Endurteil vom Landgericht Bamberg - 23 O 97/19

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 11.653,25 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.06.2020 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges der Marke Volkswagen Tiguan Sport & Style 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 958,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2019 zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 70% und die Beklagte 30% zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 28.607,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sog. „VW-Abgasskandal“.

Der Kläger erwarb am 27.09.2010 beim Autohaus H4. in O3.-K3. einen Pkw Volkswagen Tiguan Sport & Style 2.0 TDI zum Preis von 28.607,00 € (Anlage K 1), der von der Beklagten entwickelt, produziert und in Verkehr gebracht worden ist. Bei Erwerb betrug der km-Stand laut Vertragsurkunde 0 km.

Der in dem Fahrzeug verbaute Dieselmotor des Typs EA 189 verfügte zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses über eine Software, die Stickoxidwerte (NOx) im Prüfstandlauf optimiert (sog. Umschaltlogik). Sie erkennt, wenn das Fahrzeug den „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) durchfährt und schaltet das regulär im Betriebsmodus 0 (Straßenbetrieb) betriebene Fahrzeug dann in den Betriebsmodus 1, in dem der Ausstoß von Stickoxiden dadurch verringert wird, dass mehr Abgas über die Abgasrückführung in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeführt wird.

Dadurch werden auf dem Prüfstand geringere Stickoxidwerte (NOx) erzielt und es konnten im Testzyklus die nach der Euro-5-Abgasnorm (Verordnung (EG) 715/2007 vom 20.06.2007) vorgegebenen Werte eingehalten werden.

Das Fahrzeug erhielt folglich auch die EG-Typengenehmigung und wird von der Beklagten seitdem massenhaft in den Verkehr gebracht.

Die Erstellung der Software erfolgte jedenfalls spätestens im Jahre 2007 - wer auf Seiten der Beklagten hierüber informiert war, ist zwischen den Parteien streitig.

Im Jahre 2015 erließ das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) einen - inzwischen bestandskräftigen - Bescheid, wonach es feststellte, dass es sich bei der geschilderten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007 i.V.m. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/007 handele und in dem es den Rückruf der Fahrzeuge anordnete, die in einen Zustand zu bringen sind, der den öffentlichrechtlichen Normen entspricht. Seitens der Beklagten wird - in Abstimmung mit dem KBA - eine technische Überarbeitung mittels Software-Update angeboten. Funktionsweise, Kosten und Auswirkungen des Software-Updates sind zwischen den Parteien streitig.

Das Fahrzeug durfte seit Anordnung des Rückrufs weiter im Straßenverkehr genutzt werden und wurde vom Kläger auch genutzt. Zuletzt betrug der km-Stand 177.793 km.

Mit Schreiben vom 01.03.2019 (Anlage K 2) forderte der - rechtsanwaltlich vertretene - Kläger die Beklagte erfolglos unter Fristsetzung auf, den vollen Kaufpreis - ohne Abzug eines Nutzungsersatzes - Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs zu erstatten.

Schließlich begehrt der Kläger Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten und von Zinsen.

Der Kläger stützt seine Klage u.a. auf Ansprüche nach §§ 826, 31 BGB.

Er ist der Meinung, bei der sog. Umschaltlogik handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007 i.V.m. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 - dies sei bereits durch den Bescheid des KBA bindend festgestellt. Die Beklagte habe - auch auf Vorstandsebene - schon zum Zeitpunkt des hiesigen Kaufvertragsschlusses Kenntnisse über die Manipulationssoftware gehabt. Der Kläger ist der Meinung, dass die erteilte Typengenehmigung von Anfang an und auch nach Aufspielen des Updates unwirksam sei - das Fahrzeug befinde sich in einem nicht zulassungsfähigen Zustand, so dass das Risiko bestehe, dass das Fahrzeug mangels Genehmigung stillgelegt werde. Insbesondere über das Bestehen der Typengenehmigung, aber auch über andere Punkte, wie die Schadstoffwerte sei von der Beklagten getäuscht worden. In Kenntnis der gesamten Thematik hätte er das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben. Zudem führe das Update zu negativen Auswirkungen auf das Fahrzeug.

Auch führe allein die Betroffenheit des Pkws vom Abgasskandal dazu, dass der Marktwert des Fahrzeugs nicht unerheblich gesunken sei.

Der Kläger beantragt zuletzt,

  • 1.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei EUR 28.607,00 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 28.09.2010 bis 15.03.2019 und seither von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz Zugum-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges der Marke Volkswagen Tiguan Sport & Style 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer zu zahlen.

  • 2.Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem16.03.2019 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.

  • 3.Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 2.077,74 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Meinung, die Umschaltlogik stelle bereits keine unzulässige Abschalteinrichtung dar, da die Software nicht Bestandteil des Emissionskontrollsystems sei und auch nicht im realen Fahrbetrieb auf dieses einwirke - vielmehr handele es sich um eine bloße innermotorische Maßnahme (Abgasrückführung in den Ansaugtrakt des Motors), die von den nachgelagerten Maßnahmen der Abgasreinigung zu unterscheiden sei.

Die Beklagte meint weiter, der Sachvortrag des Klägers zur Kenntnis der Beklagten sei unsubstantiiert. Nach jetzigen Erkenntnissen - die Aufklärung sei noch nicht abgeschlossen - sei davon auszugehen, dass die Entscheidung, die Motorsteuerungssoftware zu verändern, von Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene auf nachgeordneten Arbeitsebenen getroffen worden sei. Weder der damalige Vorstandsvorsitzende noch einzelne Vorstandsmitglieder seien hieran beteiligt gewesen oder hätten dies gebilligt.

Die erteilte Typengenehmigung sei wirksam und das Fahrzeug weiterhin technisch sicher und uneingeschränkt gebrauchstauglich.

Sowohl mangels Einbindung der Beklagten in den Verkaufsvorgang als auch ansonsten seien keinerlei Täuschungen durch die Beklagte erfolgt, insbesondere nicht bzgl. der Typengenehmigung, der Nutzbarkeit des Fahrzeugs oder der Schadstoffwerte.

Das Update führe nicht zu Leistungseinbußen, Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs oder verringerter Lebensdauer des Fahrzeugs. Vielmehr werde durch die Veränderung diverser Parameter nunmehr ein einheitlicher adaptierter Modus 1 geschaffen, der auch im regulären Straßenbetrieb gefahren werde und der keinerlei negative Auswirkungen auf das Fahrzeug habe. Entsprechendes habe auch das KBA mit dem Bescheid, mit dem das Update freigegeben wurde - bestätigt.

Angesichts der fortbestehenden Nutzbarkeit und des geringen Update-Aufwands sei auch mit Nichtwissen zu bestreiten, dass die Klägerin den Kaufvertrag überhaupt nicht geschlossen hätte, wenn er von der Existenz der Software gewusst hätte.

Die Marktwerte der betroffenen Fahrzeuge seien stabil. Lediglich aufgrund der - von dem von der Beklagten als „Diesel-Thematik“ bezeichneten sog. Abgasskandal unabhängigen - Thematik etwaiger Dieselfahrverbote habe sich die Nachfrage zu Benzinern hin verschoben.

Bezüglich der Anrechnung von Nutzungen sei von einer Gesamtlaufleistung im Bereich 200.000 - 250.000 km auszugehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.06.2020 (Bl. 554ff. d.A.) und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat teilweise Erfolg.

A.

Die Klage ist zulässig.

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bamberg folgt aus § 32 ZPO.

B.

Die Klage ist zum Teil begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 826 BGB ein Schadensersatzanspruch nebst Zinsen zu, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

Die Voraussetzungen dieser Norm - wonach derjenige, der durch ein als sittenwidrig zu qualifizierendes, vorsätzliches Verhalten eines anderen einen Schaden erlitten hat, Anspruch auf Ersatz dieses Schadens hat - liegen vor (so im Ergebnis - mit in Einzelheiten divergierenden Begründungen - auch eine Vielzahl anderer landgerichtlicher Entscheidungen, etwa: LG Heilbronn, Urteil vom 22.05.2018 - 6 O 35/18; LG Kiel, Urteil vom 18.05.2018 - 12 O 371/17; LG Hamburg, Urteil vom 18.05.2018 - 308 O 308/17 LG Bonn, Urteil vom 07.03.2018 - 19 O 327/17; LG Krefeld, Urteil vom 28.02.2018 - 7 O 10/17; LG Köln, Urteil vom 26.02.2018 - 19 O 109/17; LG Duisburg, Urteil vom 19.02.2018 - 1 O 178/17; LG Düsseldorf, Urteil vom 09.02.2018 - 7 O 212/16; LG Stuttgart, Urteil vom 08.02.2018 - 19 O 68/17; LG Wuppertal, Urteil vom 16.01.2018 - 4 O 295/17; LG Arnsberg, Urteil vom 12.01.2018 - 2 O 134/17; LG Bochum, Urteil vom 29.12.2017 - 6 O 96/17; LG Essen, Urteil vom 19.10.2017 - 9 O 33/17; LG Bielefeld, Urteil vom 16.10.2017 - 6 O 149/16; LG Mainz, Urteil vom 27.07.2017 - 4 O 196/16; LG Mönchengladbach, Urteil vom 11.07.2017 - 1 O 320/16; LG Lüneburg, Urteil vom 29.06.2017 - 3 O 204/16, die in der Folge vielfach in Bezug genommen und zum Teil wörtlich zitiert werden).

I.

Dem Kläger ist durch den Erwerb des streitgegenständlichen Pkw ein Schaden im Sinne von § 826 BGB entstanden.

1. Ein Schaden im Sinne von § 826 BGB ist nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, in dem Sinne, dass sich bei dem vorzunehmenden Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt.

Der Schadensbegriff des § 826 BGB ist vielmehr subjektbezogen, so dass bei wertender Betrachtung Vermögensminderungen oder nachteilige Einwirkungen auf die Vermögenslage umfasst sind, wie - bei Eingriff in die Dispositionsfreiheit - die Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung oder die Vermögensgefährdung durch Eingehung eines nachteiligen Geschäfts (BGH, Urteil vom 19.07.2004 - II ZR 402/02 = zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 21. Dezember 2004 - VI ZR 306/03 = BGHZ 161, 361 BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14 = zitiert nach juris; Münchener Kommentar zum BGB / Wagner, 7. Aufl., § 826 Rn. 41ff.). Dabei ist bei dem Abschluss von Verträgen unter Eingriff in die Dispositionsfreiheit maßgeblich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen, nicht auf die tatsächliche Realisierung eines Schadens zu einem späteren Zeitpunkt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - XI ZR 51/10 = BGHZ 192, 90).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze - denen das Gericht folgt - stellt bereits die Tatsache, dass der Kläger aufgrund des Verschweigens der Beklagten über den Einsatz der Umschaltlogik bzw. der Motorsteuerungssoftware einen für ihn ungewollten wirtschaftlich nachteiligen Vertrag (Anlage K 1) mit dem Veräußerer des streitgegenständlichen Pkw geschlossen hat, einen derartigen Schaden dar, da sein Vermögen bereits dadurch - unabhängig von einem messbaren Vermögensnachteil durch einen entstehenden Wertverlust - mit einer ungewollten Verbindlichkeit negativ belastet ist.

a) Die wirtschaftliche Nachteiligkeit des Vertrags für den Kläger ergibt sich dabei schon daraus, dass der Kläger nicht das erhalten hat, was ihm nach dem Kaufvertrag zustand, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug.

Stattdessen hat der Kläger einen Vertrag über einen Pkw geschlossen, der zwar formal über eine erteilte EG-Typgenehmigung verfügte, in den aber gleichzeitig eine unzulässige Abschaltvorrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007 i.V.m. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 eingebaut war, die einer Zulassung objektiv entgegenstand.

(1) Die objektiven Zulassungsvoraussetzungen in Bezug auf Abschaltvorrichtungen ergeben sich aus folgenden Normen:

Gemäß Art. 10 Abs. 1 EG-VO 715/2007 erteilt die nationale Zulassungsbehörde die Typgenehmigung, wenn das betreffende Fahrzeug den Vorschriften der Verordnung und ihrer Durchführungsbestimmungen entspricht.

Gemäß § 4 Abs. 4 der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-FGV) darf eine EG-Typgenehmigung nur erteilt werden, wenn die erforderlichen Prüfverfahren ordnungsgemäß und mit zufriedenstellenden Ergebnis durchgeführt wurden.

Nach Art. 5 Abs. 1 EG-VO 715/2007 hat der Hersteller das Fahrzeug so auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht.

Gemäß Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Nach Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 ist eine „Abschalteinrichtung“ ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.

(2) Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügte nach Auffassung des Gerichts über eine unzulässige Abschalteinrichtung im derartigen Sinne, so dass die Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht vorliegen.

Die von der Beklagten geschilderte Umschaltlogik - d.h. der Betrieb in zwei verschiedenen Betriebsmodi, bei Rückführung von Emissionen aus dem Verbrennungsprozess durch eine Abgasrückführung teilweise wieder in den Verbrennungsprozess hinein - ist Teil eines Emissionskontrollsystems im Sinne von Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007. Die Emissionen werden ersichtlich kontrolliert und gesteuert: Die Motorsteuerung, die den Prüfzyklus erkennt, schaltet im Modus 0 (regulärer Straßenbetrieb) die Abgasrückführung, die der Kontrolle der Emissionen und der Reduzierung des Schadstoffausstoßes dient, ab.

Soweit die Beklagte dies durch eine Unterscheidung zwischen „so genannten innermotorischen Maßnahmen“ und denjenigen der „Abgasreinigung im Emissionskontrollsystem“ in Zweifel zieht, „lässt sich eine derartige Unterscheidung der Verordnung nicht entnehmen und widerspricht offensichtlich deren Zweck. Die Emissionskontrolle im Sinne der Verordnung ist nicht auf die Abgasreinigung beschränkt. Durch die Rückführung eines Teils der Abgase (Emissionen) in den Verbrennungsprozess im Motor werden die Emissionen kontrolliert. Durch die Fahrzykluserkennung wird dieser Teil des Kontrollsystems abgeschaltet. Die Auslegung der Beklagten widerspricht auch offensichtlich dem Zweck der Verordnung, wonach das Testverfahren möglichst das Verhalten des Fahrzeugs unter normalen Betriebsbedingungen widerspiegeln soll. So schreibt Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausdrücklich vor, dass der Hersteller das Fahrzeug so auszurüsten hat, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Erwägungsgrund 15 der Verordnung weist auf das Ziel hin, dass die bei den Typgenehmigungsprüfungen gemessenen Emissionen denen im praktischen Fahrbetrieb entsprechen sollen. Die Motorsteuerung der Beklagten knüpft demgegenüber nicht an bestimmte Betriebszustände oder Umweltbedingungen an, sondern ausschließlich an die Feststellung des NEFZ, zielt also bewusst auf eine Steuerung der Emissionen für den Ausnahmefall der Genehmigungsprüfung.“ (so zutreffend LG Stuttgart, Urteil vom 08.02.2018 - 19 O 68/17 = zitiert nach juris; inhaltlich ebenso beispielhaft: LG Krefeld, Urteil vom 19.07.2071 - 7 O 147/16 = zitiert nach juris, LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017 - 3 O 193/16 = zitiert nach juris; LG Offenburg, Urteil vom 12.05.2017 - 6 O 199/16 = zitiert nach juris; LG Düsseldorf - Urteil vom 09.02.2018 - 7 O 212/16 = zitiert nach juris).

b) Die durch den wirtschaftlich nachteiligen Vertrag begründete Verbindlichkeit war für den Kläger ersichtlich auch ungewollt:

Dies folgt schon daraus, dass bei verständiger Würdigung und unter lebensnaher Betrachtung kein durchschnittlich informierter und wirtschaftlich vernünftig denkender Kunde ein Fahrzeug mit dieser Motorsteuerungssoftware erwerben würde, wenn die Beklagte (oder der Verkäufer) ihn vor dem Kauf darauf hinweisen würde, dass die Software nicht gesetzeskonform ist und er deshalb jedenfalls für den Fall der Entdeckung der Manipulation durch das KBA (wenn auch erst in einigen Jahren) mit Problemen bis hin zum Entzug der Zulassung rechnen muss.

Ein Durchschnittskäufer kann und muss nicht davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandslauf erkannt wird und über eine entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der Stickoxidausstoß reduziert wird.

Insoweit kann auch zwanglos davon ausgegangen werden, dass die Gesetzmäßigkeit des Fahrzeugs schon allein wegen des Einflusses der Manipulation auf die Schadstoffklasseneingruppierung - mit den damit verbundenen steuerlichen und sonstigen Folgen - und die Zulassung des Fahrzeugs für die Kaufentscheidung immer von Bedeutung ist, ohne dass es auf konkrete Äußerungen im Verkaufsgespräch ankäme (so auch LG Arnsberg, Urteil vom 14.06.2017 - 1 O 227/16 = zitiert nach juris; LG Kleve, Urteil vom 31.03.2017 - 3 O 252/16 = zitiert nach juris).

Bei gehöriger Aufklärung hätte der Kläger vielmehr erkannt, dass sich aus der geschilderten Problematik die Gefahr der Stilllegung des Fahrzeugs sowie die Gefahr eines massiven Wertverlustes der Kaufsache ergeben und vom Kauf abgesehen (wofür nach Auffassung des LG Duisburg, Urteil vom 19.02.2018 - 1 O 178/17= zitiert nach juris bereits ein Anscheinsbeweis spricht), zumal zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses nicht absehbar gewesen wäre, dass die Beklagte kurzfristig in der Lage ist, ein Software-Update zu entwickeln, dass tatsächlich die Zulassungsfähigkeit herstellt ohne negative Auswirkungen für das Fahrzeug mit sich zu bringen. Selbst das jetzt vorliegende Update berücksichtigt nach dem Vortrag der Beklagten die Erkenntnisse aus der Weiterentwicklung des Diesel-Brennverfahrens der letzten Jahre, die damals noch gar nicht vorlagen.

Der Käufer eines Fahrzeuges erwartet regelmäßig, dass er sein Fahrzeug dauerhaft und uneingeschränkt nutzen kann und er sich nicht zu einem ungewissen Zeitpunkt in der Zukunft damit konfrontiert sieht, dass ein Entzug der Zulassung und bei Weiterveräußerung des Fahrzeugs ein massiver Wertverlust droht.

Objektive Anhaltspunkte dafür, dass dies im konkreten Fall ausnahmsweise anders war - der Kläger das Fahrzeug mithin auch in Kenntnis der Umschaltlogik zu den vereinbarten Konditionen erworben hätte - sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.

c) Soweit von Beklagtenseite und teilweise auch in der Rechtsprechung (vgl. LG Köln, Urteil vom 07.10.2016 - 7 O 138/16 LG Ellwangen, Urteil vom 10.06.2016 - 5 O 385/15 LG Braunschweig, Urteil vom 19. Mai 2017 - 11 O 4153/16 - jeweils zitiert nach juris) die Auffassung vertreten wird, eine Haftung nach § 826 BGB scheide schon deshalb aus, weil die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen, gegen die die Beklagte durch den Einsatz der Software und die Manipulation des Prüfungsverfahrens verstoßen hat, nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen, sondern gesamtgesellschaftlichen Zielen diene, und deshalb Vermögensschäden im Zusammenhang mit dem Verstoß der Beklagten nicht unter den Schutzbereich des § 826 BGB fielen, folgt das Gericht dieser Auffassung nicht.

„Die Haftung aus § 826 BGB hängt nicht davon ab, auf welchem Weg und unter Verstoß gegen welche gesetzlichen Vorschriften der Schädiger gehandelt hat (vgl. LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017 - 3 O 139/16; LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 17.07.2017 - 13 O 174/16 - jeweils zitiert nach juris). Es steht auch nicht zu befürchten, dass es andernfalls zu einer Ausuferung der Haftung kommen würde: Der Schädiger haftet allein für die durch seine sittenwidrige Schädigung verursachten Vermögensschäden, der Kreis der Ersatzberechtigten wird dadurch eingegrenzt, dass der Schädiger hinsichtlich der Schädigung mit Vorsatz handeln muss (s.u.) und dadurch diejenigen Personen, deren Vermögensschäden zu ersetzen sind, von vornherein ausreichend genau bestimmt werden; erfasst werden im vorliegenden Fall nämlich nur die Erwerber der von der Manipulation betroffenen Fahrzeuge. Im Übrigen übersieht die vorzitierte Rechtsauffassung, dass der Beklagten nicht allein ein Verstoß gegen das Genehmigungsverfahren anzulasten ist, sondern insbesondere, dass sie der Allgemeinheit und den betroffenen Fahrzeugkäufern durch ihre öffentlichen Angaben und die - von ihr zu verantwortenden Übereinstimmungsbescheinigungen - suggeriert, dass die Fahrzeuge bestimmte technische Eigenarten aufweisen, die tatsächlich nicht gegeben sind. Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB hängt schließlich auch nicht davon ab, ob der Käufer seinen Vermögensschaden von einer anderen Person ersetzt verlangen kann. Das Bestehen von kaufrechtlichen Ansprüchen gegen den Verkäufer schließt deliktische Ansprüche gegen einen Dritten nämlich keinesfalls aus.“ (so zutreffend LG Duisburg, Urteil vom 19.02.208 - 1 O 178/17 = zitiert nach juris; sowie inhaltlich ebenso LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017 - 3 O 139/16 LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 17.07.2017 - 13 O 174/16 - jeweils zitiert nach juris).

II.

Der Schaden des Klägers beruht auch auf einem Verhalten der Beklagten.

Diese hat den Motor des streitgegenständlichen Pkw mit Abschalteinrichtung entwickelt, produziert und ihren Tochterunternehmen zur Verfügung gestellt, was dazu geführt hat, dass durch das Vorspiegeln scheinbar zulässiger Emissionswerte gegenüber dem KBA die EG-Typgenehmigung erschlichen wurde und das Fahrzeug schließlich durch ihr Tochterunternehmen so vertreiben lassen, dass es in den Verkehr gelangt.

Dieses Verhalten war für den Schadenseintritt (Eingehung des wirtschaftlich nachteiligen und ungewollten Vertrages) auch unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm adäquat kausal, wobei dies ausdrücklich auch im Falle eines Gebrauchtwagenkaufs anzunehmen ist, denn Fahrzeuge werden häufig vom Ersterwerber an Zweit- und Folgeerwerber weiterveräußert. Dabei knüpft jeder Erwerber unabhängig von der Person des Verkäufers an das Fahrzeug die Erwartung, dass er dieses dauerhaft und ohne Gefahr des Widerrufs der Typengenehmigung und der Stilllegung nutzen - diese geradezu selbstverständliche Erwartung prägt geradezu den Wert des Fahrzeugs und stellt ein offenbar wesentliches Kriterium für die Anschaffungsentscheidung dar (so auch LG Stuttgart, Urteil vom 08.02.2018 - 19 O 68/17 = zitiert nach juris).

III.

Das Verhalten der Beklagten ist als sittenwidrig zu qualifizieren.

1. Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr. seit RGZ 48, 114, 124). In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob die Handlung nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (vgl. BGH, Urteil vom 06.05.1999 - VII ZR 132/97, BGHZ 141, 357, 361 Urteil vom 19.07.2004 - II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, 157; Urteil vom 03.12.2013 - XI ZR 295/12, WM 2014, 71, Rn. 23 m. w. N.). Für die Annahme einer Sittenwidrigkeit genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2013 - VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380, Rn. 8 m. w. N.). Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht.

Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht, aber auch einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2010 - VI ZR 124/09, WM 2010, 2256, Rn. 12 Urteil vom 20.11.2012 - VI ZR 268/11, WM 2012, 2377, Rn. 25 jeweils m. w. N.). Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Sie kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 -, Rn. 16, juris). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (Staudinger/Oechsler BGB [2014] § 826, Rn. 31).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze - denen das Gericht folgt - ist das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren:

Die berechtigten Verkehrserwartungen gehen dahin, dass ein Autohersteller sich gewissenhaft an die Regeln hält, denen er im Rahmen des Zulassungsverfahrens unterliegt und er sich nicht durch falsche Angaben zu wichtigen zulassungsrelevanten Eigenschaften eine Typgenehmigung erschleicht. Dabei wird eine sehr hohe Sorgfalt erwartet, weil das Handeln von einer großen Tragweite sowohl für die Mobilität als auch das Vermögen der einzelnen (zigtausend bis Millionen) Kunden, als auch für die Umwelt (bei in großer Stückzahl produzierten Fahrzeugen hohen Auswirkungen auf die Umweltbelastung und damit wiederum für die Gesundheit der Allgemeinheit) ist und Verstöße zu hohen Schäden führen können. „Den europäischen Normen entsprechend erwartet der Verbraucher objektive und genaue, und somit wahrheitsgemäße Informationen. Verbrauchs- und Emissionswerte haben allgemein eine hohe Bedeutung bei den Anschaffungsentscheidungen. Die allgemeine Verkehrserwartung geht auch dahin, dass sich ein Hersteller nicht durch falsche Angaben oder durch Manipulationen im Rahmen des Prüfverfahrens mit nicht vergleichbaren Werten Wettbewerbsvorteile verschafft. An die Redlichkeit werden besonders hohe Erwartungen gestellt, da der Verbraucher auf die Richtigkeit der Angaben durch den Hersteller angewiesen ist, weil er zu einer eigenen Überprüfung nicht in der Lage ist.

Gegen diese berechtigte Verkehrserwartung hat die Beklagte in einem erheblichen Maße verstoßen. Die Installation einer Abschalteinrichtung widersprach offensichtlich den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Ein Fahr- und Emissionsverhalten, das durch eine spezielle Steuerungssoftware allein auf das Prüfverfahren abgestimmt war und somit - wie die Beklagte selbst vorträgt - keine Rückschlüsse auf die tatsächlichen Eigenschaften im Normalbetrieb erlaubt, widersprach dem erkennbaren Zweck der Vorschrift und erfüllte die Zulassungsvoraussetzungen nicht. Unstreitig wurde die Beklagte durch den Hersteller der Software, die Firma Bosch, vor dem gesetzeswidrigen Einsatz der Software gewarnt. Das Handeln entgegen dieser Warnung verstärkt das Unwerturteil.

Bei der Beurteilung der Verwerflichkeit des Handelns ist der hohe Schaden, den die Beklagte verursacht hat, sowie das hohe Risiko für die zahlreichen Fahrzeugkäufer zu berücksichtigen, das die Beklagte in Kauf genommen hat. Der Beklagten war bewusst, dass sie die Anforderungen der Abgasnormen nicht ohne die unzulässige Abschalteinrichtung erfüllen konnte. Dies folgt bereits aus der Installation der Software, die speziell eine Motorsteuerung für den Prüfzyklus vorsah, und somit für die Prüfung nicht geeignete Emissionswerte erzeugte. Als Automobilhersteller war ihr weiter bekannt, dass sie keine rechtsbeständige EG-Typgenehmigung durch eine Täuschung im Prüfverfahren erhalten kann und somit die Gefahr des Widerrufs der EG-Typgenehmigung und der Allgemeinen Betriebserlaubnis für die Fahrzeuge bestand. Der dadurch drohende Schaden war angesichts der hohen Stückzahl der produzierten Motoren enorm. Die Inkaufnahme eines derartigen Schadens zum Zwecke des Gewinnstrebens enthält ein hohes Maß an Skrupellosigkeit. Gleichzeitig hat sich die Beklagte gegenüber ihren Mitbewerbern, die auf ordnungsgemäße Weise die Einhaltung der Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nachgewiesen haben, einen unerlaubten Wettbewerbsvorteil verschafft. Sie hat sich die Kosten der Entwicklung einer Technik gespart, die den Anforderungen der Vorschriften gerecht geworden wäre.“(so zutreffend LG Stuttgart, aaO).

„Die daraus zu entnehmende Gesinnung, aus Gewinnstreben massenhaft die Käufer der so produzierten Autos bei ihrer Kaufentscheidung zu täuschen, die Wettbewerber zu benachteiligen und die Umwelt so zu schädigen, dass Gesundheitsgefahren [für die Allgemeinheit] drohen, weil die Schadstoffwerte (NOx) erhöht werden, lässt das Verhalten insgesamt als sittenwidrig erscheinen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Anschaffung eines Fahrzeugs für einen Verbraucher in der Regel um eine wirtschaftliche Entscheidung von erheblichem Gewicht handelt und ein Verbraucher als technischer Laie die Manipulation nicht erkennen kann. Die Beklagte hat die Ahnungslosigkeit des Verbrauchers bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt, was eine besonders verwerfliche Vorgehensweise darstellt. Mit der Motorsteuerungssoftware wurde mit erheblichem Aufwand ein System zur planmäßigen Verschleierung gegenüber Behörden und Verbrauchern geschaffen, um den Umsatz und Gewinn durch die bewusste Täuschung zu steigern.“ (so zutreffend LG Krefeld, Urteil vom 28.02.2018- 7 O 10/17 = zitiert nach juris m. w. Nachweisen).

Die subjektive Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände war bei den handelnden Personen unzweifelhaft gegeben.

IV.

Die Beklagte hat dabei auch vorsätzlich gehandelt, wobei sie sich das Wissen und Verhalten ihrer Repräsentanten zurechnen lassen muss.

1. Die schädigende Handlung ist der Beklagten nach § 31 BGB (analog) zuzurechnen.

a) Die Haftung einer juristischen Person setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht (BGH, Urteil vom 28.06.2016 - VI ZR 536/16 = zitiert nach juris).

Darüber hinaus wird der Anwendungsbereich des § 31 BGB bei Organisationsmängeln erweitert (Palandt - Ellenberger, BGB - Kommentar, 77. Aufl. 2018, § 31 Rn. 7), denn juristische Personen sind verpflichtet, den Gesamtbereich ihrer Tätigkeit so zu organisieren, dass für alle wichtigen Aufgabengebiete ein verfassungsmäßiger Vertreter zuständig ist, der die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Entspricht die Organisation diesen Anforderungen nicht, muss sich die juristische Person so behandeln lassen, als wäre der tatsächlich eingesetzte Verrichtungsgehilfe ein verfassungsmäßiger Vertreter (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.1980 - VI ZR 158/78 = NJW 1980, 2810).

b) Hier hat die Beklagte jedenfalls entgegen der sie treffenden sekundären Darlegungslast nicht dargelegt, dass sie den Organisationsanforderungen gerecht geworden ist.

Bei dem Einbau einer manipulierten Motorsteuerungssoftware - die zudem noch von einem Drittunternehmen entwickelt wird - handelt es sich offensichtlich nicht um das Augenblicksversagen eines einzelnen Mitarbeiters, sondern um eine wesentliche strategische Entscheidung mit enormer wirtschaftlicher Bedeutung - wie insbesondere die finanziellen Folgen des Abgasskandals zeigen - und Risiken, bei der millionenfach in den Motor (das „Herzstück“ des Fahrzeuges) eingegriffen wird.

Selbst wenn - wie die Beklagte vorträgt (zur Frage einer direkten Zurechnung unter einer sekundären Darlegungslast der Beklagten insoweit etwa LG Düsseldorf, Urteil vom 09.02.2018 - 7 O 212/16 = zitiert nach juris; LG Stuttgart, Urteil vom 08.02.2018 = zitiert nach juris; LG Bonn, Urteil vom 07.03.2018 - 19 O 327/17 = zitiert nach juris) - kein Vorstandsmitglied Kenntnis von dieser Entscheidung hatte, sondern diese weitreichende Entscheidung tatsächlich von Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene auf nachgeordneter Arbeitsebene getroffen worden sein sollte, läge insoweit offenbar ein massives Organisationsdefizit vor, so dass sich die Beklagte so behandeln lassen muss, als wären die handelnden Mitarbeiter ihre verfassungsmäßigen Vertreter (so auch LG Essen, Urteil vom 28.08.2017 - 4 O 114/17 = zitiert nach juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 09.02.2018 - 7 O 212/16 = zitiert nach juris).

2. Die der Beklagten zuzurechnende Handlung war auch vorsätzlich, da die handelnden Personen jedenfalls Art und Richtung des Schadens (massenhafter Abschluss von Kaufverträgen überFahrzeuge, deren EG-Typgenehmigung erschlichen war) und die Schadensfolgen (Begehr auf Rückgängigmachung des Kaufvertrages) vorausgesehen und zumindest billigend in Kauf genommen haben.

V.

Als Rechtsfolge kann der Kläger Schadensersatz nach § 249 Abs. 1 BGB fordern - er hat mithin Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre.

1. Nachdem davon auszugehen ist, dass der Kläger bei Kenntnis des Sachverhalts und der damit verbundenen Risiken für den Fortbestand der Betriebserlaubnis einerseits und des Wertes des Fahrzeugs andererseits den Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw nicht geschlossen hätte und damit der Schaden bereits bei Eingehung des Vertrages bzw. mit Vertragsschluss entstanden ist, ist er so zu stellen, als hätte er den Vertrag nicht geschlossen.

Er hat folglich Anspruch auf Zahlung des unstreitigen Kaufpreises in Höhe von 28.607,- €, muss jedoch gleichzeitig im Wege des Vorteilsausgleichs das streitgegenständliche Fahrzeug an die Beklagte herausgeben und übereignen (dem ist in Form einer Zug um Zug Verurteilung Rechnung zu tragen) sowie sich die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen.

2. Dass die Beklagte Nacherfüllung in Form des Aufspielens eines mit dem KBA abgestimmten Software-Updates angeboten hat und ob bzw. dass dies auch vom Kläger wahrgenommen worden ist, ist ohne Relevanz. Der Geschädigte muss sich vom Schädiger nicht das Festhalten an dem Vertrag aufdrängen lassen, zumal die (etwaig nachteiligen) Folgen des Software-Updates möglicherweise erst nach einem längeren Dauerbetrieb auftreten und nur mittels kostspieligen Sachverständigengutachtens geklärt werden können (so auch LG Stuttgart, Urteil vom 08.02.2018, 19 O 68/17 = zitiert nach juris).

3. Die Höhe des Nutzungsvorteils berechnet sich auf Grundlage der Formel Bruttokaufpreis x gefahrene km / Gesamt- bzw. Restlaufleistung.

Hierbei geht das Gericht nach § 287 ZPO von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km aus, was bei einem neueren Dieselfahrzeug durchaus realistisch erscheint (so etwa auch LG Duisburg, Urteil vom 19.02.2018 - 1 O 178/17 = zitiert nach juris; LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 17.07.2017 - 13 O 174/16 = zitiert nach juris; LG Krefeld, Urteil vom 12.07.2017 - 7 O 159/16 = zitiert nach juris; LG Tier, Urteil vom 07.06.2017 - 5 O 298/16 = zitiert nach juris).

Die tatsächlich gefahrenen Kilometer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung entnimmt das Gericht den unstreitigen Angaben beider Parteien, die übereinstimmend einen km-Stand von 177.793 km angegeben haben, wobei der km-Stand bei Übergabe an den Kläger 0 km betragen hat.

Die Nutzungsentschädigung ist hierbei mit dem Kaufpreis - ohne dass es einer Gestaltungserklärung oder Einrede des Schädigers bedarf (vgl. BGH, NJW 2015, 3160) - zu verrechnen, so dass sich unter Zugrundelegung des im Rahmen der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellten Kilometerstandes ein Schadensersatzbetrag von 11.653,25 € ergibt.

Nachdem die Nutzung während der gesamten Besitzzeit des Klägers - trotz der Umschaltlogik - nicht beeinträchtigt war, kann aus dem bloßen Umstand der Mangelhaftigkeit nicht abgeleitet werden, dass Nutzungsentschädigung nicht geschuldet ist (so auch LG Hamburg, Urteil vom 18.05.2018 - 308 O 308/17 = zitiert nach juris).

Der Zahlungsanspruch ist Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu erfüllen.

VI.

Die von der Beklagten vormals erhobene Einrede der Verjährung wurde in der mündlichen Verhandlung vom 04.06.2020 fallen gelassen, so dass es hierauf nicht weiter ankommt.

VII.

1. Zu verzinsen ist die Forderung ab dem Tag der mündlichen Verhandlung, § 291 BGB. In der Klageschrift hat der Kläger die Laufleistung nicht mitgeteilt, sondern dies erst in der mündlichen Verhandlung vom 04.06.2020 nachgeholt, so dass die Beklagte erst ab diesem Zeitpunkt den von ihr geschuldeten Schadenersatz ermitteln konnte.

Auch Verzug ist vorgerichtlich nicht eingetreten, so dass sich ein vor dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit beginnender Zinsanspruch auch nicht aus diesem Rechtsgrund ergibt. Der Kläger hat die Herausgabe des Fahrzeugs außergerichtlich (vgl. Anlage K2) nur gegen Zahlung des vollen Kaufpreises angeboten und der Beklagten den Kilometerstand des Fahrzeugs nicht mitgeteilt.

Voraussetzung für einen Anspruch auf Verzugszinsen ist jedoch, dass die geltend gemachte Forderung fällig ist. Dies ist bei dem Zug um Zug-Antrag des Klägers, welcher im Schreiben gemäß K2 enthalten war, nicht der Fall, da der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht aus § 320 BGB zusteht. Hierbei genügt das bloße Bestehen von § 320 BGB (vgl. Palandt/Grüneberg, 77. Auflage 2018, § 320 Randnr. 12).

Etwas anderes würde nur dann anzunehmen sein, wenn sich der Gläubiger bereits mit der Leistung in Annahmeverzug befindet. Dies ist hier jedoch ebenfalls nicht der Fall (vgl. sogleich unter IX.).

2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte hingegen kein Anspruch auf Zinsen in Höhe von 4% aus dem Kaufpreis für die Zeit vom 28.09.2010 bis 15.03.2019 aus § 849 BGB zu.

Nach § 849 BGB kann der Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird, wenn wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen ist.

Der Kläger fordert Zinsen aus dem vollen Kaufpreis für einen mehrere Jahre umfassenden Zeitraum.

Ein solcher Anspruch steht ihm jedoch nicht zu:

Der Kläger hat in demselben Zeitraum das streitgegenständliche Fahrzeug genutzt und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung insgesamt eine Strecke von mehr als 170.000 km damit zurückgelegt. Somit handelt es sich bei dem von ihm gezahlten Kaufpreis, ab dem Zeitpunkt der Nutzung des Fahrzeugs nicht um den „zu ersetzenden Betrag“ im Sinne des § 849 BGB. Dieser zu ersetzende Betrag verringerte sich mit jedem Kilometer, den der Kläger mit dem Fahrzeug gefahren ist.

Mithin hat der Kläger zwar den Kaufpreis an seinen Verkäufer gezahlt, hat jedoch auch ein Fahrzeug bekommen, dass er uneingeschränkt nutzen konnte. Eine Verzinsung des vollständigen Kaufpreises in diesem Zeitraum kommt daher nach Auffassung des Gerichts nicht in Betracht, weshalb die Klage insoweit abzuweisen war.

VIII.

Dem Kläger steht weiter ein Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (§§ 826, 249 Abs. 1 BGB) zu, allerdings nur aus einer 1,3 Geschäftsgebühr in Höhe von 958,19 €.

Bei dem Verfahren der vorliegenden Art handelt es sich zwischenzeitlich um ein Massenphänomen, das auch durch die Verwendung bereits entwickelt und fortlaufend gepflegter Textbausteine gekennzeichnet ist, sodass sich Umfang und Streitwert bezogen auf das einzelne Verfahren entsprechend relativieren und der Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr - im Gegensatz zu der von der Klagepartei geforderten 2,0 Geschäftsgebühr - im vorliegenden Fall gerechtfertigt erscheint, die hier (bei einem berechtigten Streitwert von 11.653,25 €) zzgl. 20,00 € Kommunikationspauschale und 19% Umsatzsteuer zu einem ersatzpflichtigen Betrag in Höhe von 958,19 € führt.

Der Zinsanspruch insoweit folgt aus §§ 288, 291 BGB und besteht seit Rechtshängigkeit - 26.04.2019.

IX.

Der Antrag des Klägers auf Feststellung des Annahmeverzuges war abzuweisen (§ 256 Abs. 1, 293 f. BGB).

Weder im außergerichtlichen Aufforderungsschreiben (Anlage K2) noch in der Klageschrift wurde der zu diesem Zeitpunkt aktuelle Kilometerstand des Fahrzeugs mitgeteilt, so dass es der Beklagten nicht möglich gewesen ist, den von ihr geschuldeten Schadensersatzbetrag zu ermitteln. Im Übrigen hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 04.06.2020 seinen Klageantrag ausdrücklich mit der Maßgabe gestellt, dass kein Nutzungsersatz geschuldet sei. Aus diesem Grund hat der Kläger das Fahrzeug trotz des ausdrücklichen Übergabeangebots nicht in Annahmeverzug begründender Weise angeboten.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO und dem anteiligen Obsiegen/Unterliegen unter Berücksichtigung der konträren Entscheidung hinsichtlich Haupt- und Nebenforderung und der daraus resultierenden Bildung eines fiktiven Streitwerts (BeckOK ZPO/Jaspersen, 33. Ed. 1.7.2019, ZPO § 92 Rn. 26). Hierbei waren die unter Ziffer 1 der Klageanträge beantragten Zinsen (4% aus 28.607,00 für etwa 8,45 Jahre), die der Abweisung unterlagen zu berücksichtigen. Diese betragen für den geltend gemachten Zeitraum 9.669,17 €. Hinsichtlich des Hauptantrags ist die Klagepartei unter Berücksichtigung des in der mündlichen Verhandlung festgestellten Kilometerstandes ebenfalls teilweise mit einem Betrag von 16.953,75 € unterlegen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

Der Streitwert wurde gemäß §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.

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