Beschluss vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 V 23/17

Tatbestand

A.

1

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf die Rücknahmen der Annahmen von fünf Zollanmeldungen.

2

Die Antragstellerin, ..., unterhält seit 200X eine Geschäftsverbindung mit der russischen Gesellschaft X. Die Vertragsparteien schlossen unter Wahl des russischen Rechts am 27.07.2011 den Vertrag Nr. x über die Lieferung von Jagd- und Sportmunition (im Folgenden: Vertrag vom 27.07.2011). Dort wird die Lieferung von zirka x Mrd. Stück Munition zu einem Kaufpreis von $ ... vereinbart. Menge und Kaufpreis der einzelnen Munitionstypen sind im Anhang 1 zu dem Vertrag spezifiziert (Ziff. 1 und 2.2). In Ziff. 4 heißt es:

3

4.1 The Goods should be delivered on terms FOB St. Petersburg (according to the terms of INCOTERMS 2010) till December 31, 2012.

4

[...]

5

4.3 The Goods will be delivered to the Buyers in lots. Nomenclature and quantity of lot of the Goods are defined by the Buyers' order.

6

In der Folgezeit änderten die Vertragsparteien durch insgesamt zwölf Supplemente (supplements) den ursprünglichen Vertrag, etwa im Hinblick auf den Kaufpreis und die zu liefernden Mengen. Durch die vier Supplemente Nr. 3, 4, 6 und 8 wurden die Verträge zunächst um jeweils sechs Monate, sodann um ein Jahr und zuletzt mit Supplement Nr. 8 vom 15.12.2014 um drei Jahre verlängert.

7

Auf Nachfrage der Antragstellerin teilte die Polizei Hamburg mit E-Mail vom 01.12.2014 mit, dass eine Verlängerung der Vertragsdauer eine zulässige Modifizierung eines Altvertrags darstelle, solange wesentliche Vertragsbestandteile nicht verändert würden.

8

Mit den fünf Zollanmeldungen vom 16.11.2016
* x,
* x,
* x
* x und
* x
meldete die Antragstellerin Patronen von X, die im Juli 2016 in ein Zolllager überführt worden waren, zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr an. Es handelt sich hierbei um Patronen der Kaliber P1, P2 und P3.

9

Diese Zollanmeldungen wurden zunächst am Tag der Anmeldung angenommen, die Waren aber noch nicht überlassen. Nach Konsultation des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie nahm der Antragsgegner am 29.12.2016 die Annahme der Zollanmeldungen gemäß § 2 Nr. 11 AWG, Art. 27 UZK i. V. m. § 7 Abs. 1 ZollVG zurück. Die angemeldete Munition unterliege Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste und sei daher vom Einfuhrverbot nach § 77 Abs. 1 Nr. 6 AWV erfasst. Die Munition sei nach dem 31.12.2014 in das Wirtschaftsgebiet verbracht worden. Das Supplement Nr. 8 vom 15.12.2014 werde als Neuvertrag bewertet, so dass die Ausnahmeregelung nach § 77 Abs. 3 AWV, wonach das Einfuhrverbot nicht für vor dem 01.08.2014 geschlossene Altverträge gelte, nicht greife.

10

Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 27.01.2017 Sprungklage (4 K 12/17), der der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 24.02.2017 zustimmte. Mit Bescheid vom 16.02.2017 lehnte der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin vom 06.02.2017 auf Aussetzung der Vollziehung der Rücknahmen der Zollanmeldungen ab. Die Rücknahmen der Annahmen der fünf Zollanmeldungen seien voraussichtlich rechtmäßig, da die Einfuhr der Patronen nicht durch die Altvertragsregelung in § 77 Abs. 3 Nr. 2 AWV vom Importverbot des § 77 Abs. 1 Nr. 6 AWV ausgenommen sei. Vom Schutzzweck der Altvertragsregelung würden nur konkrete vertragliche Verpflichtungen erfasst, die vor dem Stichtag begründet worden seien. Dies sei hier nicht der Fall, da die Einfuhren in Erfüllung des mit dem Supplement Nr. 8 am 15.12.2014 verlängerten Vertrags erfolgten und daher nicht vom Schutzzweck der Altvertragsregelung erfasst seien. Eine Aussetzung der Vollziehung wegen eines unersetzbaren Schadens komme schon deshalb nicht in Betracht, weil hiermit die Hauptsache vorweggenommen werde.

11

Am 20.02.2017 hat die Antragstellerin einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Die Altvertragsklausel gelte - anders als ähnliche Regelungen bei anderen Embargos - zeitlich unbegrenzt. Die Prüfung, ob ein Altvertrag vorliege, müsse sich aus Gründen der Rechtssicherheit streng am Wortlaut der Vorschrift orientieren. Eine Auslegung der Altvertragsklausel in dem Sinne, dass sie nur Denjenigen schütze, der konkret zur Abnahme verpflichtet sei, sei vom Wortlaut nicht mehr gedeckt. Es lasse sich der Altvertragsklausel im Beschluss 2014/512/GASP nicht entnehmen, dass den Parteien eines bestehenden Vertrags jede vertragliche Gestaltungsfreiheit genommen werden solle. Durch die Erweiterung der Altvertragsklausel auf akzessorische Verträge ergebe sich vielmehr, dass sie nicht allein dem Bestandsschutz diene.

12

Der Vertrag vom 27.07.2011 sei kein Rahmenvertrag, sondern ein langfristiger Kaufvertrag in Form eines Sukzessivliefervertrags. Hieran ändere es nichts, dass der Vertrag für ein vertragswidriges Verhalten der Antragstellerin keine Sanktion enthalte oder bestimmte Fragen nicht regele, solange über die essentialia negotii Einigkeit bestanden habe. Während über einige Vertragsbestandteile hart verhandelt worden sei, sei die Vertragsverlängerung stets auf Zuruf erfolgt. Es sei den Vertragsparteien bei Abschluss des ursprünglichen Vertrags bewusst gewesen, dass die Vertragserfüllung auf einen längeren Zeitraum angelegt gewesen sei.

13

Die Verlängerung des Lieferzeitraums sei auch keine wesentliche Änderung des bestehenden Vertrags. Nur der ursprüngliche Vertrag enthalte die wechselseitigen Verpflichtungen der Parteien. Ein Anspruch auf Warenlieferung sei nach dem Stichtag nicht neu geschaffen worden. Die Verlängerung des Lieferzeitraums sei lediglich deklaratorisch, solange im Vertrag nicht ausdrücklich bestimmt sei, dass bei Ablauf der Vertragsdauer die Ansprüche aus den Verträgen erlöschen sollten. Eine Weigerung, die Restmenge nach Ziff. 4.3 abzunehmen, sei nach russischem Recht unzulässig und würde zu Schadenersatzansprüchen führen. Die Liefermenge sei zuletzt im Supplement Nr. 7 vom 05.02.2014 erhöht worden. Von dieser Menge schrieben die Vertragsparteien die seither gelieferten x Patronen ab. Klauseln über die Dauer von Kaufverträgen beruhten in der Regel auf Anforderungen russischer Banken, die mit der Zahlungsabwicklung beauftragt seien. Sie seien rechtlich unsinnig, aber in Russland allgemein üblich und häufig Gegenstand von Standardverträgen. Daher sehe § 425 Abs. 3 des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation (ZGB) vor, dass ein Vertrag bis zur Erfüllung der vereinbarten Pflichten weiter gelte, außer es sei ausdrücklich bestimmt, dass diese Pflichten mit dem Ablauf der Vertragsdauer enden sollten.

14

Die Polizei Hamburg habe im Hinblick auf die mit einem anderen Lieferanten geschlossenen Verträge keine Probleme, diesen unter die Altvertragsklausel fallen zu lassen, solange es um marginale Änderungen des Vertragsinhalts gehe.

15

Die Antragstellerin beantragt,
1. die Vollziehung der mit Bescheiden vom 29.12.2016 erfolgten Rücknahmen der Annahmen der Zollanmeldungen vom 16.11.2016 mit den Registrierkennzeichen
* x,
* x,
* x,
* x und
* x
auszusetzen;
2. den Antragsgegner nach § 69 Abs. 3 S. 3 FGO zu verpflichten, ihr die von den Zollanmeldungen gemäß Ziff. 1 erfassten Waren zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zu überlassen.

16

Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.

17

Die Einfuhr der in Rede stehenden Waren aus Russland sei gemäß § 77 Abs. 1 Nr. 6 AWV verboten. Die Ausnahme für sog. Altverträge gemäß § 77 Abs. 3 Nr. 2 AWV gelte nicht. Da die Altvertragsregelung dem Bestandsschutz diene, könne sie sich nur auf die Erfüllung von vertraglichen Pflichten beziehen, die vor dem Stichtag des 01.08.2014 begründet worden seien. Hierdurch solle verhindert werden, dass der Importeur zu einem Vertragsbruch gezwungen werde. Die Änderungen des Vertrags vom 27.07.2011 nach dem Stichtag, insbesondere die Verlängerung durch das Supplement Nr. 8 vom 15.12.2014, seien vom Schutzzweck der Altvertragsregelung nicht erfasst. Der Vertrag vom 27.07.2011 habe mit Ablauf der genannten Gültigkeitsdauer geendet. Aus Art. 425 ZGB, auf den sich die Antragstellerin beziehe, ergebe sich nicht, ob auch die Antragstellerin der Verlängerung der Vertragsdauer habe zustimmen müssen. Wegen der Struktur und des Charakters des Vertrags vom 27.07.2011 sei dieser als Rahmen- oder Grundvertrag zu betrachten, aus dem keine zwingende Abnahmeverpflichtung der Antragstellerin folge. Hierfür spreche das Gesamtvolumen des Vertrags, von dem nach fünf Jahren lediglich 15 % erfüllt worden seien. Hiervon ausgehend müsse der Vertrag von Anfang an auf eine Laufzeit von ca. 30-40 Jahren angelegt gewesen seien. Fernliegend sei vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass sich die Vertragsparteien von Anfang an für einen derartig langen Zeitraum hätten binden wollen. Der Vertrag enthalte lediglich Verpflichtungen von X, bis zu welchen Mengen und zu welchem Preis er Patronen liefern müsse. Hierfür spreche, dass der Vertrag keine Mindestabnahmemenge enthalte und auch keine Sanktionen für den Fall vorgesehen seien, dass die Antragstellerin keine Teilmengen abrufe.

18

Bei der Entscheidung hat eine Sachakte des Antragsgegners vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

B.

19

Die zulässigen Anträge haben in der Sache keinen Erfolg.

20

I. Die Anträge sind zulässig.

21

1. Der Antrag zu 1. ist als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Rücknahmen der Annahmen der Zollanmeldungen gemäß § 69 Abs. 3 FGO, den Art. 45 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269/1, im Folgenden: UZK) unberührt lässt, statthaft. Das materielle Rechtsschutzziel der Antragstellerin, das in der Überlassung der in Rede stehenden Patronen liegt, kann durch einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung erreicht werden. Die Annahme der Zollanmeldung ist eine Entscheidung im Sinne von Art. 5 Nr. 39 UZK (Deimel in Dorsch, 162. EL Aug. 2016, Art. 172 UZK Rn. 5 m. w. N. in Fn. 4), die wirksam bleibt, solange sie nicht zurückgenommen oder widerrufen wird (vgl. BFH, Beschl. v. 08.04.2004, VII B 110/03, juris Rn. 22). Wenn also die Wirkungen der Rücknahme gemäß § 69 Abs. 3 FGO suspendiert würden, wäre vorläufig weiterhin von der Regelung des ursprünglichen Bescheids - hier der Annahme der Zollanmeldungen - auszugehen (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, 141. EL Juli 2015, § 69 Rn. 35; BFH, Beschl. v. 08.06.1982, VIII B 29/82, BFHE 136, 67, juris Rn. 4). Würde dem Antrag stattgegeben, würden die in Rede stehenden Zollanmeldungen wieder als angenommen gelten (Art. 172 Abs. 1 UZK). Da die Rücknahme der Annahme der Zollanmeldungen ausschließlich darauf gestützt wurde, dass die Einfuhr gegen das Importverbot für Waffen aus Russland verstößt, würden die in Rede stehenden Waren - sofern der Senat die Aussetzung der Vollziehung gewähren würde - überlassen werden, weil sonstige Gründe, die Überlassung der Waren nach erfolgter Annahme der Zollanmeldung zu verweigern, nicht ersichtlich sind.

22

Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Die Zugangsvoraussetzung gemäß § 69 Abs. 4 S. 1 FGO ist erfüllt, weil die Antragstellerin vor Anrufung des Gerichts mit Schreiben vom 06.02.2017 einen behördlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hat, der mit Bescheid vom 16.02.2017 abgelehnt worden ist.

23

2. Der Antrag zu 2. ist als Annexantrag gemäß § 69 Abs. 3 S. 3 FGO zulässig. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde nämlich nicht nur dazu verpflichtet werden, den Zustand wiederherzustellen, der vor der Vollziehung bestand (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, 141. EL Juli 2015, § 69 Rn. 179), sondern auch zur tatsächlichen Durchsetzung der aufschiebenden Wirkung des Verwaltungsaktes angehalten werden (Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 22. EL Sept. 2011, § 80 VwGO, Rn. 344, 447). Dies würde bedeuten, dass der Antragsgegner verpflichtet werden könnte, die Überlassung der Waren gemäß Art. 194 Abs. 1 Unterabs. 1 UZK nicht wegen eines Verstoßes gegen das in Rede stehende Importverbot zu verweigern.

24

II. Die Anträge haben in der Sache keinen Erfolg. Es bestehen weder ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Zollanmeldungen (dazu 1.) noch stellt die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für die Antragstellerin dar (dazu 2.). Daher konnte auch der Annexantrag keinen Erfolg haben (dazu 3.).

25

1. Die Aussetzung der Vollziehung ist nicht wegen ernsthafter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Rücknahmen der Zollanmeldungen zu gewähren. Nach § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache einem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsakts unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 bis 6 FGO entsprechen. Nach § 69 Abs. 2 S. 2 FGO soll die Vollziehung insbesondere ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (st. Rspr. des BFH, siehe nur Beschl. v. 26.08.2004, V B 243/03, juris, Rn. 14 unter Bezugnahme auf Beschl. v. 10.02.1967, III B 9/66, BFHE 87, 447). Die Aussetzung der Vollziehung setzt dabei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH, Beschl. v. 26.04.2004, VI B 43/04, juris, Rn. 11; Beschl. v. 20.05.1997, VIII B 108/96, juris, Rn. 41). Sie kann auch dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte (vgl. BFH, Beschl. v. 23.08.2004, IV S 7/04, juris, Rn. 21). Gemäß § 69 Abs. 2 S. 3 FGO kann die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Die Umstände, die die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 155 S. 1 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO; siehe Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, 141. EL, Juli 2015, § 69 FGO Rn. 94, 123).

26

Gemessen an diesem Maßstab sind die Rücknahmen vom 29.12.2016 der Annahmen der Zollanmeldungen voraussichtlich rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung der Annahmen ist Art. 28 Abs. 1 Buchst. a) UZK (dazu 1.1). Die Voraussetzungen dieser Norm liegen voraussichtlich vor: Die Einfuhren unterliegen dem Importverbot (dazu 1.2). Sie werden nicht durch die Altvertragsklausel von ihm ausgenommen (1.3).

27

1.1 Ermächtigungsgrundlage für die als "Rücknahme" bezeichneten Aufhebungen der Annahmen der Zollanmeldungen ist Art. 28 Abs. 1 Buchst. a) UZK, der auf den vorliegenden Fall anwendbar ist, weil die Zollanmeldung nach dem 01.05.2016 abgegeben wurde. Nach dieser Vorschrift wird eine begünstigende Entscheidung, zu der auch die Annahme der Zollanmeldung gehört, außer in den Fällen des Art. 27 UZK widerrufen, wenn eine Voraussetzung für ihren Erlass nicht erfüllt war.

28

Ein Fall des Art. 27 UZK liegt nicht vor, weil die Entscheidungen über die Annahmen der Zollanmeldungen nicht auf der Grundlage unrichtiger oder unvollständiger Informationen getroffen wurden. Die Annahmen der Zollanmeldungen wurden vielmehr aufgehoben, weil sich die rechtliche Bewertung des der Einfuhr zu Grunde liegenden Kaufgeschäfts geändert hatte.

29

Eine Umdeutung der Rücknahmen in Widerrufe ist möglich. Sowohl die Rücknahme (Art. 27 Abs. 1 UZK) als auch der Widerruf (Art. 28 Abs. 1 UZK) sind gebundene Entscheidungen. Da die Rücknahme ex tunc-Wirkung hat (Art. 27 Abs. 3 UZK), der Widerruf dagegen erst ab Bekanntgabe wirksam wird (Art. 28 Abs. 4 Unterabs. 1 i. V. m. Art. 22 Abs. 4 S. 1 UZK), stellt der Widerruf eine weniger beeinträchtigende Maßnahme dar.

30

Der Tatbestand von Art. 28 Abs. 1 Buchst. a) UZK ist voraussichtlich erfüllt. Die Voraussetzungen für die Annahme der Zollanmeldungen dürften nicht vorgelegen haben. Nach Art. 172 Abs. 1 UZK werden Zollanmeldungen, die die Anforderungen des Kap. 2 von Titel 5 UZK (Art. 158 ff. UZK) erfüllen, von den Zollbehörden unverzüglich angenommen. Zwar erfüllen die Zollanmeldungen grundsätzlich die Voraussetzungen des Art. 158 ff. UZK. Sie unterliegen jedoch der zollamtlichen Überwachung (Art. 134 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 1 UZK). Hierzu gehören auch Verbote und Beschränkungen (Art. 134 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2 UZK). Hieraus folgt, dass die Zollstellen die Annahme der Zollanmeldung ablehnen müssen, wenn Verbote und Beschränkungen entgegenstehen (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 ZollVG). Dies ist hier aller Voraussicht nach der Fall, weil die Überführung der hier in Rede stehenden Waren aus dem Zolllager in den zollrechtlich freien Verkehr (Art. 201 UZK) - Einfuhren im Sinne des Außenwirtschaftsrechts (§ 2 Abs. 11 S. 2 Nr. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes vom 06.06.2013; BGBl. I 2013, 1482) dem Importverbot des § 77 Abs. 1 Nr. 6 AWV unterliegen (dazu 1.2) und die Ausnahmevorschrift des §§ 77 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AWV nicht zur Anwendung kommt (dazu 1.3).

31

1.2 Die hier in Rede stehenden Patronen dürften dem Importverbot des § 77 Abs. 1 Nr. 6 der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) vom 02.08.2013 (BGBl. I 2865) in der Fassung von Art. 1 Nr. 10 der 3. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 31.10.2014 (BAnz AT v. 06.11.2014) unterfallen. Danach ist die Einfuhr und der Erwerb von in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste erfassten Gütern aus Russland - unabhängig vom Ursprung der Waren - verboten. Mit dieser Vorschrift wurde Art. 2 Abs. 3 des Beschlusses 2014/512/GASP des Rates vom 31.07.2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. EU L 229/13), zuletzt verlängert bis zum 31.07.2017 durch Beschluss (GASP) 2016/2315 des Rates vom 19.12.2016 (ABl. EU L 345/65), umgesetzt. Danach ist die Einfuhr von Rüstungsgütern, einschließlich Waffen und Munition, aus Russland durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten untersagt. Dieses Verbot ist auf die aus Russland eingeführten Patronen anwendbar, da sie - was auch die Beteiligten nicht in Abrede stellen - von Ziff. 0003 Buchst. a) Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage 1, Anlage AL zur AWV; BAnz AT v. 17.07.2015 V1, 5-37) erfasst sind.

32

1.3 Die hier in Rede stehenden Einfuhren dürften nicht durch die Ausnahme für Altverträge, die nunmehr in § 77 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AWV in der Fassung der 7. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 19.12.2016 (BAnz AT v. 23.12.2016) niedergelegt ist (im Folgenden: Altvertragsklausel), vom Einfuhrverbot ausgenommen. Nach dieser Vorschrift gilt das Einfuhrverbot nach § 77 Abs. 1 AWV nicht für Güter, deren Lieferung der Erfüllung von Verträgen oder Vereinbarungen dient, die vor dem 01.08.2014 geschlossen wurden (im Folgenden: Altverträge).

33

Die Auslegung der Altvertragsklausel muss - wie immer bei der Auslegung von Rechtsnormen - vom Wortlaut ausgehen. Gleichzeitig ist der Sinn und Zweck der Vorschrift zu erforschen, wobei systematische und teleologische Auslegungsmethoden nebeneinander zum Anwendung kommen (Hess. VGH, Urt. v. 14.10.2009, 6 A 2113/08, juris Rn. 49). Ferner ist zu berücksichtigen, dass Ausnahmevorschriften - wie die Altvertragsklausel - eng auszulegen sind (EuGH, Urt. v. 23.10.2014, C-302/13, EU:C:2014:2319, Rn. 27 - flyLAL-Lithuanian Airlines; Schlussanträge GA Bobek v. 27.10.2016, C-551/15, ECLI:EU:C:2016:825, Rn. 44 - Pula Parking; s. a. Herberger, "Ausnahmen sind eng auszulegen", 2016). Anders als die Antragstellerin meint, kann der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16.08.2016 (6 A 1996/14, juris Rn. 35) nicht entnommen werden, dass im vorliegenden Fall der Wortlaut der Vorschrift eine größere Bedeutung hat als ihm allgemein bei der Auslegung von Rechtsnormen zukommt. In jenem Verfahren ging es nämlich um die spezielle Problematik der Auslegung des generischen Begriffs "Rüstungsmaterial" im Sinne der Ausfuhrliste.

34

Durch § 77 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AWV wird Art. 2 Abs. 4 des Beschlusses 2014/512/GASP in der Fassung des Beschlusses 2014/872/GASP des Rates vom 04.12.2014 (ABl. EU L 349/58) umgesetzt (BT-Drs. 18/3257, S. 14). Danach gilt insbesondere das Verbot nach Art. 2 Abs. 3 des Beschlusses "unbeschadet der Erfüllung von Verträgen, die vor dem 1. August 2014 geschlossen wurden, oder von akzessorischen Verträgen, die für die Erfüllung dieser Verträge erforderlich sind [...]". Folglich ist die Vorschrift im Lichte von Art. 2 Abs. 4 dieses Beschlusses auszulegen. Auch wenn die EU im Bereich der Handelsbeschränkungen für Waffen keine Kompetenz hat (Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV) und daher im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossene Maßnahmen durch mitgliedstaatliches Recht umgesetzt werden müssen, ist der Inhalt des Beschlusses für die Mitgliedstaaten bindend. Dies ergibt sich aus Art. 288 Abs. 4 S. 1 AEUV, nach dem Beschlüsse in allen ihren Teilen verbindlich sind. Bekräftigt wird dies in Art. 29 S. 2 EUV. Danach tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit den Standpunkten der Union in Einklang steht (siehe Cremer in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 29 EUV Rn. 4).

35

Eine am Beschluss 2014/512/GASP orientierte Auslegung ergibt zunächst, dass nicht zwischen "Verträgen" und "Vereinbarungen", die in § 77 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AWV nebeneinander genannt werden, zu unterscheiden ist. Diese Formulierung geht darauf zurück, dass das Begriffspaar in der ursprünglichen Fassung von Art. 2 Abs. 4 Beschluss 2014/512/GASP, die Grundlage für die Umsetzung im seinerzeitigen § 77 Abs. 3 AWV war, enthalten war. Bereits durch den Beschluss 2014/872/GASP vom 04.12.2014 wurde das Tatbestandsmerkmal "Vereinbarungen" jedoch gestrichen. Mit dieser Präzisierung des Beschlusses 2014/512/GASP (so der dritte Erwägungsgrund des Beschlusses 2014/872/GASP) wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass zwischen den Begriffen "Vertrag" ("contract") und "Vereinbarung" ("agreement") kein relevanter inhaltlicher Unterschied besteht, da es jeweils um eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung zwischen zwei Rechtssubjekten geht. Daher soll im Folgenden auch nur von "Verträgen" die Rede sein.

36

Dies vorausgeschickt ist § 77 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AWV so zu lesen, dass er erstens nur die Erfüllung von schuldrechtlichen Leistungspflichten (nach zivilrechtlicher Dogmatik: ein Schuldverhältnis im engeren Sinne, siehe Olzen in Staudinger, BGB, 2016, § 362 BGB Rn. 3) erfasst und zweitens diese Leistungspflichten vor dem Stichtag begründet worden sein müssen. Es reicht also nicht, dass der Vertrag (das Schuldverhältnis im weiteren Sinne) vor dem Stichtag abgeschlossen wurde. Zwar werden in der Regel der Abschluss eines Vertrags und das Entstehen einzelner Leistungspflichten zusammenfallen. Im Rahmen der Vertragsfreiheit können Parteien jedoch auch festlegen, dass konkrete Leistungspflichten noch von weiteren Handlungen der Parteien (oder auch dritter Personen) abhängig sind. In einem solchen Fall entsteht die konkrete Leistungspflicht erst mit der Vornahme dieser Handlung. Dass es auf die konkrete einzelne Leistungspflicht und nicht auf den Abschluss des Vertrags, der in der Regel eine Mehrzahl von wechselseitigen Leistungspflichten bündelt, ankommt, ergibt sich aus der Natur des Einfuhrgeschäfts, dem immer konkrete Waren zugrunde liegen. Konsequenterweise nennt Art. 2 Abs. 3 Beschluss 2014/512/GASP auch einzelne Transaktionen, nämlich Einfuhr, Kauf und Beförderung, die verboten sind. Für die hier vertretene Auslegung spricht auch der Schutzzweck der Altvertragsklausel, der im Vertrauensschutz liegt. Vertrauen kann im Kontext des Warenhandels nur im Hinblick auf konkrete Lieferverpflichtungen entstehen.

37

Erfasst von der Altvertragsklausel sind nur solche konkreten Leistungspflichten, die vor dem Stichtag entstanden sind. Auch wenn der Wortlaut von § 77 Abs. 4 AWV auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstellt, ergibt sich diese Auslegung unter Berücksichtigung des Tatbestandsmerkmals "Erfüllung". Erfüllt werden kann nämlich nur eine Leistungspflicht, die bereits besteht. Atypische Leistungsverhältnisse, wie etwa Handschenkungen, bei denen eine Obligation zugleich mit der Erfüllung entsteht, hatten die Normgeber ersichtlich nicht vor Augen, weil die Regelung von gewerblichen Handelstransaktionen ausgeht, die auf schuldrechtlichen Vereinbarungen basieren, bei denen die Erfüllung der schuldrechtlichen Verpflichtung nachfolgt. Wenn § 77 Abs. 4 AWV und Art. 2 Abs. 4 Beschluss 2014/512/GASP also die Erfüllung eines Vertrags, der vor dem Stichtag geschlossen wurde, vom Importverbot ausnehmen, setzen sie voraus, dass in diesem Vertrag bereits eine Leistungspflicht begründet wurde, die durch eine nachfolgende Warenlieferung erfüllt wird. Schutzwürdig ist das Vertrauen eines Wirtschaftsbeteiligten in die rechtliche Zulässigkeit eines Kaufgeschäfts nämlich nur, soweit er zum Stichtag bereits verpflichtet war, eine bestimmte Leistung zu erbringen oder entgegenzunehmen. Kann er durch sein eigenes Verhalten nach dem Stichtag bestimmen, ob eine Lieferpflicht entsteht, ist sein Vertrauen dagegen nicht schutzwürdig.

38

Anders als die Antragstellerin meint, kann der Schutzzweck der Altvertragsklausel nicht in einem weiteren Sinne verstanden werden. Hiergegen spricht schon die formale Auslegungsregel, dass Ausnahmen eng auszulegen sind. Entscheidend ist jedoch, dass eine Altvertragsklausel die beabsichtigte Beugefunktion eines Handelsembargos - abhängig von den vorhandenen Altverträgen - empfindlich beeinträchtigen kann und damit auch die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Union und ihrer Mitgliedstaaten beeinträchtigt wäre. Sie kann daher nur gerechtfertigt sein, um Wirtschaftsbeteiligten die Erfüllung bereits eingegangener Verpflichtungen zu ermöglichen.

39

Etwas anderes ergibt sich nicht aus der durch den Beschluss 2014/872/GASP eingefügten "Präzisierung" - so der dritte Erwägungsgrund dieses Beschlusses -, dass die Altvertragsklausel auch für akzessorische Verträge gilt, die "für die Erfüllung dieser [vor dem Stichtag geschlossenen] Verträge erforderlich sind". Zwar sind hiervon auch Verträge erfasst, die - wie das Supplement Nr. 8 - nach dem Stichtag geschlossen wurden. Sie müssen sich jedoch auf Verpflichtungen im oben dargestellten Sinne, also auf konkrete Leistungspflichten beziehen, die vor dem Stichtag begründet worden sind. Durch die akzessorischen Verträge, die nach dem Stichtag geschlossen werden dürfen, dürfen also keine eigenständigen, neuen schuldrechtlichen Obligationen entstehen. Durch die Verwendung des Begriffes "akzessorisch" wird deutlich, dass es lediglich um Hilfs- oder Begleitvereinbarungen gehen kann, etwa Finanzierungs- oder Frachtverträge, mit denen Verpflichtungen erfüllt werden, die zum Stichtag bereits bestanden haben.

40

Anders als die Antragstellerin meint, ist es für die Auslegung der Altvertragsklausel unerheblich, dass sie - anders als etwa Art. 2b Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 692/2014 hinsichtlich des Krim-Embargos - keine zeitliche Befristung der Erfüllungsmöglichkeit bestehender Verträge vorsieht. Die Befristung der Altvertragsklausel im Krim-Embargo betrifft nämlich einzig den zeitlichen Anwendungsbereich der Norm. Rück- oder Gegenschlüsse auf die sachliche Reichweite der hier in Rede stehenden Altvertragsklausel sind nicht möglich.

41

Bei Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze geht der Senat davon aus, dass die hier in Rede stehenden Einfuhren nicht der Erfüllung eines Altvertrags dienen, sondern einen Lieferanspruch befriedigen sollen, der nach dem Stichtag entstanden ist. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Vertrag vom 27.07.2011 als Rahmenvertrag zu verstehen ist und folglich die Lieferpflicht erst mit der Anforderung einer konkreten Menge eines bestimmten Patronentyps, die nach dem Stichtag erfolgte, entstanden ist (dazu 1.3.1). Unabhängig davon ergibt sich die Unanwendbarkeit der Altvertragsklausel daraus, dass der ursprüngliche Vertrag zeitlich befristet war und somit durch das Supplement Nr. 8 neue vertragliche Pflichten von wesentlicher Bedeutung begründet wurden (dazu 1.3.2).

42

1.3.1 Der Vertrag vom 27.07.2011 ist nicht als Sukzessivliefervertrag sondern als Rahmenvertrag zu verstehen, der für sich genommen weder für die Antragstellerin als Käuferin eine Verpflichtung zur Abnahme der Patronen noch für X als Verkäufer eine Verpflichtung zur Lieferung der Patronen begründet. Die konkrete Lieferverpflichtung entsteht erst dadurch, dass die Antragstellerin (Buyers) Patronen in einer bestimmten Beschaffenheit (nomenclature) und Menge (quantity) gemäß Ziff. 4.3 des Vertrags bestellt.

43

Zwar ist in Ziff. 1 des Vertrags die Gesamtmenge von X der X in den Anhängen genannten Patronentypen genannt, die gemäß Ziff. 4.1 bis zum dort vereinbarten Zeitpunkt geliefert werden sollen. Der Verkäufer muss nach dem Wortlaut von Ziff. 8.1 auch eine Vertragsstrafe zahlen, wenn er nicht in dem Zeitraum, der in Ziff. 4.1 genannt ist, die Waren liefert. Dem Vertrag, der insoweit durch die Supplemente nicht verändert worden ist, fehlen gleichwohl entscheidende Vertragsbestandteile, um eine konkrete Lieferverpflichtung einerseits und eine Abnahme- und Zahlungsverpflichtung andererseits bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses begründen zu können.

44

Im Vertrag ist nämlich nicht spezifiziert, wann genau innerhalb der vereinbarten und vor dem Stichtag zwei Mal verlängerten Laufzeit (Ziff. 4.1) welche Menge welchen Typs der über X Patronen geliefert werden soll. Allein anhand der Angaben in Ziff. 1 und 4.1 wäre der Vertrag nicht durchführbar, weil X nicht wissen kann, wann sie welche Menge welchen Typs liefern soll. Der Vertrag kann auch nicht so verstanden werden, dass spätestens mit Ablauf des Vertrags alle Patronen geliefert werden sollen. Es ist nämlich völlig unrealistisch, dass ein Unternehmen wie die Antragstellerin, [...], innerhalb von sechs oder zwölf Monaten eine derart gewaltige Menge Patronen abnehmen und den Kaufpreis von ca. € ... bezahlen könnte. Tatsächlich hat die Antragstellerin in den über fünf Jahren, in denen der Vertrag vom 27.07.2011 durchgeführt wurde, lediglich ca. x % der im Vertrag genannten Patronen angefordert. Hierzu passt der Vortrag der Antragstellerin, dass der Vertrag langfristig angelegt gewesen sei. Vor diesem Hintergrund kann der Vertrag nur so verstanden werden, dass er den äußeren Rahmen der Geschäftsbeziehung absteckt, innerhalb dessen sich die Vertragsparteien eine zukünftige Vertragsbeziehung vorstellen konnten. Alle Lieferverpflichtungen standen jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Antragstellerin in der Lage sein würde, Abnehmer für die Patronen russischer Provenienz zu finden.

45

Gegen eine Verpflichtung zur Abnahme von Patronen bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses spricht ebenfalls, dass für die Antragstellerin nur für den Fall des Zahlungsverzugs eine Vertragsstrafe vorgesehen ist, nicht jedoch für den Fall, dass sie von ihrem Recht, gemäß Ziff. 4.3 des Vertrags konkrete Patronen zu bestellen, keinen Gebrauch macht. Auch aus der Vertragsstrafenklausel für den Lieferanten (Ziff. 8.1 des Vertrags) kann keine Abnahmepflicht abgeleitet werden. Zwar wird dort eine Vertragsstrafe für den Lieferanten für den Fall vereinbart, dass er die Waren nicht innerhalb der in Ziff. 4.1 des Vertrags genannten Frist liefert. Die Lieferpflicht nach Ziff. 4.1 entsteht jedoch erst mit der Anforderung konkreter Waren in konkreter Menge nach Ziff. 4.3 des Vertrags. Ohne konkrete Warenbestellung kann somit auch keine Vertragsstrafe für den Lieferanten entstehen.

46

Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies, dass die Leistungspflicht, deren Erfüllung die hier in Rede stehenden Einfuhren dienen, nach dem Stichtag begründet wurde. Diese Lieferungen wurden nämlich - wie sich aus der Bezugnahme auf das jeweilige Vorpapier in der Begründung der Rücknahmen ergibt - im Juli 2016 ins Zollgebiet der Union verbracht und dort in ein Zolllager überführt. Da die Lieferungen auf die Supplemente Nr. 11 und 12 abgeschrieben wurden, muss die Bestellung auch nach Abschluss dieser Supplemente, mithin nach dem 01.08.2014 erfolgt sein.

47

Der Senat ist sich bewusst, dass die Polizei Hamburg der Antragstellerin mit E-Mail vom 01.12.2014 die Auskunft erteilt hat, sie könne ihre Altverträge mit russischen Lieferanten weiterhin erfüllen (Anlage AStin 9). Diese Einschätzung basiert auf der Stellungnahme der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 24.11.2014 (Anlage AStin 8), die davon ausgeht, dass bereits mit dem Vertrag vom 27.07.2011 das Gesamtvolumen der zu liefernden Waren verbindlich festgelegt worden sei und daher durch die Zusatzvereinbarungen keine neue Lieferansprüche begründet worden seien. Wie dargelegt, teilt der Senat diese Auffassung nicht.

48

Der Senat stellt ferner klar, dass die vorliegende Entscheidung allein das Verhältnis der Antragstellerin zu dem Lieferanten X betrifft; ob und inwieweit die vom Senat in diesem Beschluss angestellten rechtlichen Überlegungen auf Geschäftsbeziehungen der Antragstellerin mit einem anderen Lieferanten zu übertragen sind, lässt der Senat ausdrücklich offen.

49

1.3.2 Unabhängig davon, ob man den Vertrag vom 27.07.2011 als Rahmenvertrag versteht, erfolgten die hier in Rede stehenden Lieferungen auch aus einem anderen Grund nicht in Erfüllung eines Altvertrags: Die Auslegung des Vertrags vom 27.07.2011 ergibt nämlich, dass die Vertragsparteien eine zeitliche Befristung der Laufzeit des Vertrags bis zum jeweiligen Laufzeitende gewollt haben. Dies bedeutet, dass durch das Supplement Nr. 8 vom 15.12.2014, mit dem die Laufzeit des Vertrags vom 27.07.2011 bis Ende 2017 verlängert wurde, neue schuldrechtliche Pflichten begründet wurden  (dazu 1.3.2.1). Dieser Neuabschluss stellt auch keine nur unwesentliche Änderung des Vertrags dar (dazu 1.3.2.2). Die auf der Grundlage des Vertrags vom 27.07.2011 in der Fassung ab dem Supplement Nr. 8 gelieferten Patronen, zu denen auch die hier in Rede stehenden Waren gehören, dienten mithin nicht der Erfüllung eines Altvertrags, sondern einer nach dem Stichtag geschlossenen neuen Abrede. Im Einzelnen:

50

1.3.2.1 Mit dem Supplement Nr. 8 vom 15.12.2014 wurde die Laufzeit des Vertrags vom 27.07.2011 konstitutiv verlängert. Gegen die rein deklaratorische Natur der Vertragslaufzeit sprechen bereits die Zeiträume, für die der Vertrag jeweils verlängert wurde. Während der Vertrag zunächst zweimal um sechs Monate verlängert wurde, folgte die dritte Verlängerung für ein Jahr und die hier in Rede stehende Verlängerung sodann für drei Jahre. Wenn die Verlängerungen jeweils nur deklaratorisch gewesen wären, hätte die Länge der Laufzeit keine Rolle gespielt; man hätte daher eine Verlängerung für jeweils identische Zeiträume erwartet. Die zweimalige Verlängerung um lediglich sechs Monate mit der anschließenden Steigerung der Laufzeit von einem auf drei Jahre bringt vielmehr zum Ausdruck, dass die Vertragsparteien nach einer Testphase an einer langfristigeren vertraglichen Lieferbeziehung Gefallen gefunden haben.

51

Genauso wie das Auftragsvolumen gegen eine konkrete Lieferpflicht spricht (siehe oben 1.3.1), ist es auch ein deutliches Indiz dafür, dass die wechselseitigen Pflichten aus dem Vertrag vom 27.07.2011 mit Ablauf der jeweiligen Vertragslaufzeit erlöschen sollten, soweit nicht konkrete Waren angefordert worden waren. Würden die Lieferpflichten, soweit sie nicht erfüllt worden sind, nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit noch fortbestehen, wären die Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrags immense wirtschaftliche Risiken eingegangen. Der Lieferant wäre in diesem Fall auf unabsehbare Zeit und zu für ihn nicht bestimmbaren Zeitpunkten der Anforderung von Patronen in nicht kalkulierbarer Menge ausgesetzt. Hierfür müsste er Produktionskapazitäten reservieren bzw. die xxx verschiedenen Typen von Patronen, die zuletzt vor dem Stichtag Gegenstand des Vertrags waren (siehe Supplement Nr. 7), auf unbestimmte Zeit vorhalten. Auch wenn die Geschäftsbeziehung bereits bei Vertragsschluss seit mehreren Jahren bestand, hat die Antragstellerin nicht plausibel machen können, warum man gleichwohl dieses Risiko eingehen wollte. Im Gegenteil: Die Antragstellerin hat eingeräumt, dass die Vertragserfüllung über einen sehr langen Zeitraum erfolgen sollte und die kurzfristige Erfüllung die Leistungsfähigkeit beider Vertragsparteien überfordert hätte.

52

Überdies hätte sich X in eine sehr schlechte Verhandlungsposition begeben, wenn die Lieferverpflichtung nicht zum vereinbarten Vertragsschluss erloschen wäre. Die Antragstellerin hätte dann nämlich keinen Anreiz gehabt, sich auf Preisänderungen einzulassen, die im Laufe der Zeit nötig gewesen wären. Gerade wegen der Verpflichtung zur Lieferung sehr großer Mengen Patronen, die bei Hochrechnung der bisher abgerufenen Mengen erst nach mehreren Jahrzehnten erfüllt sein würde, sind jedoch Veränderungen der Produktionskosten zu erwarten. Es ist nicht im Ansatz nachvollziehbar, warum sich X durch eine von Anfang an unbefristete Lieferverpflichtung darauf hätte einlassen sollen, derartige Kostenveränderungen nicht auf die Antragstellerin abwälzen zu können. Dass die Vertragslaufzeit nicht nur von deklaratorischer Natur sein kann, zeigt im Übrigen auch der Umstand, dass es in der Vergangenheit zwischen den Vertragsparteien tatsächlich zu Preisanpassungen kam (siehe die Supplemente Nr. 1, 4 und 7).

53

Die Antragstellerin hat keine anderen überzeugenden Gründe angegeben, warum die Klausel in dem ursprünglichen Vertrag über die Vertragslaufzeit nur deklaratorische Art sein soll. In der Stellungnahme des Rechtsanwalts Y vom 12.12.2016 ist lediglich davon die Rede, dass derartige Klauseln "in der Regel auf Anforderungen der russischen Banken, die mit der Zahlungsabwicklung beauftragt sind", beruhten. Die Antragstellerin hat jedoch nicht dazu vorgetragen, warum im vorliegenden Fall eine solche Klausel aufgenommen wurde, zumal X ausschließlich als Verkäufer auftritt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, warum die Z-Bank, bei der die Kaufpreise in US-Dollar eingezahlt werden sollen, auf einer solchen Klausel bestanden haben soll.

54

Art. 425 Abs. 3 Unterabs. 2 ZGB steht dieser Betrachtung im Ergebnis nicht entgegen. Dort heißt es, dass ein Vertrag, in dem eine Bestimmung fehlt, nach der das Ende der Gültigkeitsdauer eines Vertrags das Erlöschen der Verpflichtungen aus diesem Vertrag nach sich zieht, bis zu dem Zeitpunkt gültig ist, zu welchem die Parteien die Erfüllung der Verpflichtungen beendet haben (Übersetzung nach Roggemann/Bergmann, Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation [Erster Teil] von 1994, 1997). Da im Vertrag vom 27.07.2011 eine ausdrückliche Regelung darüber fehlt, dass die vertraglichen Verpflichtungen nach Ende der Gültigkeitsdauer erlöschen, könnte man diese Vorschrift so verstehen, dass auch bei Nichtverlängerung des Vertrags die vertraglichen Verpflichtungen weiter bestanden hätten. In diesem Fall könnte die Verlängerung durch das Supplement Nr. 8 möglicherweise keine konstituierende Wirkung haben. Der beschließende Senat hält allerdings dafür, dass gerade der Umstand, dass die Vertragsparteien insgesamt viermal eine Verlängerung der Vertragslaufzeit zu ganz unterschiedlichen Konditionen vereinbart haben, dafür spricht, dass sie selbst nicht davon ausgegangen sind, dass die ursprünglichen Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 27.07.2011 über die vereinbarte Laufzeit hinaus fortbestehen. Dessen ungeachtet hält es der Senat auch für fraglich, ob Art. 425 ZGB, der im allgemeinen Teil des Schuldrechts des ZGB, dort bei den allgemeinen Vertragsbestimmungen (Art. 420-453), steht, überhaupt anwendbar wäre. Es ist nämlich denkbar, dass Art. 511 ZGB (Text bei Roggemann/Bergmann, Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation [Zweiter Teil] von 1995, 2000), der sich mit dem Ausgleich von Fehlmengen befasst, und im Kapitel 30 über den Kauf, dort im § 3 über die Lieferung von Waren (Art. 506-524), verortet ist, als lex specialis gegenüber Art. 425 ZGB einschlägig ist und sich hieraus möglicherweise ergibt, dass vertragliche Verpflichtungen bei Warenlieferungsverträgen, um die es auch hier geht, in jedem Fall mit Ende des Vertrags erlöschen.

55

Die Anwendbarkeit von Art. 425 ZGB auf den vorliegenden Fall ist ferner deshalb fraglich, weil er sich mit den Rechtsfolgen des Endes der Gültigkeitsdauer eines Vertrags befasst. Die hier in Rede stehenden Lieferungen erfolgten jedoch nicht in Erfüllung eines abgelaufenen Vertrags, sondern in Durchführung der bis zum 31.12.2017 verlängerten Abrede.

56

Letztlich muss jedoch nicht geklärt werden, ob die Anwendung von Art. 425 Abs. 3 Unterabs. 2 ZGB dazu führen würde, dass die Verlängerung des Vertrags vom 27.07.2011 bis zum 31.12.2017 deklaratorischer Natur wäre. Es wurde bereits dargelegt, dass die Auslegung des Vertrags vom 27.07.2011 ergibt, dass die vertraglichen Pflichten zum jeweiligen Endzeitpunkt auslaufen sollten (siehe oben), und daher spätestens Bestellungen ab dem 15.12.2014 - dem Tag der Laufzeitverlängerung bis Ende 2017 - nicht mehr unter die Altvertragsregelung fallen können. In einer solchen Situation müssen gesetzliche Vorschriften des Staates, dessen Einfuhren Gegenstand von Handelsbeschränkungen sind, unberücksichtigt bleiben, soweit sie dazu führen, dass eine Handlung, die ohne deren Anwendung von den Embargovorschriften erfasst wäre, bei ihrer Anwendung nicht darunter fallen würde. Anderenfalls würde die Reichweite der restriktiven Maßnahmen gegen die Russische Föderation und damit die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland abhängig gemacht von gesetzlichen Vorschriften des Staates, der Ziel der Handelsbeschränkungen ist. Dass hierdurch die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland eingeschränkt werden würde, liegt auf der Hand. Ohne eine derartige teleologische Auslegung von § 77 Abs. 4 AWV könnte der Zielstaat der Handelsbeschränkungen durch Änderungen seines nationalen Rechts die Reichweite der Embargobestimmungen verändern. Für die Importeure stellt dies keine unzumutbare Beschränkung ihrer Rechte dar. Es steht ihnen nämlich frei, Lieferverträge zu vereinbaren, auf die das russische Recht nicht anwendbar ist.

57

1.3.2.2 Der Neuabschluss des Vertrags vom 27.07.2011 durch das Supplement Nr. 8 stellt auch keine nur unwesentliche Vertragsänderung dar.

58

Soweit sich Gerichte bisher mit der Reichweite von Altvertragsklauseln befasst haben, haben sie zwischen wesentlichen Vertragsänderungen, die den Status als Altvertrag entfallen lassen, und unwesentlichen Änderungen, die bloße Modifikationen des Altvertrags darstellen, unterschieden (LG Hamburg, Urt. v. 03.07.2014, 311 O 71/13, juris Rn. 29). Wendet man dieses Differenzierungskriterium auf den vorliegenden Fall an, ergibt sich, dass die mit dem Supplement Nr. 8 vorgenommene Vertragsverlängerung eine wesentliche Veränderung des Vertrags vom 27.07.2011 darstellt, weil die Lieferverpflichtung für die am 15.12.2014 noch nicht abgerufenen Patronen ohne Abschluss des Supplement Nr. 8 mit Ablauf des Jahres 2014 erloschen wäre.

59

Es kann dahinstehen, ob - wie der Antragsgegner meint - die Verlängerung der Fälligkeit einer Lieferverpflichtung bereits eine wesentliche Änderung eines Vertrags darstellt. Um eine Verlängerung der Fälligkeit der Lieferansprüche, die aus dem Vertrag vom 27.07.2011 erwachsen, kann es sich bei dem Supplement Nr. 8 schon deshalb nicht handeln, weil der Vertrag selbst noch keine Fälligkeitstermine nennt, die durch ein Supplement hätten verlängert werden können.

60

2. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Vollziehung der Rücknahmen der Annahmen der Zollanmeldungen für sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne von § 69 Abs. 2 S. 2 FGO darstellt.

61

Der Senat lässt dahinstehen, ob der Antragstellerin dadurch ein erheblicher und möglicherweise auch existenzbedrohender wirtschaftlicher Schaden droht, weil durch die Anwendung des Importverbots auf die hier in Rede stehenden Waren die restliche Durchführung des Vertrags vom 27.07.2011 insgesamt unmöglich wird, solange das Embargo besteht. Denn eine solche Härte wäre nicht unbillig; sie wäre vielmehr durch überwiegende öffentliche Interessen geboten. Im vorliegenden Fall drohte sich nämlich ein Risiko zu verwirklichen, das für das Geschäftsmodell, das die Antragstellerin verfolgt, typisch ist. Wer Waren im Sinne von Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste aus Russland einführt, trägt seit Inkrafttreten des Embargos das rechtliche und wirtschaftliche Risiko, dass konkrete Lieferungen nicht durchgeführt werden können. Ausdrücklich ist im ersten Erwägungsgrund des Beschlusses 2014/512/GASP von "zusätzlichen und weitreichenden Konsequenzen für die Beziehungen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten und Russland" die Rede. Dass hierbei auch wirtschaftliche Beziehungen gemeint sind, versteht sich von selbst. Das Gesetz ist so konzipiert, dass Einfuhren, die von der Altvertragsklausel erfasst sind, genehmigungsfrei möglich sind. Dies erleichtert einerseits die Importabwicklung. Andererseits erhält der Einführer - anders als bei präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt - vor der Einfuhr keine Rechtssicherheit, ob eine konkrete Transaktion tatsächlich unter die Altvertragsklausel fällt und damit nicht verboten ist. Die Feststellung hierüber wird vielmehr auf das Einfuhrverfahren verlagert. Der Verwirklichung des Risikos, dass im Einzelfall eine Einfuhr nicht möglich ist, kann sich der Einführer weder durch fachlich kompetente Beratung noch durch behördliche Auskünfte, die zu anderen Einfuhren ergangen sind, entziehen. Der Importeur muss die vertragsrechtlichen Konsequenzen, die daraus folgen, dass vertragliche Liefer- oder Zahlungsverpflichtungen wegen einer Handelsbeschränkung nicht erfüllt werden können, durch entsprechende Haftungsfreizeichnungen in den Verträgen mit Lieferanten und Abnehmern minimieren (hierzu ausführlich: Landry, Exportkontrolle und Terrorismusbekämpfung: Auswirkungen auf privatrechtliche Verträge, in: Schulte-Nölke/Genzow/Grunewald [Hrsg.], Zwischen Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz. Festschrift für Friedrich Graf von Westphalen, 2010, S. 453 ff.). Entscheidet sich der Einführer für die Durchführung des Einfuhrgeschäfts, ohne dass er derartige Haftungsbeschränkungen vereinbaren kann, muss er die wirtschaftlichen Folgen eines Importverbots selbst tragen, auch wenn sie existenzbedrohend sind. Den öffentlichen Belangen daran, dass ein Importverbot durchgesetzt wird, ist vor diesem Hintergrund der Vorrang zu gewähren, weil ansonsten die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt wäre.

62

3. Da die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung der Rücknahmen der Annahmen der Zollanmeldungen nicht vorliegen, kann auch ein Annexantrag nach § 69 Abs. 3 S. 3 FGO keinen Erfolg haben.

C.

63

Die Kosten des Verfahrens fallen der Antragstellerin zur Last (§ 135 Abs. 1 FGO).

64

Die Beschwerde ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Reichweite der Altvertragsklausel in § 77 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AWV, zu der es bisher keine Rechtsprechung gibt, zuzulassen (§§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 FGO).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen