Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (9. Kammer) - 9 Sa 365/11
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 11.05.2011, Az.. 4 Ca 2518/10, teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 1.116,-- € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 289,27 € seit dem 01.09.2009 und aus 876,-- € seit dem 28.12.2010 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die erstinstanzlichen Kosten tragen die Beklagte zu 75 % und die Klägerin zu 25 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 58 % und die Beklagte zu 42 %.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, 1.854,00 € brutto an die Klägerin bzw. zugunsten der Klägerin auf einen Altersvorsorgevertrag zu zahlen. Ferner verfolgt die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt in Höhe von 800,00 € brutto.
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Hinsichtlich des unstreitigen Sachverhaltes sowie des streitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 11.05.2011, Az.: 4 Ca 2518/10 (Bl. 108 ff. d. A.).
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Soweit für das Berufungsverfahren von Interesse hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 14,19 € netto nebst Zinsen zu zahlen und im Übrigen die Klage hinsichtlich der eingangs erwähnten Zahlungsansprüche abgewiesen.
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Das genannte Urteil ist der Klägerin am 25.05.2011 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 27.06.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 25.07.2011 bis zum 22.08.2011 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 22.08.2011, am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen, begründet. Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des weiteren Schriftsatzes vom 29.11.2011, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 140 ff., 195 ff. d. A.), macht die Klägerin zur Begründung ihres Rechtsmittels im Wesentlichen geltend:
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Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles sei das Arbeitsgericht unzutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin beweispflichtig dafür sei, dass das von ihr blanko unterzeichnete Formular "Veränderungsanzeige Leben" abredewidrig ausgefüllt worden sei. Dagegen spreche, dass in diesem Formular ein unzutreffender Sachverhalt aufgeführt sei und auch, dass das von der Beklagten genannte Motiv für die angeblich von der Klägerin veranlasste Vertragsänderung offensichtlich nicht zuträfe, da sich die Klägerin nicht in Zahlungsschwierigkeiten befunden habe. Tatsächlich sei ihr vom Geschäftsführer der Beklagten vorgegaukelt worden, die Veränderungsanzeige sei im Hinblick auf eine Änderung des Firmennamens der Beklagten notwendig. Da somit die in dem genannten Formular enthaltene Erklärung einer Vertragsänderung nicht wirksam sei, habe die Beklagte der Klägerin den der Beklagten zuvor von dem Versicherungsunternehmen erstatteten Betrag von 1.854,00 € netto zu erstatten, jedenfalls aber Zahlung an das Versicherungsunternehmen auf den zugunsten der Klägerin bestehenden Vertrag zu leisten.
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Soweit das Arbeitsgericht die Auffassung vertreten habe, dass der Klägerin zwar aufgrund der wirksamen Vertragsänderung des Versicherungsvertrages ein Nettosaldo in Höhe von 840,92 € sowie als Vergütung gemäß Augustabrechnung 2009 ein weiterer Betrag in Höhe von 289,27 € netto zustehe, dieses Nettoguthaben in Höhe von 1.130,19 € netto aber bis auf 14,19 € netto durch eine Aufrechnung der Beklagten erloschen sei, sei dies rechtlich unzutreffend. Sowohl hinsichtlich der von der Beklagten angeblich im Jahre 2008 an das Versicherungsunternehmen zuviel erbrachten Zahlungen in Höhe von 240,00 €, als auch hinsichtlich der auf einen weiteren Versicherungsvertrag im Zeitraum September 2009 bis Februar 2010 erfolgten Zahlung in Höhe von 876,00 € handele es sich aufgrund der bestehenden Altersversorgungszusage im Wege der Direktversicherung um eine Leistung der Beklagten an das Versicherungsunternehmen, so dass ein aufrechenbarer Rückforderungsanspruch gegenüber der Klägerin nicht bestehe.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des am 11.05.2011 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - 4 Ca 2518/10 - die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.854,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, einen Betrag in Höhe von 800,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen.
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Hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 1.854,00 € an die X.-Pensionskasse AG auf den Vertrag mit der Nr. 00000 für die Monate Januar bis einschließlich September 2009 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung im Schriftsatz vom 21.09.2011, auf den wegen der Einzelheiten ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 181 ff. d. A.).
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Das Arbeitsgericht sei zutreffend von der Rechtswirksamkeit der Erklärungen in der "Veränderungsanzeige Leben" ausgegangen. Den Nachweis eines Blankett-missbrauchs habe die Klägerin nicht geführt. Einer Parteivernehmung der Klägerin hierzu habe es nicht bedurft. Eine solche sei auch prozessual nicht zulässig.
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Unzutreffend sei auch, dass die Beklagte Vertragspartnerin des Versicherungsunternehmens gewesen sei. Vertragspartnerin sei vielmehr die Klägerin. Deshalb bestehe unter dem Gesichtspunkt der Überzahlung ein Rückforderungsanspruch gegenüber der Klägerin, mit dem wirksam aufgerechnet worden sei. Diese Leistungen habe die Klägerin auch ohne Rechtsgrund erhalten. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung scheide aus.
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Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
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Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechend begründet.
II.
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In der Sache hat die Berufung der Klägerin nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang erfolg.
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1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 1.116,00 € netto nebst Zinsen zu.
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Für die Monate Januar bis September 2009 bestand zugunsten der Klägerin zunächst ein Vergütungsanspruch in Höhe von 186,00 € brutto monatlich aus § 611 BGB in Verbindung mit der vertraglichen Vergütungsvereinbarung. Die Parteien haben durch die "Veränderungsanzeige Leben" rechtswirksam die zuvor vereinbarte Gehaltsumwandlung aufgehoben. Wird aber eine Umwandlungsvereinbarung aufgehoben, besteht ein Vergütungsanspruch auf die Differenz zu der Vergütung, die ursprünglich, d. h. vor Abschluss der Umwandlungsvereinbarung arbeitsvertraglich maßgeblich war (vgl. Lohmeyer, NZA 2001, 281, 290).
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Es liegt eine rechtlich wirksame Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Klägerin über die Beendigung der vereinbarten Entgeltumwandlung vor. Die abredewidrige Ausfüllung eines Blanketts führt nicht ohne weiteres zur Unwirksamkeit der dort enthaltenen Erklärungen. Die abredewidrige Ausfüllung begründet ggf. ein Recht, die in dem Blankett enthaltene Willenserklärung unter dem Gesichtspunkt des Irrtums nach § 119 Abs. 1 BGB anzufechten (vgl. etwa PWW, BGB, 6. Auflage, § 119 Rz. 18).
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Eine demnach mögliche Anfechtung muss allerdings nach § 121 Abs. 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die Darlegungslast für die Wahrung dieser Frist trägt der Anfechtende (PWW, a.a.O., § 122 Rz. 7). Vorliegend hatte die Klägerin spätestens Anfang Dezember 2010 aufgrund des Schreibens des Versicherungsunternehmens vom 01.12.2010 Kenntnis davon, dass in Vollzug der Veränderungsanzeige der Versicherungsvertrag nunmehr als Versicherung der Klägerin und nicht mehr als Direktversicherung fortgeführt wurde. Eine Anfechtungserklärung der Klägerin kann allenfalls in deren Schriftsatz vom 07.04.2011 (Bl. 66 ff. d. A.) gesehen werden, in welchem sie sich im vorliegenden Verfahren erstmals auf die nach ihrer Darstellung abredewidrige Ausfüllung des Formulars berief. Dies aber stellt keine unverzügliche Anfechtungserklärung dar. Dass die Klägerin bereits vor diesem Zeitpunkt eine Anfechtung der in der "Veränderungsanzeige Leben" enthaltenen Willenserklärung erklärt hätte, ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
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Allerdings war die Beklagte gehalten, von diesen Differenzvergütungsansprüchen die sich ergebenden gesetzlichen Steuern und Sozialversicherungsabgaben abzuführen. Als normales Arbeitsentgelt galten für diese Abzüge keine Begünstigungen mehr. Nach der von der Klägerin ihrerseits nicht substantiiert bestrittenen Rückrechnung (vgl. die Anlagen zum erstinstanzlichen Schriftsatz vom 25.02.2011 (Bl. 50 ff. d. A.) ergab sich unter Berücksichtigung der vorzunehmenden Abzüge ein der Klägerin noch zustehender Nettobetrag in Höhe von 840,92 €.
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Die Klägerin ist auch der Behauptung der Beklagten nicht entgegengetreten, dass die in den Rückrechnungen aufgeführten Abzüge für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge an die zuständigen Stellen abgeführt wurden und insoweit Erfüllung eingetreten ist, so dass der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Differenzvergütung für den Zeitraum Januar bis September 2009 auch nur ein Anspruch in Höhe des genannten Nettobetrages von 840,92 € zustand.
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Für August 2009 ergibt sich zugunsten der Klägerin entsprechend der Lohn- und Gehaltsabrechnung 08.2009 (Bl. 50 d. A.) noch ein Entgeltfortzahlungsanspruch in Höhe von 289,27 € netto. Der in dieser Abrechnung als Abzugsposition enthaltene Teilbetrag in Höhe von 186,00 €, dessen Abzug nach Aufhebung der Gehaltsumwandlungsvereinbarung nicht mehr gerechtfertigt war, ist bereits in dem zuvor genannten Betrag in Höhe von 840,92 € netto berücksichtigt. Auch bezüglich des noch bestehenden Anspruchs für August 2009 hat die Klägerin nicht substantiiert bestritten, dass die dort aufgeführten steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Abzüge von der Beklagten an die zuständigen Stellen abgeführt wurden. Auch diesbezüglich besteht daher nur noch ein Nettoanspruch der Klägerin.
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2. Der demnach der Klägerin insgesamt zustehende Zahlungsanspruch in Höhe von 1.130,19 € netto ist nicht durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung nach § 389 BGB erloschen. Die Aufrechnung der Beklagten ist nach § 394 BGB in Verbindung mit § 850 c ZPO unzulässig. Soweit die Beklagte gegenüber dem Entgeltfortzahlungsanspruch der Klägerin für August 2009 die Aufrechnung erklärt hat, ergibt sich aus der korrigierten Gehaltsabrechnung für August 2009 (Bl. 59 d. A.) ein Nettovergütungsanspruch der Klägerin in Höhe von 582,81 € für den Zeitraum 01. bis 16.08.2009 (Ende der Entgeltfortzahlungspflicht). Hieraus rechnet sich ein arbeitstäglicher Nettoverdienst von 36,42 €. Bei diesem Betrag verblieb kein pfändbares Arbeitseinkommen mehr, so dass die Aufrechnung an § 394 BGB scheitert.
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Entsprechendes gilt hinsichtlich der Aufrechnung gegenüber den Restvergütungsansprüchen der Klägerin im Zeitraum Januar bis Juli 2009. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Gehaltsabrechnungen erzielte die Klägerin in den genannten Monaten einen Monatsnettoverdienst, der sich zwischen 959,70 € und maximal 992,49 € bewegte. Nach der Tabelle zu § 850 c ZPO unterlag dieses Arbeitseinkommen ebenfalls nicht der Pfändung. Eine Aufrechnung ist daher unzulässig.
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3. Nachdem der Klägerin durch das Urteil des Arbeitsgerichts gemäß Ziffer 2 ein Teilbetrag von 14,19 € netto bereits zugesprochen wurde, war die Beklagte demnach zur Zahlung von weiteren 1.116,00 € netto nebst Zinsen zu verurteilen. Der ausweislich des Tenors zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 291 BGB. Ein weitergehender Zahlungsanspruch der Klägerin besteht hingegen nicht, so dass die weitergehende Berufung zurückzuweisen war.
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4. Die Berufung hat auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg. Der Klägerin steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.854,00 € an das im Antrag genannte Versicherungsunternehmen zugunsten des für die Klägerin dort bestehenden Vertrages zu. Wie bereits ausgeführt, wurde der genannte Versicherungsbetrag unter gleichzeitiger Aufhebung der Entgeltumwandlungsvereinbarung mit Wirkung ab dem 01.01.2009 rechtswirksam auf die Klägerin übertragen. Die Beklagte war daher ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Ein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 72 Abs. 2 besteht nicht.
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