Beschluss vom Landesarbeitsgericht Hamm - 5 Ta 133/22
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 03.02.2022 gegen den Prozesskostenhilfe-Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.01.2022 - 7 Ca 29/20 - wird zurückgewiesen.
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Gründe
2I. Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen fehlender Mitwirkung im Prüfungsverfahren.
3Mit Beschluss vom 06.04.2020 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten bewilligt mit der Maßgabe, dass kein eigener Beitrag zu den Prozesskosten zu leisten ist.
4Mit Schreiben vom 20.10.2021, zugestellt am 21.10.2021, wurde der Kläger aufgefordert, eine aktuelle Erklärung über die Einkommensverhältnisse abzugeben und eine Frist von einem Monat gesetzt. Mit weiterem Schreiben vom 24.11.2021 wurde an die Erledigung erinnert und eine neue Frist gesetzt. Nachdem diese Aufforderungen unbeantwortet blieben, hob das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfe-Bewilligungsbeschluss vom 06.04.2020 mit weiterem Beschluss vom 04.01.2022 unter Hinweis auf die Verletzung von Mitwirkungspflichten auf.
5Gegen diese dem Prozessbevollmächtigten am 04.01.2022 zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger mit der am 03.02.2022 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, der eine Verdienstbescheinigung und ein Mietvertrag in Kopie beigefügt waren. Er verwies auf jetzt bestehende Unterhaltspflichten für zwei Kinder sowie eine eröffnete Privatinsolvenz.
6Mit Schreiben vom 07.02.2022 wurde der Kläger aufgefordert, fehlende Unterlagen, insbesondere eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen und eine Frist bis zum 07.03.2022 hierfür gesetzt.
7Nachdem diese trotz einer gewährten Fristverlängerung nicht vorgelegt wurden, legte das Arbeitsgericht die Beschwerde mit Nichtabhilfe-Entscheidung vom 19.04.2022 zur Entscheidung vor.
8Die Beschwerdekammer forderte den Kläger mit Schreiben vom 02.05.2022 sowie 13.06.2022 dazu auf, fehlende Unterlagen, hier die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie den Beschluss über die Eröffnung der Privatinsolvenz bezüglich des Klägers vorzulegen. Beides ohne Erfolg.
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I. Die gem. § 11 Abs. 1 RPflG, 78 ArbGG und §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff ZPO an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
1. Nach § 11a Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren, § 120 a Abs.1 S. 3 ZPO, nicht abgegeben hat. Ein solches Fehlverhalten setzt in der Regel voraus, dass die Partei unter Fristsetzung ergebnislos zur Vorlage bestimmter, im Einzelnen benannter Belege und/oder zur Abgabe einer Erklärung über eine etwaige Änderung der Verhältnisse aufgefordert worden ist. (Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 10. Auflage 2022, Rn 1009 m. w. N.). Kommt die Partei einer solchen konkreten Aufforderung trotz Mahnung nicht in angemessener Zeit nach, ist eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten gerechtfertigt.
12Gemessen an diesen Maßstäben hat das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfe-Bewilligungsbeschluss zu Recht aufgehoben. Der Kläger hat sich trotz Aufforderung und entsprechender Hinweise des Arbeitsgerichts auf die Folgen der Untätigkeit nicht zu den aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen erklärt, was mangels gegenteiliger, mit der Beschwerde vorzubringender Anhaltspunkte, auf grobe Nachlässigkeit schließen lässt.
13a) Letztlich ist der Kläger diesen Pflichten trotz zahlreicher Hinweise beider Instanzen nicht nachgekommen. Die Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Nachprüfungsverfahren ist gem. § 120 a Abs. 4 ZPO unbedingter Bestandteil der notwendigen Angaben/Unterlagen für die Nachprüfung, da nur dort die für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit erforderlichen Angaben beantwortet werden. Dazu zählt insbesondere auch die Erklärung über die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben unter Buchstabe "K" des Formulars. Das Verlangen nach der Erklärung stellt daher keine bloße Förmelei dar. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Bedürftigkeit aus anderen Gründen offensichtlich ist (OLG Dresden, Beschluss vom 04. April 2018, 4 W 325/18, juris bei fehlender Unterschrift unter der Erklärung; LAG Köln, Beschluss vom 23. Februar 2017, 1 Ta 280/16, juris, Rz. 4).
14Dies ist vorliegend nicht gegeben. Der Kläger hat nicht belegt, dass ein Sachverhalt vorliegt, der eine nachträgliche Anordnung von Raten ausschließt.
15b) Zwar hat sich der Kläger u.a. darauf berufen, dass ein Privatinsolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet sei. Dieses könnte eine Leistungsfähigkeit insoweit ausschließen, als eine nachträgliche Anordnung von Raten nicht mehr in Betracht kommt, wenn die Staatskasse als Insolvenzgläubigerin Zahlungen, die zu einem vor der Insolvenzeröffnung liegenden Zeitpunkt entstanden sind, nicht mehr wirksam vollstrecken könnte. Der Kläger hat dieses aber nicht belegt.
16aa) Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass ein vor der Insolvenzeröffnung entstandener Anspruch des Staates auf Gerichtskosten und die nach § 59 Abs. 1 Satz 1 RVG auf die Staatskasse übergegangenen Gebührenansprüche des Rechtsanwalts Insolvenzforderungen sind, die nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens - und damit nicht im Wege einer verfahrenskostenhilferechtlichen Zahlungsanordnung - geltend gemacht werden können. Die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Forderungen der Staatskasse, zu deren Geltendmachung die nachträgliche Zahlungsanordnung ergehen würde, seien Insolvenzforderungen im Sinne von §§ 38, 87 InsO (BGH, Beschluss vom 28. August 2019, XII ZB 119/19, Rn. 14, juris).
17bb) Soweit die Pfändungsfreigrenzen nicht mit den Freibeträgen gem. § 115 ZPO korrespondierten, so dass rechnerisch ein anrechenbares Einkommen auch dann verbleiben könne, obwohl eine Pfändbarkeit im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht gegeben sei, stehe dieses nicht entgegen. Dieses gelte auch vor dem Hintergrund, dass eine nicht insolvente, gleichwohl mit Einkommen unterhalb der Pfändungsgrenze gem. §§ 850 c ff ZPO aber oberhalb des Existenzminimums gem. § 115 ZPO lebende Partei Raten zu zahlen hätte (BGH, Beschluss vom 28. August 2019, XII ZB 119/19, Rn. 12, juris).
18Dies entspreche dem gesetzgeberischen Zweck, den das mit einer Restschuldbefreiung verbundene Insolvenzverfahren verfolgt, dem gescheiterten Schuldner einen wirtschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen. Deshalb sei es folgerichtig, dass für bereits bestehende Verbindlichkeiten nur die Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1 InsO) zur Verfügung stehe, zu der gemäß § 36 Abs. 1 InsO das während des Insolvenzverfahrens erzielte Arbeitseinkommen nur insoweit gehöre, als es pfändbar sei (BGH, Beschluss vom 28. August 2019 – XII ZB 119/19 –, Rn. 21, juris).
19Anderenfalls hätte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens regelmäßig eine Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Bedürftigen im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Folge. Denn statt zuvor nach § 115 ZPO absetzbarer Zahlungen auf Verbindlichkeiten, die ursprünglich einer Ratenzahlungsanordnung entgegenstanden, müsste der Bedürftige nur noch die oberhalb der Pfändungsfreigrenzen liegenden Beträge entrichten (vgl. §§ 287 Abs. 2, 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO) und verfügte mithin verfahrenskostenhilferechtlich gegebenenfalls über ein einzusetzendes Einkommen, selbst wenn sich - von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgesehen - keine Änderungen seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ergeben hätten. Dies widerspräche aber der Zielrichtung des Insolvenzverfahrens (BGH, Beschluss vom 28. August 2019 – XII ZB 119/19 –, Rn. 22, juris).
20cc) Insbesondere der letztgenannte Aspekt überzeugt, da durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch bisher von der Partei zu bedienende Verpflichtungen im Rahmen der Privatinsolvenz ausgeglichen und nicht etwa aus Beträgen geleistet würden, die unterhalb der Pfändungsgrenze lägen, so dass die Partei, die sich im Insolvenzverfahren befindet, keine Belastungen geltend machen könnte, deren Geltendmachung ihr ansonsten möglich wäre. Die Kammer schließt sich daher der Rechtsprechung des BGH unter Aufgabe der bisherigen, davon abweichenden Rechtsprechung an.
21b) Der Kläger hat sich aber über die Sachverhalte, die eine Überprüfung seiner aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse ermöglichen, vollständig zu erklären.
22Dies ist nicht geschehen. Weder hat der Kläger die zwingend gem. § 120 a Abs. 4 ZPO vorzulegende Erklärung, noch einen Beleg darüber, der ihn von dieser Pflicht ggf. entbinden könnte, vorgelegt. Die Eröffnung eines Privatinsolvenzverfahrens ist bisher lediglich behauptet, nicht aber belegt worden.
23c) Da der Kläger somit den erforderlichen Auflagen auch im Beschwerdeverfahren nicht nachgekommen ist, ist er seinen Mitwirkungspflichten nicht hinreichend nachgekommen; eine verantwortliche Prüfung der Vermögensverhältnisse ist nicht möglich. Die sofortige Beschwerde war zurückzuweisen.
24Rechtsmittelbelehrung:
25Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben, denn ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 574 Abs. 2 und 3 ZPO) besteht nicht.
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Referenzen
- ZPO § 124 Aufhebung der Bewilligung 1x
- ZPO § 850c Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen 1x
- InsO § 38 Begriff der Insolvenzgläubiger 1x
- InsO § 305 Eröffnungsantrag des Schuldners 1x
- § 11 Abs. 1 RPflG 1x (nicht zugeordnet)
- RVG § 59 Übergang von Ansprüchen auf die Staatskasse 1x
- ArbGG § 64 Grundsatz 1x
- ZPO § 120a Änderung der Bewilligung 3x
- ZPO § 114 Voraussetzungen 1x
- XII ZB 119/19 4x (nicht zugeordnet)
- InsO § 36 Unpfändbare Gegenstände 1x
- ZPO § 115 Einsatz von Einkommen und Vermögen 3x
- §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff ZPO 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 11a Beiordnung eines Rechtsanwalts, Prozeßkostenhilfe 1x
- InsO § 35 Begriff der Insolvenzmasse 1x
- 7 Ca 29/20 1x (nicht zugeordnet)
- 4 W 325/18 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde 1x
- 1 Ta 280/16 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 287 Antrag des Schuldners 1x
- InsO § 87 Forderungen der Insolvenzgläubiger 1x
- ZPO § 127 Entscheidungen 1x