Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (2. Kammer) - 2 Sa 264/17
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 28.02.2017 - 6 Ca 1027/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Schmerzensgeld.
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Die Klägerin war seit dem 15. August 2011 bei der Beklagten zu 1) zuletzt als stellvertretende Abteilungsleiterin in der Obst- und Gemüseabteilung im Markt in O-Stadt in Vollzeit beschäftigt.
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Die Klägerin betreut gemeinsam mit ihrem Ehemann einen 1 ½-jährigen Sohn. Ihre Tätigkeit bei der Beklagten erfolgte schichtweise in alternierender Abstimmung mit den Schichten ihres Ehemanns bei seinem Arbeitgeber, um die wechselseitige Betreuung des Sohnes zu gewährleisten. Im Juni 2016 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass es aufgrund der urlaubsbedingten Abwesenheit der Abteilungsleiterin in der Obst- und Gemüseabteilung erforderlich sei, dass sie in der 26. Woche ihre Schicht wechsele und in der Frühschicht arbeite. Am 20. Juni 2016 teilte die Klägerin dem Marktleiter, dem Beklagten zu 3), mit, dass sie in der 26. Kalenderwoche nicht in der Frühschicht arbeiten könne, weil ihr ein Schichtwechsel nicht möglich sei. Deswegen kam es am 21. Juni 2016 zu einer Besprechung zwischen der Klägerin und dem Bezirksleiter, dem Beklagten zu 2), sowie dem Marktleiter, dem Beklagten zu 3). Nachdem die im Gespräch erörterten Vorschläge zu keiner einvernehmlich Lösung geführt hatten, machte die Klägerin im weiteren Verlaufe des Gesprächs den Vorschlag, dass man ihr kündigen solle, was unter Hinweis darauf abgelehnt wurde, dass es keinen Kündigungsgrund gebe. Daraufhin erklärte die Klägerin, sie werde selbst kündigen. Schließlich endete das Gespräch, dessen genaue Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind, damit, dass der Beklagte zu 3) auf Anweisung des Beklagten zu 2) ein Blatt Papier sowie einen Kugelschreiber holte und die Klägerin sodann handschriftlich folgendes Kündigungsschreiben vom 21. Juni 2016 (Bl. 41 d. A.) fertigte und unterzeichnete:
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"Hiermit kündige ich A. mein Arbeitsverhältnis mit der C. AG zum 21. Juni 2016. Auf die Kündigungsfrist verzicht ich !"
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Mit ihrer beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - erhobenen Klage hat die Klägerin die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch genommen und hierzu vorgetragen, sie sei in dem von ihr im Parallelverfahren (ArbG Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - 6 Ca 675/16 -) ausführlich dargestellten Gespräch am 21. Juni 2016 massiv unter Druck gesetzt und schließlich zur Niederlegung der ihr abverlangten Eigenkündigung genötigt worden, um den Raum verlassen zu können. Ihr sei mehrfach ein Verlassen des Raumes verweigert und sogar der Weg zum Ausgang versperrt worden. Insoweit liege auch der Tatbestand der Freiheitsberaubung sowie Nötigung und der Körperverletzung vor. Aufgrund der Folgen des damaligen Geschehens befinde sie sich wegen einer posttraumatischen Störung in ärztlicher Behandlung und leide unter einem psychovegetativen Erregungszustand, einem posttraumatischen Belastungssyndrom und einer depressiven Symptomatik nach Arbeitsplatzkonflikt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 28. Februar 2017 - 6 Ca 1027/16 - Bezug genommen.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
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die Beklagten zu 1) - 3) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe letztendlich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch den Betrag von 1.500,00 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28. Februar 2017 - 6 Ca 1027/16 - die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.
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Gegen das ihr am 19. April 2017 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 19. Mai 2017, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt. Im Passivrubrum der Berufungsschrift vom 19. Mai 2017 ist allein die Beklagte zu 1) als "Beklagte und Berufungsbeklagte" aufgeführt. Der am 19. Mai 2017 eingegangenen Berufungsschrift war eine Fotokopie des angefochtenen Urteils beigefügt. Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2017, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, hat die Klägerin ihre Berufung begründet. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2017 hat die Klägerin auf die mit gerichtlichem Schreiben vom 29. Juni 2017 erbetene Klarstellung erklärt, dass sich die Berufung auch gegen die Beklagten zu 2) und 3) richte.
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Die Klägerin trägt vor, die damaligen Geschehnisse seien von ihr ausführlich im Parallelverfahren (ArbG Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - 6 Ca 675/16 -) dargestellt worden, so dass sie hierauf Bezug nehme. In dem Gespräch vom 21. Juni 2016 habe man eine Lösung wegen der urlaubsbedingten Abwesenheit der anderen Mitarbeiterin dadurch finden wollen, dass sie ihre mit ihrem Ehemann abgestimmten Arbeitszeiten ändere, was ihr aber wegen des von ihr zu betreuenden Kleinkindes nicht möglich gewesen sei. Ihr Vorschlag, der nicht nur ihr, sondern auch dem Betrieb möglich gewesen wäre, sei aus unerfindlichen Gründen abgelehnt worden. In der Folge sei dann massiver psychologischer Druck auf sie dadurch aufgebaut worden, dass man auf der Änderung ihrer Arbeitszeiten gleichwohl bestanden habe. In ihrer Not habe sie sich schließlich darauf verstiegen, dass sie von zu Hause aus die Kündigung schreibe, um aus der Drucksituation herauszukommen, was ihr aber ebenfalls von den Beklagten verwehrt worden sei. Stattdessen sei ihr, obwohl sie völlig aufgelöst gewesen sei und geweint habe, verboten worden, den Raum zu verlassen. Sie sei aufgefordert worden, ihre Eigenkündigung sofort zu erklären. Diese Forderung sei dann durchgesetzt worden. Sie habe die ihr von der Beklagtenseite diktierte Kündigung schriftlich niederlegen, unterzeichnen und aushändigen müssen. Erst danach habe sie den Raum verlassen dürfen. Sie sei sogleich nach Hause gerannt, wo sie etwa drei bis fünf Minuten später völlig aufgelöst und weinend eingetroffen sei. Das Vorgefallene habe sie ihrem Ehemann berichtet, kurze Zeit später sei ihre Mutter noch hinzugekommen. Entsprechend der Empfehlung der wegen ihrer Situation kontaktierten Hotline des Bundesjustizministeriums sei sie unverzüglich zum Arzt und zur Polizei gegangen. Aufgrund der Folgen des damaligen Geschehens im Aufenthaltsraum vom 21. Juni 2016 leide sie bis zum heutigen Tag unter einem psychovegetativen Erregungszustand, einem posttraumatischen Belastungssyndrom und einer depressiven Symptomatik nach Arbeitsplatzkonflikt. Ihre körperlichen Störungen würden ausschließlich auf dem Verhalten der beiden Beklagten und somit auf unerlaubter Handlung beruhen. Gleichwohl sei ihren Beweisantritten nicht nachgegangen worden. Gleiches gelte hinsichtlich des unmittelbaren Geschehens nach Ende der Gespräche im Besprechungsraum. Nicht akzeptabel sei, dass das Arbeitsgericht ausschließlich auf die Einlassungen der Beklagten abstelle. Vielmehr hätte man allein aufgrund des persönlichen Eindrucks, den die Kammer - auch und gerade in der Parallelangelegenheit - gewonnen habe, ihren Beweisantritten nachgehen müssen. Das Vorhandensein einer psychischen Erkrankung und deren Ursache könne nur durch entsprechende fachliche Beweiserhebungen nachgewiesen werden. Zu rügen sei auch, dass das Arbeitsgericht keinerlei Hinweise gegeben habe.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 28. Februar 2017 - 6 Ca 1027/16 - abzuändern und die Beklagten zu 1) - 3) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe letztendlich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch den Betrag von 1.500,00 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagten zu 1) bis 3) beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie erwidern, die Berufung sei gegen die Beklagten zu 2) und 3) nicht fristgerecht eingelegt worden, weil das Passivrubrum der Berufungsschrift vom 19. Mai 2017 lediglich die Beklagte zu 1) als alleinige Beklagte nenne und eine Nummerierung nicht vorgenommen sei. Hinsichtlich der Beklagten zu 1) erschließe sich bereits deren Passivlegitimation nicht aus dem Vortrag der Klägerin. Das Arbeitsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schmerzensgeld - also die Verletzung des Körpers, der Gesundheit oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als ursächliche Folge einer unerlaubten Handlung - in keiner Weise hinreichend substantiiert dargelegt geschweige denn bewiesen habe. Die Klägerin habe die Kündigung selbst geschrieben und auch formuliert, während der Beklagte zu 2) lediglich darauf hingewiesen habe, dass Datum und Ort auf der Kündigung zu vermerken seien. Nach der eigenen Sachverhaltsschilderung der Klägerin im Rahmen ihrer Parteivernehmung liege hier keine Verletzungshandlung vor, die einen Anspruch auf Schmerzensgeld begründen würde. Nachdem das Arbeitsgericht richtigerweise zu diesem Schluss aufgrund der im Parallelverfahren durchgeführten Beweisaufnahme gekommen sei, habe es folgerichtig die von der Klägerin als Beweis angebotenen Zeugen, die unstreitig der behaupteten Verletzungshandlung nicht beigewohnt hätten, nicht vernommen. Inwieweit das unmittelbare Nachgeschehen, insbesondere die Tatsache, dass die Klägerin unverzüglich nach dem Verlassen des Marktes nach Hause gegangen sei und in der Folge die Polizei sowie einen Arzt aufgesucht habe, mit den angeblichen Verletzungshandlungen in Zusammenhang zu bringen sei, erschließe sich nicht. Im Parallelverfahren, auf das sich die Klägerin selbst durchgehend beziehe, habe das Arbeitsgericht mehrfach eindeutige Hinweise erteilt, unter anderem dass die Klägerin für die von ihr behauptete Verletzungshandlung darlegungs- und beweispflichtig sei.
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Die Verfahrensakte des Parallelverfahrens (Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - 6 Ca 675/16 - LAG Rheinland-Pfalz 2 Sa 246/17) wurde beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Wegen des Ergebnisses der vom Arbeitsgericht im Parallelverfahren durchgeführten Beweisaufnahme (Vernehmung der Beklagten zu 2) und 3) als Zeugen sowie der Klägerin als Partei) wird auf das Sitzungsprotokoll vom 28. Februar 2017 (Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - 6 Ca 675/16 -) verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
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I. Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist insgesamt zulässig. Sie ist nicht nur gegen die Beklagte zu 1), sondern auch gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).
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1. Zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift nach § 519 Abs. 2 ZPO gehört neben den weiteren, gesetzlich normierten Voraussetzungen auch die Angabe, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss entweder für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll. An die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings weniger strenge Anforderungen zu stellen als an die Bezeichnung des Rechtsmittelführers. Jedenfalls in denjenigen Fallgestaltungen, in denen der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen besteht, richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung und somit gegen alle gegnerischen Streitgenossen, es sei denn, die Rechtsmittelschrift lässt eine Beschränkung der Anfechtung erkennen. Eine solche Beschränkung kann sich, wenn auf der Gegenseite mehrere Streitgenossen stehen, zwar auch daraus ergeben, dass in der Rechtsmittelschrift nur einige von ihnen angegeben werden. Dies ist jedoch nicht zwingend. Der Bundesgerichtshof hat eine unbeschränkte Berufungseinlegung auch in Fällen bejaht, in denen als Rechtsmittelgegner nur einer von mehreren Streitgenossen, und zwar der im Urteilsrubrum an erster Stelle Stehende, genannt wurde. Weil auch die Bezeichnung einer Partei als Teil einer Prozesshandlung auslegungsfähig ist, kommt es für die Frage, ob eine Beschränkung der Anfechtung gewollt ist, letztlich auf eine vollständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist an. Dabei können sich aus einer beigefügten Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift des angefochtenen Urteils oder aus sonstigen beigefügten Unterlagen häufig entscheidende Hinweise auf den Umfang der Anfechtung ergeben. Dabei kommt insbesondere der Frage Bedeutung zu, ob eine Beschränkung des Rechtsmittelangriffs auf einen Teil der bisherigen Prozessgegner in Anbetracht des der Vorinstanz unterbreiteten Streitstoffs ungewöhnlich oder gar fernliegend erscheint (BGH 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09 - Rn. 10 - 13 mwN, NJW-RR 2011, 359).
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2. Ausgehend von diesen Grundsätzen richtet sich die rechtzeitig eingegangene Berufung auch gegen die Beklagten zu 2) und 3).
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Zwar ist in der Berufungsschrift der Klägerin ausdrücklich nur die Beklagte zu 1) als "Beklagte und Berufungsbeklagte" aufgeführt. Die Berufung ist aber ohne Einschränkung gegen das „Urteil des Arbeitsgerichts Landau, Az. 6 Ca 1027/16, verkündet am 28.02.2017 und zugestellt am 19.04.2017“ eingelegt worden. Dem rechtzeitig eingegangenen Berufungsschriftsatz war außerdem das vorbezeichnete Urteil in Fotokopie beigefügt, mit dem die Klage gegen die im Passivrubrum aufgeführten Beklagten zu 1) - 3) abgewiesen worden ist. Weil die Klägerin gegen dieses Urteil ohne Einschränkungen Berufung eingelegt und die Anträge sowie die Begründung einem weiteren Schriftsatz vorbehalten hatte, ist von einer zulässigen Berufung auch gegen die Beklagten zu 2) und 3) ausgehen. Dafür spricht schon der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgestellte Grundsatz, wonach sich die Berufung im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung richtet, wenn der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen besteht. Hinzu kommt, dass die in der Berufungsschrift aufgeführten Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) auch die Beklagten zu 2) und 3) vertreten hatten. Auch nach dem Inhalt des beigefügten Urteils, nach dem der vom Arbeitsgericht abgewiesene Klageanspruch gegen die Beklagten zu 1) - 3) auf Zahlung von Schmerzensgeld gerade auf unerlaubte Handlungen der Beklagten zu 2) und 3) gestützt worden ist, erscheint eine Anfechtung des Urteils nur gegen die Beklagte zu 1) eher als ungewöhnlich. Mithin hat die Klägerin ihre Berufung rechtzeitig nicht nur gegen die Beklagte zu 1), sondern auch gegen die Beklagten zu 2) und 3) eingelegt.
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Nichts anderes gilt für die Berufungsbegründung vom 19. Juni 2017. Zwar ist in deren Kurzrubrum ebenfalls nur die Beklagte zu 1) aufgeführt. Nach der im Schriftsatz vom 19. Juni 2017 abgegebenen Begründung und dem Berufungsantrag, mit dem die Klägerin ohne Einschränkungen beantragt hat, "unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Landau, Aktenzeichen: 6 Ca 1027/16 der Klage stattzugeben", hat sie ihre Berufung rechtzeitig nicht nur gegenüber der Beklagten zu 1), sondern auch gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) begründet.
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II. Die Berufung der Klägerin hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf das von ihr geltend gemachte Schmerzensgeld.
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1) nach §§ 241 Abs. 2, 253 Abs. 2, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten.
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a) Die Beklagte zu 1) hat als Arbeitgeberin gegenüber der Klägerin als ihrer Arbeitnehmerin bestimmte Fürsorge- und Schutzpflichten wahrzunehmen. Jeder Vertragspartei erwachsen aus einem Schuldverhältnis nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils, § 241 Abs. 2 BGB. Dies verbietet auch die Herabwürdigung oder Missachtung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber. Dieser hat daher Anspruch darauf, dass auf sein Wohl und seine berechtigten Interessen Rücksicht genommen wird, dass er vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, geschützt wird, und dass er keinem Verhalten ausgesetzt wird, das bezweckt oder bewirkt, dass seine Würde verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen und Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Der Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch zum Schutz der Gesundheit und der Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers verpflichtet (BAG 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - Rn. 32, NZA 2009, 38). Der Arbeitgeber haftet dem betroffenen Arbeitnehmer gegenüber gemäß § 278 BGB für schuldhaft begangene Rechtsverletzungen, die von ihm als Erfüllungsgehilfen eingesetzte Mitarbeiter oder Vorgesetzte begehen (BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - Rn. 79, NZA 2008, 223).
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b) Nach der eigenen Sachverhaltsschilderung der Klägerin lässt sich keine durch die Beklagten zu 2) und 3) als Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu 1) begangene Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten feststellen. Nach der eigenen Aussage der Klägerin bei ihrer Vernehmung als Partei im Parallelverfahren (Protokoll vom 28. Februar 2017 über ihre Vernehmung als Partei in dem vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - geführten Parallelverfahren 6 Ca 675/16), auf die sie im vorliegenden Verfahren verwiesen hat, kann im Streitfall nicht angenommen werden, dass sie zur Abgabe ihrer Kündigungserklärung gemäß ihrer schriftsätzlichen Darstellung genötigt worden ist.
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Die Klägerin hat bei ihrer eigenen Vernehmung als Partei ausgesagt, sie habe den Raum verlassen wollen und der Beklagte zu 2) habe sie dann an der Schulter festgehalten und das Verlassen so verhindert. Sie habe dann gesagt, er solle sie loslassen, weil sie gehen wolle. Nach dem dritten Mal habe der Beklagte zu 2) sie dann losgelassen. Dann habe sie zum Beklagten zu 2) gesagt, dann kündige sie selbst, sie wolle von zu Hause aus kündigen. Der Beklagte zu 2) habe zu ihr gesagt, dass sie sich das genau überlegen solle und warum sie jetzt auf einmal selber kündigen wolle. Sie habe dann erklärt, dass es seit Monaten so gehe, dass es immer wieder Streitgespräche gebe, weil ihre Abteilungsleiterin mit ihr nicht zufrieden sei und dann sei es mal zwei bis drei Wochen gut gegangen und sie hätten wieder da gesessen und gestritten und das halte sie nicht aus. Der Beklagte zu 2) habe daraufhin gesagt, dass sie von zu Hause nicht kündigen solle und sie das nicht machen brauche, sie könne es auch hier sofort machen. Sie habe dann gesagt, sie wolle es zu Hause an ihrem Computer machen und nicht hier, woraufhin der Beklagte zu 2) gesagt habe, dass sie das nicht mitmachen würden und sie dann jetzt das sofort machen solle. Dann habe er den Beklagten zu 3) rausgeschickt, einen Stift und Zettel zu holen. Als der Beklagte zu 3) rausgegangen sei und den Zettel geholt habe, habe der Beklagte zu 2) sie nochmals gefragt, warum sie denn jetzt kündigen wolle, und sie habe es dann nochmals erklärt. Dann sei der Beklagte zu 3) wieder reingekommen und sie habe mit dem ersten Satz angefangen. Nach einer kurzen Pause habe der Beklagte zu 2) ihr gesagt, sie solle mit sofortiger Wirkung kündigen und sie solle auf ihre Kündigungsfrist verzichten. Dann habe sie unterschrieben, wobei er ihr noch gesagt habe, sie solle noch Ort und Datum draufsetzen. Sie habe den Geschäftsschlüssel dann abgegeben und sei raus. Sie habe das Gefühl gehabt, dass der Beklagte zu 2), als er sie angefasst habe, habe verhindern wollen, dass sie den Raum verlasse. Aber als er sie auch berührt und an der Schulter festgehalten habe, habe er auch gesagt: "Wissen Sie, was Sie da machen?" Sie habe nur aus dieser Situation rausgewollt und keinen Anlass gehabt zu kündigen. Sie habe nur wissen wollen, dass der Beklagte zu 2) auch Bescheid wisse, was in den letzten Monaten passiert sei.
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Danach lässt die eigene Darstellung des Geschehensablaufs durch die Klägerin im Rahmen ihrer Vernehmung als Partei nicht erkennen, dass sie am Verlassen des Raumes gehindert und dadurch zur Abgabe ihrer Kündigungserklärung genötigt worden ist. Vielmehr hat der Beklagte zu 2) die Klägerin nach ihrer eigenen Darstellung sogar nochmals gefragt, warum sie denn jetzt kündigen wolle, was sie daraufhin nochmals erklärt hat. Nach der eigenen Aussage der Klägerin ist der Beklagte zu 2) ihrer Aufforderung, er solle sie loslassen, nachgekommen. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist in dem geschilderten Verhalten des Beklagten zu 2) jedenfalls keine Nötigungshandlung oder gar Körperverletzung zu erkennen. Die Klägerin ist in keiner Weise zur Abgabe der Kündigungserklärung aufgefordert worden, sondern hat aus eigenem Entschluss erklärt, dass sie selbst kündigen wolle. Auf die Nachfrage, warum sie denn jetzt selbst kündigen wolle, hat sie nach ihrer Aussage dem Beklagten zu 2) erklärt, dass es seit Monaten immer wieder Streitgespräche gebe, weil ihre Abteilungsleiterin mit ihr nicht zufrieden sei. Allein die Aufforderung von Seiten des Beklagten zu 2), dass sie ihre Kündigung, wenn sie diese denn aussprechen wolle, nicht zu Hause an ihrem Computer erstellen, sondern das dann jetzt sofort machen solle, beinhaltet weder eine Nötigung noch eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht. Selbst unter Zugrundelegung der eigenen Aussage der Klägerin lässt sich nicht feststellen, dass sie daran gehindert worden ist, den Raum zu verlassen, bis sie ihre Kündigung schriftlich erklärt.
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Die Klägerin hat ihren Kündigungsentschluss selbst getroffen und begründet, ohne dabei in unzulässiger Weise in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt worden zu sein. Die Klägerin war auf das am 21. Juni 2016 geführte Gespräch vorbereitet und wusste, dass eine Lösung der Vertretung für die abwesende Abteilungsleiterin gefunden werden sollte. Dabei ist der Klägerin unter anderem auch ein Wechsel in andere Filialen angeboten worden, was von ihr abgelehnt wurde. Nach dem Gesprächsverlauf, wie er im Rahmen der vom Arbeitsgericht im Parallelverfahren durchgeführten Beweisaufnahme von den Beklagten zu 2) und 3) und auch von der Klägerin selbst bei ihrer Parteivernehmung geschildert worden ist, lässt sich nicht erkennen, dass die Klägerin unter Ausnutzung einer seelischen Zwangslage zur Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses angehalten wurde, zumal für die Beklagten eine Kündigung der Klägerin auch nicht zur Lösung des aufgetretenen Problems beitragen konnte. Unerheblich ist, dass die Klägerin nach ihrer Ankunft zu Hause die Folgen ihrer Kündigung realisiert hat und diese wieder rückgängig machen wollte. Die Beklagte zu 1) war auch nicht aus Fürsorgegesichtspunkten verpflichtet, mit der Klägerin nach der von ihr aus eigenem Entschluss schriftlich erklärten Kündigung eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren.
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Im Hinblick darauf, dass nach der eigenen Aussage der Klägerin weder der zur Klagebegründung angeführte Tatbestand der Freiheitsberaubung, Nötigung oder gar Körperverletzung noch eine anderweitige Verletzung der Rücksichtnahmepflicht angenommen werden kann, kommt eine Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1) i.S.d. §§ 276, 278 BGB für die von der Klägerin behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigungen mit den geschilderten Symptomen in Folge des Geschehens am 21. Juni 2016 nicht in Betracht.
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2. Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld gegen die Beklagten zu 1) - 3) lässt sich nicht aus §§ 823 Abs. 1 bzw. 831, 253 Abs. 2 BGB herleiten.
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§ 823 Abs. 1 BGB begründet einen Schadensersatzanspruch u.a. bei einer vorsätzlichen oder fahrlässigen widerrechtlichen Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder eines „sonstigen Rechtes“, zu denen auch das Persönlichkeitsrecht zählt.
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Liegen wie hier gemäß den obigen Ausführungen keine gegen die arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflichten des § 241 Abs. 2 BGB verstoßenden Handlungen der Beklagten vor, fehlt es auch an unerlaubten Handlungen i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB, durch welche die Klägerin in ihrer Gesundheit verletzt worden sein könnte. Die Klägerin ist zum Ausspruch ihrer Eigenkündigung nicht in rechtlich zu beanstandender Weise veranlasst worden. Soweit der Beklagte zu 2) die Klägerin dazu angehalten hat, dass sie nach ihrem Kündigungsentschluss ihre eigene Kündigung nicht zu Hause am Computer, sondern handschriftlich im Aufenthaltsraum mit dem ihr zur Verfügung gestellten Blatt Papier und Kugelschreiber selbst fertigen soll, ändert dies nichts daran, dass es der Klägerin freistand, ob sie überhaupt ihr Arbeitsverhältnis kündigen will. Im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen sind grundsätzlich nicht geeignet, die Tatbestandsvoraussetzungen einer Vertragspflichtverletzung oder einer unerlaubten Handlung zu erfüllen (vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - Rn. 47, NZA 2009, 38).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Zulassung der Berufung war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.
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