Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (8. Kammer) - 8 Sa 626/14

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Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 09.10.2014 - 6 Ca 243/14 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.094,38 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.03.2014 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 639,12 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten erster Instanz haben der Kläger 85 % und die Beklagte zu 15 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu 8 % und die Beklagte zu 92 % zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, ob die dem Kläger infolge der Einführung des Entgeltrahmenabkommens (ERA) gewährte Analytikzulage nach dem ERA-Einführungstarifvertrag (ERA-ETV) aufgrund einer Erhöhung des Grundentgelts wegen einer Höhergruppierung im Zeitraum nach ERA-Einführung weggefallen ist.

2

Der Kläger ist seit 2001 bei der Beklagten als Anlagenführer im Lagerbereich beschäftigt.

3

Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz Anwendung. Mit Wirkung zum 01. April 2007 wurde das Entgeltrahmenabkommen im Betrieb eingeführt.

4

Der Kläger wurde bei ERA-Einführung zum 01. April 2007 von der Lohngruppe 6 in die Entgeltgruppe 2 (Stellenbeschreibung "Lagerarbeiter 1. Wareneingang/Einlagerung/Kommissionierung" Bl. 60 f. d. A.) eingruppiert. Sein Grundlohn betrug bis einschließlich März 2007 1.845,27 EUR brutto und ab dem 01. April 2007 1.751,00 EUR brutto. Neben anderen Entgeltbestandteilen erhielt der Kläger eine Analytikzulage gem. § 8 Abs. 4 des ERA-ETV i.H.v. zunächst 127,90 EUR brutto und nach einer Tarifentgelterhöhung um 4,1 % zum 01. Juni 2007 i.H.v. 133,14 EUR brutto. Ab dem 01. Dezember 2007 wurde dem Kläger eine andere Tätigkeit verbunden mit einer Höhergruppierung in die Entgeltgruppe E 4 zugewiesen. Die Stelle "E 4 Sachbearbeiter im I-Punkt" (Stellenbeschreibung Bl. 62 d. A.) ging aus der ebenfalls in E 4 eingruppierten Stelle "Anlagenführer im I-Punkt" (Bl. 63 d. A.) hervor. Mit dieser Stelle ist eine fachliche Weisungsbefugnis gegenüber Wareneingang/Lagermitarbeitern verbunden. Der Kläger erhielt infolge dessen ein Grundentgelt i.H.v. 1.992,00 EUR brutto. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Analytikzulage mit Ausnahme einer Zahlung i.H.v. 127,90 EUR im April 2008 nicht mehr gezahlt.

5

Der ERA-ETV (vgl. Blatt 49 ff. d. A.) lautet - soweit hier von Interesse - wie folgt:

6

"Präambel

7

Mit dem Entgeltrahmenabkommen schließen die Tarifvertragsparteien ein wichtiges tarifpolitisches Reformwerk ab, das mit der Vereinheitlichung und Modernisierung der tariflichen Entgeltfindung für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte eine wesentliche Stärkung der Akzeptanz und Zukunftsfähigkeit des Flächentarifvertrages bewirkt. Beide Seiten stimmen darin überein, dass der Wechsel vom alten auf das neue Tarifrecht mit Verfahrensregeln und Übergangsvorschriften begleitet werden muss. Diese machen die anstehenden Änderungen transparent und gewährleisten einen gleitenden Übergang vom alten zum neuen System im Rahmen der vereinbarten Kostenneutralität.

8

§ 5
Besitzstandsregelung

9

(1) Aus Anlass der erstmaligen Anwendung des Entgeltrahmenabkommens darf nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften für den einzelnen Beschäftigten keine Minderung seines bisherigen tariflichen Entgelts, bestehend aus tariflichen Grundlohnes zuzüglich individueller Leistungszulage bzw. Akkordmehrverdienst oder Prämie oder tariflichen Gehalts zuzüglich individueller Leistungszulage, erfolgen.

(4) Für den Fall, dass das bisherige tarifliche Entgelt …

10

d.h.: Grundlohn zuzüglich

11

- Leistungszulage oder
- Prämienverdienst oder
- Akkordmehrverdienst
- Und Montagezuschlag gem. § 3.3. BMTV
oder
Grundgehalt zuzüglich Leistungszulage

12

… zum Stichtag der Ersteinführung des ERA das neue tarifliche ERA-Entgelt …

13

d.h.: Grundentgelt zuzüglich

14

- Leistungszulage oder
- Mehrverdienst nach Kennzahlenvergleich oder
- Zielerreichungszulage
- und Erschwerniszulage oder Zulage gem. § 5 Ziff. (2)

15

… überschreitet, erfolgt die Sicherung des Einkommens durch Ausweisung einer Entgeltdifferenz in dieser Höhe.

16

(5) Eine Entgeltdifferenz gemäß Ziffer (4) in Höhe von

17

- bis zu 10% des bisherigen tariflichen Entgelts wird als Ausgleichszulage,
- eine in Einzelfällen darüber hinausgehende Differenz als Überschreiterzulage

18

zuzüglich zum neuen tariflichen ERA-Entgelt gezahlt.

19

Die Überschreiterzulage nimmt an Tariferhöhungen teil.

20

Die Ausgleichszulage nimmt nicht an Tariferhöhungen teil. Sie wird reduziert um die erste Erhöhung des Tarifentgelts in voller Höhe. … Alle nachfolgenden Erhöhungen der Tarifentgelte werden bis auf 1%-Punkt des tariflichen Erhöhungsprozentsatzes auf die verbliebene Ausgleichszulage angerechnet.

21

(6) Auf die Ausgleichszulage und die Überschreiterzulage werden in voller Höhe angerechnet:

22

- individuelle Erhöhungen des Grundentgeltanspruchs zzgl. daraus resultierender Erhöhungen der Leistungszulage, des Mehrverdienstes bzw. der Zielerreichungszulage
- Erhöhungen der Erschwerniszulage.

23

Eine Erhöhung oder Minderung der Leistungszulage, des Mehrverdienstes und der Zielerreichungszulage führen zu keiner Veränderung der Ausgleichszulage.

24

§ 6
Entgeltanpassung

25

(1) Für den Fall, dass das bisherige tarifliche Entgelt …

… zum Stichtag der Ersteinführung des ERA das neue tarifliche ERA-Entgelt…

… unterschreitet, erfolgt die Anpassung des Einkommens durch die Ausweisung einer Entgeltdifferenz in dieser Höhe.

(4) Spätestens nach 5 Jahren erfolgt eine vollständige Anpassung an das Entgelt des Entgeltrahmenabkommens.

26

§ 7
Betriebliche Kostenneutralität

27

(1) Die betrieblichen Kosten des Entgelt-Rahmenabkommens werden zum Stichtag seiner Einführung im Betrieb ermittelt. …

(5) Die Berechnung der betrieblichen Kosten erfolgt in folgenden Schritten:

28

a)…
b) Errechnete Mehr- oder Minderkosten werden entsprechend der Regeln zur betrieblichen Kostenneutralität (Ziff. 6 und 7) jeweils für die laufende und die dann folgenden Tarifperioden kompensiert. Dies gilt für 60 Monate ab dem Stichtag der betrieblichen ERA-Einführung.

29

(6) Die betrieblichen Kosten werden, soweit sie 2,79 % der Systemkosten Alt übersteigen, für fünf Jahre kompensiert. Hierfür stehen folgende Mittel zur Verfügung:

30

- Verwendung der Mittel des ERA-Anpassungsfonds
- Anrechnung von in den Kostenvergleich nicht einbezogenen Vergütungsbestandteilen jeglicher Art und Herkunft
- Ausgleich einer ggf. verbleibenden Differenz durch Reduzierung der Einmalzahlungen nach dem Tarifvertrag über betriebliche Sonderzahlung
- Die Betriebsparteien können durch Betriebsvereinbarung auch das erhöhte/zusätzliche Urlaubsentgelt gem. MTV sowie die Leistungszulagen, die Mehrverdienste durch Kennzahlenvergleich bzw. der Zielerreichungszulagen für alle Beschäftigten befristet zum Ausgleich verwenden.

31

32

§ 8
Überleitung bisheriger betrieblicher analytischer Arbeitsbewertungssysteme

33

(1) Wenden Betriebe auf der Basis des bisherigen Lohnrahmentarifvertrages ein analytisches Arbeitsbewertungssystem an, so haben Arbeitgeber und Betriebsrat zu entscheiden, ob mit der betrieblichen Einführung des Entgeltrahmenabkommens

34

- eine analytische Arbeitsbewertung für alle Beschäftigten zur Anwendung kommen soll oder
- ob zukünftig eine summarische Arbeitsbewertung zur Anwendung kommt.

35

36

(3) Entscheiden sich die Betriebsparteien für die Einführung der summarischen Arbeitsbewertung oder kommt es zu keiner Verständigung über ein analytisches Arbeitsbewertungssystem, so erfolgt die Eingruppierung in die Entgeltgruppen nach § 5 des Entgeltrahmenabkommens.

37

(4) In diesem Fall erhalten in Rheinland-Pfalz die von der Umstellung von analytischer in summarische Arbeitsbewertung betroffenen Beschäftigten eine mit Ausnahme der in Satz 3 und Satz 4 geregelten Fälle nicht anrechenbare Zulage, die an Tariferhöhungen teilnimmt. Diese berechnet sich aus der Differenz ihrer bisherigen Arbeitswertgruppe zu der entsprechenden Lohngruppe nach § 2 des Tarifvertrages über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen des Landes Rheinland-Pfalz. Diese Zulage vermindert sich um den Betrag, um den sich das Grundentgelt des betroffenen Beschäftigten erhöht. Sie wird mit der Zulage nach § 5 Ziff. (5) ERA-ETV verrechnet.

38

§ 9
In-Kraft-Treten und Laufzeit

39

(1) Dieser Tarifvertrag gilt nur für die Einführung des Entgeltrahmenabkommens in den Fällen der Überleitung vom Lohnrahmentarifvertrag für Arbeiter/Gehaltsrahmentarifvertrag für Angestellte der Metall- und Elektroindustrie.
…"

40

In einer “ERA-Betriebsvereinbarung über die Einführung des Entgeltrahmenabkommens“ vom 07. April 2008 (Bl. 11 f. d. A.) ist u.a. folgendes geregelt:

41

“Zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat … besteht Einvernehmen, dass das Entgeltrahmenabkommen (ERA) im Unternehmen zum 1. April 2007 eingeführt wird.

Maßgeblich für die ERA-Ersteingruppierung ist die als Anlage 1 beigefügte und von beiden Seiten abgezeichnete Mitarbeiterliste. Hieraus ergibt sich:

42

a) Bisherige Lohnempfänger

43


7) Für nachfolgend Beschäftigte werden abweichende Regelungen festgelegt. Diese Fälle sind als Anlage 2 dieser Betriebsvereinbarung beigefügt.

44

Beschäftigte, die bisher in AWGrp 06 eingestuft waren, werden E 3 zugeordnet und erhalten die volle Analytikzulage.

45

Lagerarbeiter werden grundsätzlich der Entgeltgruppe 2 zugeordnet und erhalten die volle Analytikzulage.
…“

46

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2012 (Bl. 10 d. A.) hat der Kläger Ansprüche auf Zahlung der Analytikzulage für den Zeitraum vom 01. April 2007 bis zum Tag des Geltendmachungsschreibens geltend gemacht. In einem Schreiben der Beklagten vom 15. Oktober 2012 wurden die Ansprüche zurückgewiesen. Mit Schreiben der Gewerkschaft vom 13. Februar 2014 hat der Kläger die Ansprüche rückwirkend ab 01. April 2007 bei der Beklagten geltend gemacht. Mit am 05. März 2014 zugegangenem Schreiben vom 28. Februar 2014 hat die Beklagte die Zahlung abgelehnt.

47

Mit seiner am 25. April 2014 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Fortzahlung der Analytikzulage für den Zeitraum vom 01. Dezember 2007 bis 31. März 2014 verlangt, wobei er für April 2008 lediglich die ausstehende Differenz i.H.v. 5,24 EUR geltend gemacht hat und für die übrigen Monate die volle Analytikzulage einschließlich der Tarifsteigerungen. Mit seiner am 12. Mai 2014 bei Gericht eingegangenen Klageerweiterung hat der Kläger die Analytikzulage für den Monat April 2014 verlangt und mit am 10. September 2014 eingegangener Klageerweiterung die Analytikzulage für insgesamt die Monate April bis August 2014.

48

Der Kläger hat vorgetragen:

49

Die Anrechnung der Analytikzulage auf Grund der Höhergruppierung nach der ERA-Einführung sei nicht gem. § 8 Abs. 4 ERA-Einführungstarifvertrag gerechtfertigt. In § 8 Abs. 4 ERA-ETV sei gerade bestimmt, dass die Analytikzulage mit Ausnahme der in Satz 3 und 4 der Norm geregelten Fälle nicht anrechenbar sei. Vorliegend komme lediglich die Anwendbarkeit des Satzes 3 in Betracht. Dieser Ausnahmefall liege hier nicht vor.

50

Im ERA-ETV sei nur die Anrechnungsmöglichkeit zum Zeitpunkt der ERA-Einführung geregelt. Eine Anrechnungsmöglichkeit im Fall von Höhergruppierungen eines Arbeitnehmers für Zeiträume nach der ERA-Einführung enthalte der ERA-ETV begrifflich schon deshalb nicht, weil er nur Gültigkeit entfalte für die Zeitdauer der Überleitung der früher geltenden Tarifverträge in das ERA-Tarifwerk.

51

Der Satz 3 des § 8 Abs. 4 ERA-ETV stehe gerade nicht im nach der ERA-Einführung geltenden ERA. Er beziehe sich auf Grund der Systematik des ERA-ETV allein auf den Moment der ERA-Einführung. So ergebe sich der Wert der Zulage nach Satz 2 aus der Vergleichsbewertung des Lohnes in der erreichten Arbeitswertgruppe vor ERA-Einführung und der Vergütung, die der Arbeitnehmer vor ERA-Einführung bei summarischer Lohnfindung nach der entsprechenden Lohngruppe erhalten hätte. Es gehe also zunächst um nicht mehr geltende Tarifregelungen. Da der ERA-Einführung eine Neueingruppierung der Arbeitnehmer immanent sei, bestimme Satz 3 des § 8 Abs. 4 ERA-ETV begrifflich nichts anderes, als dass die nach § 8 Abs. 4 S. 2 ERA-ETV ermittelte Analytikzulage einem Vergleich der Höhe des Lohnes vor und des ERA-Entgelts nach der ERA-Einführung zu unterziehen sei. Steige das Grundentgelt mit der ERA-Einführung, sei die Zulage um diesen Betrag einmalig zu kürzen.

52

Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt,

53

1. Die Beklagte wird verurteilt, 10.957,03 EUR brutto abzüglich 133,14 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03. März 2014 an den Kläger zu zahlen.

54

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 156,43 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 15. Mai 2014 zu zahlen.

55

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 795,46 EUR brutto abzüglich 156,34 EUR brutto nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. September 2014 zu zahlen.

56

Die Beklagte hat beantragt,

57

die Klage abzuweisen.

58

Sie hat vorgetragen:

59

Die Verrechnung der Analytikzulage ab dem 01. Dezember 2007 sei nach § 8 Abs. 4 ERA-ETV zu Recht erfolgt. Die Nichtanrechnung der Zulage sei ausdrücklich mit den Ausnahmen nach Satz 3 und 4 verknüpft und damit eine Verrechnung grundsätzlich möglich. In § 8 ERA-ETV sei keine Regelung enthalten, wonach die Verrechnung nur zum Zeitpunkt der ERA-Einführung (vorliegend 01. April 2007) erfolgen könne. Zudem sei in § 7 Abs. 5 b ERA-ETV geregelt, dass im Zuge der betrieblichen Kostenneutralität errechnete Mehr- oder Minderkosten entsprechend den Regeln zur betrieblichen Kostenneutralität (Abs. 6 u. 7) jeweils für die laufende und die dann folgenden Tarifperioden kompensiert würden und dies für 60 Monate ab dem Stichtag der betrieblichen ERA-Einführung gelte. Daher könne auf Grund dieser 5-Jahresfrist auch eine Verrechnung der Analytikzulage nach Einführung von ERA zu Recht erfolgen. Der Kläger würde sich bei Beibehaltung der Analytikzulage auch zu Unrecht besser stellen. Dies werde bei einem Vergleich des Entgelts nach E 2 und einer direkten Eingruppierung in E 5 bzw. einer einen Tag später erfolgten Eingruppierung in E 5 deutlich (Berechnungsbeispiel Bl. 64 f. d. A.).

60

Unter Berücksichtigung der tarifvertraglichen Ausschlussfristen nach § 28 MTV von drei Monaten und der allgemeinen Verjährungsfrist nach § 195 BGB stehe ein Großteil der geltend gemachten Ansprüche dem Kläger nicht mehr zu.

61

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 09. Oktober 2014 der Klage i.H.v. 1.250,72 EUR brutto nebst Zinsen seit dem 03. März 2014 sowie i.H.v. 639,12 EUR brutto nebst Zinsen seit dem 01. September 2014 stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Ansprüche des Klägers für den Zeitraum vom 01. Dezember 2007 bis zum 31. August 2013 seien gem. § 195 BGB verjährt bzw. gem. § 28 MTV der Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz verfallen. Erst die Ansprüche ab September 2013, die Ende Oktober 2013 fällig gewesen seien, seien mit Schreiben vom 13. Februar 2014 innerhalb der Dreimonatsfrist geltend gemacht und nach Ablehnung mit Schreiben der Beklagten vom 28. Februar 2014 durch die am 25. April 2014 bei Gericht eingegangene Klage auch rechtzeitig innerhalb von drei Monaten seit der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht worden.

62

Für den Zeitraum September 2013 bis April 2014 stehe dem Kläger die Analytikzulage i.H.v. monatlich 156,34 EUR und damit insgesamt i.H.v. 1.250,72 EUR brutto gem. § 8 Abs. 4 ERA-ETV brutto zu. Für den Zeitraum Mai 2014 bis August 2014 stehe ihm die Zulage i.H.v. monatlich 159,78 EUR brutto und damit insgesamt iHv. 639,12 EUR brutto zu. Diese Zulage habe nicht gem. § 8 Abs. S. 3 des ERA-ETV mit dem erhöhten Grundentgelt des Klägers ab 01. Dezember 2007 verrechnet werden dürfen. Zwar regle § 8 Abs. 4 S. 3, dass sich die Zulage um den Betrag vermindere, um den sich das Grundentgelt des betroffenen Beschäftigten erhöhe. Jedoch habe diese Verrechnungsmöglichkeit lediglich zum Zeitpunkt der Einführung des Entgeltrahmenabkommens bestanden. In § 9 ERA-ETV sei ausdrücklich geregelt, dass dieser Tarifvertrag nur für die Einführung des Entgeltrahmenabkommens in den Fällen der Überleitung vom Lohnrahmentarifvertrag für Arbeiter/Gehaltsrahmentarifvertrag für Angestellte der Metall- und Elektroindustrie gelte. Zum 01. Dezember 2007 sei jedoch das Entgeltrahmenabkommen bereits eingeführt gewesen und somit habe sich die Beklagte nicht mehr auf die Anrechnungsmöglichkeit gem. § 8 Abs. 4 S. 3 des ERA-ETV berufen können. Wenn eine solche Anrechnungsmöglichkeit auch nach Einführung des Entgeltabkommens beabsichtigt gewesen wäre, hätte dies in dem Entgeltrahmenabkommen selbst geregelt werden müssen. Eine solche Regelung liege jedoch nicht vor. Daher gelte gem. § 8 Abs. 4 Satz 1 des ERA-ETV, dass die Analytikzulage eine nicht anrechenbare Zulage sei und an Tariferhöhungen teilnehme.

63

Das Urteil ist der Beklagten am 07. November 2014 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 19. November 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 18. November 2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch Beschluss vom 11. Dezember 2014 bis zum 09. Februar 2014 durch am 09. Februar 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag begründet.

64

Zur Begründung ihrer Berufung macht die Beklagte geltend:

65

Mit der Zuweisung der höherwertigen Tätigkeit und der Eingruppierung in E 4 ab dem 01. Dezember 2007 sei die Grundlage für die Beurteilung nach der Betriebsvereinbarung vom 07. April 2008 entfallen. § 8 ERA-ETV enthalte keine Regelung, wonach die Verrechnung nur zum Zeitpunkt der ERA-Einführung, 01. April 2007, erfolgen könne. Zum Stichtag der Einführung des ERA-TV seien die betrieblichen Kosten des Entgeltrahmenabkommens nach § 7 Abs. 2 ERA-ETV einschließlich der Analytikzulage zu ermitteln. Nach § 7 Abs. 5 d seien die errechneten Mehr- oder Minderkosten entsprechend den Regeln zur betrieblichen Kostenneutralität jeweils für die laufende und die folgende Tarifperiode zu kompensieren und zwar für 60 Monate ab Stichtag der ERA-Einführung. Aufgrund dieser Fünfjahresregelung ab ERA-Einführung könne auch die Verrechnungsmöglichkeit nach § 8 Abs. 4 S. 3 und 4 ERA-ETV ab dem 01. April 2007 noch fünf Jahre weiter greifen.

66

Nach dem System und Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Regelungen hätte nach dem Willen der Tarifvertragsparteien verhindert werden sollen, dass sich nach der ERA-Einführung finanzielle Vorteile für einen Mitarbeiter bei einer späteren Veränderung der Tätigkeit und der Eingruppierung ergeben können. § 9 Abs. 1 ERA-ETV stehe dem nicht entgegen, da die Gültigkeitsregelung sich auch auf § 7 Abs. 5 b ERA-ETV beziehe.

67

Die Beklagte beantragt:

68

Das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 09. Oktober 2014 wird teilweise abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

69

Der Kläger beantragt,

70

die Berufung zurückzuweisen.

71

Der Kläger trägt vor:

72

Aus § 9 ERA-ETV ergebe sich, dass der Tarifvertrag ausschließlich bei der Einführung des Entgeltrahmenabkommens Gültigkeit entfalte. In § 4 Abs. 1 S. 1 ERA-ETV komme der Wille der Tarifertragsparteien klar erkennbar zum Ausdruck. Danach solle die Analytikzulage grundsätzlich nicht anrechenbar sein und an Tariferhöhungen teilnehmen. Ausnahmen solle es nur nach den Sätzen 3 und 4 geben. Dieses Regel-Ausnahmeverhältnis belege, dass die Ausnahmen eng zu verstehen und im Licht der grundsätzlichen Regelung in Satz 1 zu sehen seien. Bei Betrachtung des Gesamtzusammenhangs ergebe sich auch nur so eine an Sinn und Zweck orientierte Regelung. Der Grundsatz der Kostenneutralität bleibe gewahrt. Der Kläger habe dauerhaft bei dem Wechsel von der analytischen in die summarische Arbeitsbewertung Geld verloren. Der Verlust liege auch dann noch vor, wenn er später höher eingruppiert werde.

73

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

74

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

B.

75

In der Sache hat die Berufung der Beklagten nur insoweit Erfolg, als dem Kläger auch ein im Zeitpunkt der Geltendmachung mit Schreiben vom 13. Februar 2014 bereits verfallener Anspruch auf Zahlung der Analytikzulage für den Monat September 2013 i.H.v. 156,34 EUR brutto nebst Zinsen zugesprochen wurde. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht der Klage i.H.v. 1.094,38 EUR brutto nebst Zinsen (Monate Oktober 2013 bis April 2014) sowie i.H.v. weiteren 639,12 EUR brutto nebst Zinsen (Monate Mai bis August 2014) zu Recht stattgegeben.

I.

76

Der Kläger hat nach § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 8 Abs. 4 S. 1 und S. 2 ERA-ETV einen Anspruch auf Zahlung der Analytikzulage i.H.v. monatlich 156,34 EUR für die Monate Oktober 2013 bis April 2014 und i.H.v. monatlich 159,78 EUR brutto für die Monate Mai bis August 2014. Die individuelle Grundentgelterhöhung des Klägers zum 01. Dezember 2007 hat nicht zu einem Wegfall der Zulage geführt. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags. Die Höhe der monatlichen Analytikzulage, die gem. § 8 Abs. 4 S. 1 ERA-ETV an Tariferhöhungen teilnimmt, steht jeweils außer Streit.

77

1. § 9 ERA-ETV steht einem Wegfall der einmal begründeten Analytikzulage nach § 8 Abs. 4 ERA-ETV wegen künftiger Höhergruppierung nicht von vornherein entgegen. Nach § 9 ERA-ETV gilt dieser Tarifvertrag zwar nur für die Einführung des Entgeltrahmenabkommens in den Fällen der Überleitung vom Lohnrahmentarifvertrag für Arbeiter/Gehaltsrahmentarifvertrag für Angestellte der Metall- und Elektroindustrie. Dies bedeutet jedoch nicht, dass durch den Tarifvertrag begründete Ansprüche nicht später aufgrund der Regelungen des ERA-ETV in Wegfall geraten können. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage der Auslegung der jeweiligen Regelung, hier des § 8 Abs. 4 ERA-ETV. Wie sich insbesondere aus der Regelung des § 5 Abs. 6 ERA-ETV eindeutig ergibt, können nach dem ERA-ETV grundsätzlich auch spätere Entgeltveränderungen zu einem Wegfall von Zulagen führen.

78

2. Anlässlich der Einführung des ERA-ETV und der Umstellung von analytischer in summarische Arbeitsbewertung ist ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Analytikzulage nach § 8 Abs. 4 S. 1 ERA-ETV entstanden.

79

Die Analytikzulage berechnet sich gem. § 8 Abs. 4 S. 2 ERA-ETV aus der Differenz der bisherigen Arbeitswertgruppe zu der entsprechenden Lohngruppe nach § 2 des Tarifvertrages über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen des Landes Rheinland-Pfalz. Sie vermindert sich nach § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV um den Betrag, um den sich das Grundentgelt des betroffenen Beschäftigten erhöht. Ausgangspunkt ist damit der im Zeitpunkt der Einführung des Entgeltrahmenabkommens geltende Tarifvertrag über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen des Landes Rheinland-Pfalz. Die bisherige Arbeitswertgruppe und die dem entsprechende Lohngruppe sind ins Verhältnis zu setzen. Die bei der analytischen Bewertung höhere Zahlung nach der Arbeitswertgruppe gegenüber der entsprechenden Lohngruppe bei summarischer Arbeitsbewertung ergibt in der Differenz die Analytikzulage. Weitere Vergleichsgröße ist sodann das sich nach der ERA-Eingruppierung ergebende Grundentgelt. Im vorliegenden Fall ergab dies zum Zeitpunkt der ERA-Einführung eine Differenz der Arbeitswertgruppe zur Lohngruppe in unstreitiger Höhe von 127,90 EUR brutto. Da sich anlässlich der ERA-Einführung das Grundentgelt des Klägers bei der Eingruppierung in E 2 nicht erhöht hat, ist die Regelung des § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV jedenfalls zunächst nicht zum Tragen gekommen. Die Neueingruppierung des Klägers als Lagerarbeiter in E 2 und die damit verbundene Analytikzulage nach § 8 Abs. 4 ERA-ETV entspricht den Feststellungen der Betriebsparteien in Ziff. 7 der ERA-Betriebsvereinbarung vom 07. April 2008. Die Zulage betrug infolge einer nach § 8 Abs. 4 S. 1 ERA-ETV zu berücksichtigenden Tariferhöhung zum 01. Juni 2007 sodann 133,14 EUR.

80

3. Die Auslegung des § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV ergibt, dass sich die Analytikzulage i.H.v. zum damaligen Zeitpunkt 133,14 EUR nicht wegen der Höhergruppierung des Klägers zum 01. Dezember 2007 in E 4 um den Betrag reduzierte, um den sich das Grundentgelt des Klägers erhöhte - hier 163,00 EUR -, und damit wegfiel.

81

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Der maßgebende Sinn der Erklärung ist zu erforschen ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 701/12 - Rn. 13; juris).

82

b) Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt, dass sich die Zulage nicht anlässlich einer Höhergruppierung zu einem Zeitpunkt nach ERA-Einführung um den Betrag reduziert, um den sich das Grundentgelt erhöht.

83

(1) Vom Wortlaut des § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETA her "Diese Zulage vermindert sich um den Betrag, um den sich das Grundentgelt des betroffenen Beschäftigten erhöht" könnten - was die Frage des Zeitpunktes der Erhöhung betrifft - neben der Erhöhung des Grundentgelts anlässlich der ERA-Einführung auch Erhöhungen zu einem späteren Zeitpunkt erfasst sein. Allerdings umfasst in inhaltlicher Hinsicht die Formulierung "Erhöhung des Grundentgelts" sowohl den Fall der allgemeinen Tariferhöhungen um bestimmte Prozentsätze als auch den Fall der individuellen Erhöhung etwa infolge von Höhergruppierungen. Soweit der Wortlaut des § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV an sich auch zukünftige Erhöhungen erfassen könnte, ergibt der systematische Zusammenhang von § 8 Abs. 4 S. 1 und 3 ERA-ETV eindeutig, dass dies bei einer zukünftige Erhöhung des Grundentgelts durch Tariferhöhung jedenfalls keinen Sinn ergeben würde. Nach Satz 1 nimmt die Analytikzulage gerade an Tariferhöhungen teil. Würde die Analytikzulage zugleich um das durch die entsprechende Tariferhöhung erhöhte Grundentgelt nach Satz 3 gemindert, würde Satz 1 leer laufen. Jede Tariferhöhung der relativ geringen Analytikzulage nach Satz 1 würde über Satz 3 durch die Minderung der Zulage um den zwangsläufig höheren Betrag des prozentual erhöhten Grundentgelts ins Gegenteil verkehrt.

84

Eine Differenzierung in dem Sinn, dass § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV zwar keine Erhöhungen des Grundentgelts durch künftige Tariferhöhungen erfasst, dagegen jedoch Erhöhungen des Grundentgelts durch künftige individuelle Erhöhungen wie Höhergruppierungen, trifft der Wortlaut gerade nicht. Dies spricht dafür, dass es sich bei dem "erhöhten Grundentgelt" iSd. § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV nur um das unmittelbar bei ERA-Einführung für den Arbeitnehmer maßgebliche Grundentgelt handelt und spätere Erhöhungen des Grundentgelts, seien sie Folge einer Tariferhöhung oder einer individuellen Erhöhung, keine Auswirkung mehr auf die Höhe der Analytikzulage haben.

85

(2) Auch der systematische Gesamtzusammenhang der tarifvertraglichen Regelungen sowie der im Tarifvertrag zum Ausdruck kommende Sinn und Zweck der Analytikzulage führen nicht dazu, dass die "Erhöhung des Grundentgelts" künftige individuelle Erhöhungen des Grundentgelts erfasst. Nach diesen Auslegungsmethoden ergibt sich vielmehr, dass die Vergleichsgrößen "Arbeitswertgruppe" und "Lohngruppe" in Satz 2 und "Grundentgelt" in Satz 3 des § 8 Abs. 4 ERA-ETV im Zeitpunkt der ERA-Einführung festzustellen sind.

86

(a) Die Frage, ob sich eine künftige individuelle Erhöhung des Grundentgelts auf eine nach dem ERA-ETV zunächst geschuldete Zulage auswirkt, stellt sich nicht nur bei der Analytikzulage, sondern gleichermaßen bei der Ausgleichs- und Überschreiterzulage nach § 5 ERA-ETV.

87

Die Besitzstandsregelung in § 5 ERA-ETV differenziert durch gesonderte, voneinander unabhängige Anrechnungsbestimmungen zwischen Tariferhöhungen und individuellen Entgelterhöhungen. Die Ausgleichszulage, die i.H.v. bis zu 10 % des bisherigen Tarifentgelts zu zahlen ist, wird bei Tariferhöhungen, ohne an ihnen selbst teilzunehmen, durch zeitlich und anteilsmäßig gestaffelte Anrechnung reduziert (§ 5 Abs. 5 ERA-ETV). Die Überschreiterzulage, die nur Arbeitnehmern gewährt wird, deren bisheriges Entgelt um mehr als 10 % höher war als das neue tarifliche ERA-Entgelt, ist demgegenüber anrechnungsfest und nimmt an Tariferhöhungen teil (§ 5 Abs. 5 ERA-ETV). Mit § 5 Abs. 6 ERA-ETV hebt der Tarifvertrag bei individuellen Entgelterhöhungen - begrenzt auf deren Volumen - für beide Zulagen den Bestandsschutz auf (vgl. BAG 22. Oktober 2014 - 5 AZR 731/12 - Rn. 23 ff., juris zum ERA-ETV für Bayern).

88

Ausdrücklich werden in § 5 Abs. 6 ERA-ETV "individuelle" Erhöhungen in Bezug genommen und den "Tariferhöhungen" in Abs. 5 entgegengesetzt. In § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV ist diese Formulierung der “individuellen Erhöhungen“ - zudem Formulierung im Plural - gerade nicht aufgegriffen worden, sondern die undifferenzierte Formulierung "Betrag, um den sich das Grundentgelt erhöht“, die - wie dargelegt - auch Tariferhöhungen umfasst. Diese Formulierung wurde in § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV gewählt, obwohl sich die Tarifvertragsparteien ausweislich der nuancierten Regelung in § 5 ERA-ETV der Bedeutung von Tariferhöhungen und individuellen Erhöhungen in Bezug auf eine Grundentgelterhöhung bewusst waren. Zudem ist in § 5 Abs. 6 ERA-ETV geregelt, dass die individuellen Erhöhungen „angerechnet“ werden, während der Erhöhungsbetrag in § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV die Zulage „vermindert“. Diese gegenüber § 5 andere Ausgestaltung der Zulage spricht dafür, dass es bei § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV auch um einen anderen Regelungsinhalt als in § 5 Abs. 6 ERA-ETV geht. Hätten die Tarifvertragsparteien eine Anrechnung individueller Erhöhungen des Grundentgeltanspruchs auf die Analytikzulage regeln wollen, hätte es nahe gelegen, diese Konstellation parallel zu der Regelung in § 5 Abs. 6 ERA-ETV auszugestalten und die dort verwendeten differenzierten Begrifflichkeiten auch bei § 8 Abs. 4 ERA-ETV zu verwenden. Dies haben die Tarifvertragsparteien nicht getan.

89

(b) Auch Sinn und Zweck der tariflichen Besitzstandsregelung auf der einen Seite und der Analytikzulage auf der anderen Seite sprechen dagegen, zur Bestimmung des Regelungsinhalts des § Abs. 8 S. 3 ERA-ETV auf die Regelung in § 5 Abs. 6 ERA-ETV zurückzugreifen.

90

Die Besitzstandsregelung in § 5 ERA-ETV sichert das zum Zeitpunkt der Einführung von ERA erzielte Entgelt. Überschreitet das bisherige tarifliche Entgelt das neue tarifliche ERA-Entgelt, sichert der Tarifvertrag das bisherige Entgeltniveau, indem die nach § 5 ERA-ETV zu ermittelnde Entgeltdifferenz durch Zahlung der nach § 5 Abs. 5 ERA-ETV zu gewährenden Ausgleichs- und Überschreiterzulage auszugleichen ist. Wächst der Arbeitnehmer aus der für seine Vergütung zum Stichtag der Ersteinführung des ERA-ETV bestimmenden tariflichen Entgeltsituation durch spätere individuelle Entgelterhöhungen heraus, sind letztere auf die Ausgleichs- und Überschreiterzulage in voller Höhe anzurechnen (vgl. BAG 22. Oktober 2014 - 5 AZR 731/12 - Rn. 22, 25, juris zum ERA-ETV für Bayern).

91

Bei § 8 ERA-ETV geht es dagegen darum, die nachteiligen Folgen des Methodenwechsels von der analytischen zur summarischen Arbeitsbewertung zu regeln. Arbeitnehmer, deren Tätigkeit bis zur ERA-Einführung in einem analytischen Arbeitsbewertungsverfahren klassifiziert wurde, werden nun nach einem anderen - summarischen - Verfahren beurteilt. Die Methodenänderung bei der Arbeitsbewertung wurde dabei als so bedeutsam angesehen, dass über die Regelung zum Besitzstand in § 5 ERA-ETV hinaus eine eigenständige Zulagenregelung in § 8 Abs. 4 ERA-ETV getroffen wurde. Es geht damit nicht nur um die Sicherung des Entgeltniveaus in der absoluten Höhe wie in § 5 ERA-ETV, sondern um einen Ausgleich für den Systemwechsel in der Arbeitsbewertung. Die Analytikzulage wurde dabei anders und - unabhängig vom Regelungsinhalt des § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV - für den Arbeitnehmer günstiger als die Ausgleichs- und sogar die Überschreiterzulage ausgestaltet. So werden auf die Ausgleichszulage und die Überschreiterzulage nicht nur individuelle Erhöhungen des Grundentgeltanspruchs, sondern auch daraus resultierende Erhöhungen der Leistungszulage, des Mehrverdienstes bzw. der Zielerreichungszulage sowie Erhöhungen der Erschwerniszulage angerechnet. Diese zusätzlichen Anrechnungsmöglichkeiten bestehen bei § 8 Abs. 4 ERA-ETV jedenfalls nicht. Vielmehr heißt es in § 8 Abs. 4 S. 1 ERA-ETV ausdrücklich, dass es sich bei der Analytikzulage um eine mit Ausnahme der in Satz 3 und Satz 4 geregelten Fälle nicht anrechenbare Zulage handelt. Lediglich über § 8 Abs. 4 S. 4 ERA-ETV wird eine Verknüpfung zu den Zulagen nach § 5 Abs. 5 ERA-ETV hergestellt und eine Verrechnung der Analytikzulage mit der Zulage i.S.d. § 5 Abs. 5 ERA-ETV festgelegt. Dabei ist die Verrechnung der Analytikzulage mit der Zulage i.S.d. § 5 ERA-ETV nach § 8 Ziffer Abs. 4 S. 4 ERA-ETV so zu verstehen, dass sich die Analytikzulage nach § 8 ERA-ETV und die Zulage nach § 5 ERA-ETV bis zum vollständigen Wegfall der Zulage nach § 5 ERA-ETV zur Verrechnung gegenüber stehen. Die Analytikzulage fällt also in Folge der Verrechnung mit dieser Zulage nicht weg. Die Analytikzulage ist nach Wegfall etwa der Ausgleichszulage weiterhin zu zahlen (vgl. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 23. Mai 2013 - 11 Sa 364/12 -, Rn. 52, juris zum Verhältnis Analytikzulage/Ausgleichszulage). Die Besonderheit der Analytikzulage und ihre in § 8 Abs. 4 ERA-ETV zum Ausdruck kommende besondere Privilegierung gegenüber den anderen Zulagen steht einem Rückgriff auf die Regelung in § 5 Abs. 6 ERA-ETV entgegen. Dies führt nicht zu einem ungerechtfertigten Vorteil der Arbeitnehmer, welche die Analytikzulage erhalten, sondern entspricht der Wertung, dass die dauerhafte Umstellung auf die andere Methode der Arbeitsbewertung einen dauerhaften Ausgleich dieses Verlustes rechtfertigt.

92

(3) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus § 7 Abs. 5 b) ERA-ETV nicht, dass individuelle Erhöhungen des Grundentgelts ab dem 01. April 2007 noch fünf Jahre weiter nach § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV zur Minderung der Analytikzulage führen, um eine betriebliche Kostenneutralität zu erreichen. § 7 Abs. 5 b) ERA-ETV regelt nicht die individuellen Ansprüche der Arbeitnehmer und sieht kein Recht des Arbeitgebers vor, auf Basis dieser Regelung für die Dauer von 60 Monaten Angleichungen im Entgelt vorzunehmen. Wie betriebliche Mehrkosten ab einer bestimmten Höhe zu kompensieren sind, ergibt sich vielmehr aus § 7 Abs. 6 ERA-ETV. Die dort genannten Mittel der Kompensation - u.a. Maßnahmen der Betriebsparteien - erfassen nicht den vorliegenden Fall der Analytikzulage.

93

Zwar ist es die Zielsetzung des § 7 ERA-ETV, betriebliche Mehrkosten möglichst zu kompensieren. Dieses Ziel wird auch in Satz 3 der Präambel angesprochen. An verschiedenen Stellen des Tarifvertrags kommt zudem der Wille der Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, zeitnah ein einheitliches betriebliches Entgeltniveau zu erreichen und ein gleiches Entgelt für gleiche Arbeit zu gewährleisten (vgl. § 5 Abs. 5 ERA-ETV zur Anrechnung von Tariferhöhungen auf die Ausgleichszulage, § 5 Abs. 6 ERA-ETV zur Anrechnung der individuellen Grundentgelterhöhungen und § 6 Abs. 4 ERA-ETV für die Anpassung bei einem nach ERA-Einführung höheren tariflichen Entgelt gegenüber dem bisherigen Entgelt). Diese Zielsetzung ist jedoch nicht mit einer konsequenten Anpassung des Entgelts nach einer Übergangszeit von fünf Jahren verknüpft, sondern wird lediglich über einzelne Anrechnungsregelungen angestrebt. Die Überschreiterzulage etwa wird, sofern es nicht zu individuellen Grundentgelterhöhungen kommt, dauerhaft gezahlt. Durch den ERA-ETV begründete Zulagen geraten nach dem ERA-ETV nur in den gesondert geregelten Fällen in Wegfall.

94

(4) Die Beklagte beruft sich auch ohne Erfolg darauf, es sei ein Wertungswiderspruch, bei einer direkten Eingruppierung in E 5 - bzw. hier E 4 - das erhöhte Grundentgelt nach § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV zu berücksichtigen und bei einer einen Tag später erfolgten Eingruppierung § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV für nicht einschlägig zu halten. § 8 Abs. 4 ERA-ETV betrifft zunächst den Normalfall, dass ein Arbeitnehmer mit einer bestimmten Tätigkeit in eine Arbeitswertgruppe eingruppiert ist und aufgrund derselben Tätigkeit nach ERA neu eingruppiert wird. In diesem Fall soll die Differenz von Arbeitswertgruppe zur entsprechenden Lohngruppe mit dem nach der Neueingruppierung maßgeblichen Grundentgelt verglichen werden. Unabhängig davon, wie der Sonderfall der exakt mit der Neueingruppierung zusammenfallenden Tätigkeitsänderung und Höhergruppierung in Bezug auf § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV zu bewerten ist, kann aus einer solchen Sonderkonstellation jedenfalls kein Anhaltspunkt für den Umgang mit künftigen Grundentgelterhöhungen folgen. Insoweit kommt es primär darauf an, den Regelungsinhalt des § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV im tariflichen Gesamtzusammenhang und nach Sinn und Zweck der Tarifnorm zu bestimmen. Dies führt - wie bereits dargelegt - dazu, lediglich das erhöhte Grundentgelt zum Zeitpunkt der ERA-Einführung selbst zu berücksichtigen.

95

4. Soweit der Kläger durch Übernahme der Stelle "E 4 Sachbearbeiter im I-Punkt" möglicherweise nun eine Tätigkeit ausübt, die vor Geltung des ERA nicht einer analytischen Arbeitsbewertung unterlag bzw. analytisch zu bewerten gewesen wäre, führt dies nicht zu einer anderen Bewertung.

96

Die Konstellation, dass es nach ERA-Einführung auch zu bedeutsamen Tätigkeitsänderungen und beachtlichen Höhergruppierungen kommen kann, ist absehbar. Damit kann naturgemäß auch die Übernahme einer Tätigkeit verbunden sein, die ursprünglich nicht analytisch bewertet wurde. Ein mit der Umstellung des Arbeitsbewertungssystems verbundener Nachteil wäre dann für den einzelnen Beschäftigten eigentlich nicht mehr vorhanden. Die Tarifvertragsparteien haben für diesen Fall jedoch keinen Anspruchswegfall geregelt. Sie haben die Zulage schlicht an die Umstellung auf das summarische Bewertungssystem geknüpft. Dies ist eine nachvollziehbare, praktikable Vorgehensweise. Ansonsten müsste eine rückschauende Betrachtung des aktuellen Arbeitsplatzes dahin erfolgen, ob dieser vor ERA-Einführung einer analytischen Bewertung unterlag. Bei einem etwa aus einem alten Arbeitsplatz neu hervorgegangenen Arbeitsplatz - wie hier "E 4 Sachbearbeiter im I-Punkt" aus der Stelle als "Anlagenführer im I-Punkt" - wäre dann zu prüfen, ob der neu entwickelte Arbeitsplatz früher nach der analytischen Methode zu bewerten gewesen wäre. Solche rückschauenden Betrachtungen sollen durch die Ablösung der alten Regelungen gerade vermieden werden. Es ist daher davon auszugehen, dass auch spätere besondere Höhergruppierungen nicht zum Wegfall der Zulage führen sollten.

97

Ob mit der Höhergruppierung von E 2 auf E 4 tatsächlich eine solche gravierende Tätigkeitsänderung verbunden war, dass der Kläger aus ursprünglich analytisch bewerteten Tätigkeiten herausgewachsen ist, kann daher dahin stehen.

II.

98

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 i.V.m. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

III.

99

Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der Analytikzulage für den Monat September 2013 i.H.v. 156,34 EUR brutto nebst Zinsen ist wegen Nichteinhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist nach § 28 Nr. 1. b) MTV verfallen. Der Tarifvertrag sieht eine Geltendmachung der Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit vor. Bei Geltendmachung mit Schreiben vom 13. Februar 2014 ist daher auch die Analytikzulage für September 2013 verfallen.

C.

100

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

D.

101

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen. Insbesondere hat die Auslegungsfrage zum Wegfall der Analytikzulage nach § 8 Abs. 4 S. 3 ERA-ETV aufgrund des auf Rheinland-Pfalz beschränkten Geltungsbereichs der Regelung des § 8 Abs. 4 ERA-ETV - "In diesem Fall erhalten in Rheinland-Pfalz …" - und der besonderen Regelung einer Analytikzulage keine grundsätzliche Bedeutung.

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