Beschluss vom Bundesgerichtshof (7. Zivilsenat) - VII ZB 64/14

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg vom 11. November 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt die Gläubigerin.

Gründe

I.

1

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid und einem Kostenfestsetzungsbeschluss.

2

Der Schuldner war seit April 2003 als Handelsvertreter für die R. GmbH & Co. KG tätig. Das Handelsvertreter-Vertragsverhältnis endete durch fristlose Kündigung der R. GmbH & Co. KG vom 28. Oktober 2005. Die Drittschuldnerin war persönlich haftende Gesellschafterin der R. GmbH & Co. KG.

3

Mit Urteil des Landgerichts A. vom 12. Februar 2010 in der Fassung des Berufungsurteils des Oberlandesgerichts M. vom 28. Juli 2011 wurde die Drittschuldnerin verurteilt, dem Schuldner einen Buchauszug gemäß § 87c Abs. 2 HGB zu erteilen. Mit Beschluss vom 10. Mai 2013 ermächtigte das Landgericht A. den Schuldner, die der Drittschuldnerin auferlegte Pflicht zur Erteilung eines Buchauszugs durch einen von ihm zu beauftragenden Steuerberater vornehmen zu lassen. Zugleich verpflichtete das Landgericht A. die Drittschuldnerin, 12.960 € als Vorauszahlung für die Kosten der Beauftragung eines Steuerberaters an den Schuldner zu zahlen.

4

Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - mit Beschluss vom 31. Juli 2013 "sämtliche Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin aus dem Beschluss des Landgerichts A. vom 10. Mai 2013, insbesondere ... der Anspruch des Schuldners auf Zahlung von 12.960 € als Vorauszahlung der für die Erstellung des Buchauszuges voraussichtlich anfallenden Kosten ..." gepfändet. Gegen diesen Beschluss hat der Schuldner Erinnerung eingelegt. Die Erinnerung hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - mit Beschluss vom 27. März 2014 zurückgewiesen. Auf die vom Schuldner gegen den Zurückweisungsbeschluss eingelegte sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgerichts - aufgehoben, soweit dieser den Anspruch auf Zahlung von 12.960 € als Vorauszahlung für die Erstellung des Buchauszuges betrifft. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Gläubigerin mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

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Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin hat keinen Erfolg.

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1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt:

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Mit seiner Beschwerde wende sich der Schuldner gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nur insoweit, als der Anspruch auf Zahlung von 12.960 € als Vorauszahlung der für die Erstellung des Buchauszugs voraussichtlich anfallenden Kosten gepfändet sei. Insoweit sei die Beschwerde begründet. Der Anspruch auf Vorauszahlung unterliege nicht der Pfändung. Gemäß § 399 Fall 1 BGB sei eine Forderung unübertragbar und damit gemäß § 851 ZPO unpfändbar, wenn der Gläubigerwechsel den Inhalt der Leistung ändern würde. Hierzu gehörten insbesondere zweckgebundene Forderungen. Der Vorauszahlungsanspruch für die Kosten der Erstellung des Buchauszuges sei in diesem Sinne zweckgebunden, da er allein der Erstellung des Buchauszuges diene. Im Falle der Übertragung des Vorauszahlungsanspruches könne der Zweck nicht mehr erreicht werden, weil der Drittschuldner zur Erteilung des Buchauszuges gerade nur gegenüber dem Schuldner verpflichtet sei.

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2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

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a) Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

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Insbesondere fehlt es der Gläubigerin nicht deshalb am Rechtsschutzbedürfnis für die Rechtsbeschwerde, weil der Pfändungsbeschluss vom 31. Juli 2013 vom Beschwerdegericht aufgehoben worden ist. Die Aufhebung des Pfändungsbeschlusses durch den Beschluss des Beschwerdegerichts ist ungeachtet der Anfechtbarkeit dieses Beschlusses sofort wirksam geworden. Ein aufgehobener Pfändungsbeschluss lebt bei Wegfall des Aufhebungsbeschlusses nicht wieder auf; er kann vom Rechtsmittelgericht auch nicht mehr in seiner ursprünglichen Fassung (mit demselben Rang) wiederhergestellt werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn - was hier nicht geschehen ist - das den Pfändungsbeschluss aufhebende Gericht zugleich die Anordnung trifft, dass der Aufhebungsbeschluss erst mit seiner Rechtskraft wirksam wird (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2017 - VII ZB 38/16, WM 2017, 1161 Rn. 19).

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Ist ein Pfändungsbeschluss durch instanzgerichtlichen Beschluss aufgehoben worden und hat das aufhebende Gericht keine Anordnung getroffen, dass der Aufhebungsbeschluss erst mit seiner Rechtskraft wirksam wird, ist das Rechtsschutzbedürfnis für eine Rechtsbeschwerde des Gläubigers gleichwohl gegeben, wenn mit ihr das Ziel verfolgt wird, eine Vollstreckung mit neuem Rang zu ermöglichen (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2017 - VII ZB 38/16, WM 2017, 1161 Rn. 20). In diesem Sinne ist die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin zu verstehen.

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b) Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet.

13

Im Ergebnis zutreffend hat das Beschwerdegericht die Pfändbarkeit des Vorauszahlungsanspruches verneint. Der Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB und der darauf beruhende Anspruch auf Vorauszahlung aus § 887 Abs. 2 ZPO stellen Nebenrechte zum Provisionsanspruch des Schuldners dar, die nicht selbständig pfändbar sind. Die Beschlagnahme dieser Nebenrechte erfolgt vielmehr mit der Pfändung des Provisionsanspruchs.

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aa) Die mit einer Pfändung verbundene Beschlagnahme erstreckt sich ohne weiteres auf alle Nebenrechte, die im Fall einer Abtretung nach §§ 401, 412 BGB mit auf den neuen Gläubiger übergehen; einer gesonderten Neben- und Hilfspfändung bedarf es dazu nicht. Neben den in § 401 BGB ausdrücklich genannten Rechten wird diese Vorschrift unter anderem auf Hilfsrechte entsprechend angewandt, die zur Geltendmachung oder Durchsetzung einer Forderung erforderlich sind. Solche Nebenrechte sind insbesondere Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, die darauf abzielen, Gegenstand und Betrag des Hauptanspruchs zu ermitteln (BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2012 - VII ZB 50/11, BGHZ 196, 62 Rn. 8; vom 18. Juli 2003 - IXa ZB 148/03, MDR 2004, 114, juris Rn. 6; vgl. zudem BGH, Urteil vom 19. März 1998 - IX ZR 242/97, BGHZ 138, 179, 184, juris Rn. 16).

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bb) Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs stellt zum Provisionsanspruch des Handelsvertreters aus § 87 HGB einen solchen unselbständigen Nebenanspruch dar. Der Anspruch aus § 87c Abs. 2 HGB soll den Handelsvertreter in die Lage versetzen, die Abrechnung seines Vertragspartners nachzuprüfen und gegebenenfalls zu ergänzen, und hat deshalb den Zweck, die Durchsetzung des Provisionsanspruchs zu ermöglichen und zu erleichtern (MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl., § 87c Rn. 4; Riemer in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 1, 5. Aufl., Kap. VI Rn. 1; Emde, Vertriebsrecht, 3. Aufl., § 87c Rn. 8; Fröhlich in Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, § 87c HGB Rn. 7; Hopt, Handelsvertreterrecht, 5. Aufl., § 87c Rn. 1, 13). Dementsprechend geht der Anspruch aus § 87c Abs. 2 HGB mit der Abtretung des Provisionsanspruches entsprechend § 401 BGB auf den Abtretungsempfänger über. Damit sind die Ansprüche aus § 87c Abs. 2 HGB nicht selbständig pfändbar (OLG Hamm, NJW-RR 1997, 1322, 1323, juris Rn. 4 - zur Abtretbarkeit; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, aaO; Emde, aaO Rn. 21; Fröhlich, in Flohr/Wauschkuhn, aaO; Hopt, aaO Rn. 1; Schlegelberger/Schröder, HGB, 5. Aufl., § 87c Rn. 5d, 13; a. A. EBJS/Löwisch, HGB, 3. Aufl., § 87c Rn. 25).

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cc) Die vorstehenden Erwägungen gelten entsprechend für den nach § 887 Abs. 2 ZPO ausgeurteilten Vorauszahlungsanspruch zur Deckung der Kosten des zu beauftragenden Steuerberaters. Die Verurteilung zur Erstellung eines Buchauszuges nach § 87c Abs. 2 HGB wird nach § 887 ZPO vollstreckt, wenn der Buchauszug - wie hier - aufgrund vorhandener Unterlagen nicht nur vom Schuldner, sondern auch von einem Dritten erstellt werden kann (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - I ZB 67/09, WM 2011, 1380 Rn. 10). Der nach § 887 Abs. 2 ZPO ausgeurteilte Vorauszahlungsanspruch dient deshalb der Verwirklichung des Anspruches auf Erstellung eines Buchauszuges und damit der Klärung der Voraussetzungen des Provisionsanspruches.

17

dd) Sollte die Gläubigerin Provisionsansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin gepfändet haben oder pfänden, kann das für diese Pfändung zuständige Vollstreckungsgericht auf Antrag der Gläubigerin die Mitpfändung des Vorauszahlungsanspruchs klarstellend aussprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - VII ZB 50/11, BGHZ 196, 62 Rn. 12).

18

ee) Aus dem Umstand, dass sich der Schuldner nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ausschließlich gegen die Pfändung und Überweisung des Vorauszahlungsanspruchs, aber nicht gegen eine Pfändung der Ermächtigung zur Selbstvornahme der Erstellung des Buchauszugs gewandt hat, folgt nichts anderes. Damit geht kein Auseinanderfallen der Verfügungsbefugnis einerseits zur Selbstvornahme und andererseits zum Vorauszahlungsanspruch einher. Denn eine isolierte Pfändung des Rechts auf Selbstvornahme der Erstellung des Buchauszugs ist nicht nur rechtswidrig, sondern nichtig, und kann deshalb unabhängig von einer gerichtlichen Aufhebung keine Wirkungen entfalten (vgl. OLG Nürnberg, MDR 2001, 1133, 1134, juris Rn. 57).

19

Die Nichtigkeit eines Pfändungsbeschlusses setzt voraus, dass ein schwerer und bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundiger Fehler gegeben ist. Offenkundig ist ein Fehler, wenn für einen mit den Umständen vertrauten, verständigen Beobachter die schwere Fehlerhaftigkeit ohne weiteres ersichtlich ist (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - IX ZR 226/91, BGHZ 121, 98, 102 f., juris Rn. 23; Jurgeleit, Die Haftung des Drittschuldners, 2. Aufl., Rn. 3).

20

Auf dieser Grundlage ist die isolierte Pfändung des Rechtes aus § 887 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit dem Anspruch des Handelsvertreters aus § 87c Abs. 2 HGB nichtig. Diese Rechte sind als unselbständige Nebenrechte untrennbar mit dem Provisionsanspruch verbunden und können nicht unabhängig von diesem geltend gemacht werden. Werden diese Rechte gleichwohl isoliert gepfändet, liegt darin ein schwerer Fehler, der für einen mit den Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist.

III.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick     

       

Halfmeier     

       

Kartzke

       

Jurgeleit     

       

Sacher     

       

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