Urteil vom Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (6. Kammer) - 6 Sa 300/13

Tenor

Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 30.05.2013 – 2 Ca 2078/12 – werden zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Verzugslohn.

2

Der Kläger ist seit 01.08.2001 bei der Beklagten zunächst als Eventberater und seit Januar 2005 als Teamleiter beschäftigt gewesen. Die Rechtsbeziehungen der Parteien bestimmten sich nach dem Arbeitsvertrag vom 13.07.2001 (Bl. 6 – 10 d.A.), dem Änderungsvertrag vom 18.01.2005 (Bl.11 d.A.) sowie einem weiteren Änderungsvertrag vom 31.01.2006 (Bl. 12 d.A.). Der Kläger erhielt für seine Dienste ein monatliches Fixum von 1.800,00 EUR brutto sowie darüber hinausgehend eine erfolgsabhängige Vergütung basierend auf jährlich neu geschlossenen Provisionsvereinbarungen, wobei die Parteien für das Jahr 2008 keine Einigkeit über eine Folgeregelung erzielen konnten und die Beklagte daraufhin die Provisionszahlungen einstellte. Weiter hatten die Parteien die Privatnutzung des dem Kläger überlassenen Dienstfahrzeuges vereinbart

3

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien erstmals mit Schreiben vom 28.03.2008 zum 30.06.2008 betriebsbedingt und stellte den Kläger unwiderruflich unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeitsleistung frei. Im Anschluss kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut mit Schreiben vom 02.04.2008 zum 30.09.2008 ebenfalls aus betriebsbedingten Gründen. Es folgte eine außerordentliche Kündigung vom 23.09.2008, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2008, gestützt auf eine dem Kläger vorgeworfene unerlaubte Konkurrenztätigkeit. Der Kläger hat diese Kündigungen erfolgreich mittels Kündigungsschutzklage angegriffen. Nunmehr steht rechtskräftig fest, dass zwischen den Parteien jedenfalls bis zum 31.12.2008 ein Arbeitsverhältnis als Teamleiter bestanden hat.

4

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger Verzugslohn für den Zeitraum 01.04. bis 31.12.2008. Im Einzelnen hat der Kläger – monatsbezogen – folgende Positionen geltend gemacht:

5

1.800,00 EUR

        

Fixum 

1.419,58 EUR

        

Teamleiter-Provision

3.398,40 EUR

        

sonstige Provisionen

 447,39 EUR

        

Provisionen aus Kompensationsgeschäften

 50,00 EUR

        

Provisionen für Neukundenakquise 2007

 100,00 EUR

        

Erfüllung Forecast 2007

    560,76 EUR

        

Provision nach § 6 des Arbeitsvertrages
(Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall).

7.776,13 EUR

        

brutto.

6

Weiter begehrt der Kläger einen monatlichen Betrag von 316,50 EUR brutto als Ersatz für die ihm seitens der Beklagten nach Ausspruch der ersten Kündigung – am 04.04.2008 – entzogene Nutzung des Dienstwagens in Höhe von 1 % des Bruttolistenpreises.

7

Nach Ausspruch der Kündigung vom 28.03.2008 gründete der Kläger zusammen mit einer weiteren Person die GmbH (im Folgenden: CA). Der Abschluss des Gesellschaftsvertrages erfolgte am 29.04.2008. Danach war der Kläger zu 50 % Mitgesellschafter dieses Unternehmens. Die Eintragung in das Handelsregister fand am 22.07.2008 statt. Am 02.10.2008 schließlich wurde der Kläger als Geschäftsführer dieser GmbH eingetragen. Ob der Kläger bereits vor dem 30.09.2008 für diese Gesellschaft aktiv tätig geworden ist, ist zwischen den Parteien streitig.

8

Der Kläger erhielt von der Bundesagentur für Arbeit für den Zeitraum 08.10.2008 bis 07.07.2009 einen monatlichen Gründungszuschuss gem. § 57 SGB III a.F. in Höhe von 1.638,90 EUR (Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 02.02.2009 – Bl. 484 d.A.). Auf Verlangen der Beklagten erteilte der Kläger Auskunft über die von ihm im Jahr 2008 erzielten Verdienste durch Vorlage des Einkommenssteuerbescheides 2008 (Bl. 598 – 602 d.A.) sowie durch Vorlage eines Bescheides über einen Verlustvortrag für das Jahr 2008 (Bl. 603 – 604 d.A.). Er hat darüber hinaus am 24.11.2008 bei dem Amtsgericht Halle eine eidesstattliche Versicherung dahin abgegeben, dass er kein anderweitiges Einkommen oder Sozialleistungen im Zeitraum vom 03.04.2008 bis 30.09.2008 erzielt hat (Bl. 124 f d.A. des verbundenen Rechtsstreits 2 Ca 3620/12 ArbG Halle).

9

Im streitgegenständlichen Zeitraum erbrachte die Beklagte noch folgende Zahlungen (Abrechnungen Bl. 85, 83 sowie 318 d.A. des verbundenen Rechtsstreits 2 Ca 3620/12 ArbG Halle):

10

April 2008

        

6.834,82 EUR brutto,

Mai 2008

        

3.595,43 EUR brutto,

Juni 2008

        

1.428,70 EUR netto.

11

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihm nach den Grundsätzen des Annahmeverzuges für den streitgegenständlichen Zeitraum einen monatlichen Verzugslohn in vorgenannter Höhe zuzüglich Nutzungsentschädigung für den Dienstwagen zu gewähren. Er lässt sich hierauf die von der Beklagten in den Monaten April bis Juni 2008 geleisteten Zahlungen sowie die von der Bundesagentur für Arbeit erbrachten Leistungen anrechnen.

12

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

13
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.257,82 EUR brutto Vergütung für April 2008 zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2008,
14
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.497,21 EUR brutto Vergütung für Mai 2008 zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2008,
15
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.092,64 EUR brutto Vergütung für Juni 2008 zu zahlen abzüglich bereits gezahlter 1.428,68 EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem hieraus resultierenden Differenzbetrag seit dem 01.07.2008,
16
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.092,64 EUR brutto Vergütung für Juli 2008 zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008,
17
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.092,64 EUR brutto Vergütung für August 2008 zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008,
18
6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.092,64 EUR brutto Vergütung für September 2008 zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2008,
19
7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.092,64 EUR brutto abzüglich auf die Agentur für Arbeit übergegangener 1.311,12 EUR netto Vergütung für Oktober 2008 zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich hieraus ergebenden Differenzbetrag ab dem 01.11.2008,
20
8. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.092,64 EUR brutto Vergütung für November 2008 zu zahlen abzüglich auf die Agentur für Arbeit übergegangener 1.638,90 EUR netto zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich hieraus ergebenden Differenzbetrag ab dem 01.12.2008,
21
9. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.092,64 EUR brutto Vergütung für Dezember 2008 zu zahlen abzüglich auf die Agentur für Arbeit übergegangener 1.638,90 EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich hieraus ergebenden Differenzbetrag ab dem 01.01.2009.
22
10. …       
23

Die Beklagte hat beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Sie hat die Höhe der geltend gemachten Provisionsansprüche bestritten sowie in nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 15.03.2013 (Bl. 617 – 623 d.A.) und 27.05.2013 (Bl. 664 – 667 d.A.) nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz (21.02.2013) weiter eingewendet, der Kläger sei im streitgegenständlichen Zeitraum nicht leistungsfähig und -willig gewesen.

26

Wegen des weiteren Inhalts des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 680 – 687 d.A.) verwiesen.

27

Das Arbeitsgericht hat mit Teil-Urteil vom 30.05.2013 (Klageanträge Ziff. 1. – 9.) dem Kläger – unter Abweisung der Klage im Übrigen – einen monatlichen Vergütungsanspruch, einschließlich Ersatz der entgangenen Pkw-Nutzung, in Höhe von 7.960,98 EUR brutto abzüglich der von der Beklagten in den Monaten April bis Juni 2008 gezahlten Vergütung sowie der von der Bundesagentur für Arbeit im Zeitraum 08.10. bis 31.12.2008 gewährten Leistungen zuzüglich Zinsen zugesprochen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, nach den von dem Kläger vorgelegten Umsatzzahlen ergebe sich für ihn neben dem monatlichen Fixum von 1.800,00 EUR brutto ein weiterer Provisionsanspruch im austenorierten Umfang. Weiter hat das Arbeitsgericht zur Begründung der Provisionsansprüche auf ein zwischenzeitlich rechtskräftiges Teil-Urteil vom 16.02.2009 (2 Ca 1139/08) sowie auf ein ebenfalls rechtskräftiges Urteil des LAG Sachsen-Anhalt vom 18.01.2010 (6 Sa 234/09) verwiesen. Eine Leistungsunfähigkeit oder -unwilligkeit des Klägers habe die Beklagte nicht hinreichend dargelegt. Das diesbezügliche Vorbringen sei erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt.

28

Soweit der Kläger eine höhere Teamleiter-Provision begehre, sei die Klage unbegründet. Abzustellen sei für die Ermittlung der im streitgegenständlichen Zeitraum zu erwartenden Provisionen auf das Kalenderjahr 2007 als Referenzzeitraum und nicht auf den von dem Kläger zugrunde gelegten Zeitraum April 2007 bis März 2008. Der Anspruch belaufe sich daher auf monatlich 1.296,12 EUR brutto. Weiter sei bei Ermittlung der aus Kompensationsgeschäften sich ergebenden monatlichen Provision ein von dem Kläger in Ansatz gebrachter Umsatzwert nicht zu berücksichtigen. Die Provision belaufe sich daher auf monatlich 439,20 EUR brutto.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 678 – 700 d.A. verwiesen.

30

Gegen dieses, ihr am 17.06.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.07.2013 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.09.2013 am 17.09.2013 begründet.

31

Der Kläger wiederum hat – innerhalb der Berufungserwiderungsfrist – am 25.10.2013 Anschlussberufung eingelegt und diese sogleich begründet.

32

Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Sie wendet weiterhin – unter Bezugnahme auf die bereits erstinstanzlich nach Schluss der mündlichen Verhandlung zur Akte gereichten Schriftsätze – ein, der Kläger sei im streitigen Zeitraum nicht leistungsfähig und leistungswillig gewesen. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass der Kläger – unstreitig – im Jahr 2011 längerfristig erkrankt gewesen sei. Auch habe der Kläger ab 01.10.2008 – unstreitig – als Geschäftsführer für die CA gearbeitet. Hierdurch sei seine Arbeitskraft im vollen Umfang ausgeschöpft worden. Darüber hinaus habe der Kläger – so behauptet die Beklagte – bereits ab März 2008 die CA aufgebaut, insbesondere bisher von ihm betreute Kunden kontaktiert, was ebenfalls seine Arbeitskraft im vollen Umfang in Anspruch genommen habe.

33

Auch sei von einer Leistungsunwilligkeit des Klägers im streitgegenständlichen Zeitpunkt auszugehen, weil er gegenüber der Beklagten nie eine Weiterbeschäftigung gerichtlich geltend gemacht habe. Selbst nach Ausspruch einer weiteren (Änderungs-)Kündigung im Jahr 2010 sei ein solcher Antrag nicht gestellt worden.

34

Darüber hinaus bestreitet die Beklagte weiterhin die Höhe der von dem Kläger in Ansatz gebrachten Provisionen und seine Angaben zu dem erzielten Zwischenverdienst. Selbst wenn der Kläger für seine Tätigkeit als Geschäftsführer der CA tatsächlich keine Vergütung erhalten haben sollte, so liege in diesem Verhalten ein ihm zurechenbares Unterlassen des Erwerbs von Zwischenverdienst. Als angemessene Vergütung für diese Tätigkeit sei ein Betrag von mindestens 8.500,00 EUR monatlich in Ansatz zu bringen.

35

Weiter stehe dem Kläger kein Anspruch auf Ersatz für die entgangene Privatnutzung des Dienstwagens zu, da er – so behauptet die Beklagte – im streitgegenständlichen Zeitraum über einen ihm von Dritten überlassenen Pkw verfügt habe.

36

Schlussendlich sei die Zinsforderung nicht korrekt ausgeurteilt worden, da die Provisionsansprüche jeweils erst zum Folgemonat zur Abrechnung gebracht worden seien.

37

Die Beklagte beantragt,

38

das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 30.05.2013 abzuändern und die Klage abzuweisen

39

sowie

40

die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

41

Der Kläger beantragt,

42

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen

43

sowie

44

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 987,68 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jeweils aus 123,46 EUR seit dem 01.06.2008, 01.07.2008, 01.08.2008, 01.09.2008, 01.10.2008, 01.11.2008, 01.12.2008 und 01.01.2009 zu zahlen.

45

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung, soweit sie zu seinen Gunsten ergangen ist und begehrt mit seiner Anschlussberufung weitere Teamleiter-Provision in Höhe von monatlich 123,46 EUR brutto für die Monate Mai bis Dezember 2008. Insoweit habe das Arbeitsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen. Abzustellen für die Ermittlung dieser Provision sei auf den unmittelbar vor Beginn des Verzugslohnzeitraums liegenden Referenzzeitraum, nämlich April 2007 bis März 2008.

46

Im Übrigen habe eine Leistungsunwilligkeit oder Leistungsunfähigkeit des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vorgelegen. Eines Angebotes der Beschäftigung habe es im Hinblick auf die von der Beklagten erklärte Freistellung nicht bedurft. Das Arbeitsgericht habe auch zu Recht dem Kläger Zinsen jeweils ab dem ersten Tag des Folgemonats zuerkannt, da die Vergütungsansprüche – unstreitig – jeweils zum Monatsletzten fällig geworden seien. Bei den geltend gemachten Provisionen handele es sich um solche des Vormonats.

47

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

48

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Es handelt sich um das gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG statthafte Rechtsmittel. Die Beklagte hat die Fristen des § 66 Abs. 1 Satz 1 BGB gewahrt.

49

Auch die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig. Er hat diese innerhalb der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingelegt und gemäß § 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO auch sogleich begründet.

B.

50

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von Verzugslohn/Schadensersatz in dem austenorierten Umfang (Ziffern 1. – 9. des Urteilstenors) verurteilt.

I.

51

Dem Kläger steht für den Monat April bis Dezember 2008 ein Verzugslohnanspruch in dem von dem Arbeitsgericht ermittelten Umfang aus § 615 BGB, wonach der Dienstverpflichtete die vertraglich vereinbarte Vergütung auch dann verlangen kann, wenn er die vereinbarten Dienste aufgrund Annahmeverzuges des Dienstberechtigten nicht erbracht hat, zu.

52

1. Zwischen den Parteien bestand im streitgegenständlichen Zeitraum – die hierauf bezogenen Kündigungsschutzrechtsstreite sind sämtlichst zugunsten des Klägers rechtskräftig abgeschlossen worden – ein Arbeitsverhältnis.

53

2. Die Beklagte befand sich aufgrund der von ihr in dem (ersten) Kündigungsschreiben vom 28.03.2008 angeordneten Freistellung des Klägers unter Fortzahlung der Vergütung in Annahmeverzug, ohne dass es eines tatsächlichen oder wörtlichen Angebotes des Klägers hinsichtlich seiner Arbeitsleistung bedurft hat (BAG 23.02.2008 – 5 AZR 309/07).

54

3. Die Wirkungen des Annahmeverzuges sind nicht gemäß § 297 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung liegt kein Annahmeverzug vor, wenn der Arbeitnehmer bezogen auf seine vertragliche Arbeitsleistung nicht leistungsfähig oder -willig war.

55

Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außerstande oder subjektiv nicht zur Leistung bereit ist. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB. Der Leistungswille ist eine innere Tatsache. Dass eine Partei eine innere Tatsache zu beweisen hat und die Führung dieses Beweises Schwierigkeiten bereitet, führt nicht zur Beweislastumkehr, sondern zur Modifizierung der Darlegungslast. Wendet der Arbeitgeber fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. In Betracht kommt insbesondere die Nichtaufnahme der Arbeit nach erfolgreichem Betreiben der Zwangsvollstreckung aus einem Weiterbeschäftigungstitel. Hat der Arbeitgeber solche Indizien vorgetragen oder sind sie unstreitig, ist es Sache des Arbeitnehmers, diese Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er dazu nichts vor, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunwillig gewesen, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (BAG 17.08.2011 – 5 AZR 251/10 – Rn. 17).

56

Aus dem sich bietenden Sachverhalt lässt sich weder eine Leistungsunfähigkeit des Klägers noch eine Leistungsunwilligkeit ableiten. Die darlegungspflichtige Beklagte hat bezogen auf den hier streitgegenständlichen Zeitraum keine dafür tragfähigen Indizien dargelegt.

57

a. Ihrem Vorbringen in dem in der Berufungsbegründung in Bezug genommenen und erstinstanzlich (als Anlage) bereits zur Akte gereichten Schriftsatz vom 08.03.2013 (betreffend einen weiteren Rechtsstreit der Parteien), der Kläger sei im Jahr 2011 längerfristig arbeitsunfähig erkrankt gewesen, kommt kein Indizwert für eine fehlende Leistungsfähigkeit des Klägers im Zeitraum April bis Dezember 2008 zu. Insoweit wird von der primär darlegungspflichtigen Beklagten lediglich pauschal „vorsorglich“ bestritten (Schriftsatz vom 15.03.2013), der Kläger sei aus gesundheitlichen Gründen im Kalenderjahr 2008 arbeitsfähig gewesen.

58

b. Ebenso wenig lässt sich aus dem Vorbringen der Beklagten ein Indizwert dafür entnehmen, dass der Kläger in dem vorgenannten Zeitraum leistungsunwillig gewesen ist.

59

aa. Das gilt zunächst für das von der Beklagten aufgezeigte Verhalten des Klägers ab Oktober 2010 nach Ausspruch einer Änderungskündigung. Näherer Sachvortrag, inwiefern hieraus auf die innere Einstellung des Klägers im streitigen Zeitraum (April bis Dezember 2008) geschlossen werden könnte, ist nicht geleistet worden. Dass der Kläger im streitigen Zeitraum keine Weiterbeschäftigung ausdrücklich geltend gemacht, spricht ebenfalls nicht gegen seinen Leistungswillen. Diesen hat er durch Erhebung der Kündigungsschutzklage hinreichend zum Ausdruck gebracht. Durch die unwiderrufliche Freistellung hat die Beklagte andererseits konkludent erklärt, sie werde einem Weiterbeschäftigungsverlangen des Klägers nicht entsprechen.

60

bb. Ebenso wenig lässt sich ein fehlender Leistungswille des Klägers aus der von der Beklagten behaupteten Tätigkeit für die von ihm mitgegründete CA seit März 2008 ableiten. Die Beklagte verkennt insoweit, dass der Kläger die Gründung dieser Gesellschaft erst in Angriff genommen hat (Gesellschaftsvertrag vom 29.04.2008), nachdem sie das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Freistellung von der Arbeitsleistung bereits gekündigt hatte. Aus einer in diesem Zusammenhang erfolgten Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit lässt sich kein Indizwert dahin ableiten, der Kläger hätte auch bei einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte seine Tätigkeit als Teamleiter nicht mehr ausgeübt, sondern seine Arbeitskraft im vollen Umfang für einen Dritten eingesetzt. Zutreffend verweist der Kläger insoweit auf seine sich nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses ergebende Obliegenheit (§§ 615 Satz 2 BGB, 11 KSchG) zur Aufnahme einer zumutbaren anderweitigen Beschäftigung.

61

4. Die Höhe des sich monatlich ergebenden Verzugslohnanspruches hat das Arbeitsgericht zutreffend mit 7.644,48 EUR brutto (zuzüglich 316,50 EUR brutto Nutzungsausfall – dazu unter II.) in Ansatz gebracht.

62

a. Die Berufungskammer schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts auf den Seiten 12 bis 16 der Entscheidungsgründe an.

63

b. Das zweitinstanzliche Vorbringen der Beklagten betreffend die Provisionsbestandteile des Vergütungsanspruchs vermag eine abweichende rechtliche Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Das Arbeitsgericht hat die einzelnen Provisionsansprüche anhand der von den Parteien in den Rechtsstreit eingebrachten Zahlenwerte im angefochtenen Urteil teilweise selbst ermittelt und teilweise zur Berechnung der Ansprüche auf zwischenzeitlich rechtskräftige Urteile in Vorprozessen der Parteien betreffend den Zeitraum Januar bis März 2008, nämlich das Teil-Urteil vom 16.02.2009 sowie das Urteil des LAG Sachsen-Anhalt vom 18.01.2010, verwiesen. Die Entscheidungsgründe dieser Urteile basieren wiederum auf den von den Parteien vorgelegten Zahlenwerten. Das pauschale Bestreiten der Provisionsansprüche in der Berufungsbegründung vermag daher die Berechnung durch das Arbeitsgericht nicht in Zweifel zu ziehen. Gleiches gilt für das Vorbringen der Beklagten in dem in der Berufungsbegründung in Bezug genommenen Schriftsatz vom 27.05.2013. Der dortige Sachvortrag, die Umsätze im Werbebereich seien um 19% zurückgegangen, wird nicht näher substantiiert. Der Verweis auf die im Verzugslohnzeitraum von dem Kläger nach Behauptung der Beklagten bereits ausgeübten Tätigkeiten für die CA verfängt nicht, da nicht erkennbar ist, dass der Kläger auch ohne die von der Beklagten erklärte Kündigung seine Vermittlungstätigkeit für die Beklagte in diesem Zeitraum nicht oder nur in einem geringen Maße ausgeübt hätte.

64

5. Die von dem Kläger unstreitig im Zeitraum Oktober bis Dezember 2008 bezogenen Leistungen der Bundesagentur für Arbeit sind von den sich in diesem Zeitraum ergebenden Verzugslohnansprüchen mangels Aktivlegitimation des Klägers (§ 115 SGB X) zutreffend in Abzug gebracht worden.

65

6. Der Verzugslohnanspruch ist darüber hinaus nicht gemäß § 11 Nr. 1 KSchG um einen von dem Kläger im streitigen Zeitraum erzielten Zwischenverdienst zu kürzen. Nach dem sich bietenden Sachvortrag hat der Kläger einen solchen im gesamten streitigen Zeitraum nicht erzielt. Die Kammer schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts auf Seite 18 der Entscheidungsgründe an. Weitere Tatsachen, die dennoch einen Zwischenverdienst des Klägers belegen könnten, hat die insoweit darlegungspflichtige Beklagte auch zweit-instanzlich nicht vorgetragen, obwohl ihr ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 21.02.2013 (Bl. 594 d.A.) zu Händen ihres damaligen Prozessbevollmächtigten im Beisein des damaligen Geschäftsführers ihrer Komplementär GmbH sowohl eine Kopie des Einkommensteuerbescheides 2008 als auch des Bescheides über die Gewährung eines Verlustvortrages für das Jahr 2008 durch den Kläger überreicht worden ist.

66

7. Ebenso wenig hat sich der Kläger gemäß § 11 Nr. 2 KSchG böswillig unterlassenen Zwischenverdienst bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum anrechnen zu lassen. Das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 02.03.2015, für die von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit eines Geschäftsführers der CA sei eine monatliche Bruttovergütung von mindestens 8.500,00 EUR angemessen und demgemäß als unterlassener Zwischenverdienst zur Anrechnung zu bringen, ist nicht hinreichend substantiiert. Hieraus lassen sich keine Anhaltspunkte ableiten, dass die von dem Kläger – die Behauptung der Beklagten als zutreffend unterstellt – ausgeübte Vermittlungstätigkeit für die CA bereits in der Aufbau- und Gründungsphase derart „werthaltig“ gewesen ist, dass hierfür ein „Festgehalt“ in dem von der Beklagten angenommenen Umfang redlicherweise von der Gesellschaft, die unstreitig aus zwei je zu 50% beteiligten Gesellschaftern bestand, hätte gewährt werden müssen. Hiergegen spricht im Übrigen auch der Umstand, dass die Bundesagentur für Arbeit seit Oktober 2008 dem Kläger einen Gründungszuschuss gem. § 57 SGB III a.F. befristet bis August 2009 gewährt hat.

II.

67

Darüber hinaus kann der Kläger von der Beklagten aus §§ 280, 283 BGB Schadensersatz für den Entzug des auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienstfahrzeuges in Höhe von monatlich 316,50 EUR brutto verlangen. Die Berufungskammer schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts auf Seite 16 der Entscheidungsgründe an. Dem von dem Arbeitsgericht angenommenen Schaden in Form der entgangenen Nutzung des Pkw, pauschaliert nach Maßgabe der sog. „1%-Regelung“, steht nicht entgegen, dass dem Kläger im streitigen Zeitraum von dritter Seite – so die bestrittene Behauptung der Beklagten – ein Pkw zur Nutzung zur Verfügung stand. Leistungen Dritter hat sich der Geschädigte nicht im Rahmen der Vorteilsausgleichung anrechnen zu lassen (MüKoBGB/Oetker 6. Aufl. § 249 Rn. 251 m.w.N.).

III.

68

Letztendlich steht dem Kläger auf die unstreitig jeweils am Monatsletzten fällig werdende Vergütung ein Zinsanspruch aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu. Die Beklagte befand sich aufgrund des vertraglich vereinbarten Fälligkeitstermins jeweils am ersten Tag des Folgemonats in Verzug. Dies gilt auch hinsichtlich der von dem Kläger auf Monatsbasis begehrten Provisionen. Zwar wurden diese von der Beklagten nicht mit Abschluss des Monats, in dem sie angefallen sind, sondern erst im Folgemonat abgerechnet. Die von dem Kläger in seiner Vergütungsberechnung eingestellten Provisionen beziehen sich aber jeweils auf den Vormonat.

IV.

69

Nach alledem konnte die Berufung der Beklagten, ohne dass es auf eine Beweisaufnahme ankommt, keinen Erfolg haben.

C.

70

Auch die Anschlussberufung des Klägers ist unbegründet.

71

Dem Kläger steht aus § 615 BGB kein weiterer Anspruch auf Teamleiter-Provision in Höhe von monatlich 123,46 EUR brutto für den Zeitraum Mai bis Dezember 2008 zu. Das Arbeitsgericht hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen. Zutreffend hat das Arbeitsgericht für die Berechnung auf die von dem Kläger im Jahr 2007 verdienten Teamleiter-Provisionen, die er im Übrigen zunächst auch selbst seinem Rechenwerk zugrunde gelegt hat (Schriftsatz vom 15.08.2008, Seite 8 – Bl. 52 d.A.), abgestellt. Eine „Verschiebung“ dieses Referenzzeitraums hinsichtlich der hier streitigen Ansprüche auf den Zeitraum April 2007 bis März 2008 ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht geboten. Die Ermittlung des Verzugslohnanspruchs erfolgt anhand des Lohnausfallprinzips, wobei bei Bezug von leistungsabhängiger Vergütung zur Bestimmung des Umfangs der ausgefallenen Vergütung auf den Verdienst vergleichbarer Arbeitnehmer oder auf einen angemessenen Referenzzeitraum abgestellt werden kann (MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 615 Rn. 51, 56 m.w.N.). Angesichts des Umstandes, dass die Parteien ihr Arbeitsverhältnis hinsichtlich der Teamleiter-Provision bis zum Ende des Jahres 2007 einvernehmlich abgewickelt haben, die Beklagte jedoch, nachdem der Kläger eine von ihr angebotene neue Provisionsvereinbarung nicht unterzeichnet hatte, ab Januar 2008 diese Zahlungen eingestellt hat, erscheint es auch der Berufungskammer sachgerecht, zur Ermittlung der entgangenen Provisionen in den Monaten Mai bis Dezember 2008 auf jene Werte abzustellen, die auf einer „unstreitigen“ Rechtsgrundlage beruhen.

D.

72

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.

73

Die Kammer hat das Unterliegen des Klägers mit seiner Anschlussberufung als geringfügig in Sinne der vorgenannten Bestimmung angesehen. Gegenstand der Anschlussberufung ist ein Betrag von 987,68 EUR brutto bezogen auf einen Gesamtstreitwert von 57.617,33 EUR brutto. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger durch die Antragstellung im Anschlussberufungsschriftsatz vom 24.10.2013 nicht in einem darüber hinausgehenden Umfang Anschlussberufung eingelegt. Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass die von dem Kläger angekündigten Anträge für sich genommen eine derartige Beschränkung nicht erkennen lassen. Eine solche folgt jedoch aus der Begründung der Anschlussberufung. Den Ausführungen des Klägers auf Seite 6 dieses Schriftsatzes ist hinreichend deutlich zu entnehmen, dass sich die Anfechtung des Urteils auf die von dem Arbeitsgericht nicht zuerkannte weitere Teamleiter-Provision in Höhe von 123,46 EUR brutto monatlich – im Übrigen wird der Kläger insoweit durch das Teil-Urteil nicht beschwert – beschränkt.

E.

74

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt.

75

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

76

Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.


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