Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (5. Kammer) - 5 Sa 34/17

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 14.12.2016 - 4 Ca 1185/16 - wird zurückgewiesen.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen Nichtübernahme in ein befristetes Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Berufsausbildung.

2

Der 1992 geborene Kläger schloss zum 01.09.2012 mit der N. Y. W. GmbH einen Vertrag über die Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker mit einer Laufzeit bis zum 28.02.2016.

3

Am 01.10.2015 unterrichtete die N. Y. W. GmbH gemeinsam mit dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden ihre 20 Auszubildenden des 4. Ausbildungsjahres, u. a. auch den Kläger, darüber, dass eine Übernahme in ein Arbeitsverhältnis nach der Ausbildung aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich sein wird. Zu diesem Zeitpunkt verfügte die N. Y. W. GmbH nur noch über einen laufenden Auftrag, die Fertigstellung der Plattform DolWin Gamma. Nachfolgeaufträge lagen nicht vor, weshalb es bereits Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Personalabbau und die Einrichtung einer Transfergesellschaft gegeben hatte. Um den Jahreswechsel 2015/2016 herum zeichnete sich dann ein Verkauf des Unternehmens ab, weshalb die N. Y. W. GmbH entschied, doch noch 9 der insgesamt 20 Auszubildenden befristet zu übernehmen.

4

Da der Kläger die Abschlussprüfung zunächst nicht bestand, verlängerte sich sein Ausbildungsverhältnis bis zur Wiederholungsprüfung. Am 26.04.2016 ging das Ausbildungsverhältnis des Klägers gemäß Übertragungsvertrag vom 15.03.2016, der auf § 613a BGB Bezug nimmt, auf die Beklagte über.

5

Auf das Ausbildungsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie für die Länder Hamburg und Umgebung, Schleswig-Holstein sowie Mecklenburg-Vorpommern Anwendung, u. a. der am 01.06.2012 in Kraft getretene Tarifvertrag Aufbau und Sicherung von Beschäftigung vom 23.05.2012, abgeschlossen zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie e. V., Hamburg (Nordmetall) sowie der IG Metall, Bezirksleitung Küste, Hamburg (im Folgenden: TV Besch). In diesem Tarifvertrag heißt es:

6

"…

7

§ 7
Übernahme von Auszubildenden

8

Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass die Ausgebildeten in der Regel nach bestandener Abschlussprüfung unbefristet in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden sollen.

9

Die Tarifvertragsparteien gehen weiter davon aus, dass die Anzahl der angebotenen Ausbildungsplätze nach Möglichkeit gesteigert werden soll, zumindest aber konstant bleibt.

10

7.1 Die Betriebsparteien beraten im Rahmen der Personalplanung gemäß §§ 92, 96 BetrVG den Bedarf an Ausbildungsplätzen.

11

7.2.1 Der Arbeitgeber ermittelt vor Beginn der Ausbildung den voraussichtlichen Bedarf; die Betriebsparteien können durch freiwillige Betriebsvereinbarung diesen voraussichtlichen Bedarf vereinbaren und daraus folgend in der Vereinbarung festlegen, wie vielen Auszubildenden im Anschluss an die bestandene Abschlussprüfung die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angeboten wird. Die gemäß dieser Betriebsvereinbarung über Bedarf Ausgebildeten haben keinen Anspruch auf Übernahme.

12

7.2.2 …

13

7.3 Soweit vor Beginn der Ausbildung zwischen den Betriebsparteien keine Vereinbarung getroffen wird, hat der Arbeitgeber spätestens sechs Monate vor dem Ende der Ausbildungsverträge der jeweiligen Jahrgänge mit dem Betriebsrat im Rahmen der Personalplanung den absehbaren Bedarf und die sich daraus ergebende Anzahl der unbefristet zu Übernehmenden zu beraten. Unter Berücksichtigung der Beratung erfolgt die Festlegung, wie viele Auszubildende nach bestandener Abschlussprüfung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden.

14

Bei dieser Entscheidung hat der Arbeitgeber die absehbare künftige wirtschaftliche Entwicklung, das Produktportfolio und die Auftragslage des Unternehmens sowie die mittelfristige personelle Bedarfssituation im Betrieb zu berücksichtigen.

15

Ausgebildete, denen kein unbefristetes Arbeitsverhältnis angeboten wird, hat der Arbeitgeber nach bestandener Abschlussprüfung für mindestens 12 Monate befristet zu übernehmen.

16

17

7.4 Auszubildenden wird nach Maßgabe der obigen Bestimmungen die Übernahme in ein unbefristetes oder befristetes Arbeitsverhältnis angeboten, soweit dem nicht personenbedingte Gründe entgegenstehen. Der Betriebsrat ist hierüber unter Angabe der Gründe zu unterrichten.

18

7.5 Mit Zustimmung des Betriebsrates kann von einer Übernahme in ein unbefristetes oder befristetes Arbeitsverhältnis abgesehen werden, wenn das Angebot eines Arbeitsverhältnisses wegen akuter Beschäftigungsprobleme nicht möglich ist. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, entscheidet in diesem Fall auf Antrag des Arbeitgebers die Schnellschlichtung gemäß § 4 Tarifvertrag über Tarifschiedsgericht, Einigungsstelle und Schnellschlichtung vom 20. Dezember 1977 i.d.F. vom 24. Mai 1996 (bzw. für Mecklenburg-Vorpommern vom 10. November 1990 / 11. März 1997), ob, in welchem Umfang und für welche Dauer dem Auszubildenden ein Angebot nach Maßgabe der vorstehenden Bedingungen gemacht werden muss.

19

…"

20

Mit Schreiben 16.06.2016 beantragte die Beklagte beim Betriebsrat formularmäßig die Zustimmung zur Einstellung von den in der Anlage genannten drei Auszubildenden des 4. Ausbildungsjahres mit Wiederholungsprüfung. Aus der Anlage ergibt sich zugleich, welche beiden Auszubildenden dieser Gruppe nicht übernommen werden sollen, darunter der Kläger. Der Betriebsrat erklärte auf dem Formular noch am selben Tag seine Zustimmung zu den beabsichtigten Einstellungen.

21

Der Kläger bestand am 08.07.2016 die Wiederholungsprüfung. Die Beklagte teilte ihm noch am selben Tag mit, ihn nicht in ein Arbeitsverhältnis übernehmen zu wollen. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte die Beklagte insgesamt 212 Arbeitnehmer, davon 44 Auszubildende, 18 Angestellte und 150 gewerbliche Arbeitnehmer. 101 Fertigungslöhner von insgesamt 145 waren bezahlt von der Arbeit freigestellt, soweit diese nicht im Urlaub oder arbeitsunfähig waren. Zugleich verhandelte die Beklagte mit dem Betriebsrat über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit. Im Juli 2016 waren lediglich etwa 40 Arbeitnehmer für ein bis zwei Wochen tatsächlich im Einsatz.

22

Mit Schriftsatz vom 18.07.2016 hat der Kläger seine Forderung nach dem Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages zunächst gegenüber der N. Y. W. GmbH gerichtlich geltend gemacht und mit Schriftsatz vom 25.07.2016 sodann gegenüber der Beklagten.

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Die Beklagte beantragte beim Betriebsrat unter dem 26.07.2016 die Zustimmung zur Nichtübernahme des Klägers in ein Arbeitsverhältnis aufgrund akuter Beschäftigungsprobleme. Am 27.07.2016 unterzeichneten der Betriebsrat und die Beklagte eine Rahmenbetriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit zwecks Vermeidung von Entlassungen. Am 28.07.2016 stimmte der Betriebsrat dem Vorhaben der Beklagten zu, den Kläger nicht einzustellen.

24

Ab dem 01.09.2016 befanden sich insgesamt 126 Arbeitnehmer aus der Betriebsabteilung Vorfertigung/Schiffbau in Kurzarbeit, darunter sämtliche Konstruktionsmechaniker, unabhängig davon, ob sie als Schlosser oder als Schweißer eingesetzt waren. Die Kurzarbeit in dieser Betriebsabteilung dauerte bis zum 30.08.2017.

25

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe nach § 7.3 TV Besch einen Anspruch auf Übernahme in ein auf 12 Monate befristetes Arbeitsverhältnis als Konstruktionsmechaniker. Akute Beschäftigungsprobleme habe die Beklagte nicht. Das sei nur dann der Fall, wenn es im Betrieb Entlassungen gebe oder damit zu rechnen sei. Zudem habe die Beklagte den Kläger nicht rechtzeitig darüber unterrichtet, dass er nicht übernommen werde. Die Informationsveranstaltung am 01.10.2015 genüge dem nicht, da das Unternehmen zwischenzeitlich veräußert worden sei. Des Weiteren habe die Beklagte den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß und erst nachträglich beteiligt. Soweit die Beklagte den Einstellungsanspruch nicht erfüllt habe, bestehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe des Entgelts eines Konstruktionsmechanikers.

26

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

27

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Arbeitsverhältnis als Konstruktionsmechaniker ab dem 09.07.2016 befristet auf 12 Monate anzubieten, und

28

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Monat Juli 2016 € 2.124,91 brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2016 sowie für den Monat August 2016 weitere € 2.864,00 brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2016 zu zahlen.

29

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme in ein auf 12 Monate befristetes Arbeitsverhältnis als Konstruktionsmechaniker. Der Kläger sei im Oktober 2015 rechtzeitig darüber informiert worden, dass er nicht übernommen werde. An dieser Entscheidung habe sich durch die zwischenzeitliche Rechtsnachfolge nichts geändert. Für die meisten gewerblichen Beschäftigten habe es schon im August 2015 keine Arbeit mehr gegeben. Um mit dem Bau neuer Schiffe beginnen zu können, seien zunächst umfangreiche Vorarbeiten, wie Konstruktion, Projektierung und Planung, erforderlich. Der Kläger habe wegen akuter Beschäftigungsprobleme nicht eingesetzt werden können. Nicht einmal die befristet übernommenen Auszubildenden seien tatsächlich produktiv tätig geworden. Schadensersatzansprüche gebe des dementsprechend nicht.

30

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es habe zum Zeitpunkt, als der Kläger seine Ausbildung beendet habe, akute Beschäftigungsprobleme gegeben. Nach Sinn und Zweck des Tarifvertrages gehe darum, das frisch erworbene Wissen aus der Ausbildung praktisch anzuwenden und zu vertiefen. Deshalb bestehe keine Übernahmepflicht, wenn der ehemalige Auszubildende überhaupt nicht eingesetzt werden könne. Da es aktuell keine Arbeit für Konstruktionsmechaniker gegeben habe, sei auch die Beschäftigung des Klägers nicht möglich gewesen. Nach dem Tarifvertrag sei es unschädlich, dass der Betriebsrat erst nachträglich zugestimmt habe.

31

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es angesichts der Kurzarbeit akute Beschäftigungsprobleme gegeben habe. Ein akutes Beschäftigungsproblem liege erst vor, wenn Entlassungen erforderlich seien. Die Einführung von Kurzarbeit solle Entlassungen gerade verhindern und die Arbeitsplätze erhalten, da es darum gehe, temporäre wirtschaftliche Probleme zu überbrücken. Kurzarbeitergeld könne auch an befristet übernommene Auszubildende gezahlt werden. Andere ehemalige Auszubildende habe die Beklagte jedenfalls übernommen. Die Beklagte verfüge über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Sie habe zwischen September 2016 und Oktober 2017 während der Kurzarbeit ca. sechs Arbeitnehmer an andere Werfen verliehen. Die Zustimmung des Betriebsrats müsse bei Übernahme des Auszubildenden vorliegen. Eine nachträgliche Genehmigung genüge nicht. Es gelte dasselbe wie in den Fällen der §§ 99, 102 BetrVG. Im Übrigen verweist der Kläger auf sein erstinstanzliches Vorbringen und die dort erhobenen Einwände.

32

Der Kläger beantragt,

33

das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 14.12.2016 - 4 Ca 1185/16 - abzuändern und

34

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger

35

a) für den Monat Juli 2016 € 2.124,91 brutto abzüglich des gezahlten Arbeitslosengeldes von € 412,88 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2016,

36

b) für den Monat August 2016 € 2.864,00 brutto abzüglich des gezahlten Arbeitslosengeldes von € 556,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2016,

37

c) für den Monat September 2016 € 2.864,00 brutto abzüglich des gezahlten Arbeitslosengeldes von € 556,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2016,

38

d) für den Monat Oktober 2016 € 2.864,00 brutto abzüglich des gezahlten Arbeitslosengeldes von € 556,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2016,

39

e) für den Monat November 2016 € 2.864,00 brutto abzüglich des gezahlten Arbeitslosengeldes von € 556,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2016,

40

f) für den Monat Dezember 2016 € 2.864,00 brutto abzüglich des gezahlten Arbeitslosengeldes von € 556,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2017,

41

g) für den Monat Januar 2017 € 2.864,00 brutto abzüglich des gezahlten Arbeitslosengeldes von € 556,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2017,

42

h) für den Monat Februar 2017 € 2.864,00 brutto abzüglich des gezahlten Arbeitslosengeldes von € 556,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2017,

43

i) für den Monat März 2017 € 2.864,00 brutto abzüglich des gezahlten Arbeitslosengeldes von € 556,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2017,

44

j) für den Monat April 2017 € 2.921,00 brutto abzüglich des gezahlten Arbeitslosengeldes von € 556,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2017,

45

k) für den Monat Mai 2017 € 2.921,00 brutto abzüglich des gezahlten Arbeitslosengeldes von € 556,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2017 und

46

l) für den Monat Juni 2017 € 659,58 brutto abzüglich des gezahlten Arbeitslosengeldes von € 125,66 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2017

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zu zahlen, und

48

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Verzugsschaden in Höhe von € 480,- netto zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

51

Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe zutreffend entschieden. Das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass nicht nur ein drohender Personalabbau, sondern auch Kurzarbeit geeignet sei, akute Beschäftigungsprobleme zu begründen. Die Zustimmung des Betriebsrats habe schon zum Zeitpunkt der Informationsveranstaltung im Oktober 2015 vorgelegen, jedenfalls aber am 16.06.2016 mit der Zustimmung zu dem Antrag der Beklagten, welche ehemaligen Auszubildenden weiterbeschäftigt werden sollen und welche nicht. Nur vorsorglich habe die Beklagte den Betriebsrat am 26.07.2016 nochmals beteiligt. Darüber hinaus sei eine Übernahme auch aus personenbedingten Gründen nicht in Betracht gekommen, worauf sich die Beklagte bislang auf Bitte des Betriebsrats nicht berufen habe. Neben erheblichen Fehlzeiten (2013: 24 Tage, 2014: 26 Tage, 2015: 41 Tage, 2016: 52 Tage) habe der Kläger eine unzureichende Arbeitseinstellung gezeigt und quantitativ nicht zufriedenstellend gearbeitet. Abgesehen davon seien evtl. Schadensersatzansprüche für den Zeitraum September 2016 bis Januar 2017 aufgrund der dreimonatigen Ausschlussfrist des Manteltarifvertrages verfallen, da der Kläger diese Ansprüche erstmalig mit der Berufungsbegründung geltend gemacht habe.

52

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

53

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Klageantrag zu Recht und mit der zutreffenden Begründung abgewiesen. Das Berufungsgericht schließt sich den Ausführungen der Vorinstanz an.

54

Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 281 BGB gegen die Beklagte wegen Nichtübernahme in ein Arbeitsverhältnis im Anschluss an das Ausbildungsverhältnis.

55

Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB). Erbringt ein Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat (§ 281 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 281 Abs. 2 BGB).

56

Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger keine Pflicht aus dem TV Besch verletzt. Die Beklagte war nicht verpflichtet, ihm im Anschluss an sein Ausbildungsverhältnis ein auf 12 Monate befristetes Arbeitsverhältnis als Konstruktionsmechaniker anzubieten.

57

Zwar hat der Arbeitgeber nach § 7.3 TV Besch den Ausgebildeten, dem kein unbefristetes Arbeitsverhältnis angeboten wird, nach bestandener Abschlussprüfung für mindestens 12 Monate befristet zu übernehmen. Von der Übernahme in ein unbefristetes oder befristetes Arbeitsverhältnis kann jedoch nach § 7.5 TV Besch mit Zustimmung des Betriebsrats abgesehen werden, wenn das Angebot eines Arbeitsverhältnisses wegen akuter Beschäftigungsprobleme nicht möglich ist. Der Wegfall des Anspruchs hängt von zwei Voraussetzungen ab: Zum einen müssen akute Beschäftigungsprobleme vorliegen, zum anderen muss der Betriebsrat zugestimmt haben. Von einer vorherigen, fristgebundenen Unterrichtung des Auszubildenden ist der Anspruch bzw. Anspruchsausschluss nicht abhängig.

58

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (z. B. BAG, Urteil vom 20. September 2017 - 6 AZR 143/16 - Rn. 33, juris = ZTR 2017, 654; BAG, Urteil vom 26. April 2017 - 10 AZR 589/15 - Rn. 14, juris = NJW 2017, 3321).

59

1. Akute Beschäftigungsprobleme

60

Der Begriff "Problem" ist im alltäglichen Sprachgebrauch gleichbedeutend mit "Schwierigkeit" (Duden, Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl. 2010, Stichwort: Problem). Beschäftigungsprobleme bestehen, wenn es schwierig ist, einen Arbeitnehmer tatsächlich einzusetzen, ihm also Arbeit zu übertragen. Schwierigkeiten genügen nach dem Wortlaut des Tarifvertrages; die Beschäftigung muss nicht unmöglich sein. Allerdings müssen die Beschäftigungsprobleme "akut" sein, d. h. im Augenblick herrschend, unmittelbar anstehend (Duden, Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl. 2010, Stichwort: akut). Auf zukünftig zu erwartende Entwicklungen der Beschäftigungssituation kommt es nicht an. "Akute Beschäftigungsprobleme" sind gegeben, wenn einem Arbeitnehmer nach der aktuellen, vorherrschenden Lage des Betriebs oder Unternehmens nur unter besonderen Anstrengungen, ggf. zu Lasten anderer Arbeitnehmer, eine Arbeit übertragen werden kann, die Arbeitsleistung also nicht ohne weiteres, wie es einem Arbeitsverhältnis entspricht, erbracht und abgefordert werden kann. Dabei ist von den Umständen zum Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses auszugehen (LAG Hamm, Urteil vom 21. Februar 2003 - 10 Sa 674/02 - Rn. 57, juris = NZA-RR 2003, 547).

61

Maßgeblich sind die tatsächlich vorhandenen Einsatzmöglichkeiten im Betrieb oder Unternehmen. Sinn und Zweck der befristeten Übernahme in ein Arbeitsverhältnis ist es vorrangig, dem Auszubildenden durch die Umsetzung seiner in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten Berufspraxis zu verschaffen, um so seine Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Daneben dient das Arbeitsverhältnis auch der finanziellen Absicherung des Berufsanfängers im Falle einer späteren Arbeitslosigkeit, da sich aufgrund des höheren Entgelts im Arbeitsverhältnis die Bemessungsgrundlage für die Gewährung von Arbeitslosengeld erhöht (vgl. BAG, Urteil vom 29. September 2005 - 8 AZR 573/04 - Rn. 22, juris = EzA § 611 BGB 2002 Einstellungsanspruch Nr. 1; BAG, Urteil vom 17. Juni 1998 - 7 AZR 291/97 - Rn. 16, juris).

62

Akute Beschäftigungsprobleme im tariflichen Sinne sind schon begrifflich nicht mit den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die gemäß § 1 Abs. 2 KSchG eine Kündigung bedingen können, gleichzusetzen. Die Tarifvertragsparteien haben die Übernahme eines Auszubildenden nicht davon abhängig gemacht, dass eine Weiterbeschäftigung im erlernten Beruf gänzlich unmöglich ist, sondern haben es genügen lassen, dass sie jedenfalls problematisch, d. h. schwierig, ist. Der Begriff "Beschäftigungsprobleme" umfasst zwar den Fall einer Unmöglichkeit, greift aber auch schon unterhalb dieser Schwelle. Anstehende oder drohende Entlassungen können einer Übernahme des Auszubildenden entgegenstehen (LAG Hamm, Urteil vom 21. Februar 2003 - 10 Sa 674/02 - Rn. 57, juris = NZA-RR 2003, 547).

63

Versucht der Arbeitgeber, Entlassungen durch Kurzarbeit zu vermeiden, stößt eine Beschäftigung des Auszubildenden ebenfalls auf erhebliche Schwierigkeiten, wenn seine Berufsgruppe davon betroffen ist. Entlassungen und Kurzarbeit sind lediglich unterschiedliche Reaktionen auf dasselbe Problem, das in einem Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten besteht. Die Übernahme eines Auszubildenden verschärft in diesem Fall die bereits vorhandenen Beschäftigungsprobleme. Die Übernahme geht zu Lasten anderer Arbeitnehmer, da Kurzarbeit mit Einkommenseinbußen verbunden ist. Soweit der Auszubildende bzw. nunmehr Jungfacharbeiter selbst von umfangreicher Kurzarbeit betroffen ist, lässt sich das Ziel des tarifvertraglichen Übernahmeanspruchs nicht erreichen, dem vormaligen Auszubildenden Berufspraxis zu verschaffen und so seine Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.

64

Als der Kläger seine Berufsausbildung am 08.07.2016 abschloss, war davon auszugehen, dass er in den nächsten 12 Monaten aller Voraussicht nach mit seiner beruflichen Qualifikation nicht würde eingesetzt werden können. Zahlreiche Arbeitnehmer waren zu diesem Zeitpunkt bereits freigestellt. Die Beklagte und der Betriebsrat verhandelten über die Einführung von Kurzarbeit für einen längeren Zeitraum. Die Beklagte konnte den Kläger ebenso wenig wie andere Arbeitnehmer nicht als Konstruktionsmechaniker beschäftigen, jedenfalls nicht in einem zeitlichen Umfang, der einen Erwerb von Berufspraxis ermöglicht hätte. Soweit einzelne Arbeitnehmer trotz der Kurzarbeit vorübergehend tätig waren, ändert das nichts an den grundsätzlich vorhandenen Beschäftigungsschwierigkeiten. Der weitaus größte Teil der gewerblichen Arbeitnehmer war von Kurzarbeit betroffen. Die Beklagte konnte die Arbeitsleistung nicht in Anspruch nehmen. Den Kläger hätte sie nur zu Lasten anderer Arbeitnehmer einsetzen können.

65

Zwar hat die Beklagte in Erwartung eines zukünftigen Beschäftigungsbedarfs mehrere Auszubildende in ein Arbeitsverhältnis übernommen, um diese an das Unternehmen zu binden. Ein Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung ergibt sich daraus noch nicht. Der Beklagten stand es frei, unabhängig von tarifvertraglichen Übernahmeansprüchen Arbeitsverhältnisse mit ehemaligen Auszubildenden zu begründen und entsprechende finanzielle Verpflichtungen einzugehen. Auf die aktuell vorhandenen Schwierigkeiten, die Arbeitnehmer tatsächlich zu beschäftigen, hat das keinen Einfluss. Dass der Arbeitgeber über genügend finanzielle Mittel verfügt, um zeitweise Vergütungen ohne Arbeitsleistung zahlen zu können, ändert nichts an den vorhandenen Beschäftigungsproblemen, die sich in der umfangreichen Kurzarbeit widerspiegeln.

66

2. Zustimmung des Betriebsrats

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Die nach § 7.5 TV Besch erforderliche Zustimmung des Betriebsrats liegt vor. Der Betriebsrat hat mit dem Schreiben vom 16.06.2016 konkludent einer Nichtübernahme des Klägers zugestimmt.

68

Die Zustimmung des Betriebsrats ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach den Grundsätzen für Rechtsgeschäfte auszulegen ist.

69

Willenserklärungen sind nach dem Empfängerhorizont auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Auslegungsziel ist bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht der innere Wille des Erklärenden, sondern das, was der Adressat nach seinem Empfängerhorizont als Willen des Erklärenden verstehen konnte. Zu würdigen sind neben dem Wortlaut der Erklärung auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (z. B. BAG, Urteil vom 24. August 2016 - 5 AZR 129/16 - Rn. 22, juris = NZA 2017, 58).

70

Dem Wortlaut nach bezieht sich die Zustimmungserklärung des Betriebsrats vom 16.06.2016 zunächst vorrangig auf die befristete Übernahme der drei in der Anlage genannten Auszubildenden. Das von der Beklagten nach § 99 BetrVG eingeleitete Beteiligungsverfahren betrifft ausschließlich die befristete Übernahme von Auszubildenden. Es knüpft erkennbar an den TV Besch an. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Antrag von einem herkömmlichen Einstellungsantrag nach § 99 BetrVG. Der Antrag an den Betriebsrat enthält dementsprechend nicht nur die Namen und Daten derjenigen Auszubildenden, die nach dem erfolgreichen Abschluss der Wiederholungsprüfung befristet übernommen werden sollen, sondern auch die Angabe, wem keine Übernahme angeboten wird. Die Nennung der nicht für eine Einstellung vorgesehenen Auszubildenden diente erkennbar nicht bloß der Information des Betriebsrats. Gegenstand der Betriebsratsbeteiligung war vielmehr die Auswahlentscheidung der Beklagten, wer befristet übernommen und wer nicht übernommen werden soll. Der Betriebsrat konnte das Anhörungsschreiben der Beklagten vor dem Hintergrund des TV Besch nur so verstehen, dass er sowohl zur Übernahme als auch zur Nichtübernahme Stellung nehmen sollte. Wenn auch eine direkte Bezugnahme auf § 7 TV Besch in dem Standardformular für Einstellungen nach § 99 BetrVG fehlte, so war dennoch der Zusammenhang mit dem tarifvertraglichen Übernahmeanspruch der Auszubildenden offensichtlich, zumal die Anhörung unmittelbar vor den anstehenden Prüfungsterminen erfolgte.

71

Die Zustimmung des Betriebsrats ist nicht deshalb unbeachtlich, weil sie an einem rechtlichen Mangel leidet. Insbesondere hat die Beklagte das Einvernehmen des Betriebsrats nicht wider Treu und Glauben herbeigeführt (vgl. § 162 Abs. 2 BGB). Die Beklagte hat den Betriebsrat nicht fehlerhaft unterrichtet. Der Betriebsrat kannte bereits seit Oktober 2015 die wirtschaftliche Lage des Betriebs und hat an der Einführung der Kurzarbeit aktiv mitgewirkt.

72

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

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