Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (11. Kammer) - 11 Sa 534/11

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Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 01.07.2011, Az. 8 Ca 1757/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Rahmen einer Kündigungsschutzklage vorrangig über die Frage, ob ihr Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis oder als freies Handelsvertreterverhältnis einzuordnen ist.

2

Die 1969 geborene, verheiratete und 2 Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist seit dem 01.01.2008 bei der Beklagten als Immobilienberaterin tätig. Die Beklagte ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Z und Geschäftsgebiet in Rheinland-Pfalz. Sie beschäftigt derzeit ungefähr 290 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Innendienst sowie ungefähr 240 selbständige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Außendienst.

3

Der schriftliche Vertrag der Parteien 31.10.2007 / 03.01.2008 ist als Handelsvertreter-Vertrag überschrieben und beinhaltet folgende Regelungen:

4

"I. Aufgaben des Handelsvertreters
§ 1

Der Handelsvertreter wird für die Bausparkasse gemäß § 84 Abs. 1 HGB hauptberuflich tätig. Er ist in der Ausgestaltung seiner Tätigkeit und in der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei. Ein Angestelltenverhältnis wird durch diesen Vertrag nicht begründet.
Der Handelsvertreter ist für die ordnungsgemäße Anmeldung seines selbstständigen Handelsgewerbes und die Erfüllung seiner daraus resultierenden steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen selbst verantwortlich. Er wird seine Altersversorgung und seinen Versicherungsschutz nach eigenem Ermessen regeln. Krankheit und Urlaub sowie deren voraus-sichtliche Dauer zeigt er der Bausparkasse an.
Der Handelsvertreter vermittelt (in der maklerüblichen Vermittlungs- und Nachweistätigkeit) im Namen und Auftrag der L-GmbH… auf der Grundlage der in den Maklerverträgen getroffenen Vereinbarungen den Abschluss von Verträgen über bebaute und unbebaute Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, Wohnräume und gewerbliche Räume.
Zu diesem Zweck betreibt er eine planmäßige und intensive Akquisition. Hierbei bemüht er sich darum, den Alleinauftrag zu erhalten.
Außerdem kann der Handelsvertreter Bausparverträge oder sie im Namen und für Rechnung der Bausparkasse aufgrund einer besonderen Bevollmächtigung abschließen.
(…)
Der Handelsvertreter hat seine Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen. Er verpflichtet sich, mit dem zuständigen Bezirksdirektor, dessen weiteren Mitarbeitern sowie den dort eingesetzten Handelsvertretern eng zusammenzuarbeiten. Werbemaßnahmen sind mit dem Bezirksdirektor und der Bausparkasse abzustimmen.
Der Handelsvertreter bedient sich nur der von L-GmbH zur Verfügung gestellten Maklerverträge und Formulare.
(…)

5

§ 2
Der Handelsvertreter firmiert im Geschäftsverkehr wie folgt:
xxx
(Vorname, Zuname)
L-Immobilienberater der L- GmbH,
xxx
(Anschrift)
(…)

6

§ 3
Der Handelsvertreter wird in der Regel mit den Immobilien- sowie den Bausparinteressenten und Bausparern mündlich verhandeln. Immobilien-Verkaufsaufträge gibt der Handelsvertreter unmittelbar und unverzüglich an den L-Bezirksdirektor weiter. (…)
Die Bausparkasse ist berechtigt, Durchschriften der geschäftlichen
Korrespondenz mit Immobilien- und Bausparinteressenten, Bausparern und Kooperationspartnern zu verlangen.

7

§ 5
Während der Vertragsdauer darf der Handelsvertreter keinen Wettbewerb und keine Tätigkeit zum Nachteil der Bausparkasse und der L-GmbH sowie deren abhängigen Gesellschaften bzw. Unternehmen ausüben und nicht - auch nicht mittelbar - begünstigen. (…)

8

III. Provisionen
§ 7
Der Handelsvertreter erhält Provisionen nach den Provisionsrichtlinien der Bausparkasse. (…)

9

§ 9
(1) Zur Abgeltung seiner Kosten erhält der Handelsvertreter ein Fixum. (…)

10

Die Beklagte führt für die Klägerin ein Provisionskonto, auf dem regelmäßig die vereinbarten Provisionsvorauszahlungen in Abzug gebracht und die von der Klägerin erwirtschafteten Provisionen gutgeschrieben werden. Die Klägerin erhielt zuletzt ein monatliches Fixum von 1.161,-- EUR sowie monatliche Provisionsvorauszahlungen von 1.339,-- EUR. Ihrem Provisionskonto wurden durchschnittlich ca. 5.000,-- EUR im Monat gutgeschrieben.

11

Die Beklagte hat für den Kunden-, Interessenten- und Publikumsverkehr in Y ein Büro angemietet. Der regelmäßige Betrieb dieses Büros wird durch die Vertriebsassistentin Frau X organisiert und gewährleistet. In dem Büro stand der Klägerin ein Arbeitsplatz zur Verfügung.

12

Am 12.01.2010 führte die Beklagte in W einen Neujahrsempfang mit einer zuvor angekündigten Dauer von 3 Stunden durch. Sie gab der Klägerin die Vorgabe, dass ihre Anwesenheit zu diesem Termin Pflicht sei.

13

Am 13.01.2010 lehnte die Klägerin die zuvor ergangene Einladung der Beklagten zu einer Immobilienberater-Besprechung per E-Mail ab.

14

Per E-Mail wurde die Klägerin durch die Gebietsassistentin im Auftrag des Bezirksdirektors zu einem Teamgespräch am 09.03.2010 von 10:30 Uhr bis 12 Uhr in die Bezirksdirektion Y eingeladen. Die E-Mail endete mit dem Satz „Die Teilnahme aller wird vorausgesetzt.“ Die Klägerin nahm an diesem Termin nicht teil.

15

Eine weitere Einladung der Beklagten erfolgte zu einer Führungskreisbesprechung am 22.03.2010. An diesem Termin nahm die Klägerin nicht teil.

16

Am 04.05.2010 fand in W ein Gespräch zwischen dem Bezirksdirektor und der Klägerin statt. Das Treffen wird im hierüber geführten Protokoll als Personalgespräch bezeichnet.

17

Am 11.05.2010 nahm die Klägerin an einer Immobilienberater-Runde von 9:30 Uhr bis 13 Uhr teil.

18

Mit E-Mail vom 13.07.2010 wurde der Klägerin von der Beklagten mitgeteilt, dass in Zukunft auch die Immobilien-Verkäufer einen Finanzcheck machen sollen. Zur Umsetzung wurde vorgeschlagen, dass der Kunde beim 2. Einkaufstermin zum Termin ins Büro gebeten wird, um gleichzeitig über die Finanzen mit dem zuständigen Finanzberater zu sprechen.

19

Im Juli 2010 fand ein Gespräch zwischen den Parteien über die Durchführung eines Bürotages durch die Klägerin statt. Der Bürotag sollte dienstags stattfinden und ab dem 10.08.2010 durch die Klägerin wahrgenommen werden. An einem Dienstag im August 2010 nahm die Klägerin an einer Einschulung teil und war nicht im Büro.

20

Mit Schreiben vom 17.08.2010 übersendete die Beklagte der Klägerin eine Anlage mit der Bezeichnung „3. Tertial 2010 – Meine Vertriebsmaßnahmen“ und bat sie um eine detaillierte Dokumentation ihrer persönlichen Vertriebsziele und der damit verbundenen Aktivitäten bis 13.08.2010. Die Klägerin sendete die Anlage nicht zurück.

21

Mit E-Mail vom 19.08.2010 wurde die Klägerin zu einer Teambesprechung am 24.08.2010 von 9:30 Uhr bis ca. 16 Uhr eingeladen.

22

Ab Anfang September 2010 war die Klägerin für einen längeren Zeitraum erkrankt.

23

Mit ihrer am 07.09.2010 beim Arbeitsgericht Mainz eingegangen Klage richtete sich die Klägerin zunächst gegen eine mündliche Kündigung der Beklagten vom 18.08.2010. Nachdem die Beklagte im Prozess erklärt hat, dass eine solche Kündigung nicht erfolgt sei, hat die Klägerin den Antrag fallengelassen.

24

Mit Schreiben vom 24.09.2010 kündigte die Beklagte den Handelsvertretervertrag zum 31.12.2010.

25

Hierauf erweiterte die Klägerin ihre anhängige Klage mit Schriftsatz vom 04.10.2010, eingegangen am 06.10.2010.

26

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Rechtsverhältnis mit der Beklagten um ein Arbeitsverhältnis handele, so dass die arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften auf sie zur Anwendung kämen. Es lägen keine Kündigungsgründe im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes vor.

27

Für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sprächen insbesondere folgende Umstände:

28

Sie sei von der Beklagten angewiesen worden, dienstags von 9 -18 Uhr ganztägig den Bürodienst in der Niederlassung der Beklagten in Y wahrzunehmen. Wenn die Mitarbeiterin Frau X nicht im Büro gewesen sei, habe sie zudem die Aufgabe gehabt, gemeinsam mit Frau V und Frau U den Betrieb sicherzustellen. So habe sie am 21. und 22.12.2009 das Büro in Y zu besetzen gehabt. Darüber hinaus habe die Beklagte Termine festgesetzt, zu denen sie habe erscheinen müssen, obwohl sie nach dem Handelsvertretervertrag hierzu nicht verpflichtet gewesen sei. Sie arbeite gegenüber der Beklagten weisungsgebunden. Herr T, der Bezirksdirektor der Beklagten, erteile ihr ständig Arbeitsweisungen, die sie zu befolgen habe. Sie habe auch administrative Aufgaben auszuführen gehabt, z.B. die Hauptausbildung der Auszubildenden durchzuführen. Auf Anweisung durch die Beklagte habe sie jeweils einen Finanzierungscheck bei Interessenten durchgeführt. Regelmäßig habe sie über ihre Arbeit für die Beklagte umfassend berichten müssen. Über jeden Termin habe sie Rückmeldung an den Bezirksleiter, Herrn T, halten müssen. Alle Aufträge seien vor der Freigabe zur Prüfung an den Bezirksleiter zu geben gewesen.

29

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

30

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 24. September 2010, zugegangen am 30. September 2010, nicht aufgelöst worden ist;
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 18. August 2010 hinaus fortbesteht;
die Beklagte zu verurteilen, ihr ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt;
hilfsweise für den Fall, dass der Feststellungsantrag zu Ziffer 1. abgewiesen wird,
die Beklagte zu verurteilen, ihr ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt;
festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.

31

Die Beklagte hat beantragt,

32

die Klage abzuweisen.

33

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass zwischen den Parteien sowohl nach dem Vertragswortlaut als auch nach der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses ein freies Handelsvertreterverhältnis bestanden habe, welches sie mit der Kündigung vom 24.09.2010 wirksam zum 31.12.2010 beendet habe.

34

Im Büro in Y habe man der Klägerin einen Bedarfsarbeitsplatz zur Verfügung gestellt, den die Klägerin nach eigenen Vorstellungen habe nutzen können. Da die Klägerin ab dem 2. Quartal 2010 zunehmend immer schwieriger zu erreichen gewesen sei, sei die Beklagte mit dem Wunsch auf sie zugetreten, einen festen Tag zu benennen, an dem sie sicher im Büro erreichbar wäre. Auf die Durchführung eines Bürotags in Y hätten sich die Parteien dann einverständlich geeinigt. Dennoch sei die Klägerin nicht ganztägig dienstags im Büro anwesend gewesen. Sie habe ihren Aufenthaltsort und die Arbeitszeit frei bestimmt, ohne sich irgendwo an- oder abzumelden. Die Einladungen der Beklagten zu Besprechungen und Veranstaltungen seien bis auf die Einladung zum Neujahrsempfang für die Klägerin nicht verpflichtend gewesen. Vorgaben und Erwartungshaltungen der Beklagten hätten nicht existiert.

35

Das Arbeitsgericht Mainz hat die Klage mit Urteil vom 01.07.2011 in Bezug auf Antrag Ziffer 2 als unzulässig, im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis, sondern ein freies Handelsvertreterverhältnis bestanden habe. Die Klägerin habe sowohl ihre Arbeitszeit als auch ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei bestimmen können. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 14 bis 25 des erstinstanzlichen Urteils vom 01.07.2011 (Bl. 290 - 302 d.A.) Bezug genommen.

36

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 15.08.2011 zugestellt worden. Sie hat mit am 15.09.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 15.11.2011 verlängerten Begründungsfrist am 15.11.2011 begründet.

37

Die Klägerin trägt vor, sie sei gerade nicht im Wesentlichen frei gewesen hinsichtlich ihrer Arbeitszeitgestaltung. Vielmehr habe die Beklagte sie angewiesen, dienstags einen ganztägigen Bürotag wahrzunehmen. Unabhängig davon, wie oft dieser Bürotag tatsächlich praktiziert worden sei, läge hierin eine ganz erhebliche Einschränkung der angeblich freien Arbeitszeiteinteilung.

38

Das Arbeitsgericht habe ihren Vortrag nicht berücksichtigt, wonach sie im Fall der Abwesenheit von Frau X den Bürobetrieb in Y mitorganisieren und sicherstellen musste. Auch an Feiertagen hätte sie die Besetzung des Büros gewährleisten müssen.

39

Ihre Verpflichtung zur Teilnahme an Veranstaltungen der Beklagten sei vom Arbeitsgericht nicht in einen Gesamtzusammenhang gesetzt worden.

40

Das Arbeitsgericht habe nur eine Einzelbetrachtung ihrer Ausführungen vorgenommen und sie nicht in einer Gesamtschau gewürdigt.

41

Sie habe ihre Tätigkeit auch nicht im Wesentlichen frei gestalten können, da ihre Tätigkeit umfassend kontrolliert worden sei. Über jede ihrer Tätigkeiten habe sie laufend Bericht erstatten müssen, so dass es entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht auf die Angabe von zeitlichen Abständen ihrer Berichtspflicht ankommen könne.

42

Zu der angeordneten Berichterstattung habe auch der vorgeschriebene Finanzierungscheck gehört, wodurch viele Interessenten von vornherein abgeschreckt worden seien.

43

Hierbei habe es sich auch um keine singuläre Weisung gehandelt. Vielmehr seien ständig mehrmals am Tag Weisungen des Bezirksdirektors ihr gegenüber erfolgt.

44

Das Arbeitsgericht habe sich nicht mit der vorgelegten Vertriebsvereinbarung und mit der Anordnung der Beklagten zur Ausbildung der Auszubildenden auseinandergesetzt.

45

Auch habe keine Berücksichtigung gefunden, dass ihr sämtliches eigenes Marketing untersagt worden sei.

46

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 01.07.2011, Az. 8 Ca 1757/10, wird für Recht erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 24. September 2010, zugegangen am 30. September 2010, nicht aufgelöst worden ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt;
Hilfsweise wird für den Fall, dass der Feststellungsantrag zu Ziffer 1. abgewiesen wird, folgender Antrag gestellt:

48

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

49

Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.

50

Die Beklagte beantragt,

51

die Berufung zurückzuweisen.

52

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Angriffe der Klägerin gegen das Urteil nicht vermögen, die Wertung des Gerichts in Zweifel zu ziehen. Obwohl das Arbeitsgericht mehrfach auf fehlende Substantiierung des Vortrags verwiesen habe, habe die Klägerin in der Berufungsbegründung keine Konkretisierung ihres Vortrags vorgenommen.

53

Ergänzend wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

54

A. Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

55

B. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

56

I. Soweit die Klage teilweise in Bezug auf den allgemeinen Feststellungsantrag der Klägerin nach § 256 ZPO durch das Arbeitsgericht als unzulässig abgewiesen worden ist, hat die Klägerin dies akzeptiert und hiergegen keine Berufung eingelegt.

57

II. Im Übrigen ist die Klage auch in Bezug auf die begehrte Statusfeststellung unter Antrag Ziffer 4 unzulässig.

58

1. Im bestehenden Vertragsverhältnis hat der Beschäftigte jederzeit ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass seine Rechtsstellung als Arbeitnehmer alsbald festgestellt wird. Denn mit dieser Feststellung kommen ab sofort die zwingenden gesetzlichen Vorschriften zur Anwendung, die ein Arbeitsverhältnis rechtlich gestalten.

59

2. Hier kommt dem Antrag auf Statusfeststellung kein eigenständiges Rechtsschutzinteresse mehr zu, nachdem die Beklagte das Rechtsverhältnis gekündigt und die Klägerin hiergegen Kündigungsschutzklage erhoben hat. Im Rahmen des Kündigungsschutzantrags ist als Vorfrage bereits zu klären, ob zwischen den Parteien bei Zugang der Kündigungserklärung ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der Statusfeststellungsantrag geht daher in dem Kündigungsschutzantrag mit auf.

60

III. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nach den Grundsätzen der sic-non-Fälle eröffnet, § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG.

61

1. Kann die vor dem Arbeitsgericht in einer bürgerlichrechtlichen Streitigkeit erhobene Klage nur dann Erfolg haben, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist (sog. sic-non-Fall), reicht die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus (BAG 24.04.1996 - 5 AZB 25/95 - BAGE 83, 40).

62

2. Die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit ist hier gegeben, da sich die Klägerin gegen die ordentliche Kündigung des Rechtsverhältnisses wendet, das sie selbst für ein Arbeitsverhältnis, die Beklagte dagegen für ein freies Dienstverhältnis hält.

63

IV. Zutreffend hat das Arbeitsgericht das Rechtsverhältnis der Parteien nicht als Arbeitsverhältnis eingeordnet. Die Klägerin war sowohl nach dem Vertretervertrag vom 31.10.2007/03.01.2008 als auch nach dessen praktischer Durchführung selbständige Handelsvertreterin iSd. § 84 Abs. 1 HGB.

64

Das Rechtsverhältnis konnte daher unter Wahrung der in § 11 Abs.2 des Handelsvertretervertrags vereinbarten Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Monatsende gekündigt werden.

65

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur Urteil vom 20.01.2010 – 5 AZR 106/09 – AP Nr. 120 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Rn. 18 m.w.N.) ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

66

In Abgrenzung hierzu ist Handelsvertreter nach der Legaldefinition des § 84 Abs. 1 S. 1 HGB, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Auch im Rahmen von § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB sind alle Umstände des Falls in Betracht zu ziehen und schließlich in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Die heranzuziehenden Anknüpfungspunkte müssen sich den gesetzlichen Unterscheidungsmerkmalen zuordnen lassen. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend. Das bedeutet aber nicht, dass die Vertragstypenwahl der Parteien gänzlich bedeutungslos wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BAG 09.06.2010 - 5 AZR 332/09 - AP Nr 121 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Rn. 19)

67

2. Das Arbeitsgericht hat unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze die Klägerin zu recht als freie Handelsvertreterin angesehen.

68

a) Die Klägerin konnte im Wesentlichen frei ihre Arbeitszeit bestimmen.

69

aa) Der Vertretervertrag der Parteien enthält weder Vorgaben zur wöchentlichen Arbeitszeit noch zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Klägerin. Sie war frei darin, wie sie ihr Tagesgeschäft gestaltete, wann sie Büroarbeiten im Innendienst durchführte, wann sie ihre Kunden kontaktierte und Termine mit ihnen absprach. Dass sie die Kunden nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit aufsuchen konnte, sondern sich hierbei auch nach deren Vorstellungen zu richten hatte, ändert hieran nichts. Ein derartiger faktischer Zwang berührt die Möglichkeit der freien Bestimmung der Arbeitszeit gemäß § 84 Abs. 1 S 2 HGB nicht (BAG 15.12.1999 - 5 AZR 770/98 - AP Nr. 6 zu § 92 HGB, Rn. 43), denn mit freier Bestimmung der Arbeitszeit ist nur die (rechtliche) Freiheit gegenüber dem Unternehmer gemeint.

70

bb) Soweit die Klägerin darauf verweist, dass sie angewiesen worden sei, dienstags ganztägig von 9 bis 18 Uhr im Büro in Y zu arbeiten, steht dies aus verschiedenen Gründen der im wesentlichen vorhandenen freien Arbeitzeiteinteilung nicht entgegen.

71

(1) In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, dass die Anordnung, an einem bestimmten Wochentag an einer Besprechung teilzunehmen, keinen so gravierenden Eingriff darstellt, dass er mit dem Status eines Selbständigen unvereinbar wäre (BAG 15.12.1999 - 5 AZR 169/99 - BAGE 93, 132). Selbst bei einer wöchentlichen Anwesenheitspflicht in der Geschäftsstelle von 4 Stunden besteht schon quantitativ keine zeitliche Bindung, die die Arbeitnehmereigenschaft begründen könnte (BAG 15.12.1999 – 5 AZR 566/98 – zitiert nach juris, Rn. 25).

72

(2) Die hier von der Klägerin behauptete Anwesenheitspflicht von 9 Stunden an jedem Dienstag ginge quantitativ über die oben angeführten Fallgestaltungen hinaus. Es kann hier jedoch dahingestellt bleiben, ob bei einer solchen Anwesenheitspflicht noch von einer freien Arbeitszeitgestaltung ausgegangen werden kann.

73

Denn zum einen ist unstreitig, dass der Bürotag erst ab dem 10.08.2010 umgesetzt werden sollte und die Klägerin ab Anfang September 2010 durch ihre Erkrankung nicht mehr gearbeitet hat. An einem Dienstag im August 2010 nahm sie an einer Einschulungsfeier teil und war aus diesem Grund nicht im Büro. In der Berufungsbegründung räumt die Klägerin ein, dass der Bürotag von ihr faktisch nur wenige Male ausgeführt werden konnte. Sie legt nicht konkret dar, an welchen Dienstagen sie tatsächlich von wann bis wann im Büro gearbeitet hat. Insofern können diese wenigen Tage nicht charakteristisch für die rechtliche Einordnung des Rechtsverhältnisses der Parteien herangezogen werden.

74

Zum anderen ist die Klägerin dem Vortrag der Beklagten, wonach man sich einvernehmlich auf den Bürotag verständigt habe, nicht ausreichend entgegengetreten. Sollten sich die Parteien einvernehmlich auf einen Bürotag geeinigt haben, läge hierin keine Einschränkung der Arbeitszeitsouveränität der Kläger. Sie trägt für das Vorliegen einer einseitigen Anweisung durch die Beklagte die Darlegungslast. Bereits das Arbeitsgericht hatte zu recht darauf hingewiesen, dass die Klägerin nicht konkret dargelegt hat, wann ihr der Bezirksdirektor mit welchem genauen Inhalt eine entsprechende Anweisung erteilt hat. Trotz dieses Hinweises verbleibt es in der Berufungsbegründung bei dem pauschal gehaltenen Vortrag, die Beklagte habe einen ganztägigen Bürotag angewiesen.

75

cc) Die von der Klägerin behauptete Verpflichtung zur Mitorganisation des Bürobetriebs in Y im Falle der Abwesenheit der Mitarbeiterin X ist seitens der Beklagten bestritten worden. Es hätte daher der darlegungspflichtigen Klägerin oblegen, ihren Vortrag zu konkretisieren, indem sie vorträgt, wann Frau X nicht im Büro war, wer sie daraufhin zum Aufrechterhalt des Bürobetriebs angewiesen hat und welche zeitliche Inanspruchnahme hieraus für sie resultierte. Erst aus dem gesamten Umfang der zu benennenden Zeiten ließe sich folgern, ob hierin eine wesentliche Beeinträchtigung der Arbeitszeitsouveränität der Klägerin gelegen haben kann. Die Klägerin hat lediglich den 21./22.12.2009 benannt. An diesen beiden Tagen war sie im Büro. Dies beinhaltet keine wesentliche Einschränkung der freien Arbeitszeitgestaltung.

76

dd) Auch die von der Klägerin angeführten Verpflichtungen zur Teilnahme an Veranstaltungen führen nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung ihrer Arbeitszeitsouveränität. Das Arbeitsgericht hat die von der Klägerin benannten Veranstaltungen aufgeführt und auch in ihrer Gesamtheit gewürdigt. Der Teilnahme an diesen Veranstaltungen der Beklagten wurde zu recht kein wesentliches Gewicht beigemessen, weil die Klägerin weder zum Inhalt noch zur damit verbundenen zeitlichen Inanspruchnahme ausreichend konkret vorgetragen hat. In der verbindlichen Teilnahme an Besprechungsterminen liegt zwar eine Beeinträchtigung der Freiheit zur Bestimmung der Lage der Arbeitszeit. Aber selbst eine Anordnung, jede Woche an einem bestimmten Wochentag an einer Besprechung teilzunehmen, stellt keinen so gravierenden Eingriff dar, dass er mit dem Status eines Selbständigen unvereinbar wäre (BAG 09.06.2010 a.a.O Rn. 25 unter Hinweis auf BAG 15.12.1999 - 5 AZR 169/99 - zu B II 2 a aa der Gründe, BAGE 93, 132). Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass sie wöchentlich zu Terminen und Veranstaltungen eingeladen worden wäre. Vielmehr hat sie für die Dauer von 8 Monaten nur 6 konkrete Termine benannt (09.03.2010; 04.05.2010; 11.05.2010; 24.08.2010; 22.03.2010; 12.01.2010). Selbst diese 6 Termine hat sie nicht alle wahrgenommen. Sie erschien nicht zum Teamgespräch am 09.03.2010 und auch nicht zur Führungskreisbesprechung am 22.03.2010.

77

ee) Die von der Klägerin vorgetragenen Einschränkungen der freien Arbeitszeitgestaltung erreichen auch in ihrer Gesamtheit betrachtet keinen erheblichen Umfang.

78

b) Die Klägerin hat ihre Tätigkeit auch im Wesentlichen frei gestalten können.

79

aa) Sie war zwar nach § 3 des Handelsvertretervertrags verpflichtet, Immobilienverkaufsaufträge unmittelbar und unverzüglich an ihren Bezirksdirektor weiterzugeben und auf Verlangen Durchschriften der geschäftlichen Korrespondenz mit Immobilien- und Bausparinteressenten, Bausparern und Kooperationspartnern herauszugeben. Hierin liegt jedoch lediglich eine vertragliche Konkretisierung der gesetzlichen Pflichten aus § 86 Abs. 2 HGB, wonach der Handelsvertreter dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen hat. Diese Verpflichtungen stehen einer selbständigen Tätigkeit nicht entgegen, da ein Handelsvertreter schon per Legaldefinition des § 84 Abs. 1 S. 1 HGB fremde Geschäfte für den Unternehmer lediglich vermittelt. Berechtigt und verpflichtet wird aus dem vermittelten Geschäft allein der vertretene Unternehmer.

80

bb) Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie darüber hinaus über jede Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss sowie über sämtliche Aktivitäten laufend Bericht erstatten musste, ist dieser Vortrag zu pauschal und entbindet sie nicht von ihrer Verpflichtung, im Einzelnen darzulegen, wie diese Berichtspflicht konkret ausgesehen hat.

81

(1) Im Gegensatz zum Arbeitnehmer, der einer umfassenden Kontrolle unterliegt, braucht sich der Selbständige Kontrollen nicht in gleichem Maße gefallen zu lassen. Allerdings besteht die gesetzliche Verpflichtung des Handelsvertreters nach § 86 Abs. 2 HGB, dem Unternehmer „die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen“. Was unter den Begriff "erforderliche Nachrichten" fällt, bestimmt sich unter sachgerechter Abwägung der Interessen des Mitarbeiters danach, was das objektive Interesse des Unternehmers nach Besonderheit und Dringlichkeit des Falles erfordert ( BGH 24.09.1987 - I ZR 243/85 - WM 1988, 33). Der Grad zulässiger Kontrolle ist überschritten, wenn der Betroffene verpflichtet wird, umfangreich über seine Tätigkeit Bericht zu erstatten, und das Versicherungsunternehmen damit die Möglichkeit hat, ihn zu überprüfen und durch entsprechende Sanktionsmöglichkeiten sicherzustellen, dass ein bestimmtes Mindestsoll erfüllt wird (Hanau/Strick, DB 1998 Beilage Nr. 14, S. 9/10).

82

Das Verlangen des Unternehmers nach der Vorlage von Wochenberichten geht über die gesetzliche Berichtspflicht nach § 86 Abs. 2 HGB nicht hinaus (BAG 15.12.1999 - 5 AZR 169/99 – zitiert nach juris, Rn. 88). Eine solche Weisung vermag die selbstbestimmte Gestaltung der Tätigkeit solange nicht zu beeinträchtigen, wie der Handelsvertreter seine Planung ohne verbindliche Vorgaben des Unternehmers eigenständig vornehmen kann (BAG 09.06.2010 - 5 AZR 332/09 – zitiert nach juris, Rn. 30). Hingegen wird eine tägliche Berichtspflicht als mit der Selbständigkeit des Handelsvertreters nicht mehr vereinbar angesehen (Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., 2010, Rn. 42).

83

(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es daher ganz entscheidend darauf an, in welchen zeitlichen Abständen die Berichtspflicht von ihr wahrzunehmen war. Der von ihr gewählte Begriff der laufenden Berichterstattung ist nicht hinreichend aussagekräftig. Eine laufende Berichterstattung kann sowohl eine regelmäßige wöchentliche oder eine regelmäßige tägliche Berichtspflicht beinhalten. Die Klägerin hätte konkret darlegen müssen, wie die laufende Berichtspflicht inhaltlich ausgestaltet war, also mit wem sie auf welche Art und Weise in welchem Rhythmus mit welchem Inhalt kommuniziert hat.

84

cc) Der selbständigen Tätigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin mit E-Mail vom 13.07.2010 dazu angehalten worden ist, jeweils einen Finanzierungscheck bei Interessenten durchzuführen. Die Kenntnis der finanziellen Situation der Interessenten liegt im berechtigten Interesse der Beklagten, da sie aus den von der Klägerin vermittelten Geschäften berechtigt und verpflichtet wird. Sie hat über die Annahme bzw. Ablehnung eines Geschäftes zu entscheiden und braucht für diese Entscheidung Informationen über die Finanzkraft des Vertragspartners.

85

Die Durchführung des Finanzchecks führt auch zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung der Tätigkeit der Klägerin. Hiermit wurden keine potentiellen Kunden von vornherein abgeschreckt. Denn die Beklagte erwartete nicht, dass die Finanzen von den Interessenten schon vor der ersten Besichtigung eines Objektes offenbart werden, sondern erst im zweiten Einkaufstermin, also zu einem Zeitpunkt, in dem sich das Kaufinteresse an der jeweiligen Immobilie schon manifestiert hat.

86

Nach dem Einwand der Beklagten, dass es nie zu einem Finanzcheck durch die Klägerin gekommen sei, wären auch hier konkrete Angaben der Klägerin erforderlich gewesen, wann sie den Finanzcheck tatsächlich bei welchen Kunden durchgeführt hat.

87

dd) Die von der Beklagten unter Datum vom 17.08.2010 übersendete Vertriebsvereinbarung über die Vertriebsmaßnahmen im 3. Tertial 2010 (Bl. 94) kann von der Klägerin nicht als Beispiel für eine umfassende Kontrolle durch die Beklagte herangezogen werden. Denn es ist unstreitig, dass die Klägerin der Beklagten die begehrten Informationen über ihre persönlichen Vertriebsziele und die damit verbundenen Aktivitäten nie gegeben hat. Sie hat diese Vertriebsvereinbarung nie ausgefüllt und/oder zurückgesandt. Die von der Klägerin gerügte Kontrolle konnte über dieses Instrument daher nicht stattfinden.

88

ee) Soweit die Klägerin vorträgt, dass ihr Versuch, entgegen der Weisungen der Beklagten zu handeln, mit dem Ausspruch der Kündigung sanktioniert worden sei, fehlt es an einem substantiierten Sachvortrag. Sie legt nicht dar, welcher konkrete Verstoß gegen welche Anweisung mit der Kündigung geahndet worden sein soll.

89

ff) Die Klägerin hat zu der von ihr behaupteten Einbindung in die Berufsausbildung der Auszubildenden nicht substantiiert vorgetragen. Sie konkretisiert nicht, wann sie von wem die Anweisung erhielt, welche Auszubildenden über welchen Zeitraum in welchem Umfang zu betreuen. Der Einsatzplan der Auszubildenden für den Zeitraum vom 01.08.2010 bis 30.11.2010 steht ihrem Vortrag entgegen. In diesem Zeitraum war dem Büro in Y kein Auszubildender zugeordnet.

90

gg) Soweit die Klägerin einen Eingriff in die freie Gestaltung ihrer Tätigkeit darin sieht, dass die Beklagte ihr jegliche eigenen Marketingmaßnahmen untersagt habe und sie weder Einfluss auf den Internetauftritt noch auf die Anzeigenschaltung nehmen konnte, ist dies seitens der Beklagten bestritten worden. Um diesen Vortrag einem Beweisantritt zugänglich zu machen, hätten Beispiele der Klägerin aus ihrem Tagesgeschäft angeführt werden müssen, in denen tatsächlich von ihr in Angriff genommene Marketingmaßnahmen von der Beklagten gestoppt worden sind. Hierzu fehlt es an Sachvortrag.

91

c) Unter Gesamtwürdigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles ist die Klägerin in der freien Bestimmung ihrer Arbeitszeit und in der freien Gestaltung ihrer Tätigkeit nicht so stark eingeschränkt gewesen, dass hieraus entgegen dem Wortlaut des Vertrags der Parteien eine Arbeitnehmerstellung abgeleitet werden kann. Die Klägerin ist selbständig tätig gewesen und hat daher keinen Kündigungsschutz.

92

V. Die Klägerin hat weder Anspruch auf ein Zwischen- noch auf ein Endzeugnis.

93

Ein Arbeitszeugnis ist ihr nach § 109 Abs. 1 GewO nicht zu erteilen, da sie auf der Grundlage der obigen Ausführungen nicht in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten gestanden hat.

94

Der Anspruch kann auch nicht auf § 630 BGB gestützt werden. § 630 BGB findet Anwendung auf „dauernde“ Dienstverhältnisse, die keine Arbeitsverhältnisse sind. Dienstverpflichtete, die einen freien Beruf ausüben, haben keinen Zeugnisanspruch nach § 630 BGB, denn derjenige, der im Regelfall weisungsfreie Dienstleistungen erbringt, wirbt mit seinen Leistungen und dem Ergebnis seiner Tätigkeit, nicht mit einem Zeugnis (ErfKomm-Müller-Glöge, 11. Aufl., § 630 BGB Rn. 2).

95

C. Nach alledem ist die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

96

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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