Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 12 Sa 394/14
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.02.2014 - Az. 11 Ca 9976/12 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger2.161,20 € nebst Zinsen in Höhe von5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von monatlich 54,03 €, beginnend ab dem 02.10.2009, zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 486,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von monatlich 54,03 €, beginnend ab dem 02.02.2013, zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 270,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von monatlich 54,03 €, beginnend ab dem 02.12.2013, zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 277,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von monatlich 55,45 €, beginnend ab dem 02.04.2014, zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, ab dem 01.08.2014 an den Kläger eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 658,03 € zu zahlen.
6. Die Widerklage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Rente.
3Der am 1926 geborene Kläger war vom 2. Mai 1960 bis zum30. April 1989 als Tarifangestellter bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Eigenkündigung des Klägers vom12. Januar 1989 (Anlage 2, Bl. 245 d. A.). Die Beklagte sagte dem Kläger Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den Richtlinien für die betriebliche Altersversorgung (Fassung vom 6. Mai 1998) für Arbeiter und Angestellte (im Folgenden: RL 68) zu. Die RL 68 bestimmen unter anderem:
4„I. Art der Versorgungsleistungen
5Wir gewähren nach Erfüllung der Wartezeit
61. Erwerbsunfähigkeitsrente
72. Altersrente
83. Witwenrente
94. Waisenrente
10II. Wartezeit
11Die Wartezeit ist erfüllt, wenn der Arbeiter oder Angestellte eine anrechnungsfähige Dienstzeit von 10 Jahren in unserem Unternehmen abgeleistet hat. In besonderen Fällen, z. B. bei Unfalltod oder Unfallerwerbsunfähigkeit kann die Wartezeit herabgesetzt werden.
12III. Anrechnungsfähige Dienstzeit
13Anrechnungsfähig sind solche Dienstjahre, die der Arbeiter oder Angestellte nach Vollendung seines20. Lebensjahres und vor Vollendung seines65. Lebensjahres ununterbrochen in unserem Unternehmen abgeleistet hat. Angefangene Dienstjahre mit einer anrechnungsfähigen Beschäftigungszeit von weniger als 6 Monaten bleiben unberücksichtigt, es sei denn, dass der Arbeitgeber oder Angestellte dieses Dienstjahr noch voll ableistet. Angefangene Dienstjahre mit einer anrechnungsfähigen Beschäftigungszeit von mehr als 6 Monaten gelten als volle Jahre.
14IV. Voraussetzungen für die einzelnen Leistungsarten
15Es werden gewährt
161. Erwerbsunfähigkeitsrente,
17wenn der Arbeiter oder Angestellte infolge einer Erwerbsunfähigkeit im Sine der gesetzlichen Rentenversicherung aus unserem Unternehmen ausscheidet. Die Tatsache der Erwerbsunfähigkeit ist durch Vorlage eines Rentenbescheides des zuständigen Versicherungsträgers nachzuweisen.
182. Altersrente,
19wenn der Arbeiter oder Angestellte nach Vollendung seines 65. Lebensjahres aus unserem Unternehmen ausscheidet.
20(…)
21VI. Zahlungsweise
22Die Renten werden monatlich nachträglich gezahlt.
23…
24VIII. Höhe der Leistungen
25…
26B) Bei Angestellten:
271. a) Die Erwerbsunfähigkeits- und Altersrente beträgt bei Ablauf der Wartezeit monatlich 15 % des letzten Grundgehaltes und steigt für jedes nach Erfüllung der Wartezeit im Unternehmen abgeleistete anrechnungsfähige Dienstjahr um monatlich 1 % des letzten Grundgehaltes. Zum Grundgehalt rechnen auch die darüberhinausgehenden, regelmäßigen monatlichen Bezüge; jedoch nicht fallweise bezahlte Überstunden, Sondervergütungen, Abschlussvergütungen, Weihnachtsver-gütungen und ähnliche nicht regelmäßig Bezüge.
28(…)
292. a) Die Bezüge des Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Versorgung werden durch Kürzung der Betriebsrente wie folgt begrenzt: Bei einer Dienstzeit bis zu 25 Jahren auf65 % des letzten Grundgehaltes. Für jedes weitere Dienstjahr erhöht sich dieser Prozentsatz um 0,75 % bis zu höchstens80 % bei 45 Dienstjahren. Bezüge des Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die auf freiwilliger Höherversicherung oder freiwilliger Weiterversicherung beruhen, bleiben unberücksichtigt.
30b) Unabhängig von der Bestimmung in 2 a) wird die betriebliche Rente in jedem Fall mit einem Mindestrentenbetrag in Höhe von40 % der gemäß 1) ermittelten Erwerbsunfähigkeits- oder Altersrente gewährt.
31…
32X. Wegfall von Ansprüchen
33Scheidet ein Begünstigter aus unserem Unternehmen aus, ohne dass ein Leistungsfall gegeben ist, so erlischt jeder Anspruch aus dieser Zusage.“
34In einem von der Beklagten und dem Betriebsrat unterschriebenen Aushang vom 10. Dezember 1986 wurde Folgendes bekanntgegeben:
35„Gewährung von Betriebsrenten
36Die C GmbH gewährt abweichend vom Wortlaut der Altersversorgungszusagen die Firmenrente auch schon vor dem Erreichen des65. Lebensjahres, ohne versicherungsmathematische Abschläge vorzunehmen. Im Rahmen der steuerlichen Betriebsprüfung ist verlangt worden, die Altersversorgungszusagen entsprechend zu ändern. Aus diesem Grunde werden die Richtlinien für die betriebliche Altersversorgung in den Fassungen vom 06.05.1968 und 01.01.1974 wie folgt ergänzt:
37IV. 2.
38Die Altersrente wird gezahlt, wenn der Mitarbeiter nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Dienstverhältnis mit der C ausscheidet.
39Sie wird auch gezahlt, wenn der Mitarbeiter vorher ausscheidet und Altersruhegeld oder vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. In diesen Fällen werden keine versicherungsmathematischen Abschläge vorgenommen.“
40Unter dem 1. Februar 1989 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat einen Interessenausgleich wegen der Aufgabe des Arbeitsgebietes Düngemittels zum 30. Juni 1989. In einer Betriebsvereinbarung, nach der die wirtschaftlichen Nachteile ausgeglichen bzw. gemildert werden sollen, die für die Beschäftigte der Beklagten bei der Durchführung des Interessenausgleiches vom 1. Februar 1989 entstehen (im Folgenden: Betriebsvereinbarung 1989), ist unter anderem geregelt (vgl. Anlage 2, Bl. 183 d. A.):
41„E) Frühpensionierung
42Für Mitarbeiter, die im Jahr der Frühpensionierung das55. Lebensjahr vollenden bzw. bereits vollendet haben, geltend die folgenden Regelungen:
43Das Arbeitsverhältnis wird durch Aufhebungsvertrag oder durch Kündigung durch C beendet. Der Mitarbeiter ist verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt als arbeitslos zu melden und den jeweiligen Aufforderungen des Arbeitsamtes nachzukommen. Er hat einen Antrag auf Arbeitslosengeld zu stellen.
44(…)
45Bei gewerblichen Arbeitnehmern und Tarifangestellten, deren Altersversorgung sich nach der Altersversorgungsrichtlinie von 1974 richtet, sowie bei Außertarifangestellten wird die Firmenrente zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechnet. Hierbei wird die Zeit bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt, zu dem Sozialversicherungsrente erlangt werden kann, als Dienstzeit berücksichtigt.
46Bei Tarifangestellten, deren Altersversorgung sich nach der Altersversorgungsrichtlinie von 1968 richtet wird die Werksrente so ermittelt, als wenn der Versicherungsfall beim Ausscheiden eingetreten wäre. Die so ermittelte Werksrente wird festgeschrieben und mit Rentenbeginn monatlich ausgezahlt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Aufhebungsvertrag bis zum 31.03.1989 abgeschlossen ist Bei späteren Vertragsaufhebungen wird bei der Berechnung der Anwartschaft grundsätzlich gemäß § 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung als rechnerische Obergrenze nicht das 65., sondern das vollendete 63. Lebensjahr zugrundegelegt.
47(…)
48Mitarbeiter, denen aus persönlichen und verhaltensbedingten Gründen gekündigt wird, erhalten keine Leistungen. Dasselbe gilt für Mitarbeiter, die bereits berechtigt sind, eine Sozialversicherungsrente in Anspruch zu nehmen. Sie erhalten jedoch die Leistungen nach E), Absatz 8.“
49Mit Schreiben vom 21. April 1989 sandte die Beklagte dem Kläger eine Übersicht über die Berechnung seiner Altersrente. Hieraus ergibt sich, dass die Beklagte eine Altersrente in Höhe von 1.278,00 DM ausgehend von einem pensionsfähigen Gehalt in Höhe von 5.919,60 DM ermittelt hatte und dabei eine anrechenbare Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 2.748,10 DM berücksichtigte. Ab dem 1. Mai 1989 bezog der Kläger eine gesetzliche Altersrente und von der Beklagten eine Betriebsrente. Diese belief sich zunächst auf 1.278,00 DM brutto monatlich. Zum 1. Januar 1990 wurde die Altersrente auf 1.287,00 DM (= 658,03 €) angepasst. Seit September 2009 zahlte die Beklagte dem Kläger nur noch eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 604,00 €. Die Reduzierung des Auszahlungsbetrages beruht darauf, dass die Beklagte nunmehr eine mögliche anrechnungsfähige Beschäftigungszeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zugrunde legte und die anrechenbare Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung fiktiv auf die bei einer Inanspruchnahme ab der Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbaren Rente hochrechnete.
50Mit seiner am 19. Dezember 2012 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger eine monatliche Altersrente in Höhe von 658,03 € sowie die Zahlung rückständiger Altersrente für den Zeitraum ab 1. September 2009 verlangt.
51Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe auch nach dem 1. September 2009 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 658,03 € zu. Die Reduzierung der monatlichen Rentenleistung durch die Beklagte sei unzulässig. Die Beklagte müsse sich daran festhalten lassen, dass sie bisher bei der Rentenberechnung das tatsächliche Renteneintrittsalter als feste Altersgrenze im Sinne des § 2 Abs. 1 BetrAVG zugrungegelegt habe. Zu einer einseitigen nachträglichen Änderung sei sie nicht berechtigt. Die Beklagte sei insoweit an das Schreiben vom 14. April 1989 und die dort mitgeteilten Beträge gebunden. Zudem sei die nachträgliche Kürzung der Betriebsrente treuwidrig. Ferner hat der Kläger behauptet, ihm sei bei seinem Ausscheiden im Jahre 1989, welches im Zusammenhang mit dem Wegfall von 300 Arbeitsplätzen in einem anderen Bereich gestanden haben, zugesichert worden, dass er ohne Abschläge oder Kürzungen bei der Betriebsrente mit dem 63. Lebensjahr ausscheiden könne. Er hat die Auffassung vertreten, sein Anspruch folge auch aus betrieblicher Übung.
52Der Kläger hat beantragt,
531. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.161,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von monatlich 54,03 € beginnend ab dem 01.09.2009 zu zahlen;
542. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 486,27 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von monatlich 54,03 € beginnend ab dem 01.01.2013 zu zahlen;
553. die Beklagte zu verurteilen, ab dem 01.10.2013 an ihn eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 658,03 € zu zahlen.
56Die Beklagte hat beantragt,
57die Klage abzuweisen.
58Widerklagend hat sie beantragt,
59festzustellen, dass dem Kläger gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Firmenrentenzahlung aus der Richtlinie für betriebliche Altersversorgung vom 06.05.1968 in Höhe von 602,58 € brutto monatlich zusteht.
60Der Kläger hat beantragt,
61die Widerklage abzuweisen.
62Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, an die vorherige Berechnung sei sie nicht gebunden. Zu keinem Zeitpunkt habe sie mehr leisten wollen, als dem Kläger nach der Versorgungsordnung zustehe. Daran scheitere der Anspruch aus betrieblicher Übung. Da der Kläger vor Erreichen der in der Versorgungsordnung vorgesehenen Altersgrenze ausgeschieden sei, sei der Betriebsrentenanspruch zeitratierlich zu kürzen. Zudem sei auch eine fiktiv auf die feste Altersgrenze der Versorgungsordnung hochgerechnete Sozialversicherungsrente zu berücksichtigen. Die dem Kläger bei einer korrekten Berechnung zustehende Rente betrage 602,58 €.
63Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11. Februar 2014 die Klage überwiegend abgewiesen und die Beklagte verurteilt, ab 1. Februar 2014 an den Kläger eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 602,58 € zu zahlen. Dabei hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Betriebsrentenanspruch des Klägers sei entsprechend § 2 Abs. 1 BetrVG zu kürzen und auch die in die Berechnung der Betriebsrente einzubeziehende Sozialversicherungsrente auf den Zeitpunkt der festen Altersgrenze hochzurechnen. Das Schreiben vom 21. April 1989 begründe keinen Anspruch auf eine höhere Betriebsrente. Ein solcher folge auch nicht aus einer betrieblichen Übung. Von einer bewussten überobligationsmäßigen Zahlung der Beklagten könne nach dem Vortrag des Klägers nicht ausgegangen werden. Soweit sich der Kläger diesbezüglich auf eine konkrete Zusage im Rahmen seiner Kündigung berufe, sei dieser Vortrag nicht substantiiert erfolgt. Die Widerklage der Beklagten sei bereits wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig, da der Streitgegenstand einer negativen Feststellungsklage von der Leistungsklage umfasst werde.
64Gegen das dem Kläger am 7. April 2014 zugestellte Urteil hat er am 6. Mai 2014 Berufung eingelegt, die er mittels eines am 5. August 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatzes - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 7. August 2014 - begründet hat.
65Der Kläger vertritt die Ansicht, sein Anspruch folge unmittelbar aus einer Auslegung der Versorgungsordnung RL 68 unter Berücksichtigung des Aushangs vom 10. Dezember 1986. Da er unmittelbar nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten vorgezogenes Altersruhegeld bezogen habe, folge die Berechnung seiner Betriebsrente aus der eigenständigen Regelung des VIII B 1 a), 2 a) und b) der RL 68.
66Nachdem der Kläger darauf hingewiesen wurde, dass die Renten gemäß VI der RL 68 monatlich nachträglich gezahlt würden, und der Zinsanspruch daher erst ab dem jeweiligen Monatszweiten bestehen könne, beantragt der Kläger nunmehr - unter Klagerücknahme im Übrigen -,
67das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11. Dezember 2013 teilweise abzuändern und
68- 69
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.161,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von monatlich 54,03 €, beginnend ab dem 02.10.2009, zu zahlen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 486,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von monatlich 54,03 €, beginnend ab dem 02.02.2013, zu zahlen;
- 73
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 270,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von monatlich 54,03 €, beginnend ab dem 02.12.2013, zu zahlen;
- 75
4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 277,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von monatlich 55,45 €, beginnend ab dem 02.04.2014 zu zahlen;
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5. die Beklagte zu verurteilen, ab dem 01.08.2014 an ihn eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 658,03 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
79die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
80Die Beklagte ist der Auffassung, dem Aushang vom 10. Dezember 1986 könne lediglich der Verzicht auf versicherungsmathematische Abschläge bei der vorgezogenen Inanspruchnahme der Rente entnommen werden. Dies habe das Bundesarbeitsgericht auch in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2013 (3 AZR 832/11, juris, Rz. 65), die nochmals mit Urteil vom 12. August 2014 (3 AZR 194/12, juris, Rz. 54) bestätigt worden sei, ausdrücklich so gesehen. Bereits aus dem Wortlaut des Aushangs ergebe sich, dass dieser allein auf das Betreiben des Wirtschaftsprüfers sowie allein wegen der nicht vorgenommenen versicherungsmathematischen Abschläge bei der vorgezogenen Inanspruchnahme der Rente erfolgt sei. Dies sei Sinn und Zweck des Aushangs gewesen. Die Beklagte habe kein eigenständiges oder besonderes Versorgungsversprechen konzipieren wollen. Denn schon lange vor dem Datum des Aushangs habe die Beklagte nach § 6 BetrAVG die Zahlung von Firmenrenten auch schon vor Erreichung des 65. Lebensjahres geschuldet.
81Einer Auslegung des Aushangs als Versorgungszusage stehe auch dessen Wortlaut entgegen. Der Versorgungsfall sei gekennzeichnet durch die Formulierung „es werden gewährt“, während demgegenüber im zweiten Satz lediglich davon die Rede sei „wird gezahlt“. Daraus folge, dass nur ein abstrakter Zahlungsfall aufgeführt worden sei, ohne einen Rechtsgrund für die Zahlung zu schaffen. Bei der Auslegung der Versorgungszusage sei jedenfalls als weiterer Umstand auch das Schreiben der Beklagten an den Betriebsrat vom 7. Mai 1985 zu berücksichtigten. Darin sei ausdrücklich auf die Kürzung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG und die Anrechnung der auf die feste Altersgrenze fiktiv hochgerechneten Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem vorzeitigen Ausscheiden hingewiesen worden.
82Zudem sei erforderlich, dass der Verzicht auf eine § 2 Abs. 1 BetrAVG entsprechende Quotierung deutlich in der Versorgungsregelung zum Ausdruck gebracht werden müsse. Dies sei jedoch in der RL 68 nicht geschehen. Darüber hinaus werde durch den Aushang vom 10. Dezember 1986 auch die tatsächliche Betriebszugehörigkeit nicht mit der möglichen Betriebszugehörigkeitsdauer identisch. Dem stehe der Wortlaut des Aushangs entgegen.
83Bei der vom Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 11. November 2014 (3 AZR 191/12) gefundenen Auslegung handele es sich um ein Paradoxon. Diese Auslegung bedeute letztlich, dass ein vorzeitig Ausgeschiedener, der unmittelbar nach seinem Ausscheiden Ansprüche gemäß § 6 BetrAVG habe, nicht vorzeitig ausgeschieden sei. IV Nr. 2 S. 2 des Aushangs regele nur einen Zahlungsfall, soweit die Voraussetzungen des § 6 BetrAVG vorliegen würden. Er enthalte nur eine deklaratorische und keine konstitutive Regelung. Auch führe die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Privilegierung der Unmittelbarkeitsfälle dazu, dass eine Altersdiskriminierung nach dem AGG vorliege. Bei gleicher Lebensleistung werde derjenige diskriminiert, der nicht nach seinem Ausscheiden direkt in Rente gehen könne. Schließlich habe das Bundesarbeitsgericht am 23. Januar 2001 (3 AZR 164/00, juris, Rz. 17 ff.) entschieden, dass eine Formulierung in einer Versorgungsordnung, die eine Regelung zu der vom Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeit, gesetzliche und betriebliche Rente vorgezogen in Anspruch zu nehmen, keine feste Altersgrenze sei, weil der Zeitpunkt der vorgezogenen Inanspruchnahme allein vom Willen des Arbeitnehmers abhänge und nicht von vornherein feststehe.
84Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind, sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
85E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
86Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg.
87A. Die Berufung des Klägers ist nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet.
88B. In der Sache hat die Berufung des Klägers auch Erfolg.
89I. Die in der Berufungsinstanz erfolgte Klageerweiterung ist zulässig. Es liegt ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO i. V. m. § 525 Satz 2 ZPO, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG vor, bei dem schon nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung eine Antragsänderung nicht als Klageänderung anzusehen ist. Diese gesetzliche Definition des Begriffs der Klageänderung gilt auch in der Berufungsinstanz (vgl. BAG, 28. Oktober 2008, 3 AZR 903/07 juris, Randnummer 21). § 264 Nr. 2 ZPO bestimmt, dass keine Klageänderung u.a. dann vorliegt, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird. So liegt der Fall hier. Der Kläger begehrt aufgrund desselben Tatsachenkomplexes für weitere Monate die Nachzahlung seiner Betriebsrente.
90Auch die in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2015 erfolgte Antragsänderung ist zulässig. Es handelt sich um eine teilweise Beschränkung des bisher gestellten Hauptantrages i.S. v. § 264 Nr. ZPO und um keine Rücknahme eines eigenständigen prozessualen Anspruchs. Dies wäre nur der Fall, wenn bei einer objektiven Klagehäufung i.S.d. des § 260 ZPO einer von mehreren prozessualen Ansprüchen zurückgenommen würde (vgl. dazu BAG, 24.02.2010. 4 AZR 657/05, Juris Rz. 11 ff ; Walther NJW 1994, 423, 427) . Die Reduzierung des Zinsanspruchs auf den jeweiligen Monatszweiten ist eine quantitative Ermäßigung der Nebenforderung und kein eigenständiger prozessualer Anspruch.
91II. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat auch über den 1. September 2009 hinaus einen Anspruch auf Zahlung einer Betriebsrente in Höhe von 658,03 €.
92Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger auch mit Wirkung ab dem 1. September 2009 weiterhin eine monatliche zusätzliche Altersrente in Höhe von 658,03 € zu zahlen. Die mit dem Schreiben vom 31. Juli 2009 sowie dem Schriftsatz vom 25. Juli 2013 vorgenommenen Neuberechnungen der zusätzlichen Altersrente entsprechen nicht den Vorgaben der RL 68 in der Fassung des Aushangs vom 10. Dezember 1986 (im Folgenden: RL 86). Die Beklagte ist nicht berechtigt, bei der Berechnung der zusätzlichen Altersrente nach IV Nr. 2 S. 2 RL 86 i.V.m. § 6 BetrAVG die fiktiv auf die Vollendung des 65. Lebensjahres hochgerechnete Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen und eine Quotierung entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG durchzuführen.
931. Die Altersrente des Klägers berechnet sich nach den in IV Nr. 2 S. 2 i.V.m. VIII B Nr. 1 a) und Nr. 2 b) der RL 86 getroffenen Regelungen und entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht nach den allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrentenrechts unter entsprechender Anwendung von § 2 BetrAVG. Die vom Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 23. Januar 2001 (3 AZR 164/00) entwickelten allgemeinen Grundsätze des Betriebsrentenrechts, nach denen der Arbeitgeber berechtigt ist, eine Quotierung entsprechend § 2 BetrAVG wegen der fehlenden Betriebszugehörigkeit und gegebenenfalls eine weitere Kürzung wegen der vorgezogenen Inanspruchnahme vorzunehmen, finden bereits deshalb keine Anwendung, weil sie nur für die Berechnung der Höhe der Leistung der betrieblichen Altersvorsorge bei vorgezogener Inanspruchnahme der Betriebsrente nach vorzeitigen Ausscheiden gelten. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben.
94a. Der Kläger ist nicht vorzeitig ausgeschieden. Er schied erst mit Eintritt des in IV Nr. 2 S. 2 RL 86 geregelten Versorgungsfall mit Ablauf des 30. April 1989 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus und hat ab dem 1. Mai 1989 im Alter von 63. Jahren die gesetzliche Altersrente als Vollrente und die Altersrente nach der RL 86 vorgezogenen in Anspruch genommen. Bei dem durch den Aushang des Jahres 1986 in die RL 68 eingefügten Satz 2 des IV Nr. 2 handelt es sich um einen Versorgungsfall. Dies folgt aus einer Auslegung des Aushangs. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der RL 86 um eine Betriebsvereinbarung oder eine Gesamtzusage handelt. Zwar hängt es vom Rechtscharakter der RL 86 ab, welche Auslegungsgrundsätze anzuwenden sind. Beide Auslegungsmethoden führen jedoch zu demselben Ergebnis.
95aa. Betriebsvereinbarungen sind nach den für Gesetze und Tarifverträge geltenden Grundsätzen auszulegen. Dabei ist vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn auszugehen. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien geben kann. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. etwa BAG, 9. Oktober 2012, 3 AZR 539/10, juris, Rz. 21; BAG, 14. Dezember 2010, 3 AZR 939/08, juris, Rz. 18 mwN).
96bb. Eine Gesamtzusage ist als an eine Vielzahl von Arbeitnehmern gerichtete Erklärung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind. (vgl. etwa BAG, 15. Mai 2012, 3 AZR 610/11, juris, Rz. 51; BAG, 11. November 2014, 3 AZR 848/11, juris, Rz. 36).
97b. Die Auslegung der RL 68 in der Fassung des Aushangs vom 10. Dezember 1986 (also RL 86) führt nach beiden Grundsätzen zu dem Ergebnis, dass IV Nr. 2 Satz 2 einen eigenständigen Versorgungsfall darstellt.
98aa. Mit dem Aushang wurde die RL 68 um zwei weitere Sätze ergänzt und damit auch inhaltlich verändert. Nach der sprachlichen Fassung beschränkt sich der Aushang nicht alleine darauf festzustellen, dass im Falle der vorzeitigen Inanspruchnahme des Altersruhegeldes keine versicherungsmathematischen Abschläge vorgenommen werden. Vielmehr wird durch den Aushang in den Wortlaut der Versorgungsordnung eingegriffen, in dem neben dem bereits geregelten Versorgungsfall (Vollendung des 65. Lebensjahres) ausdrücklich ein weiterer Versorgungsfall eingefügt wird. Dem steht auch nicht entgegen, dass nunmehr formuliert wird „Sie wird auch gezahlt“. Es erfolgt in der RL 68 sowie dem Aushang vom 10. Dezember 1986 keine einheitliche Unterscheidung zwischen den Verben „Gewähren“ oder „Zahlen“ bezogen auf die beiden Fälle der Inanspruchnahme der Altersrente. Denn in dem Einleitungssatz des Aushangs wird ausdrücklich formuliert: „Die Chemische Fabrik Kalk GmbH gewährt abweichend vom Wortlaut der Altersversorgungszusagen die Firmenrente auch schon vor Erreichen des 65. Lebensjahres (…).“ Die im Übrigen andere sprachliche Formulierung ist darüber hinaus den Besonderheiten einer Inanspruchnahme einer Firmenrente gemäß § 6 BetrAVG geschuldet.
99bb. Dem stehen auch nicht die Entscheidungen des BAG vom 10. Dezember 2013 (3 AZR 832/11, juris, Rz. 65) sowie vom 12. August 2014 (3 AZR 194/12, juris, Rz. 54) entgegen. Dort führte das Bundesarbeitsgericht im Rahmen eines Anspruch aus betrieblicher Übung aus, dass aus dem Aushang vom 10. Dezember 1986 die später mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht schließen könnten, dass die Beklagte bei der Berechnung der vorgezogen in Anspruch genommenen Altersrente bewusst zu ihren Gunsten von den Bestimmungen in der BV 93 abweichen und von der Ermittlung der fiktiven Vollrente bezogen auf das 63. Lebensjahr unter Anrechnung der auf diesen Zeitpunkt fiktiv hochgerechneten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung absehen wollte. Der Aushang betreffe ausdrücklich nur den Verzicht auf versicherungsmathematische Abschläge bei der vorgezogenen Inanspruchnahme der Rente. Gleichwohl steht dies nicht einer Auslegung des mit dem Aushang eingefügten Zusatzes als Versorgungsfall für diejenigen Mitarbeiter entgegen, die bis zur vorgezogenen Inanspruchnahme betriebstreu geblieben sind. Dies ergibt sich aus dem mit dem Aushang vom 10. Dezember 1986 erkennbar verfolgten Regelungszweck.
100Die aus der Zeit vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes vom 19. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3610) stammenden RL 68 waren durch die Einführung von § 6 BetrAVG zum 22. Dezember 1974 lückenhaft geworden. IV Nr. 2 RL 68 bestimmte lediglich, dass der Arbeitnehmer eine Altersrente erhält, wenn er nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Unternehmen ausscheidet. Nach VIII B Nr. 1 RL 68 hing die Höhe dieser Altersrente von der Anzahl der anrechnungsfähigen Dienstjahre ab. Danach betrug die mit Vollendung des 65. Lebensjahres zu zahlende Altersrente nach Ablauf der Wartezeit 15 % des letzten Grundgehalts und stieg für jedes weitere anrechnungsfähige Dienstjahr um 1 %. Demgegenüber regelten die RL 68 nicht, wie sich die nach § 6 BetrAVG vorgezogen in Anspruch genommene Altersrente des gleichzeitig aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausscheidenden Arbeitnehmers berechnete. Die Beklagte war daher - unter Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats - befugt, die wegen des vorzeitigen und möglicherweise längeren Rentenbezugs in der Versorgungsordnung entstandene Lücke an die geänderte Rechtslage anzupassen. Dies ist durch den Aushang vom 10. Dezember 1986 geschehen. Wie sich aus dem Aushang ergibt, sollte durch die Ergänzung der RL 68 der in § 6 BetrAVG geregelte Versorgungsfall ausdrücklich in IV Nr. 2 der RL 68 aufgenommen werden. Gleichzeitig wurde dadurch die Berechnung der vorgezogen in Anspruch genommenen Altersrente nach § 6 BetrAVG - einschließlich des Verzichts auf versicherungsmathematische Abschläge in diesen Fällen - in den RL 68 geregelt und damit die bis dahin vorhandene Lücke in den RL 68 geschlossen (vgl. BAG, 11. November 2014, 3 AZR 191/12, juris, Rz. 32).
101cc. Dies führt auch nicht zu einem Paradoxon. Die Beklagte unterscheidet bei ihrer prägnant zugespitzten Zusammenfassung des vom BAG gefundenen Auslegungsergebnisses auf die Aussage: „Wenn ein vorzeitig Ausgeschiedener unmittelbar nach seinem Ausscheiden Ansprüche gemäß § 6 BetrAVG hat, ist er nicht vorzeitig ausgeschieden.“ nicht ausreichend zwischen den Anspruchsvoraussetzungen, die die Versorgungsordnung in IV nennt und den Rechtsfolgen, nämlich der Frage, wie sich bei den gegebenen Anspruchsvoraussetzungen die Altersrente berechnet. Die vom Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 11. November 2014 (3 AZR 191/12) gefundene Auslegung bedeutet, dass eine vorgezogene Sozialversicherungsrente zu einer regulären Betriebsrente nach der Versorgungsordnung führen kann. Ein Arbeitgeber kann eine Versorgungsordnung schaffen, nach der eine vorgezogene Sozialversicherungsrente zu einer Regelrente aus der Versorgungsordnung führt. Letztlich bedeutet damit die in der Versorgungsordnung abgegebene Erklärung: „Wer eine vorgezogene Sozialversicherungsrente in Anspruch nimmt, gilt als regulärer Rentner im Sinne der Versorgungsordnung, wenn er wegen des Bezuges der Sozialversicherungsrente (nahtlos) aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.“ Eine solche Aussage ist weder paradox noch unmöglich, sondern ergibt sich vorliegend aus der Auslegung der Versorgungsordnung (vgl. dazu LAG Köln, 24. November 2014, 2 Sa 563/14, n.v.).
102dd. Dem so gefundenen Auslegungsergebnis steht auch nicht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Juli 1998 (3 AZR 100/98, juris, Rz. 57 ff.) entgegen, die ebenfalls die RL 68 der Beklagten betraf. Dort hat das Bundesarbeitsgericht für die Berechnung einer Anwartschaft nach § 2 Abs. 1 BetrAVG entschieden, dass eine zeitanteilige Kürzung der Betriebsrente hinzunehmen sei. Die Versorgungsordnung enthalte keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Besserstellung vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer gewollt sei. Diese Auslegung entspricht auch den Bundesarbeitsgerichtsentscheidungen vom 12. August 2014 (3 AZR 194/12) sowie 10. Dezember 2013 (3 AZR 832/11). Im vorliegenden Fall war aber gerade aufgrund dessen, dass der Kläger mit Eintritt des in der Versorgungsordnung geregelten Versorgungsfalls ausgeschieden war, keine zeitanteilige Kürzung der Betriebsrente nach § 2 BetrAVG vorzunehmen. Der mit dem Aushang vom 10. Dezember 1986 eingeführte Versorgungsfall war für die BAG Entscheidung vom 28. Juli 1998 (juris Rz. 2) nicht einschlägig, da die 1950 geborene Klägerin bereits am 30. Juni 1993 (also 42. oder 43.-jährig) bei der Beklagten ausschied und nicht unmittelbar eine Sozialversicherungsrente in Anspruch nahm. In diesem Zusammenhang ist auch das Schreiben der Beklagten an den Betriebsrat vom 7. Mai 1985 einzuordnen. In diesem geht es ebenfalls um die Berechnung einer Anwartschaft und nicht um das unmittelbare Ausscheiden nach Erreichen der gesetzlichen Voraussetzungen für das Altersruhegeld der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres.
103ee. Schließlich hat die Beklagten auch einem Teil der Mitarbeiter, die unter die Betriebsvereinbarung 1989 fielen und eine Versorgungszusage nach der RL 68 erhalten hatten, abhängig von der Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages zugesagt, dass entweder ihre Werksrente so ermittelt werde, als wäre der Versicherungsfall beim Ausscheiden eingetreten, oder dass für die Berechnung der Werksrente das vollendete 63. Lebensjahr als rechnerische Obergrenze maßgeblich sei. Auch wenn der Kläger von diesen Regelungen, aufgrund seiner Berechtigung Sozialversicherungsrente in Anspruch zu nehmen, ausgeschlossen war, hätte dies im Falle des Klägers zu dem gleichen Ergebnis geführt, wie wenn man die im Aushang erfolgte Ergänzung des IV Nr. 2 der RL 68 als eigenständigen Versorgungsfall auslegen würden. Die gefundene Auslegung fügt sich daher in das generelle Versorgungskonzept der Beklagten ein.
104ff. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht altersdiskriminierend, wenn eine Versorgungsordnung für betriebstreue Arbeitnehmer von einer Quotierung entsprechend der Regelungen des § 2 BetrAVG absieht. Die Betriebstreue bis zur Inanspruchnahme der vorzeitigen Rente der Sozialversicherung wird in der Weise belohnt, dass keine Quotierung erfolgt, sondern lediglich die Jahre zwischen dem Ausscheiden des Arbeitnehmers und dem 65. Lebensjahr als anrechnungsfähige Dienstjahre unberücksichtigt bleiben.
105Mit dem durch den Aushang vom 10. Dezember 1986 eingefügten Satz 2 des IV Nr. 2 verspricht die Beklagte eine Altersrente, wenn der Mitarbeiter ausscheidet und Altersruhegeld oder vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. An die Stelle der bisher genannten Altersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres) treten durch Bezugnahme die weiteren Altersgrenzen der gesetzlichen Rentenversicherung zur Gewährung von Altersruhegeld (vgl. dazu BAG, 25. Oktober 1988, 3 AZR 598/86, juris, Rz. 43). Damit sieht die Versorgungszusage vor, dass der begünstigte Arbeitnehmer grundsätzlich zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Vollendung des 65. Lebensjahres mit einer ungekürzten Betriebsrente in den Ruhestand treten kann (vgl. BAG, 23. Januar 2001, 3 AZR 164/00, juris, Rz. 18).
106Da der Kläger aufgrund der Versorgungsordnung der Beklagten bereits mit Vollendung des 63. Lebensjahres die Betriebsrente beanspruchen konnte, läuft § 6 BetrAVG in seinem Fall ins Leere. Das gesetzliche Recht, vor Vollendung des 65. Lebensjahres Betriebsrente verlangen zu können, ist für ihn gegenstandslos; er darf es schon nach der Versorgungsordnung (BAG, 25.10.1988, 3 AZR 598/86, juris, Rz. 48).
107c. Eine entsprechende Anwendung von § 2 BetrAVG ist auch nicht aus anderen Gründen veranlasst. Die Berechnung der nach § 6 BetrAVG vorgezogenen in Anspruch genommenen Betriebsrente eines bis dahin betriebstreuen Arbeitnehmers entsprechend § 2 BetrAVG kommt nur in Betracht, wenn die Versorgungsordnung selbst keine Regelung zur Berechnung der Betriebsrente bei vorgezogener Inanspruchnahme enthält. Die Höhe der Altersrente bei vorgezogener Inanspruchnahme der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist vorliegend jedoch in IV Nr. 2 S. 3 und VIII B 1 a) und Nr. 2 b) Richtlinie 86 eigenständig und abschließend geregelt. Der durch das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 11. November 2014 (3 AZR 191/12, juris, Rz. 23 ff.) gefundenen Auslegung schließt sich die Kammer ausdrücklich an. Daraus folgt, dass die Versorgungsordnung dem Umstand der verkürzten Betriebszugehörigkeit sowie dem längeren Bezug der Altersrente bei vorgezogener Inanspruchnahme nach § 6 BetrAVG nicht durch eine entsprechende Anwendung von § 2 BetrAVG Rechnung tragen wollte, sondern ausschließlich dadurch, dass die Jahre zwischen dem Ausscheiden des Arbeitnehmers und dem 65. Lebensjahr als anrechnungsfähige Dienstjahre unberücksichtigt bleiben.
1082. Dies führt im Rahmen der vorgesehenen Gesamtversorgung dazu, dass die vom Kläger tatsächlich bezogene, nach den RL 86 anrechenbare Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt wird, da die Versorgungsordnung eine abschließende eigenständige Regelung enthält, die die Anrechnung einer fiktiven, auf die feste Altersgrenze hochgerechneten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorsieht und die einer entsprechenden Anwendung des § 2 Abs. 1 BetrVG entgegen steht (BAG, 11. November 2014, 3 AZR 191/12, juris, Rz. 33).
1093. Danach hat die Beklagte dem Kläger bis zum 31. August 2009 zu Recht eine monatliche Altersrente in Höhe von 658,03 € gezahlt. Dieser Betrag stand ihm auch über den 31. August 2009 hinaus zu. Die Beklagte hat die dem Kläger zustehende Altersrente mit Schreiben vom 21. April 1989 zutreffend berechnet. Der Kläger hatte mit Eintritt des Versorgungsfalls am 1. Mai 1989 gemäß IV Nr. 2 S. 2 RL 86 einen Anspruch auf Altersrente gerundet auf 1.278,00 DM. Der Kläger hat vom 2. Mai 1960 bis zum 30. April 1989 29 mögliche Dienstjahre bei der Beklagten zurückgelegt. Damit belief sich die Altersrente bei Zugrundelegung eines pensionsfähigen Gehalts von 5.919,60 DM auf 34 % des Betrages mithin 2.012,66 DM (15 % für die ersten zehn Jahre und 1 % für jedes weitere Jahr).
110Ausgehend von 29 Dienstjahren ergab sich nach VIII B Nr. 2 a) Richtlinie 86 eine Gesamtversorgungsobergrenze von 68 % (65 % für die ersten25 Dienstjahre und 0,75 % für jedes weitere Dienstjahr), mithin einen Betrag von 4.025,33 DM. Bei Eintritt in den Ruhestand am 1. Mai 1989 hat der Erblasser aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente in Höhe von 2.748,10 DM bezogen. Auf die maximale Gesamtversorgung von 4.025,33 DM ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 2.748,10 DM anzurechnen. Daraus ergibt sich bei Eintritt des Versorgungsfalles am 1. Mai 1989 eine Altersrente in Höhe von 1.277,23 DM aufgerundet 1.278,00 DM.
111Die Altersrente wurde von der Beklagten zum 1. Januar 1990 auf 1.287,00 DM angepasst. Der sich danach ergebende Betrag in Höhe von 658,03 € stand dem Kläger auch über den 31. August 2009 hinaus weiterhin zu. Da die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 28. Februar 2014 nur noch einen Betrag in Höhe von 604,00 € und danach in Höhe von 602,58 € zahlte, kann der Kläger für diese Zeitraume die ausgeurteilten Nachzahlungsbeträge beanspruchen.
1124. Da die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auch über den 31. August 2009 hinaus eine zusätzliche Altersrente in Höhe von 658,03 € zu zahlen, ist auch der auf künftige Leistungen (§ 258 ZPO) in dieser Höhe gerichteter Klageantrag zu 5) begründet.
113III. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 288 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB.
114C. Die Beklagte hat gemäß §§ 92 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 269 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG die Kosten des Rechtsstreit zu tragen. Die Kosten sind der Beklagten insgesamt aufzuerlegen, da die im Rahmen einer stets zulässigen Klageänderung zurückgenommene Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig gering war und keine höheren Kosten veranlasst hat.
115D. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da aufgrund der von der Beklagten erhobenen und im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch nicht beschiedenen Verfassungsbeschwerde noch nicht endgültig feststeht, ob die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.11.2014 (3 AZR 191/12), an der sich das vorliegende Urteil orientiert, Bestand haben wird.
116RECHTSMITTELBELEHRUNG
117Gegen dieses Urteil kann vonder beklagten Partei
118R E V I S I O N
119eingelegt werden.
120Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
121Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
122Bundesarbeitsgericht
123Hugo-Preuß-Platz 1
12499084 Erfurt
125Fax: 0361-2636 2000
126eingelegt werden.
127Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
128Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
129- 130
1. Rechtsanwälte,
- 131
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 132
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
134Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
135Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
136* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Referenzen
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- ZPO § 260 Anspruchshäufung 1x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 2x
- ArbGG § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung 1x
- ZPO § 519 Berufungsschrift 1x
- 2 Sa 563/14 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 520 Berufungsbegründung 1x
- ZPO § 258 Klage auf wiederkehrende Leistungen 1x
- 3 AZR 100/98 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- ArbGG § 64 Grundsatz 3x
- 3 AZR 164/00 3x (nicht zugeordnet)
- BetrAVG § 6 Vorzeitige Altersleistung 12x
- BetrVG § 2 Stellung der Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber 2x
- 3 AZR 939/08 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- 3 AZR 194/12 1x (nicht zugeordnet)
- 3 AZR 832/11 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 525 Allgemeine Verfahrensgrundsätze 1x
- 3 AZR 598/86 2x (nicht zugeordnet)
- BetrAVG § 2 Höhe der unverfallbaren Anwartschaft 11x
- 3 AZR 903/07 1x (nicht zugeordnet)
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- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- Urteil vom Arbeitsgericht Köln - 11 Ca 9976/12 1x
- Urteil vom Bundesarbeitsgericht (3. Senat) - 3 AZR 191/12 4x