Beschluss vom Landgericht Aachen - 60 KLs 2/21
Tenor
Die Einziehung des bei dem Betroffenen am 27.06.2019 sichergestellten Bargeldbetrags in Höhe von 59.300,00 Euro wird angeordnet (§ 76a Abs. 4 StGB).
Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Gründe:
2I.
3Die Staatsanwaltschaft A. hat gegen den Betroffenen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche oder des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geführt. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
4Im Rahmen einer grenzpolizeilichen Überprüfung eines Taxis mit dem amtlichen Kennzeichen XXX am 27.06.2019 auf der Autobahn X wurde der Betroffene als Insasse nach erfolgter Einreise aus den Niederlanden (Grenzübergang X) vor der Ausfahrt auf die X in Richtung D. kontrolliert. Der Betroffene gab an, er habe in B. (Niederlande) ein Kraftfahrzeug erwerben wollen. Entsprechende Unterlagen zu einem beabsichtigten Kauf (Insersate etc.) wurden nicht vorgelegt. In einer im Fußraum des Taxis befindlichen Papiertüte fanden die Beamten PHM B. und POM K. eine Papiertüte befüllt mit Bargeld. Auf Nachfrage der Beamten gab der Betroffene an, es handele sich um etwa 54.000,00 € Bargeld, das er sich von seiner Familie geliehen habe. Er selbst sei seit dem Jahre 2012 arbeitssuchend. Auf Befragen gab der Taxifahrer gegenüber den Beamten an, den Betroffenen zum Festpreis von 150,00 Euro von H. nach B. in die S. straat 53 gefahren zu haben. Nachdem er, der Taxifahrer, sich etwa bereits 30 Kilometer vom Zielort entfernt habe, habe der Betroffene darum gebeten, ihn an gleicher Stelle wieder abzuholen. Das im Taxi aufgefundene Bargeld wurde durch die Beamten PK C. POM K. und PHM B. gezählt. Die Zählung ergab sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 59.300,00 Euro in folgender Stückelung:
5 1.300,00 Euro in 100,00-Euro-Noten,
6 54.450,00 Euro in 50,00-Euro-Noten,
7 3.540,00 Euro in 20-Euro-Noten sowie
8 10,00 Euro in 5,00-Euro-Noten.
9Das Bargeld wurde unter dem Aktenzeichen Vg/XXX sichergestellt und um 23:40 Uhr an die Beamten B. und S. der Zollfahndung E. zum Zwecke der Durchführung eines Clearingverfahrens übergeben. Anschließend wurde das sichergestellte Bargeld unter dem Verwahrkennzeichen XVW-9900-004939-06-2019-2605 bei der Nebenzahlstelle des Hauptzollamts D. am Flughafen eingeliefert und registriert (Bl. 10 GA).
10Im Rahmen weiterer Ermittlungen der gemeinsamen Finanzermittlungsgruppen ergab sich, dass an der Anschrift XXX. (Niederlande), S. straat 53, vier Personen (zwei Minderjährige sowie zwei Erwachsene), gemeldet sind. Bei den erwachsenen Personen soll es sich um J. R. M.Z., geboren am 30.08.1977 in S. (NL), sowie den W. S. , geboren am 26.12.1976 in G. (NL) handeln. Für Letztgenannten sollen in den Niederlanden bis zum Jahre 2015 Erkenntnisse wegen Erpressung, Waffenbesitzes, Besitzes von Betäubungsmitteln (soft), Hehlerei und Diebstahl vorliegen. Zudem soll er Mitglied des MC S. G. sein (Bl. 11 GA).
11Unter dem 02.07.2019 verlängerte das AG A. (Az.: 621 Gs 997/19) auf Antrag der gemeinsamen Finanzermittlungsgruppen bzw. des Zollfahndungsamts E. die Frist zur Sicherstellung des bei dem Betroffenen sichergestellten Bargelds bis zum 26.09.2019 durch Beschluss wegen des Verdachts der Geldwäsche oder des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Bl. 15 f. GA).
12Zwei Tage später wurde aktenkundig, dass der Betroffene am 03.07.2019 gegen 16:40 Uhr auf der X 30 im Bereich des Rastplatzes Waldseite Süd nach erfolgter Einreise aus den Niederlanden mit 30.500 Gramm Haschisch als alleiniger Insasse in dem Fahrzeug Renault Twingo mit dem amtlichen Kennzeichen X aufgegriffen und festgenommen wurde. Neben dem Haschisch stellten die Beamten im dortigen Verfahren zwei Mobiltelefone (ein Telefon Samsung J 4 und ein Telefon BQ Aquarius X, bei dem es sich um ein sogenanntes „Encrophone“ mit einem verdeckten verschlüsselten Betriebssystem handelt) sowie ein Navigationsgerät der Marke TomTom sicher (Bl. 82 GA). Das Amtsgericht N. erließ am 04.07.2019 (Az. 5 Gs 252/19) Haftbefehl gegen den Betroffenen wegen des Verdachts unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
13Mit Beschluss vom 08.10.2019 (Az. 621 Gs 1391/190) ordnete das Amtsgericht A. auf Antrag der Staatsanwaltschaft A. die Beschlagnahme des am 27.06.2019 sichergestellten Bargelds in Höhe von 59.300,00 Euro wegen des Verdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge oder der Geldwäsche an.
14Eine BaFin-Anfrage seitens der Staatsanwaltschaft A. ergab, dass der Angeklagte insgesamt über vier Konten verfügte, von denen zwei Konten bereits vor der Tatzeit (27.06.2019) in den Jahren 2016 und 2018 aufgelöst wurden. Die beiden anderen Konten wurden am 25.09.2019 (Kreissparkasse D., Kontonummer DE XXX) und am 24.09.2019 (BMW Bank Kontonummer: DE XXX) aufgelöst. Auf Nachfrage teilte die BMW Bank mit, dass ein dem dortigen Konto zugrundeliegender Darlehensvertrag zum 13.09.2019 nach diversen Mahnungen gekündigt wurde. Sowohl der Darlehensnehmer als auch das sicherungsübereignete Fahrzeug seien nicht auffindbar gewesen (Bl. 95 GA). Bei dem sicherungsübereigneten Fahrzeug handelt es sich nach Darlehensantrag (Bl. 96 GA) um ein Gebrauchtfahrzeug der Marke VW, Typ X, zu einem Kaufpreis von 15.000,00 Euro, der mit Raten zu je 253,00 Euro abzubezahlen war. Die Restschuld auf den Kaufpreis betrug am 13.09.2019 noch 9.954,53 Euro. Aus der Kontenverdichtung zum Konto der Kreissparkasse D. für den Zeitraum vom 03.01.2019 bis 25.09.2019 ergeben sich als Geldeingang Bargeldeinzahlungen in unterschiedlichen Abständen und unterschiedlicher Höhe (Bl. 115 ff. GA).
15Mit Urteil des Landgerichts O. vom 06.01.2020 wurde der Angeklagte wegen des Tatgeschehens vom 03.07.2019 wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt.
16Mit Verfügung vom 02.02.2021 wurde das hiesige Verfahren bezüglich der Vorgänge vom 27.06.2019 seitens der Staatsanwaltschaft A. gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Unter dem gleichen Datum hat die Staatsanwaltschaft A. beantragt,
17gem. § 435 Abs. 1 StPO, § 76a Abs. 4 StGB i.V.m. §§ 73, 74, 74a StGB die Einziehung des bei dem Betroffenen Y. C. am 27.06.2019 durch Beamte der Bundespolizei sichergestellten Bargeldbetrags in Höhe von 59.300,00 Euro anzuordnen.
18Der Betroffene sowie sein Verteidiger erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag der Staatsanwaltschaft. Eine solche erfolgte nicht.
19Die Kammer hat mit Beschluss vom 15.06.2021 den Antrag im selbstständigen Einziehungsverfahren zugelassen und das Verfahren vor der 10. großen Strafkammer des Landgerichts Aachen eröffnet. Ein Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde auf den Hinweis der Kammer, im Beschlusswege entscheiden zu wollen, nicht gestellt.
20II.
21Der Antrag ist zulässig und begründet.
221. Der Antrag ist zulässig.
23a) Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Aachen – große Strafkammer – folgt aus § 436 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 74 Abs. 1 GVG bzw. § 436 Abs. 1 Satz 2 StPO.
24b) Die Prozessvoraussetzung für das objektive Verfahren nach den §§ 435 ff. StPO, dass ein gegen eine bestimmte Person gerichtetes subjektives Strafverfahren - mit der Möglichkeit der Anordnung einer Nebenfolge - nicht durchgeführt werden kann (vgl. hierzu: Retemeyer in: Gercke u.a., Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2019, § 435 Selbstständiges Einziehungsverfahren, Rn 2 m.w.Nachw.), liegt vor. Die Staatsanwaltschaft A. stellte das Verfahren mit Verfügung vom 02.02.2021 (Bl. 182 GA) gem. § 170 Abs. 2 StPO ein, da dem Betroffenen eine konkrete Straftat nicht nachzuweisen ist.
25c) Es liegt ein zulässiger und wirksamer Antrag auf Durchführung des selbstständigen Einziehungsverfahrens vor, § 435 Abs. 1 S. 1 StPO. Die Staatsanwaltschaft hat eine Antragsschrift vorgelegt, die den an eine Anklageschrift zu stellenden Anforderungen genügt (§ 435 Abs. 2 S. 3 StPO iVm § 200 StPO), insbesondere die dem Verfahren zugrunde liegende Tat, deren gesetzlichen Merkmale und die anzuwendenden Straf- und Einziehungsvorschriften bezeichnet, ferner das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen darstellt und darlegt, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der beantragten Nebenfolge vorliegen (vgl. hierzu: Retemeyer, a.a.O. Rn 7, 9 m.w.Nachw.), also die Anordnung der selbstständigen Einziehung nach dem Ermittlungsergebnis zu erwarten ist (Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 435 Rn. 4; Retemeyer, a.a.O. Rn 6)
26d) Eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil wurde weder beantragt noch vom Gericht angeordnet (§ 434 Abs. 3 Satz 1, 1. Hs. StPO).
272. Der Antrag ist auch begründet. Der bei dem Betroffenen beschlagnahmten Bargeldbetrag unterliegt gemäß § 76a Abs. 4 Satz 1 StGB der Einziehung.
28a) Nach § 76a Abs. 4 Satz 1 StGB soll ein Gegenstand, der zur Überzeugung des Gerichts aus einer rechtswidrigen – gemäß § 76b Abs. 1 StGB nicht länger als dreißig Jahre zurückliegenden – Tat herrührt und in einem Verfahren wegen des Verdachts einer in § 76a Abs. 4 Satz 3 StGB genannten Straftat sichergestellt worden ist, auch dann selbständig eingezogen werden, wenn der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 76a Abs. 4 Satz 1 StGB vor, so steht die Entscheidung über die Einziehung im Ermessen des Gerichts, wobei jedoch – wie die Ausgestaltung der Norm als Soll-Vorschrift zeigt – im Regelfall eine Einziehung zu erfolgen hat und von ihr nur ausnahmsweise, zur Vermeidung unverhältnismäßiger Einziehungsanordnungen (vgl. BT-Drs. 18/9525, S. 73), abgesehen werden kann.
29b) § 76a Abs. 4 StGB ist im vorliegenden Fall anwendbar. Soweit im Schrifttum die Regelung des § 76a Abs. 4 StGB teilweise für verfassungswidrig erachtet wird, jedenfalls aber verfassungsrechtliche Bedenken erhoben werden (vgl. Löwe-Rosenberg/Johann, StPO, 27. Aufl. 2019, § 111b Rn. 59 m.w.Nachw.; Eser/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB 30. Aufl. 2019, § 76a Rn. 10; Joecks/Meißner, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, § 76a Rn 14 m.w.Nachw.), vermag die Kammer diesen im Ergebnis nicht zu folgen. Insbesondere ist § 76a Abs. 4 StGB mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum erweiterten Verfall nach § 73d StGB a. F. (vgl. BVerfGE 110, 1, 28), nunmehr in veränderter Form als „erweiterte Einziehung“ in § 73a StGB geregelt, gelten insoweit entsprechend (Lohse, in: Leipziger Kommentar, StGB 13. Aufl. 2020, § 76a Rn. 32; Pelz, NZWiSt 2018, 251, 254; a. A.: Eser/Schuster, a.a.O. Rn. 2). In beiden Fällen kann (beziehungsweise konnte) eine Abschöpfung nur erfolgen, wenn das Gericht die Überzeugung gewonnen hat, dass der sichergestellte Gegenstand aus (irgend-) einer rechtswidrigen Tat stammt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 437 Rn. 2); die Beeinträchtigung legal erworbener, schutzwürdiger Positionen des Betroffenen ist danach grundsätzlich nicht zu besorgen. Soweit es im Einzelfall gleichwohl zu einer derartigen Beeinträchtigung kommt oder die Einziehung den Betroffenen aus anderen Gründen unangemessen belasten würde, kann dem im Rahmen des in § 76a Abs. 4 StGB eingeräumten Ermessens bzw. des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Rechnung getragen werden (vgl. Pelz aaO).
30c) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 76a Abs. 4 StGB sind erfüllt.
31aa) Bereits zum Zeitpunkt der Sicherstellung lag der Verdacht von Katalogtat(en) gem. § 76a Abs. 4 StGB – jedenfalls der Verdacht der Geldwäsche (§ 76a Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 lit. f) StGB – vor, da ein Clearingverfahren wegen § 12a Abs. 7 ZollVG eingeleitet wurde. In diesem Zusammenhang begegnet es insbesondere keinen Bedenken, dass erst das Auffinden des Bargelds den Verdacht einer Katalogstraftat begründet hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2019 – 1 StR 320/18 –, BGHSt 64, 186-195, Juris Rn. 29). Wegen dieses Verdachts und wahlweise wegen des Verdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 76a Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 lit. b) StGB) erfolgte unter dem 08.10.2019 die Beschlagnahme des zuvor sichergestellten Bargelds durch das Amtsgericht A. (Az.: 621 Gs 1391/19, vgl. Bl. 35 f. GA).
32bb) Zur Überzeugung der Kammer rührt das am 27.06.2019 sichergestellte Bargeld auch aus rechtswidrigen Taten her. Gem. § 437 StPO kann das Gericht seine Entscheidung über die selbständige Einziehung nach § 76a Abs. 4 StGB, dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, insbesondere auf ein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert des Gegenstandes und den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen herleiten. Im Übrigen können das Ergebnis der Ermittlungen zu der Tat, die Anlass für das Verfahren war, die Umstände, unter denen der Gegenstand aufgefunden und sichergestellt worden ist, sowie die sonstigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen der Überzeugungsbildung dienen, wobei dem Vorliegen eines groben Missverhältnisses zwischen dem Wert des sichergestellten Gegenstandes und den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen bei der Überzeugungsbildung ein herausgehobener Stellenwert zukommt (BT-Drs. 18/9525, 91).
33Gemessen hieran, hat die Kammer keinerlei Gründe gesehen, das (intendierte) Ermessen anders als zulasten des Betroffenen auszuüben. Die in § 437 StPO aufgeführten Aspekte sprechen eindeutig für eine deliktische Herkunft des sichergestellten Bargelds. Umstände, die für eine Herkunft des Geldes aus legaler Quelle sprechen, sind nicht ersichtlich und im Übrigen weder vom Betroffenen selbst noch von dessen Verteidiger – trotz Gelegenheit zur Stellungnahme – konkret und nachvollziehbar dargetan worden.
34Im Einzelnen:
35(1) Es besteht bereits ein auffälliges Missverhältnis zwischen den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen und dem sichergestellten Bargeldbetrag in Höhe von 59.300,00 Euro. Nach eigenen Angaben des Betroffenen im Ermittlungsverfahren ist dieser bereits seit dem Jahre 2012 ohne Erwerbstätigkeit. Diese Angaben decken sich mit der seitens der Staatsanwaltschaft eingeholten Kontenverdichtung sowie den Feststellungen des Urteils des Landgerichts O. vom 06.01.2020 (Az.: 15 KLs/606 Js 37928/19-27/19). Entsprechend der Auskunft der BaFin verfügte der Betroffene zum Zeitpunkt der Kontrolle am 27.06.2019 lediglich über zwei Konten, wobei ein Konto (BMW Bank) offensichtlich lediglich der Abwicklung eines Darlehensvertrags zur Finanzierung eines Gebrauchtfahrzeugs der Marke VW, Modell X, diente und somit allein das Konto bei der Kreissparkasse D. (IBAN: DEXXX) als Girokonto zur Finanzierung des Lebensunterhalts anzusehen ist. Aus der dazugehörigen Kontenverdichtung für den Zeitraum vom 03.10.2019 ergeben sich weder regelmäßige Überweisungen, die auf Einkünfte aus einer legalen Beschäftigung hindeuten, noch Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit oder des Jobcenters. Geldeingänge sind einzig durch SB-Einzahlungen in unterschiedlichen Abständen und unterschiedlicher Höhe bis hin zu teilweise vierstelligen Beträgen zu verzeichnen. Den Einzahlungen folgen kurzfristig wiederum teilweise hohe Bargeldauszahlungen. Die Tagesendsalden auf dem Konto des Betroffenen bewegen sich allenfalls im dreistelligen Bereich; am 01.07.2019 lag der Endsaldo gar im negativen Bereich bei -5,33 Euro. Auch die Feststellungen zur Person des oben genannten Urteils des Landgerichts O. stützen die Annahme, der Betroffene verfüge nicht über nennenswerte Einnahmen legaler Herkunft. Dort heißt es:
36„Weil er von seinem Ausbildungsbetrieb nicht übernommen wurde, arbeitete er zunächst zwei Jahre in einem Autohaus bis dieses geschlossen wurde, danach war er u.a. als Taxifahrer und im Zeitraum von 2007 bis 2011 als LKW-Fahrer für eine Spedition tätig. Danach war er arbeitslos und jobbte zeitweise bei einer Zeitarbeitsfirma. Zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung war er arbeitssuchend. Er hat Schulden in Höhe von insgesamt 15.000 Euro.“
37(2) Dass das Geld – wie vom Betroffenen gegenüber den Beamten der Bundespolizei bei seiner Kontrolle seinerzeit behauptet – eine Leihgabe von Familienmitglieder darstellt, ist eine reine Schutzbehauptung, die durch nichts belegt ist. Denn hiergegen sprechen neben dem auffälligen Missverhältnis (s.o.) auch die Gesamtumstände – insbesondere die Auffindesituation, die Stückelung des Bargelds sowie die sonstigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen. Insofern trafen die Beamten der Bundespolizei den Betroffenen mit einer Papiertüte, in der sich das Bargeld befand, direkt am Übergang der deutsch-niederländischen Grenze an. Hierbei verfügte der Betroffene über insgesamt 59.300,00 Euro, gab jedoch gegenüber den Beamten an, er führe etwa 54.000,00 Euro zum Kauf eines Kraftfahrzeugs bei sich. Dass jedoch ein in finanziellen Nöten befindlicher Angeklagter, der allein zum Erwerb eines Fahrzeugs über eine dermaßen hohe Summe verfügt, nicht genau weiß, wieviel Geld er bei sich trägt, erscheint lebensfern. Auch dass er die Kaufabsicht letztlich durch keinerlei Dokumente, insbesondere das Vorzeigen von Annoncen oder Ähnlichem, zu belegen vermochte, spricht gegen die Glaubhaftigkeit seiner zunächst getätigten Angaben. Auffällig war zudem die Stückelung des mitgeführten Geldes. So befanden 54.450,00 Euro allein in 50-Euro-Noten in der aufgefundenen Papiertüte, im Übrigen 1.300,00 Euro in 100-Euro-Noten, 3.540,00 Euro in 20-Euro-Noten und 10,00 Euro in 5-Euro-Noten und somit in einer für den Betäubungsmittelerwerb szenetypischen Stückelung.
38Auch das Ziel der Fahrt in die Niederlande und die im Nachgang der Fahrt begangene, verurteilte Tat sprechen letztlich gegen den Betroffen. Nach Angaben des Taxifahrers hat sich der Betroffene zuvor zu der Adresse S.straat 53 in B. (NL) fahren und von dort eine kurze Zeit später wieder abholen lassen. Hierbei war ausweislich der Angaben des Taxifahrers die Fahrt in die Niederlande zu einem Pauschalpreis von 150,00 Euro abgesprochen. Nach Erkenntnissen der Gemeinsamen Finanzermittlungsgruppen (BL. 11 GA) ist an dieser Adresse u.a. W. J. S. gemeldet, der mutmaßlich Mitglied des MC S. G. ist und gegen den in den Niederlanden bis zum Jahre 2015 Erkenntnisse wegen Erpressung, Waffenbesitzes, Besitzes von Betäubungsmitteln (soft), Hehlerei und Diebstahl vorliegen sollen. Diese Erkenntnisse fügen sich unproblematisch in ein Gesamtgefüge mit der der zuvor bereits genannten Verurteilung des Landgerichts O. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer ein. Hier stellte die Kammer fest, dass sich der Betroffene nur wenige Tage später und damit in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang, am 03.07.2019, mit 45.000,00 Euro abermals mit einem Taxi in die Niederlande begeben, dort im Auftrag eines Dritten 30.500 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 8.423 Gramm THC erworben und diese über die Autobahn X über die deutsch-niederländische Grenze in das Bundesgebiet verbracht hat, wofür er zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt wurde. Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zur Sache zugrunde:
39„Ein namentlich nicht benannter Bekannter des Angeklagten, dem die schlechte finanzielle Lage des Angeklagten bekannt war, bot diesem an, Geld zu verdienen und vermittelte ihm den Kontakt zu einer Person namens Ali aus Hamburg. Dieser versprach dem Angeklagten einen Kurierlohn in Höhe von 2.500 Euro nebst Spesen für den Transport von einer großen Menge Haschisch aus den Niederlanden nach Hamburg. Der Angeklagte sollte dafür einen PKW Renault X langfristig anmieten, der dann für den Transport der Betäubungsmittel umgebaut werden sollte. Der Angeklagte willigte in das Angebot ein.
40Am 1. Mai 2019 mietete er dementsprechend bei der Firma Vision rent, K. 2B in D. (Einziehungsbeteiligte) einen Renault X mit dem amtlichen Kennzeichen D-XXX (Fahrzeug-Identifizierungsnummer: VF XX) an für einen Mietzeitraum bis zum 31.08.2019. Dann brachte er den gemieteten Renault X für den Umbau zu Ali. Dieser oder ein unbekannter Dritter baute ein Versteck in den Renault X ein, indem an der Unterseite des Fahrzeugs auf Höhe des Fußraumes des Beifahrersitzes eine Metallwanne, die bis zum Fußraum auf der Fahrerseite reichte, angebracht wurde. Unter dem Beifahrersitz wurde eine Eisenplatte verbaut und mit der Beifahrersitzschiene verbunden. Zudem wurde ein Magnetschalter im Fußraum der Fahrerseite installiert, mit dem man die eingebaute Eisenplatte hochklappen und das Versteck unter dem Fußraum auf der Beifahrerseite des Renault X öffnen konnte.
41Ca. einen Monat später bat Ali den Angeklagten, den Renault X. zur Reparatur bringen, weil der Motor überhitzte. Der Angeklagte beauftragte das Autozentraum P & A in H.weg 141-151 in D. mit der Reparatur. Die Werkstatt lehnte die Reparatur ab mit der Begründung, dass der Renault X unfachmännisch in einer Fremdwerkstatt repariert worden sei. Daraufhin informierte der Angeklagte Ali, der das Fahrzeug abholen ließ.
42Der Angeklagte traf sich später mit Ali in D.. Dort übergab dieser ihm die Schlüssel für den Renault X und erklärte ihm, wo er die Betäubungsmittel in den Niederlanden abholen sollte. Ali gab ihm bei diesem Treffen auch 45.000 Euro für die Bezahlung der Betäubungsmittel.
43Am 3. Juli 2019 fuhr der Angeklagte mit dem Taxi in die Niederlande, um dort die Betäubungsmittel in Empfang zu nehmen. Eine ihm namentlich nicht bekannte Person packte in Anwesenheit des Angeklagten insgesamt zehn mit braunem Klebeband und Aluminiumfolie umwickelte Kunststoffbeutel mit einem Gesamtgewicht von 30.500g (brutto), in denen sich Cannabisharz mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 8.423 g Tetrahydrocannabinol (THC) befand, in das Versteck in dem Renault X unter dem Beifahrersitz. Der Angeklagte übergab der unbekannten Person den Kaufpreis.
44Dann fuhr der Angeklagte noch am 3. Juli 2019 gegen 16.00 Uhr als alleiniger Insasse mit dem Mietwagen, in dem sich nun, wie er wusste, eine beträchtliche Menge Haschisch befand, die – wie er ebenfalls wusste und was er auch billigte – zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch unbekannte Dritte bestimmt war, auf der Bundesautobahn 30 über die niederländisch-deutsche Staatsgrenze bei Bad Bentheim in das Bundesgebiet ein, um die Betäubungsmittel nach Hamburg zu bringen. Im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle wurde der Angeklagte wenige Kilometer hinter der Grenze auf deutschem Staatsgebiet auf dem Autobahnparkplatz „Waldseite Süd“ vom grenzüberschreitenden Polizeiteam kontrolliert. Bei der Durchsuchung des Fahrzeugs bemerkte der Zeuge POK T. das Versteck, in dem dann die Betäubungsmittel gefunden und sichergestellt werden konnten.“
45Hieraus wird deutlich, dass der Betroffene sich bereits vor der hiesigen Polizeikontrolle wegen finanzieller Schwierigkeiten als Kurierfahrer für Betäubungsmittel hat anwerben lassen und zu diesem Zwecke mit höheren Summen an Bargeld mit dem gleichen Transportmittel (Taxi) in die Niederlande gefahren ist. Dass der Angeklagte im Umkehrschluss, obwohl er schon ein Darlehen zur Finanzierung eines Gebrauchtwagens (VW X zum Kaufpreis von 15.000,00 Euro) nicht hat bedienen können, mit von der Familie geliehenem Bargeld in die Niederlande zwecks Erwerbs eines kostspieligen Fahrzeugs zu einer Adresse fährt, an der u.a. eine Person, zu der strafrechtliche Erkenntnisse im Bereich Betäubungsmittel vorliegen, hält die Kammer für nahezu ausgeschlossen, zumal, was dem Betroffenen durchaus möglich gewesen wäre, dieser nicht mal dargelegt hat, welche Familienmitglieder konkret das Bargeld zur Verfügung gestellt haben sollen.
46Unter Berücksichtigung des soeben Gesagten steht daher zur Überzeugung der Kammer die rechtswidrige Herkunft des sichergestellten Bargelds fest.
47cc) Die Anordnung der Einziehung ist zudem – auch unter Berücksichtigung des Art. 14 GG – verhältnismäßig. Das Vorliegen der Voraussetzungen von § 76 Abs. 4 StGB unter Beachtung der Kriterien des § 437 StPO führen zu einer intendierten Ermessensentscheidung der Kammer, nach der die Einziehung als Regelfall erfolgen soll. Anhaltspunkte dafür, die Angemessenheit der Einziehungsentscheidung bei Vorliegen der Voraussetzungen (ausnahmsweise) in Frage zu stellen, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
48Die in Rede stehenden Bestimmungen (§ 76a Abs. 4 StGB, § 437 StPO) lassen Raum für eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung. Jedenfalls bei Anwendung des dargelegten und erfolgten Beweismaßstabes des § 261 StPO bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
49d) Auch die Durchführung einer selbstständigen Einziehung nach § 76a Abs. 1-3 StGB steht der selbstständigen Einziehung nach § 76a Abs. 4 StGB nicht entgegen, weil die Voraussetzungen der vorrangigen selbstständigen Einziehung nach § 76a Abs. 1-3 StGB (vgl. hierzu Nöding, StraFo 2020, 139 [142]) nicht gegeben sind.
503. Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.
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