Oktober 2013 wahrgenommen, hingegen nach dem Anschreiben vom 14. März 2014 eine weitere Stellungnahme abgelehnt.

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bb) Auch die vom Kläger geäußerte Besorgnis der Befangenheit gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, § 3 BDG in der Person des Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger legt keine Umstände dar, die darauf schließen ließen, dass der Beklagte gegen ihn voreingenommen gewesen wäre. Soweit er den Vorwurf der Befangenheit auf den Wortlaut des Schreibens vom 10. März 2014 stützt, teilt der Senat dessen Sinndeutung nicht, dem Kläger werde darin wider besseres Wissen angelastet, er habe ein Empfangsbekenntnis nicht zurückgeschickt, obwohl die Dienstaufsicht positive Kenntnis gehabt habe, dass das Schreiben vom 9. Januar 2014 nebst Empfangsbekenntnis nicht an ihn abgesandt worden sei. Dem Schreiben lässt sich lediglich entnehmen, dass ein Zugang des Schreibens vom 9. Januar 2014, in dem der Abschluss der Ermittlungen mitgeteilt worden ist, an den Kläger aktenmäßig nicht nachvollzogen werden kann und deshalb die Schlussanhörung wiederholt wird. Selbst wenn sich den Akten entnehmen ließe, dass das Schreiben vom 9. Januar 2014 nicht die Behörde verlassen haben sollte, handelt es sich um eine Formulierung, die für das weitere Verfahren unerheblich war und sich für den Kläger in negativer Weise weder bei Erlass der Disziplinarverfügung noch bei Erlass des Urteils durch das Kammergericht ausgewirkt haben kann.

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b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG und § 105 BNotO). Zu Recht hat das Kammergericht ein Dienstvergehen darin gesehen, dass der Kläger entgegen § 14 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 BNotO, § 4 BeurkG pflichtwidrig Beurkundungen vorgenommen hat, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden sollten.

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aa) Erfolglos wendet sich der Kläger dagegen, dass ihm das Kammergericht anlastete, dass er an Geschäften mitgewirkt hat, bei denen sich die Verfolgung unredlicher Ziele als möglich darstellte oder gar aufdrängte, deren rechtliche und wirtschaftliche Tragweite er - wie das Kammergericht zu seinen Gunsten angenommen hat - mangels sorgfältiger Prüfung der damit zusammenhängenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen nicht durchschaut hat. Der Kläger hat es unterlassen, sich sorgfältig über die Hintergründe der zu beurkundenden Verträge zu vergewissern und notfalls die Beurkundung abzulehnen.

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Der Notar hat seine Amtstätigkeit zu versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar ist, insbesondere seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Ziele verfolgt werden (§ 14 Abs. 2 BNotO, § 4 BeurkG). Das gilt vor allem, wenn der Verdacht besteht, dass seine Tätigkeit der Begehung von Straftaten dienen könnte (vgl. BGH, Senat für Notarsachen, Beschluss vom 8. November 2013 - NotSt (B) 1/13, NJW-RR 2014, 633 juris Rn.11; vom 17. November 2008 - NotZ 13/08, DNotZ 2009, 290, 291 und vom 2. Juli 1984 - NotZ 4/84, DNotZ 1985, 487; Kanzleiter in Schippel/Bracker, BNotO 9. Aufl. § 14 Rn. 19 ff.; Herrmann in Schippel/Bracker aaO § 95 Rn. 15). Die im Kern nicht bestrittenen Geschehensabläufe erfüllen auch unter Berücksichtigung der hierzu abgegebenen Erklärungen des Klägers den Tatbestand eines grob fahrlässigen Verstoßes gegen die Pflichten aus § 14 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 BNotO, der ein Dienstvergehen darstellt (§ 95 BNotO), das die Verhängung der getroffenen Disziplinarmaßnahmen rechtfertigt.

18

Zutreffend weist das Kammergericht darauf hin, dass schon die Anzahl der von der A. Wirtschaftsdienste GmbH veranlassten Beurkundungen dem Kläger Anhaltspunkte zur Prüfung geben musste, ob er möglicherweise an illegalen Firmenbestattungen mitwirkte. Unerheblich ist hierfür, dass in der Disziplinarverfügung lediglich 180 Firmenübertragungen aufgelistet worden sind und es sich in einem Fall um einen Vorratskauf gehandelt haben soll, das Kammergericht aber von "an" die 200 Firmenübertragungen ausgegangen ist. Auch bei 180 Übertragungsbeurkundungen handelte es sich um eine auffällige Anzahl, die - entgegen der Auffassung des Klägers - die Charakteristika illegaler Firmenbestattungen aufwies. Bereits der Umstand, dass regelmäßig eine formularmäßige Anbahnung durch die A. Wirtschaftsdienste GmbH der Beurkundung vorausging, hätte den Kläger zu Recherchen veranlassen müssen, auch wenn die Beurkundungstermine mit dem Büro des Klägers abgestimmt worden und nicht von der A. Wirtschaftsdienste GmbH vorgegeben worden sind. Das Kammergericht weist zutreffend auf die weitere Auffälligkeit hin, dass Gesellschaften, die den verschiedensten Branchen angehörten, auf lediglich neunzehn in Form einer Limited Company mit Sitz in Großbritannien firmierende Gesellschaften übertragen worden sind und als Vertreter der übernehmenden Gesellschaften lediglich sechzehn Personen auftraten, die regelmäßig zu den Geschäftsführern der übernommenen Gesellschaften bestellt worden und in B. ansässig gewesen sind. Für den Kläger hätten sich bei gebotener gewissenhafter Überprüfung daraus erhebliche Zweifel ergeben müssen, ob eine Fortführung der operativen Geschäfte der übernommenen Gesellschaften möglich sein würde. Der äußere Anschein deutete jedenfalls darauf hin, dass es sich in der großen Masse um reine Mantelverkäufe handeln dürfte. Dem entspricht, dass nur noch 78 der übernommenen Gesellschaften aktiv sind und der Rest aufgelöst oder gar gelöscht ist. Die Würdigung des Kammergerichts, dass es schlichtweg nicht vorstellbar ist, dass ein in Gesellschaftsanteilübertragungen erfahrener Notar angesichts der festgestellten Umstände geglaubt haben könnte, bei den von ihm beurkundeten Verträgen gehe alles mit rechten Dingen zu, ist naheliegend, jedenfalls nicht zulassungsfordernd fehlerhaft. Spätestens bei der Beurkundung der Übertragung von Gesellschaftsanteilen nach dem Schreiben der Notarkammer vom 18. September 2012 musste es sich dem Kläger aufdrängen, dass bei den von der A. Wirtschaftsdienste GmbH vermittelten Geschäftsanteilsübertragungen unredliche, möglicherweise sogar strafwürdige Zwecke verfolgt würden. Aufgrund der gegebenen Verdachtsmomente in Form der Vielzahl lediglich Abtretungen betreffende Beurkundungsaufträge durch die A. Wirtschaftsdienste GmbH sowie der mit den Beurkundungen verbundenen Auffälligkeiten durch die Personen der Vertreter und der Übertragung der Geschäftsführung auf wenige Personen war es nicht erforderlich, dass dem Kläger von der Notarkammer die Beteiligten namentlich und der Beurkundungsvorgang im Einzelnen benannt wurden.

19

Es ist nicht maßgebend, ob einem Gläubiger der Gesellschaften, deren Anteilsübertragungen der Kläger beurkundet hat, Schaden durch seine Tätigkeit entstanden ist oder das Verhalten des Notars oder auch der an den Beurkundungsvorgängen Beteiligten strafbar war. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Klägers, dass die Übertragung auf eine englische Limited den Gläubiger einer insolvenzbedrohten GmbH bevorzuge, jedenfalls aber nicht benachteilige. Zutreffend weist das Kammergericht darauf hin, dass allein die Folgen einer Insolvenz einer im Ausland ansässigen Muttergesellschaft für die Gläubiger der übertragenen Kapitalgesellschaften unwägbar sind, abgesehen davon, dass sich Weiterveräußerungen der übernommenen Gesellschaftsanteile durch die im Ausland ansässige Gesellschafterin schwerer nachvollziehen lassen. Diese naheliegenden Überlegungen mussten sich dem Kläger als in der Beurkundung von Gesellschaftsanteilen erfahrenem Notar aufdrängen und ihm Anlass sein, konkret zu hinterfragen, was mit den von ihm auf Vermittlung der A. Wirtschaftsdienste GmbH beurkundeten Transaktionen bezweckt werden soll.

20

Von dieser Pflicht war der Kläger nicht deshalb entlastet, weil die Geschäftsführer der übernehmenden Gesellschaft sozial angepasst und geschäftlich gewandt wirkten. Entscheidend ist, dass bei der Vielzahl der übernommenen Geschäftsführeraufgaben und der Verschiedenheit der Geschäftszweige der übernommenen Geschäftsanteile eine ordnungsgemäße Geschäftsführung unwahrscheinlich, wenn nicht sogar ausgeschlossen erscheinen musste. Ebenso hätte den Kläger aufmerksam machen müssen, dass die übernehmenden Firmen ihre inländische Geschäftsanschrift unter der Anschrift der A. Wirtschaftsdienste GmbH begründeten. Die angebliche Verwahrung der Geschäftsunterlagen der vielen übertragenen Gesellschaften in den Räumen der A. Wirtschaftsdienste GmbH vermag den Verdacht der gewerblichen Firmenbestattung eher zu erhärten als auszuräumen.

21

All diese Verdachtsmomente hatten eine Signalfunktion, die der Kläger nicht unbeachtet lassen durfte. Dass der Kläger sich für die Gründe der Übertragungen nicht interessierte, weil diese Sache der Vertragsparteien seien, die ihn nichts angingen, stellt ein mit den Pflichten eines Notars nicht vereinbares, sorgloses Verhalten dar. Eine zumindest mögliche Schädigung Dritter, speziell der Gläubiger der übertragenen Gesellschaft, lag auf der Hand. Wenn der Kläger angesichts dieser Umstände vorgibt, er habe sich bei all dem nichts Böses gedacht und sei davon ausgegangen, das alles habe seine Richtigkeit, hat er die Augen verschlossen vor Bedenken, die sich ihm hätten aufdrängen müssen.

22

bb) Dass die Beteiligten vom Kläger bzw. der A. Wirtschaftsdienste GmbH über die Folgen einer Geschäftsanteilsübertragung zu unredlichen Zwecken belehrt worden sind, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Zutreffend weist das Kammergericht darauf hin, dass die an die Veräußerer gerichteten Fragen nach ihrer Zahlungsunfähigkeit bzw. einer Überschuldung der zu übertragenden Gesellschaften wenig konkret und eventuelle Antworten hierzu auch wenig verlässlich waren. Der Grundsatz, dass der Notar im Zweifel den Angaben der Beteiligten vertrauen darf (Kanzleiter in Schippel/Bracker aaO, § 14 Rn. 20), gilt umso weniger, je gewichtiger die Hinweise auf unredliches Verhalten sind und je größer die mögliche Unredlichkeit des verfolgten Zwecks ist. Der unwiederbringliche Vertrauensverlust in die Redlichkeit des Notars tritt in der Öffentlichkeit durch Beurkundungen zweifelhafter Geschäftsanteilsübertragungen trotz erfolgter Belehrungen gleichwohl ein.

23

Die Pflichtverletzung des Klägers stellt ein fahrlässiges Dienstvergehen nach § 95 NotO dar.

24

cc) Die Erteilung eines Verweises und die Höhe der Geldbuße ist im Hinblick darauf, dass der Kläger nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig gehandelt hat und sich die Verfolgung der illegalen bzw. unredlichen Ziele erst bei zunehmender Anzahl der vom Kläger vorgenommenen Beurkundungen aufgrund entsprechender Anhaltspunkte manifestiert hat, verhältnismäßig. Auch im Falle eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 14 Abs. 2 BNotO, § 4 BeurkG wird die Stellung des Notars als rechtstreuer unabhängiger und unparteiischer Betreuer der Interessen der Beteiligten beeinträchtigt.

25

c) Hinsichtlich der übrigen geltend gemachten Zulassungsgründe fehlen begründende Ausführungen in der Antragsschrift des Klägers. Umstände, aus denen sich besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten oder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) ergeben könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

26

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 111b Abs. 1 BNotO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 109 BNotO, § 78 Satz 2 BDG, § 52 Abs. 2 GKG.

Galke                     Diederichsen                    Radtke

             Strzyz                               Hahn

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