Urteil vom Landgericht Aachen - 6 S 101/97
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 13. März 2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts B - 4 C 631/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe
2I.
3Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
4II.
5Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das amtsgerichtliche Urteil ist nicht zu beanstanden.
6Der Kläger hat nämlich einen Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der Nettomiete auf 510,00 €, beginnend mit dem 01. September 2005 aus § 558 Abs. 1 BGB.
7Das gemäß §§ 557 Abs. 2, 558, 558 a, b BGB formell ordnungsgemäße Erhöhungsverlangen, welches auch innerhalb der Klagefrist des § 558b Abs. 2 Satz 2 BGB gerichtlich geltend gemacht worden ist, ist auch der Höhe nach gerechtfertigt. Die begehrte Miete in Höhe von 5,05 €/m² bleibt hinter der ortsüblichen Vergleichsmiete zurück.
8Nach dem ausführlichen Gutachten des gerichtserfahrenen Sachverständigen Dipl.-Ing. XXXXX vom 27. September 2006 ist die streitgegenständliche Wohnung in den mittleren bis oberen Bereich der mittleren Wohnlage einzugliedern. Der Sachverständige gelangt aufgrund dessen zu einer Vergleichsmiete von 5,20 €/m². Die von Seiten des Beklagten gegen das Gutachten vorgebrachten Einwände vermögen – unabhängig von der Frage einer etwaigen Verspätung nach §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO – eine andere Eingruppierung nicht zu rechtfertigen:
9So ist zunächst nicht zu beanstanden, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht selbst eine – praktisch auch nicht umsetzbare – Ermittlung der in G gezahlten und zu zahlenden Mieten, sondern eine Eingruppierung in den städtischen Mietspiegel vorgenommen hat. Insbesondere im Hinblick darauf, dass nach § 558 Abs. 2 BGB nicht nur die aktuellen Mieten, sondern diejenigen der letzten vier Jahre heranzuziehen sind, ist eine eigenständige Ermittlung durch den Sachverständigen schwerlich realisierbar. Taugliches Kriterium zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist hingegen der (auch einfache) Mietspiegel. Die Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete erfordert nämlich die Ermittlung der tatsächlichen und üblicherweise gezahlten Miete für vergleichbare Wohnungen. Sie ist ein objektiver Maßstab, der einen repräsentativen Querschnitt der üblichen Entgelte darstellen soll (vgl. BGH NJW 2005, 2074). Der Mietspiegel basiert auf einer breiten Tatsachenbasis (vgl. AG Berlin-Mitte Grundeigentum 2002, 999). Sofern der einfache Mietspiegel im Sinne des § 558a BGB ordnungsgemäß erstellt worden ist, ist die Begründetheit des Erhöhungsverlangens anhand der in dem Mietspiegel für vergleichbare Wohnungen angegebenen Spannen zu überprüfen (vgl. BGH NJW 2004, 1379; OLG Karlsruhe WuM 1997, 500; LG Lübeck WuM 2001, 82; LG Dortmund ZMR 2002, 918; LG Hamburg WuM 1998, 490; LG Lübeck WuM 1995, 189; LG Bochum WuM 1991, 700; LG Landshut WuM 1990, 223; LG Hamburg WuM 1990, 31; AG Dortmund WuM 2002, 258; AG Dortmund ZMR 2003, 194; AG Dresden NZM 2000, 460). Auch durch die gesetzliche Einführung des qualifizierten Mietspiegels sollte eine Abwertung des einfachen Mietspiegels nicht erfolgen (AG Dortmund ZMR 2003, 194).
10Zu Recht weist hingegen die Beklagtenseite darauf hin, dass der Sachverständige fehlerhaft nur eine Einordnung in den Mitspiegel des Jahres 2005 vorgenommen hat. Dieser Fehler gereichte jedoch dem Beklagten zum Vorteil. Bei der Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist eine Heranziehung der Mietspiegel der letzten vier Jahre vor dem Erhöhungsbegehren erforderlich (vgl. auch AG Dortmund WuM 2005, 254; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., Rn. 98, 102). Nach dem Mietspiegel für die Jahre 2002 und 2003 belief sich die Quadratmetermiete bei einer Wohnung der Baujahrsklasse 1961 bis 1971 mit Bad/Dusche und Heizung in der mittlere Wohnlage (Spalte 3, Zeile E) auf einen Mittelwert in Höhe von 5,50 €, nach dem Mietspiegel für das Jahr 2004 auf 5,10 € und für das Jahr 2005 auf 4,95 €. Bereits die gemittelte Miete für die eine Wohnung im mittleren Bereich der mittleren Wohnlage beläuft sich demnach auf 5,26 €/m². Hinter dieser ortsüblichen Vergleichsmiete bleibt jedoch das Begehren des Klägers weit zurück.
11Auch soweit der Beklagte beanstandet, eine Gewichtung der einzelnen Vergleichsmerkmale habe nicht stattgefunden, so ist dies nicht nachvollziehbar. Zunächst sind nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich alle Merkmale gleichwertig. Sofern darüber hinaus vereinzelt eine stärkere Gewichtung einzelner Merkmale gefordert wird (vgl. OLG Karlsruhe WuM 1997, 500; AG Dortmund WuM 2005, 258; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., Rn. 98), so kann sich dies nur auf die Merkmale Ausstattung, Beschaffenheit und Wohnlage beziehen. Eine derartige Bevorzugung dieser Merkmale würde vorliegend aber zu keiner anderen Feststellung führen, da die Wohnung sowohl nach ihrer Ausstattung als auch nach ihrer Lage zumindest in den mittleren Bereich einzugliedern ist. Einer besonderen Gewichtung der Größe bedarf es keinesfalls, da der Größe dadurch Rechnung getragen wird, dass die Quadratmetermiete ermittelt und zudem bei besonders großen (wie hier) oder kleinen Wohnungen ein Abschlag vorgenommen wird.
12Die Eingliederung der Wohnung in die mittlere Wohnlage (Zeile E) des Mietspiegels durch den Sachverständigen ist nach Auffassung der Kammer auch zutreffend. Hinsichtlich der Lage ist die Wohnung in den obersten Bereich der mittleren Wohnlage einzustufen. Es handelt sich nämlich um eine zurückliegende Seitenstraße in G in einer ruhigen Wohngegend mit geringem Verkehrsaufkommen und Gartenflächen. Die Wohnung liegt in der Nähe XXXXX und das Viertel weist eine gute Infrastruktur auf. Eine Fülle von Einzelhandelsgeschäften liegt direkt auf der XXXXX Straße und auch größere Discountmärkte sind in erreichbarer Nähe vorhanden. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist eine unmittelbare Nachbarschaft zu einem großen Discountmarkt auch nicht als Standortvorteil, sondern aufgrund des damit einhergehenden Verkehrsaufkommens vielmehr als Standortnachteil zu werten. Unzutreffend weist der Beklagte auf die Nähe zum Ostviertel und zur XXXXX hin. Die Wohnung befindet sich weder unmittelbar im Ostviertel noch in unmittelbarer Nähe zum Bahndamm, an dem die XXXXX liegt. Spürbare Auswirkungen bzw. Beeinträchtigungen für das Wohnviertel des Beklagten durch das Ostviertel bestehen nicht.
13Hinsichtlich der Beschaffenheit der Wohnung hat der Sachverständige diese zutreffend in den mittleren Bereich eingruppiert. Entgegen der Behauptung des Beklagten hat er dabei nicht das Vorhandensein eines Balkons als Vorteil, sondern vielmehr dessen Fehlen als Nachteil bei seiner Bewertung berücksichtigt.
14Soweit der Beklagte bezüglich der Bewertung der Ausstattung einwendet, der Sachverständige habe unzulässigerweise von ihm (dem Beklagten) selbst durchgeführte Renovierungsarbeiten als wohnwerterhöhend berücksichtigt, so kann diesem Einwand allenfalls hinsichtlich des Fliesenspiegels in der Küche gefolgt werden. Zutreffend führt der Beklagte zwar aus, dass Einrichtungen, die der Mieter eingebracht hat, nicht berücksichtigt werden dürfen (vgl. BayObLG NJW 1981, 2259). Der Sachverständige hat jedoch seiner Begutachtung zugrunde gelegt, dass die Oberböden von dem Beklagten eingebracht wurden. Nicht relevant sind die von dem Beklagten angeführten Anstriche bzw. Tapezierungen der Wände und Decken, da diese ehedem in kurzen Zeitspannen erneuert werden müssen. Nicht zu berücksichtigen sind ferner der Waschtisch und der Warmwasserboiler, da nicht ersichtlich ist, dass bei Bezug der Wohnung entsprechende Ausstattungen nicht vorhanden waren. Diesbezüglicher substanziierter Vortrag des Beklagten fehlt gänzlich. Hinsichtlich des Fliesenspiegels in der Küche schließlich ist zwischen den Parteien streitig, wer diesen eingebracht hat. Eine Beweisaufnahme ist jedoch entbehrlich, da das Fehlen eines Fliesenspiegels lediglich dazu führen könnte, dass die Wohnung hinsichtlich der Ausstattung in den leicht unterhalb des mittleren Bereichs der mittleren Wohnlage liegenden Bereich einzustufen ist. Im Hinblick auf den Lagevorteil ist die Wohnung daher dennoch insgesamt in die leicht oberhalb des mittleren Bereichs liegende Wohnlage einzustufen, so dass eine Erhöhung der Quadratmetermiete auf mehr als 5,26 € zulässig gewesen wäre. Der Beklagte möge sich vor Augen halten, dass die vorgenommene Erhöhung noch um 0,21 €/m² hinter der ortsüblichen Vergleichsmiete für Wohnungen im mittleren Bereich der mittleren Wohnlage zurückbleibt. Insoweit wird der Beklagte auch darauf hingewiesen, dass die Mieterhöhung auch bei Einstufung der Wohnung in den unteren Bereich der mittleren Wohnlage – wie von ihm begehrt - nicht zu beanstanden gewesen wäre.
15Nach alledem war die Berufung vollumfänglich zurückzuweisen.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Absatz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
17Berufungsstreitwert: 990,72 €.
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