Urteil vom Landgericht Stuttgart - 19 O 68/17

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu leisten für Schäden, die ihm aus der bei Manipulation der Abgasbehandlung durch die Motorsteuerungssoftware bezüglich des Fahrzeugs Audi A4, FIN: ..., durch die Beklagte resultieren.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 958,19 freizustellen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn, der Kläger leistet Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Beschluss

Der Streitwert wird auf bis 13.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Der Kläger erwarb am 26.10.2014 einen gebrauchten Audi A4 mit einem Dieselmotor vom Typ EA 189, der vom so genannten Abgasskandal betroffen ist, und verlangt von der Beklagten, der Herstellerin des Fahrzeugs, Schadensersatz. Er erwarb das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 24.700 km zum Preis von 18.200 EUR von einem privaten Autoverkäufer, der nicht am Verfahren beteiligt ist. Das Fahrzeug verfügte zum Zeitpunkt des Erwerbs über eine EG-Typgenehmigung. Die Motorsteuergerätesoftware verfügte über eine Fahrzykluserkennung, die erkennt, wenn das Fahrzeug den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Die Software kennt zwei unterschiedliche Betriebsmodi. Im NEFZ schaltet es in den Modus 1, indem es zu einer höheren Abgasrückführungsrate und zu einem verminderten Ausstoß von Stickoxiden (NOx) kommt. Außerhalb des NEFZ wird das Fahrzeug im Modus 0 betrieben.
Die Entscheidung für den Einsatz der Software erfolgte im Jahr 2005/2006. Die Firma B... war an der Entwicklung der Software beteiligt und warnte im Jahr 2007 die Beklagte vor dem gesetzwidrigen Einsatz der Abgastechnik. Auf ein entsprechendes Schreiben stieß die interne Revision der Beklagten. Ein Mitarbeiter der Beklagten wies intern bereits im Jahr 2011 auf den Rechtsverstoß hin.
Mit Bescheid vom 15.10.2015 erließ das Kraftfahrt-Bundesamt bezüglich der EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug nachträglich eine Nebenbestimmung mit der Aufforderung zur Entfernung der Abschalteinrichtung.
Die Parteien streiten darüber, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (im Folgenden: EG-VO 715/2007), vorliegt und ob der Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts für die Beklagte auch im vorliegenden Verfahren bindende Feststellungen enthält. Von der Verwendung der Abschalteinrichtungen hatten Mitarbeiter der Beklagten unterhalb der Ebene der Vorstände im aktienrechtlichen Sinne Kenntnis. Streitig ist dies nur bezüglich des damaligen Entwicklungsvorstands Dr. H... . Der damalige Leiter der Aggregate-Entwicklung und Markenvorstand der Marke VW, H... N..., wusste ebenfalls von der Verwendung der Abschalteinrichtung; ob er bereits im Jahr 2011 diesbezüglich gewarnt wurde, ist streitig.
In der Schweiz ist die Zulassung des streitgegenständlichen Fahrzeugs ohne entsprechende Nachrüstung nicht möglich.
Der Kläger trägt vor:
Sein Fahrzeug habe von Anfang an nicht die Voraussetzungen für die Typgenehmigung erfüllt und die vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten. Daher bestehe das Risiko, dass das Fahrzeug mangels Genehmigung stillgelegt werde, jedenfalls wenn kein Update installiert werde. Der Marktwert des Fahrzeuges sei um mindestens 10 % gesunken. Das Update verändere wichtige Eigenschaften des Fahrzeuges. So drohten im Langzeitbetrieb Versottungsschäden am Abgasrückführungsventil und an Leitungen, wovor auch die EU-Kommission gewarnt habe, es entstehe ein höherer Kraftstoffverbrauch als vorher und wegen der verzögerten Verbrennung lasse das Ansprechverhalten des Motors zu wünschen übrig.
Die Beklagte, namentlich auch der Vorstand im aktienrechtlichen Sinne, hätten Kenntnis von dem Einsatz der unzulässigen Software gehabt. Die komplexe Beschaffungslogistik unter Beteiligung der Firma B... schließe es aus, dass eine Implementierung ohne das Wissen des Vorstands der Beklagten erfolgt sei. Der Entwicklungsvorstand Dr. U... H... habe die Anweisung zum Einbau erteilt. Nach Klageerhebung sei die - unstreitige - Nachrüstung seines Fahrzeugs heimlich und gegen seine Anweisung erfolgt.
Der Kläger beantragt:
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1. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs Audi A4, FIN: ... durch die Beklagtenpartei resultieren.
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2. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 1.680,28 freizustellen.
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Die Beklagte beantragt:
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Die Klage wird abgewiesen.
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Sie trägt vor:
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Nach dem derzeitigen Stand ihrer Ermittlungen lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien. Daher bestreite sie, dass ihr damaliger Vorstandsvorsitzender und andere Mitglieder des Vorstands im Zeitpunkt der Entwicklung der Software von dieser wussten. Ebenso bestreite sie, dass der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten und andere Vorstände im aktienrechtlichen Sinne im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages von der Verwendung der Software im streitgegenständlichen Typ Kenntnis gehabt hätten. Nach derzeitigem Kenntnisstand sei auch nicht erwiesen, dass Dr. U... H... oder ein anderes Vorstandsmitglied der Beklagten die Software des Dieselmotors EA 189 EU5 oder EU4 in Auftrag gegeben hätten. Die diesbezügliche Behauptung des Klägers würde bestritten. Bei den Ausführungen des Klägers zu der Kenntnis des Vorstands aufgrund von Aussagen von Mitarbeitern handele es sich lediglich um Spekulationen. Nach den eigenen Angaben des Zeugen N... sei dieser im Jahr 2011 nicht über die Verwendung der Umschaltlogik in den Fahrzeugen des Typs Ea189 informiert gewesen. Mit dem Vortrag der Beklagten, „nach derzeitigem Ermittlungsstand wurde die Entscheidung, die Motorsteuerungssoftware zu verändern, von Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene auf nachgeordneten Arbeitsebenen getroffen", habe die Beklagte in keiner Form eingestanden, dass ein (oder mehrere) konkreter Verrichtungsgehilfe die Motorsteuersoftware eingebaut habe.

Entscheidungsgründe

 
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Die Klage ist zulässig (I.) und überwiegend begründet (II.).
I.
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Die Klage ist zulässig.
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1. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart folgt aus § 32 ZPO. Der Kläger macht einen deliktischen Schadensersatzanspruch geltend unter anderem mit der Behauptung, die Beklagte habe ihn vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, § 826 BGB. Zum zuständigkeitsbegründenden Begehungsort im Sinne von § 32 ZPO gehört auch der Ort, wo der schädigende Erfolg eingetreten ist, wenn der Schaden zum Tatbestandsmerkmal gehört (MünchkommZPO/Patzina, 5. Aufl., § 32 Rn. 20; Zöller/Schultzky, ZPO, 32. Aufl., § 32 Rn. 19). Dies ist bei Schadensersatzansprüchen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Fall. Der Schaden ist am Wohnsitz des Klägers eingetreten, der im Gerichtsbezirk des Landgerichts liegt.
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2. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Der Kläger hat das gemäß § 256 ZPO erforderliche Interesse an der Feststellung des Schadensersatzanspruchs. Insbesondere ist die Feststellungsklage im vorliegenden Fall nicht subsidiär gegenüber einer Leistungsklage. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Kläger einer Schadensersatzklage nicht gehalten, eine Leistungsklage zu erheben, wenn er den Schaden noch nicht abschließend beziffern kann, weil dieser noch nicht abgeschlossen ist (vgl. nur: BGH, Urteil vom 15. Januar 2008 - VI ZR 53/07 -, Rn. 7, juris). War ein Schadensereignis zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgeschlossen, vermag der Kläger jedoch im Laufe des Verfahrens den Schaden abschließend zu beziffern, ist er hierzu ebenfalls nicht verpflichtet, sondern kann weiterhin seinen Feststellungsantrag aufrechterhalten (BGH, Urteil vom 04. November 1998 - VIII ZR 248/97 -, Rn. 15, juris).
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So liegt der Fall hier. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war das Fahrzeug des Klägers noch nicht nachgerüstet. Es bestand daher die Gefahr, dass ihm im Falle der Verweigerung der Nachrüstung der Betrieb des Fahrzeugs durch die Zulassungsstelle gemäß § 5 FZV untersagt und das Fahrzeug stillgelegt wird. Der Zeitpunkt des damit verbundenen weiteren Schadens wegen des Nutzungsausfalls sowie etwaiger Rechtsverteidigungskosten gegen das Vorgehen der Zulassungsstelle etc. stand noch nicht fest. Der Schadenseintritt war jedoch ausreichend wahrscheinlich.
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Zwar wäre der Schaden abschließend bezifferbar gewesen, wenn die Beklagte sich sofort auf die auch von dem Kläger primär begehrte Rückabwicklung eingelassen hätte. Der Kläger musste jedoch - wie sich herausgestellt hat zu Recht - damit rechnen, dass er nicht sofort zu seinem Recht kommt und ihm daher im Laufe des Gerichtsverfahrens bis zum Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung ein weiterer Schaden entstehen kann. Die zwischenzeitliche Nachrüstung des Klägerfahrzeugs lässt zwar diese Gefahr entfallen. Dieser Umstand ist jedoch erst nach der Klageerhebung eingetreten. Im Übrigen ist durch die Nachrüstung nicht ausgeschlossen, dass nunmehr die von dem Kläger geltend gemachten Nachteile und Folgeschäden am Fahrzeug (erhöhter Kraftstoffverbrauch, häufigerer Austausch des Partikelfilters, Versottungsschäden etc.) entstehen.
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3. Der Klageantrag Ziff. 1 war dahingehend auszulegen, dass es dem Kläger um die Erstattung von Schäden geht, die im Zusammenhang mit der Manipulation der Abgasbehandlung durch die Motorsteuerungssoftware geht und nicht um irgendwelche anderen, unbenannten Manipulationen. Dies geht aus dem gesamten Vorbringen des Klägers hervor, der sich ausschließlich mit dieser Thematik befasst. Entsprechend war dies bei der Tenorierung klarzustellen.
II.
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Die Klage ist mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderung begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB. Er hat einen Schaden erlitten (1.). Dieser ist durch ein Verhalten der Beklagten entstanden (2.), welches als sittenwidrig zu qualifizieren ist (3.). Die Beklagte hat dabei vorsätzlich gehandelt (4.). Aufgrund dessen hat der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz (5.).
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1. Der Kläger hat durch den Erwerb des Audi A4 einen Schaden erlitten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Schaden nicht nur dann gegeben, wenn sich bei dem vorzunehmenden Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt. Der Schadensbegriff des § 826 BGB ist auch subjektbezogen, so dass bei wertender Betrachtung Vermögensminderungen umfasst sind, wie - bei Eingriff in die Dispositionsfreiheit - die Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung oder die Vermögensgefährdung durch Eingehung eines nachteiligen Geschäfts (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2004 - VI ZR 306/03 -, BGHZ 161, 361, Rn. 16; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14 -, Rn. 18, juris; MünchKommBGB/Wagner, 7. Aufl., § 826 Rn. 41ff.). Dabei ist bei dem Abschluss von Verträgen unter Eingriff in die Dispositionsfreiheit maßgeblich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen, nicht auf die tatsächliche Realisierung eines Schadens zu einem späteren Zeitpunkt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - XI ZR 51/10 -, BGHZ 192, 90, Rn. 58).
25 
Einen solchen Schaden hat der Kläger erlitten. Er hat einen Vertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug abgeschlossen, das formal über eine erteilte EG-Typgenehmigung verfügte. Durch dieses Geschäft ist bei ihm eine konkrete Vermögensgefährdung eingetreten. Das Fahrzeug verfügte über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007, die einer Zulassung entgegenstand. Dadurch bestand die Gefahr, dass jederzeit die Zulassung widerrufen werden konnte, weil das Fahrzeug tatsächlich die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllte. In der Folge drohten Nutzungsbeschränkungen und ein Wertverlust.
26 
a. Gemäß Art. 10 Abs. 1 EG-VO 715/2007 erteilt die nationale Zulassungsbehörde die Typgenehmigung, wenn das betreffende Fahrzeug den Vorschriften der Verordnung und ihrer Durchführungsbestimmungen entspricht. Gemäß § 4 Abs. 4 der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-FGV) darf eine EG-Typgenehmigung nur erteilt werden, wenn die erforderlichen Prüfverfahren ordnungsgemäß und mit zufriedenstellenden Ergebnis durchgeführt wurden. Nach Art. 5 Abs. 1 EG-VO 715/2007 hat der Hersteller das Fahrzeug so auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Gemäß Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Nach Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 ist eine „Abschalteinrichtung“ ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.
27 
b. Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügte über eine derartige unzulässige Abschalteinrichtung, so dass das Prüfverfahren und somit die Voraussetzungen für die Erteilung einer EG-Typgenehmigung nicht vorlagen. Nach dem Vortrag der Beklagten erfolgte eine unterschiedliche Emissionsbehandlung je nachdem, ob sich das Fahrzeug im NEFZ im Modus 1 befand oder im Modus 0 für den Normalbetrieb. Im Prüfbetrieb wurden Emissionen aus dem Verbrennungsprozess durch eine Abgasrückführung teilweise dem Verbrennungsprozess wieder zugeführt. Eine solche Steuerung ist Teil eines Emissionskontrollsystems im Sinne von Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007. Die Emissionen werden kontrolliert und gesteuert: Die Motorsteuerung, die anhand der Parameter den Prüfzyklus erkennt, schaltet im Normalbetrieb die Abgasrückführung, die der Kontrolle der Emissionen und der Reduzierung des Schadstoffausstoßes dient, ab.
28 
Die von der Beklagten gemachte Unterscheidung zwischen „so genannten innermotorischen Maßnahmen“ und denjenigen der „Abgasreinigung im Emissionskontrollsystem“ lässt sich der Verordnung nicht entnehmen und widerspricht offensichtlich deren Zweck. Die Emissionskontrolle im Sinne der Verordnung ist nicht auf die Abgasreinigung beschränkt. Durch die Rückführung eines Teils der Abgase (Emissionen) in den Verbrennungsprozess im Motor werden die Emissionen kontrolliert. Durch die Fahrzykluserkennung wird dieser Teil des Kontrollsystems abgeschaltet. Die Auslegung der Beklagten widerspricht auch offensichtlich dem Zweck der Verordnung, wonach das Testverfahren möglichst das Verhalten des Fahrzeugs unter normalen Betriebsbedingungen widerspiegeln soll. So schreibt Art. 5 Abs. 1 EG-VO 715/2007 ausdrücklich vor, dass der Hersteller das Fahrzeug so auszurüsten hat, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Erwägungsgrund 15 der Verordnung weist auf das Ziel hin, dass die bei den Typgenehmigungsprüfungen gemessenen Emissionen denen im praktischen Fahrbetrieb entsprechen sollen. Die Motorsteuerung der Beklagten knüpft demgegenüber nicht an bestimmte Betriebszustände oder Umweltbedingungen an, sondern ausschließlich an die Feststellung des NEFZ, zielt also bewusst auf eine Steuerung der Emissionen für den Ausnahmefall der Genehmigungsprüfung.
29 
Nachdem die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung zur Überzeugung des Gerichts feststeht, kommt es auf die Frage der Bindungswirkung des Bescheids des Kraftfahrt-Bundesamts nicht an.
30 
c. Die Installation der unzulässigen Abschalteinrichtung begründete die konkrete Gefahr des Widerrufs der Zulassung und somit der Stilllegung des Fahrzeugs sowie des massiven Wertverlustes. Zu dem Widerruf der Typgenehmigung wäre das Kraftfahrt-Bundesamt berechtigt gewesen, weil sie von der Beklagten über das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen getäuscht wurde. Unabhängig von der konkreten Vorgehensweise des Kraftfahrt-Bundesamts nach Bekanntwerden der Abschalteinrichtung bestand seit Inverkehrbringen der Fahrzeuge mit der zweifelhaften EG-Typgenehmigung die Gefahr des Bekanntwerdens der Manipulation und des sofortigen Widerrufs der Zulassung ohne Auflagen. Dies war nicht fernliegend, da Auflagen als Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten nicht erzwingbar sind und die Beklagte als Adressatin einer Auflage zur Durchführung einer Nachbesserung von in Verkehr gebrachten Fahrzeugen es nicht in der Hand hat, sämtliche Fahrzeughalter zu einer Nachrüstung zu zwingen. Auch ist zwischen der Pflicht zur Nachrüstung zum Zwecke des Erhalts der Betriebserlaubnis und dem Integritätsinteresse des Fahrzeugeigentümers zu unterscheiden. Ein Fahrzeugeigentümer kann eine Nachrüstung unter Umständen zu Recht ablehnen, weil er eine Verschlechterung seines Fahrzeugs erwartet, die er zum Erhalt der Zulassung nicht bereit ist in Kauf zu nehmen. Es ist unstreitig, dass die Zulassungsstellen den Betrieb von nicht nachgerüsteten Fahrzeugen gemäß § 5 FZV untersagen und Fahrzeuge stilllegen können. Soweit die Beklagte bestreitet, dass dieser Widerruf - entsprechend dem Klägervortrag - durch das Kraftfahrt-Bundesamt erfolgen kann, streitet sie nicht die generelle Möglichkeit der Betriebsuntersagung ab, wie sie es nach dem unstreitigen Klägervortrag selbst Kunden des VW Amarok in Schreiben mitgeteilt hat.
31 
Weiter war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht damit zu rechnen, dass die Beklagte in der Lage sein würde, innerhalb kurzer Frist ein Software-Update ausliefern zu können, das ohne nachteilige Veränderung der Eigenschaften des Fahrzeuges die Abschalteinrichtung deaktiviert und gleichzeitig zu zulässigen Emissionswerten führt. Die Beklagte hat vorgetragen, dass das Software-Update die Erkenntnisse aus der Weiterentwicklung des Diesel-Brennverfahrens der letzten zehn Jahre aufgreife. Das Bekanntwerden der unzulässigen Abschalteinrichtung und der Gefährdung der EG-Typgenehmigung hätte angesichts der Ungewissheit über die Nachbesserungsfähigkeit durch die Beklagte sofort zu einem Wertverlust geführt. Dass nunmehr auf dem Gebrauchtwagenmarkt die mit einem Software-Update ausgestatteten Fahrzeuge ohne Preisabschlag gehandelt werden, wie die Beklagte es behauptet, ändert nichts daran, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages diese Kenntnisse noch nicht vorlagen und daher wegen der Unsicherheit des Widerrufs der EG-Typgenehmigung und der Gefahr der Stilllegung mit erheblichen Preisabschlägen zu rechnen war.
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Weiter ist dem Kläger dadurch ein Schaden entstanden, dass er es nicht mehr - ohne Software-Update - in der Schweiz zulassen kann. Dies ist unstreitig. Unerheblich ist, ob der Kläger bei Erwerb des Fahrzeuges vorgehabt hat, das Fahrzeug in der Schweiz zuzulassen oder es dorthin weiterzuverkaufen. Maßgeblich ist, dass die Einschränkung besteht. Eine Zulassung in der Schweiz oder eine Weiterveräußerung in diesen Raum auf der Grundlage der EG-Typgenehmigung gehört zu den wertbildenden Eigenschaften, die jedem Fahrzeug anhaften, nicht jedoch dem streitgegenständlichen. Die Gefahr bestand bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, denn es ist anzunehmen, dass die Schweiz sich auch schon zu einem früheren Zeitpunkt in der Weise verhält, wie sie es nun getan hat.
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2. Der Kläger hat diesen Schaden aufgrund eines Verhaltens der Beklagten erlitten. Erforderlich ist insoweit ein adäquat kausaler Zusammenhang unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm (BGH, Urteil vom 03. März 2008 - II ZR 310/06 -, Rn. 15, juris; MünchKommBGB/Wagner, 7. Aufl., § 826 Rn. 45 ff.). Ein adäquater Zusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet war.
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So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat die Fahrzeuge, insbesondere die Motoren mit der unzulässigen Abschalteinrichtung, produziert und in Verkehr gebracht. Dabei hat sie durch Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt scheinbar zulässige Emissionswerte vorgespiegelt und sich die EG-Typgenehmigung erschlichen. Der Fortbestand der allgemeinen Betriebserlaubnis auf der Grundlage der EG-Typgenehmigung hing wesentlich an den Eigenschaften des Motors und seiner Steuerung sowie der Rechtmäßigkeit des Zulassungsverfahrens. Bei einem Widerruf der Typgenehmigung durch das Kraftfahrt-Bundesamt und einer Untersagung des Betriebs drohte jedem Halter dieses Typs die Stilllegung seines Fahrzeugs. Ebenso war jedes Fahrzeug dieses Typs von einem massiven Wertverlust bei Bekanntwerden der Täuschungen bei der Typgenehmigungsprüfung bedroht.
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Die Fahrzeuge werden von der Beklagten als Herstellerin entweder selbst oder durch selbständige Verkäufer vertrieben. Häufig werden die Fahrzeuge vom Ersterwerber weiterveräußert an Zweit- und Folgeerwerber. Jeder Erwerber knüpft unabhängig von der Person des Verkäufers an das Fahrzeug die Erwartung, dass er dieses dauerhaft und ohne Gefahr des Widerrufs der Typgenehmigung und der Stilllegung nutzen kann. Diese selbstverständliche Erwartung prägt den Wert des Fahrzeugs und stellt ein wesentliches Kriterium für die Anschaffungsentscheidung dar.
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Vor diesem Hintergrund ist es sehr wahrscheinlich bis sicher, dass ein potenzieller Gebrauchtwagenkäufer, wie der Kläger, von dem Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Fahrzeugs mit diesem Motorentyp absieht, wenn er weiß, dass das Zulassungsverfahren nicht ordnungsgemäß betrieben wurde. Dann erkennt er die Gefahr der Stilllegung und des drohenden Wertverlusts und die Ungewissheit, ob es der Beklagten gelingen wird, ein Software-Update zu entwickeln, mit dem die Voraussetzungen des Zulassungsverfahrens erfüllt werden, ohne dass die Eigenschaften des Fahrzeugs nachteilig verändert werden. Das Inverkehrbringen eines derart mangelbehafteten Fahrzeugs, dessen Mangel nicht erkennbar ist, beeinträchtigt die Dispositionsfreiheit sämtlicher Erwerber, gleichgültig ob Erst- oder Folgeerwerber, und begründet somit einen Vermögensschaden durch den Abschluss eines ungünstigen Vertrages.
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Eine Zurechnung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm zu verneinen. Die EG-Typgenehmigung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Nutzbarkeit eines Fahrzeugs. Das Prüfverfahren dient dem Nachweis, dass das Fahrzeug den allgemeinen Anforderungen insbesondere hinsichtlich der Emission- und Verbrauchswerte entspricht. Gleichzeitig hat es den Zweck, Verbrauchswerte (Kohlendioxidemissionen und Kraftstoffverbrauch) nach einem geregelten Verfahren zu ermitteln und dem Verbraucher und Anwender objektive und genaue Informationen zu geben (Art. 1 Abs. 2, Art. 4 Abs. 3, 4, Erwägungsgrund Nr. 17 EG-VO 715/2007). Derartige Informationen sind nicht nur bei der Erstanschaffung, sondern auch bei einem Folgeerwerb von Gebrauchtfahrzeugen von Bedeutung.
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3. Das Verhalten der Beklagten war sittenwidrig. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Sie kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 -, Rn. 16, juris). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (Staudinger/Oechsler BGB [2014] § 826, Rn. 31).
39 
Die berechtigten Verkehrserwartungen gehen dahin, dass ein Autohersteller sich gewissenhaft an die Regeln hält, denen er im Rahmen des Zulassungsverfahrens unterliegt, und sich nicht durch falsche Angaben zu wichtigen zulassungsrelevanten Eigenschaften eine Typgenehmigung erschleicht. Dabei wird eine sehr hohe Sorgfalt erwartet, wenn das Handeln von einer großen Tragweite ist und Verstöße zu hohen Schäden führen können. Dies ist in der Automobilindustrie, die in zig-tausendfacher Stückzahl hochwertige Güter mit langer Lebensdauer herstellt, die für die Mobilität der Kunden von großer Bedeutung sind, der Fall. In der Automobilindustrie spielt zudem die Einhaltung von Umweltstandards eine große Rolle, da systematische Abweichungen bei in großer Stückzahl produzierten Fahrzeugen eine entsprechend hohe Auswirkung auf die Umweltbelastung haben. Den europäischen Normen entsprechend erwartet der Verbraucher objektive und genaue, und somit wahrheitsgemäße Informationen. Verbrauchs- und Emissionswerte haben allgemein eine hohe Bedeutung bei den Anschaffungsentscheidungen. Die allgemeine Verkehrserwartung geht auch dahin, dass sich ein Hersteller nicht durch falsche Angaben oder durch Manipulationen im Rahmen des Prüfverfahrens mit nicht vergleichbaren Werten Wettbewerbsvorteile verschafft. An die Redlichkeit werden besonders hohe Erwartungen gestellt, da der Verbraucher auf die Richtigkeit der Angaben durch den Hersteller angewiesen ist, weil er zu einer eigenen Überprüfung nicht in der Lage ist.
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Gegen diese berechtigte Verkehrserwartung hat die Beklagte in einem erheblichen Maße verstoßen. Die Installation einer Abschalteinrichtung widersprach offensichtlich den Vorgaben der EG-VO 715/2007. Ein Fahr- und Emissionsverhalten, das durch eine spezielle Steuerungssoftware allein auf das Prüfverfahren abgestimmt war und somit - wie die Beklagte selbst vorträgt - keine Rückschlüsse auf die tatsächlichen Eigenschaften im Normalbetrieb erlaubt, widersprach dem erkennbaren Zweck der Vorschrift und erfüllte die Zulassungsvoraussetzungen nicht. Unstreitig wurde die Beklagte durch den Hersteller der Software, die Firma B..., vor dem gesetzeswidrigen Einsatz der Software gewarnt. Das Handeln entgegen der Warnung verstärkt das Unwerturteil.
41 
Bei der Beurteilung der Verwerflichkeit des Handelns ist der hohe Schaden, den die Beklagte verursacht hat, sowie das hohe Risiko für die zahlreichen Fahrzeugkäufer zu berücksichtigen, das die Beklagte in Kauf genommen hat. Der Beklagten war bewusst, dass sie die Anforderungen der Abgasnormen nicht ohne die unzulässige Abschalteinrichtung erfüllen konnte. Dies folgt bereits aus der Installation der Software, die speziell eine Motorsteuerung für den Prüfzyklus vorsah, und somit für die Prüfung nicht geeignete Emissionswerte erzeugte. Als Automobilhersteller war ihr weiter bekannt, dass sie keine rechtsbeständige EG-Typgenehmigung durch eine Täuschung im Prüfverfahren erhalten kann und somit die Gefahr des Widerrufs der EG-Typgenehmigung und der Allgemeinen Betriebserlaubnis für die Fahrzeuge bestand. Der dadurch drohende Schaden war angesichts der hohen Stückzahl der produzierten Motoren enorm. Die Inkaufnahme eines derartigen Schadens zum Zwecke des Gewinnstrebens enthält ein hohes Maß an Skrupellosigkeit. Gleichzeitig hat sich die Beklagte gegenüber ihren Mitbewerbern, die auf ordnungsgemäße Weise die Einhaltung der Anforderungen der EG-VO 715/2007 nachgewiesen haben, einen unerlaubten Wettbewerbsvorteil verschafft. Sie hat sich die Kosten der Entwicklung einer Technik gespart, die den Anforderungen der Vorschriften gerecht geworden wäre.
42 
4. Die Beklagte hat den Kläger vorsätzlich geschädigt. Sie muss sich das Verhalten ihrer Repräsentanten zurechnen lassen (a.). Deren Wissen ist unstreitig bzw. als zugestanden anzusehen und ihr Verhalten als vorsätzlich zu qualifizieren (b.).
43 
a. Die Beklagte muss sich das Wissen und Verhalten ihrer Repräsentanten auch im Zusammenhang mit der Haftung nach § 826 BGB zurechnen lassen.
44 
Grundsätzlich haftet eine juristische Person gemäß § 31 BGB für das Verhalten ihrer verfassungsmäßigen Vertreter. Entgegen der Auffassung der Beklagten beschränkt sich die Zurechnung im Rahmen des § 826 BGB nicht auf Organe im aktienrechtlichen Sinn. Dies ergibt sich nicht aus der von ihr zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 -, Rn. 13, juris).
45 
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft eine juristische Person über den Wortlaut der §§ 30, 31 BGB hinaus eine Repräsentantenhaftung für solche Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Da es der juristischen Person nicht freisteht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters“ in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt (BGH, Urteil vom 14. März 2013 - III ZR 296/11 -, BGHZ 196, 340, Rn. 12). Entgegen der weiteren Auffassung der Beklagten gilt die Repräsentantenhaftung nicht nur im vertraglichen Bereich, sondern auch bei der deliktischen Haftung. In der von der Beklagten zum Beleg des Gegenteils zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 -, Rn. 13, juris) hat dieser im Zusammenhang mit der Haftung nach § 826 BGB ausdrücklich auf die weite Auslegung des Begriffs des verfassungsmäßigen Vertreters hingewiesen und die hierzu ergangene Grundsatzentscheidung zitiert (BGH, Urteil vom 30. Oktober 1967 - VII ZR 82/65 -, BGHZ 49, 19, Rn. 11).
46 
b. Die Repräsentanten der Beklagten haben die Schädigung des Klägers vorsätzlich veranlasst bzw. zugelassen. Dies gilt für ihren damaligen Entwicklungsvorstand Dr. H ..., für den Markenvorstand von VW N... sowie für die von der Beklagten nicht benannten weiteren Repräsentanten (aa.). Diese haben vorsätzlich gehandelt (bb).
47 
aa. Es ist unstreitig, dass die Zeugen Dr. H... und N..., die als Repräsentanten der Beklagten anzusehen sind, Kenntnis von der unzulässigen Abschalteinrichtung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages hatten ([1]). Die Kenntnis weiterer Repräsentanten der Beklagten von der Verwendung der unzulässigen Software ist unter Berücksichtigung der sekundären Darlegungslast der Beklagten als zugestanden anzusehen ([2]).
48 
(1) Der Kläger hat behauptet, dass der Entwicklungsvorstand Dr. H... Kenntnis von der Manipulation gehabt habe und der Markenvorstand von VW und damalige Leiter der Aggregateentwicklung der Marke Volkswagen im Jahr 2011 vor illegalen Praktiken mit den Abgaswerten gewarnt worden sei. Dieser Vortrag ist zur Behauptung eines Vorsatzes bei Repräsentanten der Beklagten ausreichend. Die Beklagte als Weltkonzern hat auch unterhalb der Ebene der Vorstände im aktienrechtlichen Sinne Personen, die wesensmäßige Funktionen der Beklagten zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind. Sie selbst bezeichnet sie als Vorstände. Beispielsweise bestreitet sie nicht die von der Beklagten verwendete Bezeichnung des Dr. H... als „Entwicklungsvorstand“, sondern beschränkt sich auf die Klarstellung, dass dieser kein Vorstand im aktienrechtlichen Sinne sei. Auch der Zeuge N... führte unstreitig die Bezeichnung als Markenvorstand von VW. Beiden waren somit wesensmäßige Funktionen zur selbständigen und eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen, so dass sie als Repräsentant der Beklagten anzusehen sind.
49 
Die Beklagte hat die Kenntnis der beiden Repräsentanten nicht (wirksam) bestritten. Ihr Vortrag, dass nach derzeitigem Kenntnisstand nicht erwiesen sei, dass Herr Dr. U... H... im relevanten Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses von der Programmierung oder von der Verwendung der streitgegenständlichen Software in Fahrzeugen Kenntnis hatte, stellt kein eindeutiges Bestreiten dar. Die Feststellung, ob eine Tatsache „erwiesen“ ist, ist Aufgabe des Gerichts im Rahmen der Tatsachenfeststellung und stellt keine Tatsachenbehauptung der Beklagten, sondern allenfalls eine eigene Würdigung von nicht offen gelegten Indizien dar. Die Beklagte legt nicht dar, aus welchen Gründen sie nicht in der Lage sei, sich eindeutig zu der Tatsachenbehauptung des Klägers zu äußern und sah sich auf ausdrückliche Nachfrage nicht in der Lage, unter Beachtung ihrer prozessualen Wahrheitspflicht die Behauptung aktiv zu bestreiten. Bezüglich des Zeugen N... bestreitet die Beklagte nicht, dass dieser zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages im Jahr 2014 Kenntnis von der Abschalteinrichtung gehabt habe. Die Beklagte bestreitet insoweit nur die Kenntnis ihrer Vorstände im aktienrechtlichen Sinn, zu denen der Zeuge N... nicht zählt. Soweit die Beklagte lediglich vorträgt, der Zeuge N... wie „nach eigenen Angaben im Jahr 2011 nicht über die Verwendung der Umschaltlogik in den Fahrzeugen des Typs EA 189 informiert“ gewesen, ist dieses Bestreiten daher unerheblich.
50 
(2) Ein konkreterer Vortrag bezüglich einzelner weiterer Personen, die als Repräsentanten der Beklagten Kenntnis von der unzulässigen Verwendung der Abschalteinrichtung hatten und diese nicht verhindert haben, war zudem nicht erforderlich. Insofern greifen die Grundsätze der sekundären Darlegungslast.
51 
Grundsätzlich muss zwar der Anspruchsteller alle Tatsachen behaupten und beweisen, aus denen sich sein Anspruch herleitet. Dieser Grundsatz bedarf aber einer Einschränkung, wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den Sachverhalt von sich aus nicht ermitteln kann, während dem Prozessgegner die erforderliche tatsächliche Aufklärung ohne weiteres möglich und auch zuzumuten ist. Dabei obliegt es dem Bestreitenden im Rahmen der sekundären Darlegungslast auch, zumutbare Nachforschungen zu unternehmen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 559/14 -, Rn. 18, juris).
52 
Diese Voraussetzungen liegen vor.
53 
(a) Der Kläger hat mit seiner Behauptung, die Unternehmensleitung habe Kenntnis von dem Einsatz der Manipulationssoftware gehabt, den maßgeblichen Personenkreis der Repräsentanten der Beklagten auch unterhalb der Ebene des Vorstands im aktienrechtlichen Sinne bezeichnet. Eine namentliche Benennung war nicht erforderlich, weil er hiervon keine Kenntnis hatte und er als Nichtkonzernangehöriger außerhalb des Geschehensablaufs steht. Insbesondere kann er nicht wissen, wie die interne Zuständigkeitsverteilung innerhalb des Volkswagenkonzerns und konkret der Motorenentwicklung zum Zeitpunkt der Entwicklung war. Dass ein Weltkonzern wie die Beklagte auch unterhalb der Ebene des Vorstands im aktienrechtlichen Sinne Personen wesensmäßige Aufgaben wie die Entwicklung von Motoren, den Einkauf, die Entwicklung einer Marke, die Produktsicherheit, das Qualitätsmanagement etc. zur selbständigen und eigenverantwortlichen Erledigung überträgt, ergibt sich aus der Notwendigkeit zur Organisation und Überwachung des enorm großen Geschäftsbetriebs, die nicht allein von wenigen Personen des Konzernvorstands geleistet werden können. Demgegenüber ist es der Beklagten ohne weiteres möglich und zumutbar, die in den Entwicklungsprozess des Motors EA 189 eingebundenen Verantwortlichen bis zu den Bereichsvorständen und den Vorständen im aktienrechtlichen Sinn zu benennen. Weiter ist unstreitig, dass Mitarbeiter der Beklagten Kenntnis von dem Einsatz der Abschalteinrichtung hatten. Sogar eine interne Warnung im Jahr 2011 ist unstreitig, ohne dass die Beklagte dazu vorträgt, dass diese die Verantwortlichen nicht erreicht hätte. Auch schweigt die Beklagte zu der Kenntnisnahme des Schreibens der Fa. B... GmbH im Jahr 2007, in dem diese die Beklagte vor der Verwendung der Software gewarnt hat. Es ist aber zu erwarten, dass die Beklagte ihren Geschäftsbetrieb derartig organisiert, dass die Verantwortlichen die für den Betrieb wesentlichen Informationen auch erhalten. Es ist naheliegend - und keinesfalls aus der Luft gegriffen und von dem Kläger ins Blaue hinein behauptet -, dass jedenfalls die aus Repräsentanten bestehende Unternehmensführung unterhalb der Ebene des Konzernvorstands Kenntnis von den Vorgängen gehabt hat.
54 
(b) Die Beklagte hat die Kenntnis ihrer Repräsentanten nicht ausreichend bestritten und zudem ihrer diesbezüglichen sekundären Darlegungslast nicht genügt, so dass der Vortrag des Klägers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig zu behandeln ist.
55 
Die Beklagte differenziert zunächst selbst zwischen den Vorständen im aktienrechtlichen Sinn und weiteren Vorständen. Bezüglich der Kenntnis von dem Einsatz der Manipulationssoftware hält sie einen differenzierten Vortrag:
56 
Bezüglich der Kenntnis ihres Vorstandsvorsitzenden oder andere Mitglieder des Vorstands (ohne Differenzierung nach ihrer Organstellung) bestreitet sie lediglich die Kenntnis zum Zeitpunkt der Entwicklung der Software. Dieses Bestreiten ist unerheblich, weil es maßgeblich auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs (hier Oktober 2014) ankommt, nicht auf einen früheren Entwicklungszeitpunkt.
57 
Weiter bestreitet sie, beschränkt auf die Vorstände im aktienrechtlichen Sinne, dass diese Kenntnis von der Verwendung der Software im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses hatten. Damit bestreitet die Beklagte nicht, dass auf der Vorstandsebene unterhalb der Vorstände im aktienrechtlichen Sinn die Repräsentanten der Beklagten Kenntnis von dem Einsatz der Software hatten. Die Beklagte wäre im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast verpflichtet gewesen, substantiiert darzulegen, dass nach ihren Recherchen die in Betracht kommenden Repräsentanten keine Kenntnis von der Verwendung der Manipulationssoftware gehabt haben.
58 
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist sie nicht deshalb von einer sekundären Darlegungslast befreit, weil es sich bei dem Bestreiten der Kenntnis um eine negative Tatsache handelt. Es ist nämlich unstreitig, dass das Wissen über die Verwendung der Manipulationssoftware bei der Beklagten unterhalb der Ebene des Vorstands im aktienrechtlichen Sinne vorhanden war. Sie wurde von der Firma B... GmbH, wie ausgeführt, sogar auf die Rechtswidrigkeit der Verwendung hingewiesen. Die Beklagte hätte daher darlegen können, wie die interne Kommunikation verlaufen ist und dass die Information nicht die Repräsentanten der Beklagten erreicht hätte. Insofern war sie zu einem positiven Vortrag in der Lage. Dieser Vortrag war ihr auch zuzumuten, da angesichts der Bedeutung des Vorganges ein Exzess von nicht führenden Mitarbeitern der Beklagten als unwahrscheinlich erscheint. Es ist daher davon auszugehen, dass die namentlich nicht genannte Repräsentanten der Beklagten unterhalb der Ebene der Vorstände im aktienrechtlichen Sinne, die für die Entwicklung des Motors EA 189 sowie die Zulassung und den Vertrieb des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps zuständig waren, in den Vorgang involviert waren.
59 
bb. Der Entwicklungschef der Beklagten, Dr. H..., der frühere Markenvorstand von VW N... sowie die nicht genannten Repräsentanten der Beklagten unterhalb der Ebene des Vorstands im aktienrechtlichen Sinne haben vorsätzlich gehandelt. Ein vorsätzliches Handeln erfordert ein Wissens- und ein Wollenselement bezogen auf die maßgeblichen Umstände, hier die Schädigung des Klägers. Der Handelnde muss die Schädigung gekannt oder zumindest vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Beim bedingten Vorsatz muss er die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Da es sich beim Vorsatz um eine innere Tatsache handelt, lässt sich diese nur aus äußeren Umständen folgern. Hierbei kann beispielsweise die Leichtfertigkeit des Handelns oder die starke Gefährdung des betroffenen Rechtsguts die Schlussfolgerung im Einzelfall rechtfertigen. Allerdings ist der Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadens kein alleiniges Kriterium für die Frage, ob der Handelnde mit dem schädigenden Erfolg einverstanden ist. Maßgeblich sind sämtliche Umstände des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 -, Rn. 10f, juris; MünchKommBGB/Wagner, aaO, § 826 Rn. 33)
60 
Aus den geschilderten Umständen des Einzelfalls lässt sich ein Vorsatz der handelnden Personen feststellen. Unstreitig wurde die Beklagte durch die Entwicklerin der Software mit der Abschalteinrichtung vor deren Verwendung gewarnt. Die Entwicklung eines gesonderten Betriebsmodus für den NEFZ widerspricht offensichtlich der Vorgabe der EG-VO 715/2007. Diese hat zum Ziel, bestimmte umweltrelevante Emissions- und Verbrauchswerte in einem normierten Prüfverfahren festzustellen, die möglichst nahe an den Werten im normalen Fahrzeugbetrieb liegen sollen. Die Beklagte hat demgegenüber eine Steuerung eingesetzt, die nur für den Prüfzyklus zu reduzierten Emissionswerten führte und für den Normalbetrieb eine hiervon abweichende Behandlung der Abgase vorsah. Damit lassen die im Prüfzyklus festgestellten Werte keinen Rückschluss auf die tatsächlichen Werte im praktischen Betrieb zu.
61 
Bei der Produktion eines derart hochwertigen und strengsten Qualitätsanforderungen unterliegenden Produkts ist es ausgeschlossen, dass die Bedeutung der eindeutigen Vorschriften missverstanden worden sein konnten. Auf die Rechtswidrigkeit wurde die Beklagte von extern und intern wiederholt hingewiesen. Aus der Verwendung einer solchen offensichtlich rechtswidrigen Manipulationssoftware lässt sich folgern, dass den handelnden Personen die Angreifbarkeit der so erschlichenen EG-Typgenehmigung bekannt war. Die Täuschungshandlung rechtfertigt auch den Schluss, dass die handelnden Personen den daraus für die Erwerber möglicherweise entstehenden Schaden billigend in Kauf genommen haben. Wer im Zulassungsverfahren täuscht, rechnet damit, dass bei Offenlegung der verheimlichten Tatsache die getäuschte Behörde eine andere Entscheidung getroffen hätte bzw. ihre ursprüngliche Entscheidung revidiert. Andernfalls hätte kein Anlass für eine Täuschung bestanden. Der Beklagten als Automobilhersteller war bekannt, dass Fahrzeuge, die über keine EG-Typgenehmigung verfügen, ihre allgemeine Betriebserlaubnis verlieren und stillgelegt werden können. Der mögliche Schaden für die Fahrzeugeigentümer in der Form eines Wertverlustes bei Bekanntwerden der Manipulationssoftware ist so offensichtlich, dass sich daraus nur ein Inkaufnehmen seitens der handelnden Personen folgern lässt. Diesen war ohne vernünftigen Zweifel bekannt, dass bereits kleinste Fehler einen erheblichen Schaden, beispielsweise durch Rückrufaktionen, auslösen können. Umso mehr drängte sich ihnen auf, dass ein enormer Schaden entstehen würde, wenn sämtliche Fahrzeuge, in denen der Motor des Typs EA 189 verbaut war, ihre Zulassung verlieren würden.
62 
5. Der Kläger kann gemäß § 249 BGB Schadensersatz verlangen. Er hat einen Anspruch so gestellt zu werden, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Aufgrund der Umstände steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass die EG-Typgenehmigung von der Beklagte unter Einsatz einer Manipulationssoftware erschlichen wurde und daher die Stilllegung im Falle eines Widerrufs der Genehmigung drohte. Hierfür spricht die allgemeine Lebenserfahrung, dass niemand unnötig derartig erhebliche Risiken eingeht, wenn ihm auf dem Markt vergleichbare Produkte ohne entsprechende Risiken angeboten werden. Dabei ist unerheblich, dass das Kraftfahrt-Bundesamt sich später nicht zu einem Widerruf der Genehmigung, sondern zu dem nachträglichen Erlass einer Auflage entschlossen hat. Maßgeblich ist auf den Zeitpunkt abzustellen, bei dem aufgrund der Handlung der Beklagten bei dem Kläger der Schaden eingetreten ist. Das ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
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Der Kläger ist auch nicht verpflichtet, zum Zwecke der Schadenminderung das Software-Update aufspielen zu lassen. Er kann die Rückgängigmachung des ihm entstandenen Schadens in der Form des Abschlusses eines unvorteilhaften Vertrages verlangen und muss sich nicht vom Schädiger das Festhalten an dem Vertrag aufdrängen lassen. Dies gilt umso mehr, als nicht feststeht, dass das Software-Update ohne nachteilige Folgen, die möglicherweise erst nach einem längeren Dauerbetrieb auftreten, aufgespielt werden kann. Dies ließe sich erst nach Einholung eines Sachverständigengutachtens feststellen, dessen kostspielige Einholung dem deliktisch geschädigten Kläger nicht zuzumuten ist. Aus dem gleichen Grund ist das nachträgliche - nach Klägervortrag heimliche - Aufspielen der Software entscheidungserheblich. Der Schaden ist bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entstanden. Aus den ungeklärten Umständen des Aufspielens der Software lässt sich kein gemäß § 242 BGB missbräuchliches Schadensersatzverlangen des Klägers ableiten. Zu dem Schaden gehört auch ein etwaiger Schaden, der beim Kläger infolge des Aufspielens des Software-Updates entstehen kann, da das Aufspielen des Software-Updates selbst eine Folge der ursprünglichen Installation einer Motorsteuersoftware mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung darstellt.
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6. Der Kläger hat gemäß §§ 826, 249, 257 BGB einen Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR. Hierbei hat das Gericht einen Gegenstandswert in Höhe des Kaufpreises von 18.200 EUR abzüglich eines Nutzungsvorteils in Höhe von 1.966,50 EUR und unter Abzug eines 20%-igen Abschlags für die Feststellungsklage angesetzt. Der Nutzungsvorteil wird auf der Grundlage der vom Kläger angegebenen Laufleistung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geschätzt. Bei einer angenommenen Gesamtlaufleistung von 300.000 km für einen Audi A4 Diesel und einer Restlaufleistung vom 275.300 km bei Vertragsschluss errechnet sich der Nutzungsvorteil auf 0,07 EUR/km und - ausgehend vom Kilometerstand von 24.700 km bei Vertragsschluss - eine durchschnittliche Fahrleistung von 28.092,8 km p.a.. Zum Zeitpunkt des Anwaltsschreibens des Klägervertreters hatte der Kläger das Fahrzeug ca. 1 Jahr. Eine 1,3-fache Geschäftsgebühr, die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer sind als erforderlich anzusetzen. Unter der Berücksichtigung, dass es sich vorliegend um ein Massenverfahren handelt, bei dem der wesentliche Aufwand beim Klägervertreter gleichzeitig für mehrere Verfahren anfällt, erscheint ein höherer Ansatz als der Mittelsatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr nicht gerechtfertigt.
65 
7. Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 92 Abs. 2 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 1, § 711 ZPO. Der Streitwert wurde in Höhe des Schadens, der im Wesentlichen dem Kaufpreis abzüglich des rechnerischen Nutzungsvorteils bei Klageeinreichung unter Abzug eines 20 %-Abschlags für die Feststellungsklage entspricht, festgesetzt.

Gründe

 
16 
Die Klage ist zulässig (I.) und überwiegend begründet (II.).
I.
17 
Die Klage ist zulässig.
18 
1. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart folgt aus § 32 ZPO. Der Kläger macht einen deliktischen Schadensersatzanspruch geltend unter anderem mit der Behauptung, die Beklagte habe ihn vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, § 826 BGB. Zum zuständigkeitsbegründenden Begehungsort im Sinne von § 32 ZPO gehört auch der Ort, wo der schädigende Erfolg eingetreten ist, wenn der Schaden zum Tatbestandsmerkmal gehört (MünchkommZPO/Patzina, 5. Aufl., § 32 Rn. 20; Zöller/Schultzky, ZPO, 32. Aufl., § 32 Rn. 19). Dies ist bei Schadensersatzansprüchen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Fall. Der Schaden ist am Wohnsitz des Klägers eingetreten, der im Gerichtsbezirk des Landgerichts liegt.
19 
2. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Der Kläger hat das gemäß § 256 ZPO erforderliche Interesse an der Feststellung des Schadensersatzanspruchs. Insbesondere ist die Feststellungsklage im vorliegenden Fall nicht subsidiär gegenüber einer Leistungsklage. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Kläger einer Schadensersatzklage nicht gehalten, eine Leistungsklage zu erheben, wenn er den Schaden noch nicht abschließend beziffern kann, weil dieser noch nicht abgeschlossen ist (vgl. nur: BGH, Urteil vom 15. Januar 2008 - VI ZR 53/07 -, Rn. 7, juris). War ein Schadensereignis zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgeschlossen, vermag der Kläger jedoch im Laufe des Verfahrens den Schaden abschließend zu beziffern, ist er hierzu ebenfalls nicht verpflichtet, sondern kann weiterhin seinen Feststellungsantrag aufrechterhalten (BGH, Urteil vom 04. November 1998 - VIII ZR 248/97 -, Rn. 15, juris).
20 
So liegt der Fall hier. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war das Fahrzeug des Klägers noch nicht nachgerüstet. Es bestand daher die Gefahr, dass ihm im Falle der Verweigerung der Nachrüstung der Betrieb des Fahrzeugs durch die Zulassungsstelle gemäß § 5 FZV untersagt und das Fahrzeug stillgelegt wird. Der Zeitpunkt des damit verbundenen weiteren Schadens wegen des Nutzungsausfalls sowie etwaiger Rechtsverteidigungskosten gegen das Vorgehen der Zulassungsstelle etc. stand noch nicht fest. Der Schadenseintritt war jedoch ausreichend wahrscheinlich.
21 
Zwar wäre der Schaden abschließend bezifferbar gewesen, wenn die Beklagte sich sofort auf die auch von dem Kläger primär begehrte Rückabwicklung eingelassen hätte. Der Kläger musste jedoch - wie sich herausgestellt hat zu Recht - damit rechnen, dass er nicht sofort zu seinem Recht kommt und ihm daher im Laufe des Gerichtsverfahrens bis zum Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung ein weiterer Schaden entstehen kann. Die zwischenzeitliche Nachrüstung des Klägerfahrzeugs lässt zwar diese Gefahr entfallen. Dieser Umstand ist jedoch erst nach der Klageerhebung eingetreten. Im Übrigen ist durch die Nachrüstung nicht ausgeschlossen, dass nunmehr die von dem Kläger geltend gemachten Nachteile und Folgeschäden am Fahrzeug (erhöhter Kraftstoffverbrauch, häufigerer Austausch des Partikelfilters, Versottungsschäden etc.) entstehen.
22 
3. Der Klageantrag Ziff. 1 war dahingehend auszulegen, dass es dem Kläger um die Erstattung von Schäden geht, die im Zusammenhang mit der Manipulation der Abgasbehandlung durch die Motorsteuerungssoftware geht und nicht um irgendwelche anderen, unbenannten Manipulationen. Dies geht aus dem gesamten Vorbringen des Klägers hervor, der sich ausschließlich mit dieser Thematik befasst. Entsprechend war dies bei der Tenorierung klarzustellen.
II.
23 
Die Klage ist mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderung begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB. Er hat einen Schaden erlitten (1.). Dieser ist durch ein Verhalten der Beklagten entstanden (2.), welches als sittenwidrig zu qualifizieren ist (3.). Die Beklagte hat dabei vorsätzlich gehandelt (4.). Aufgrund dessen hat der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz (5.).
24 
1. Der Kläger hat durch den Erwerb des Audi A4 einen Schaden erlitten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Schaden nicht nur dann gegeben, wenn sich bei dem vorzunehmenden Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt. Der Schadensbegriff des § 826 BGB ist auch subjektbezogen, so dass bei wertender Betrachtung Vermögensminderungen umfasst sind, wie - bei Eingriff in die Dispositionsfreiheit - die Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung oder die Vermögensgefährdung durch Eingehung eines nachteiligen Geschäfts (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2004 - VI ZR 306/03 -, BGHZ 161, 361, Rn. 16; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14 -, Rn. 18, juris; MünchKommBGB/Wagner, 7. Aufl., § 826 Rn. 41ff.). Dabei ist bei dem Abschluss von Verträgen unter Eingriff in die Dispositionsfreiheit maßgeblich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen, nicht auf die tatsächliche Realisierung eines Schadens zu einem späteren Zeitpunkt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - XI ZR 51/10 -, BGHZ 192, 90, Rn. 58).
25 
Einen solchen Schaden hat der Kläger erlitten. Er hat einen Vertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug abgeschlossen, das formal über eine erteilte EG-Typgenehmigung verfügte. Durch dieses Geschäft ist bei ihm eine konkrete Vermögensgefährdung eingetreten. Das Fahrzeug verfügte über eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007, die einer Zulassung entgegenstand. Dadurch bestand die Gefahr, dass jederzeit die Zulassung widerrufen werden konnte, weil das Fahrzeug tatsächlich die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllte. In der Folge drohten Nutzungsbeschränkungen und ein Wertverlust.
26 
a. Gemäß Art. 10 Abs. 1 EG-VO 715/2007 erteilt die nationale Zulassungsbehörde die Typgenehmigung, wenn das betreffende Fahrzeug den Vorschriften der Verordnung und ihrer Durchführungsbestimmungen entspricht. Gemäß § 4 Abs. 4 der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-FGV) darf eine EG-Typgenehmigung nur erteilt werden, wenn die erforderlichen Prüfverfahren ordnungsgemäß und mit zufriedenstellenden Ergebnis durchgeführt wurden. Nach Art. 5 Abs. 1 EG-VO 715/2007 hat der Hersteller das Fahrzeug so auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Gemäß Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Nach Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 ist eine „Abschalteinrichtung“ ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.
27 
b. Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügte über eine derartige unzulässige Abschalteinrichtung, so dass das Prüfverfahren und somit die Voraussetzungen für die Erteilung einer EG-Typgenehmigung nicht vorlagen. Nach dem Vortrag der Beklagten erfolgte eine unterschiedliche Emissionsbehandlung je nachdem, ob sich das Fahrzeug im NEFZ im Modus 1 befand oder im Modus 0 für den Normalbetrieb. Im Prüfbetrieb wurden Emissionen aus dem Verbrennungsprozess durch eine Abgasrückführung teilweise dem Verbrennungsprozess wieder zugeführt. Eine solche Steuerung ist Teil eines Emissionskontrollsystems im Sinne von Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007. Die Emissionen werden kontrolliert und gesteuert: Die Motorsteuerung, die anhand der Parameter den Prüfzyklus erkennt, schaltet im Normalbetrieb die Abgasrückführung, die der Kontrolle der Emissionen und der Reduzierung des Schadstoffausstoßes dient, ab.
28 
Die von der Beklagten gemachte Unterscheidung zwischen „so genannten innermotorischen Maßnahmen“ und denjenigen der „Abgasreinigung im Emissionskontrollsystem“ lässt sich der Verordnung nicht entnehmen und widerspricht offensichtlich deren Zweck. Die Emissionskontrolle im Sinne der Verordnung ist nicht auf die Abgasreinigung beschränkt. Durch die Rückführung eines Teils der Abgase (Emissionen) in den Verbrennungsprozess im Motor werden die Emissionen kontrolliert. Durch die Fahrzykluserkennung wird dieser Teil des Kontrollsystems abgeschaltet. Die Auslegung der Beklagten widerspricht auch offensichtlich dem Zweck der Verordnung, wonach das Testverfahren möglichst das Verhalten des Fahrzeugs unter normalen Betriebsbedingungen widerspiegeln soll. So schreibt Art. 5 Abs. 1 EG-VO 715/2007 ausdrücklich vor, dass der Hersteller das Fahrzeug so auszurüsten hat, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Erwägungsgrund 15 der Verordnung weist auf das Ziel hin, dass die bei den Typgenehmigungsprüfungen gemessenen Emissionen denen im praktischen Fahrbetrieb entsprechen sollen. Die Motorsteuerung der Beklagten knüpft demgegenüber nicht an bestimmte Betriebszustände oder Umweltbedingungen an, sondern ausschließlich an die Feststellung des NEFZ, zielt also bewusst auf eine Steuerung der Emissionen für den Ausnahmefall der Genehmigungsprüfung.
29 
Nachdem die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung zur Überzeugung des Gerichts feststeht, kommt es auf die Frage der Bindungswirkung des Bescheids des Kraftfahrt-Bundesamts nicht an.
30 
c. Die Installation der unzulässigen Abschalteinrichtung begründete die konkrete Gefahr des Widerrufs der Zulassung und somit der Stilllegung des Fahrzeugs sowie des massiven Wertverlustes. Zu dem Widerruf der Typgenehmigung wäre das Kraftfahrt-Bundesamt berechtigt gewesen, weil sie von der Beklagten über das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen getäuscht wurde. Unabhängig von der konkreten Vorgehensweise des Kraftfahrt-Bundesamts nach Bekanntwerden der Abschalteinrichtung bestand seit Inverkehrbringen der Fahrzeuge mit der zweifelhaften EG-Typgenehmigung die Gefahr des Bekanntwerdens der Manipulation und des sofortigen Widerrufs der Zulassung ohne Auflagen. Dies war nicht fernliegend, da Auflagen als Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten nicht erzwingbar sind und die Beklagte als Adressatin einer Auflage zur Durchführung einer Nachbesserung von in Verkehr gebrachten Fahrzeugen es nicht in der Hand hat, sämtliche Fahrzeughalter zu einer Nachrüstung zu zwingen. Auch ist zwischen der Pflicht zur Nachrüstung zum Zwecke des Erhalts der Betriebserlaubnis und dem Integritätsinteresse des Fahrzeugeigentümers zu unterscheiden. Ein Fahrzeugeigentümer kann eine Nachrüstung unter Umständen zu Recht ablehnen, weil er eine Verschlechterung seines Fahrzeugs erwartet, die er zum Erhalt der Zulassung nicht bereit ist in Kauf zu nehmen. Es ist unstreitig, dass die Zulassungsstellen den Betrieb von nicht nachgerüsteten Fahrzeugen gemäß § 5 FZV untersagen und Fahrzeuge stilllegen können. Soweit die Beklagte bestreitet, dass dieser Widerruf - entsprechend dem Klägervortrag - durch das Kraftfahrt-Bundesamt erfolgen kann, streitet sie nicht die generelle Möglichkeit der Betriebsuntersagung ab, wie sie es nach dem unstreitigen Klägervortrag selbst Kunden des VW Amarok in Schreiben mitgeteilt hat.
31 
Weiter war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht damit zu rechnen, dass die Beklagte in der Lage sein würde, innerhalb kurzer Frist ein Software-Update ausliefern zu können, das ohne nachteilige Veränderung der Eigenschaften des Fahrzeuges die Abschalteinrichtung deaktiviert und gleichzeitig zu zulässigen Emissionswerten führt. Die Beklagte hat vorgetragen, dass das Software-Update die Erkenntnisse aus der Weiterentwicklung des Diesel-Brennverfahrens der letzten zehn Jahre aufgreife. Das Bekanntwerden der unzulässigen Abschalteinrichtung und der Gefährdung der EG-Typgenehmigung hätte angesichts der Ungewissheit über die Nachbesserungsfähigkeit durch die Beklagte sofort zu einem Wertverlust geführt. Dass nunmehr auf dem Gebrauchtwagenmarkt die mit einem Software-Update ausgestatteten Fahrzeuge ohne Preisabschlag gehandelt werden, wie die Beklagte es behauptet, ändert nichts daran, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages diese Kenntnisse noch nicht vorlagen und daher wegen der Unsicherheit des Widerrufs der EG-Typgenehmigung und der Gefahr der Stilllegung mit erheblichen Preisabschlägen zu rechnen war.
32 
Weiter ist dem Kläger dadurch ein Schaden entstanden, dass er es nicht mehr - ohne Software-Update - in der Schweiz zulassen kann. Dies ist unstreitig. Unerheblich ist, ob der Kläger bei Erwerb des Fahrzeuges vorgehabt hat, das Fahrzeug in der Schweiz zuzulassen oder es dorthin weiterzuverkaufen. Maßgeblich ist, dass die Einschränkung besteht. Eine Zulassung in der Schweiz oder eine Weiterveräußerung in diesen Raum auf der Grundlage der EG-Typgenehmigung gehört zu den wertbildenden Eigenschaften, die jedem Fahrzeug anhaften, nicht jedoch dem streitgegenständlichen. Die Gefahr bestand bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, denn es ist anzunehmen, dass die Schweiz sich auch schon zu einem früheren Zeitpunkt in der Weise verhält, wie sie es nun getan hat.
33 
2. Der Kläger hat diesen Schaden aufgrund eines Verhaltens der Beklagten erlitten. Erforderlich ist insoweit ein adäquat kausaler Zusammenhang unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm (BGH, Urteil vom 03. März 2008 - II ZR 310/06 -, Rn. 15, juris; MünchKommBGB/Wagner, 7. Aufl., § 826 Rn. 45 ff.). Ein adäquater Zusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet war.
34 
So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat die Fahrzeuge, insbesondere die Motoren mit der unzulässigen Abschalteinrichtung, produziert und in Verkehr gebracht. Dabei hat sie durch Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt scheinbar zulässige Emissionswerte vorgespiegelt und sich die EG-Typgenehmigung erschlichen. Der Fortbestand der allgemeinen Betriebserlaubnis auf der Grundlage der EG-Typgenehmigung hing wesentlich an den Eigenschaften des Motors und seiner Steuerung sowie der Rechtmäßigkeit des Zulassungsverfahrens. Bei einem Widerruf der Typgenehmigung durch das Kraftfahrt-Bundesamt und einer Untersagung des Betriebs drohte jedem Halter dieses Typs die Stilllegung seines Fahrzeugs. Ebenso war jedes Fahrzeug dieses Typs von einem massiven Wertverlust bei Bekanntwerden der Täuschungen bei der Typgenehmigungsprüfung bedroht.
35 
Die Fahrzeuge werden von der Beklagten als Herstellerin entweder selbst oder durch selbständige Verkäufer vertrieben. Häufig werden die Fahrzeuge vom Ersterwerber weiterveräußert an Zweit- und Folgeerwerber. Jeder Erwerber knüpft unabhängig von der Person des Verkäufers an das Fahrzeug die Erwartung, dass er dieses dauerhaft und ohne Gefahr des Widerrufs der Typgenehmigung und der Stilllegung nutzen kann. Diese selbstverständliche Erwartung prägt den Wert des Fahrzeugs und stellt ein wesentliches Kriterium für die Anschaffungsentscheidung dar.
36 
Vor diesem Hintergrund ist es sehr wahrscheinlich bis sicher, dass ein potenzieller Gebrauchtwagenkäufer, wie der Kläger, von dem Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Fahrzeugs mit diesem Motorentyp absieht, wenn er weiß, dass das Zulassungsverfahren nicht ordnungsgemäß betrieben wurde. Dann erkennt er die Gefahr der Stilllegung und des drohenden Wertverlusts und die Ungewissheit, ob es der Beklagten gelingen wird, ein Software-Update zu entwickeln, mit dem die Voraussetzungen des Zulassungsverfahrens erfüllt werden, ohne dass die Eigenschaften des Fahrzeugs nachteilig verändert werden. Das Inverkehrbringen eines derart mangelbehafteten Fahrzeugs, dessen Mangel nicht erkennbar ist, beeinträchtigt die Dispositionsfreiheit sämtlicher Erwerber, gleichgültig ob Erst- oder Folgeerwerber, und begründet somit einen Vermögensschaden durch den Abschluss eines ungünstigen Vertrages.
37 
Eine Zurechnung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm zu verneinen. Die EG-Typgenehmigung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Nutzbarkeit eines Fahrzeugs. Das Prüfverfahren dient dem Nachweis, dass das Fahrzeug den allgemeinen Anforderungen insbesondere hinsichtlich der Emission- und Verbrauchswerte entspricht. Gleichzeitig hat es den Zweck, Verbrauchswerte (Kohlendioxidemissionen und Kraftstoffverbrauch) nach einem geregelten Verfahren zu ermitteln und dem Verbraucher und Anwender objektive und genaue Informationen zu geben (Art. 1 Abs. 2, Art. 4 Abs. 3, 4, Erwägungsgrund Nr. 17 EG-VO 715/2007). Derartige Informationen sind nicht nur bei der Erstanschaffung, sondern auch bei einem Folgeerwerb von Gebrauchtfahrzeugen von Bedeutung.
38 
3. Das Verhalten der Beklagten war sittenwidrig. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Sie kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 -, Rn. 16, juris). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (Staudinger/Oechsler BGB [2014] § 826, Rn. 31).
39 
Die berechtigten Verkehrserwartungen gehen dahin, dass ein Autohersteller sich gewissenhaft an die Regeln hält, denen er im Rahmen des Zulassungsverfahrens unterliegt, und sich nicht durch falsche Angaben zu wichtigen zulassungsrelevanten Eigenschaften eine Typgenehmigung erschleicht. Dabei wird eine sehr hohe Sorgfalt erwartet, wenn das Handeln von einer großen Tragweite ist und Verstöße zu hohen Schäden führen können. Dies ist in der Automobilindustrie, die in zig-tausendfacher Stückzahl hochwertige Güter mit langer Lebensdauer herstellt, die für die Mobilität der Kunden von großer Bedeutung sind, der Fall. In der Automobilindustrie spielt zudem die Einhaltung von Umweltstandards eine große Rolle, da systematische Abweichungen bei in großer Stückzahl produzierten Fahrzeugen eine entsprechend hohe Auswirkung auf die Umweltbelastung haben. Den europäischen Normen entsprechend erwartet der Verbraucher objektive und genaue, und somit wahrheitsgemäße Informationen. Verbrauchs- und Emissionswerte haben allgemein eine hohe Bedeutung bei den Anschaffungsentscheidungen. Die allgemeine Verkehrserwartung geht auch dahin, dass sich ein Hersteller nicht durch falsche Angaben oder durch Manipulationen im Rahmen des Prüfverfahrens mit nicht vergleichbaren Werten Wettbewerbsvorteile verschafft. An die Redlichkeit werden besonders hohe Erwartungen gestellt, da der Verbraucher auf die Richtigkeit der Angaben durch den Hersteller angewiesen ist, weil er zu einer eigenen Überprüfung nicht in der Lage ist.
40 
Gegen diese berechtigte Verkehrserwartung hat die Beklagte in einem erheblichen Maße verstoßen. Die Installation einer Abschalteinrichtung widersprach offensichtlich den Vorgaben der EG-VO 715/2007. Ein Fahr- und Emissionsverhalten, das durch eine spezielle Steuerungssoftware allein auf das Prüfverfahren abgestimmt war und somit - wie die Beklagte selbst vorträgt - keine Rückschlüsse auf die tatsächlichen Eigenschaften im Normalbetrieb erlaubt, widersprach dem erkennbaren Zweck der Vorschrift und erfüllte die Zulassungsvoraussetzungen nicht. Unstreitig wurde die Beklagte durch den Hersteller der Software, die Firma B..., vor dem gesetzeswidrigen Einsatz der Software gewarnt. Das Handeln entgegen der Warnung verstärkt das Unwerturteil.
41 
Bei der Beurteilung der Verwerflichkeit des Handelns ist der hohe Schaden, den die Beklagte verursacht hat, sowie das hohe Risiko für die zahlreichen Fahrzeugkäufer zu berücksichtigen, das die Beklagte in Kauf genommen hat. Der Beklagten war bewusst, dass sie die Anforderungen der Abgasnormen nicht ohne die unzulässige Abschalteinrichtung erfüllen konnte. Dies folgt bereits aus der Installation der Software, die speziell eine Motorsteuerung für den Prüfzyklus vorsah, und somit für die Prüfung nicht geeignete Emissionswerte erzeugte. Als Automobilhersteller war ihr weiter bekannt, dass sie keine rechtsbeständige EG-Typgenehmigung durch eine Täuschung im Prüfverfahren erhalten kann und somit die Gefahr des Widerrufs der EG-Typgenehmigung und der Allgemeinen Betriebserlaubnis für die Fahrzeuge bestand. Der dadurch drohende Schaden war angesichts der hohen Stückzahl der produzierten Motoren enorm. Die Inkaufnahme eines derartigen Schadens zum Zwecke des Gewinnstrebens enthält ein hohes Maß an Skrupellosigkeit. Gleichzeitig hat sich die Beklagte gegenüber ihren Mitbewerbern, die auf ordnungsgemäße Weise die Einhaltung der Anforderungen der EG-VO 715/2007 nachgewiesen haben, einen unerlaubten Wettbewerbsvorteil verschafft. Sie hat sich die Kosten der Entwicklung einer Technik gespart, die den Anforderungen der Vorschriften gerecht geworden wäre.
42 
4. Die Beklagte hat den Kläger vorsätzlich geschädigt. Sie muss sich das Verhalten ihrer Repräsentanten zurechnen lassen (a.). Deren Wissen ist unstreitig bzw. als zugestanden anzusehen und ihr Verhalten als vorsätzlich zu qualifizieren (b.).
43 
a. Die Beklagte muss sich das Wissen und Verhalten ihrer Repräsentanten auch im Zusammenhang mit der Haftung nach § 826 BGB zurechnen lassen.
44 
Grundsätzlich haftet eine juristische Person gemäß § 31 BGB für das Verhalten ihrer verfassungsmäßigen Vertreter. Entgegen der Auffassung der Beklagten beschränkt sich die Zurechnung im Rahmen des § 826 BGB nicht auf Organe im aktienrechtlichen Sinn. Dies ergibt sich nicht aus der von ihr zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 -, Rn. 13, juris).
45 
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft eine juristische Person über den Wortlaut der §§ 30, 31 BGB hinaus eine Repräsentantenhaftung für solche Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Da es der juristischen Person nicht freisteht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters“ in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt (BGH, Urteil vom 14. März 2013 - III ZR 296/11 -, BGHZ 196, 340, Rn. 12). Entgegen der weiteren Auffassung der Beklagten gilt die Repräsentantenhaftung nicht nur im vertraglichen Bereich, sondern auch bei der deliktischen Haftung. In der von der Beklagten zum Beleg des Gegenteils zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 -, Rn. 13, juris) hat dieser im Zusammenhang mit der Haftung nach § 826 BGB ausdrücklich auf die weite Auslegung des Begriffs des verfassungsmäßigen Vertreters hingewiesen und die hierzu ergangene Grundsatzentscheidung zitiert (BGH, Urteil vom 30. Oktober 1967 - VII ZR 82/65 -, BGHZ 49, 19, Rn. 11).
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b. Die Repräsentanten der Beklagten haben die Schädigung des Klägers vorsätzlich veranlasst bzw. zugelassen. Dies gilt für ihren damaligen Entwicklungsvorstand Dr. H ..., für den Markenvorstand von VW N... sowie für die von der Beklagten nicht benannten weiteren Repräsentanten (aa.). Diese haben vorsätzlich gehandelt (bb).
47 
aa. Es ist unstreitig, dass die Zeugen Dr. H... und N..., die als Repräsentanten der Beklagten anzusehen sind, Kenntnis von der unzulässigen Abschalteinrichtung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages hatten ([1]). Die Kenntnis weiterer Repräsentanten der Beklagten von der Verwendung der unzulässigen Software ist unter Berücksichtigung der sekundären Darlegungslast der Beklagten als zugestanden anzusehen ([2]).
48 
(1) Der Kläger hat behauptet, dass der Entwicklungsvorstand Dr. H... Kenntnis von der Manipulation gehabt habe und der Markenvorstand von VW und damalige Leiter der Aggregateentwicklung der Marke Volkswagen im Jahr 2011 vor illegalen Praktiken mit den Abgaswerten gewarnt worden sei. Dieser Vortrag ist zur Behauptung eines Vorsatzes bei Repräsentanten der Beklagten ausreichend. Die Beklagte als Weltkonzern hat auch unterhalb der Ebene der Vorstände im aktienrechtlichen Sinne Personen, die wesensmäßige Funktionen der Beklagten zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind. Sie selbst bezeichnet sie als Vorstände. Beispielsweise bestreitet sie nicht die von der Beklagten verwendete Bezeichnung des Dr. H... als „Entwicklungsvorstand“, sondern beschränkt sich auf die Klarstellung, dass dieser kein Vorstand im aktienrechtlichen Sinne sei. Auch der Zeuge N... führte unstreitig die Bezeichnung als Markenvorstand von VW. Beiden waren somit wesensmäßige Funktionen zur selbständigen und eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen, so dass sie als Repräsentant der Beklagten anzusehen sind.
49 
Die Beklagte hat die Kenntnis der beiden Repräsentanten nicht (wirksam) bestritten. Ihr Vortrag, dass nach derzeitigem Kenntnisstand nicht erwiesen sei, dass Herr Dr. U... H... im relevanten Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses von der Programmierung oder von der Verwendung der streitgegenständlichen Software in Fahrzeugen Kenntnis hatte, stellt kein eindeutiges Bestreiten dar. Die Feststellung, ob eine Tatsache „erwiesen“ ist, ist Aufgabe des Gerichts im Rahmen der Tatsachenfeststellung und stellt keine Tatsachenbehauptung der Beklagten, sondern allenfalls eine eigene Würdigung von nicht offen gelegten Indizien dar. Die Beklagte legt nicht dar, aus welchen Gründen sie nicht in der Lage sei, sich eindeutig zu der Tatsachenbehauptung des Klägers zu äußern und sah sich auf ausdrückliche Nachfrage nicht in der Lage, unter Beachtung ihrer prozessualen Wahrheitspflicht die Behauptung aktiv zu bestreiten. Bezüglich des Zeugen N... bestreitet die Beklagte nicht, dass dieser zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages im Jahr 2014 Kenntnis von der Abschalteinrichtung gehabt habe. Die Beklagte bestreitet insoweit nur die Kenntnis ihrer Vorstände im aktienrechtlichen Sinn, zu denen der Zeuge N... nicht zählt. Soweit die Beklagte lediglich vorträgt, der Zeuge N... wie „nach eigenen Angaben im Jahr 2011 nicht über die Verwendung der Umschaltlogik in den Fahrzeugen des Typs EA 189 informiert“ gewesen, ist dieses Bestreiten daher unerheblich.
50 
(2) Ein konkreterer Vortrag bezüglich einzelner weiterer Personen, die als Repräsentanten der Beklagten Kenntnis von der unzulässigen Verwendung der Abschalteinrichtung hatten und diese nicht verhindert haben, war zudem nicht erforderlich. Insofern greifen die Grundsätze der sekundären Darlegungslast.
51 
Grundsätzlich muss zwar der Anspruchsteller alle Tatsachen behaupten und beweisen, aus denen sich sein Anspruch herleitet. Dieser Grundsatz bedarf aber einer Einschränkung, wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den Sachverhalt von sich aus nicht ermitteln kann, während dem Prozessgegner die erforderliche tatsächliche Aufklärung ohne weiteres möglich und auch zuzumuten ist. Dabei obliegt es dem Bestreitenden im Rahmen der sekundären Darlegungslast auch, zumutbare Nachforschungen zu unternehmen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 559/14 -, Rn. 18, juris).
52 
Diese Voraussetzungen liegen vor.
53 
(a) Der Kläger hat mit seiner Behauptung, die Unternehmensleitung habe Kenntnis von dem Einsatz der Manipulationssoftware gehabt, den maßgeblichen Personenkreis der Repräsentanten der Beklagten auch unterhalb der Ebene des Vorstands im aktienrechtlichen Sinne bezeichnet. Eine namentliche Benennung war nicht erforderlich, weil er hiervon keine Kenntnis hatte und er als Nichtkonzernangehöriger außerhalb des Geschehensablaufs steht. Insbesondere kann er nicht wissen, wie die interne Zuständigkeitsverteilung innerhalb des Volkswagenkonzerns und konkret der Motorenentwicklung zum Zeitpunkt der Entwicklung war. Dass ein Weltkonzern wie die Beklagte auch unterhalb der Ebene des Vorstands im aktienrechtlichen Sinne Personen wesensmäßige Aufgaben wie die Entwicklung von Motoren, den Einkauf, die Entwicklung einer Marke, die Produktsicherheit, das Qualitätsmanagement etc. zur selbständigen und eigenverantwortlichen Erledigung überträgt, ergibt sich aus der Notwendigkeit zur Organisation und Überwachung des enorm großen Geschäftsbetriebs, die nicht allein von wenigen Personen des Konzernvorstands geleistet werden können. Demgegenüber ist es der Beklagten ohne weiteres möglich und zumutbar, die in den Entwicklungsprozess des Motors EA 189 eingebundenen Verantwortlichen bis zu den Bereichsvorständen und den Vorständen im aktienrechtlichen Sinn zu benennen. Weiter ist unstreitig, dass Mitarbeiter der Beklagten Kenntnis von dem Einsatz der Abschalteinrichtung hatten. Sogar eine interne Warnung im Jahr 2011 ist unstreitig, ohne dass die Beklagte dazu vorträgt, dass diese die Verantwortlichen nicht erreicht hätte. Auch schweigt die Beklagte zu der Kenntnisnahme des Schreibens der Fa. B... GmbH im Jahr 2007, in dem diese die Beklagte vor der Verwendung der Software gewarnt hat. Es ist aber zu erwarten, dass die Beklagte ihren Geschäftsbetrieb derartig organisiert, dass die Verantwortlichen die für den Betrieb wesentlichen Informationen auch erhalten. Es ist naheliegend - und keinesfalls aus der Luft gegriffen und von dem Kläger ins Blaue hinein behauptet -, dass jedenfalls die aus Repräsentanten bestehende Unternehmensführung unterhalb der Ebene des Konzernvorstands Kenntnis von den Vorgängen gehabt hat.
54 
(b) Die Beklagte hat die Kenntnis ihrer Repräsentanten nicht ausreichend bestritten und zudem ihrer diesbezüglichen sekundären Darlegungslast nicht genügt, so dass der Vortrag des Klägers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig zu behandeln ist.
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Die Beklagte differenziert zunächst selbst zwischen den Vorständen im aktienrechtlichen Sinn und weiteren Vorständen. Bezüglich der Kenntnis von dem Einsatz der Manipulationssoftware hält sie einen differenzierten Vortrag:
56 
Bezüglich der Kenntnis ihres Vorstandsvorsitzenden oder andere Mitglieder des Vorstands (ohne Differenzierung nach ihrer Organstellung) bestreitet sie lediglich die Kenntnis zum Zeitpunkt der Entwicklung der Software. Dieses Bestreiten ist unerheblich, weil es maßgeblich auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs (hier Oktober 2014) ankommt, nicht auf einen früheren Entwicklungszeitpunkt.
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Weiter bestreitet sie, beschränkt auf die Vorstände im aktienrechtlichen Sinne, dass diese Kenntnis von der Verwendung der Software im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses hatten. Damit bestreitet die Beklagte nicht, dass auf der Vorstandsebene unterhalb der Vorstände im aktienrechtlichen Sinn die Repräsentanten der Beklagten Kenntnis von dem Einsatz der Software hatten. Die Beklagte wäre im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast verpflichtet gewesen, substantiiert darzulegen, dass nach ihren Recherchen die in Betracht kommenden Repräsentanten keine Kenntnis von der Verwendung der Manipulationssoftware gehabt haben.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten ist sie nicht deshalb von einer sekundären Darlegungslast befreit, weil es sich bei dem Bestreiten der Kenntnis um eine negative Tatsache handelt. Es ist nämlich unstreitig, dass das Wissen über die Verwendung der Manipulationssoftware bei der Beklagten unterhalb der Ebene des Vorstands im aktienrechtlichen Sinne vorhanden war. Sie wurde von der Firma B... GmbH, wie ausgeführt, sogar auf die Rechtswidrigkeit der Verwendung hingewiesen. Die Beklagte hätte daher darlegen können, wie die interne Kommunikation verlaufen ist und dass die Information nicht die Repräsentanten der Beklagten erreicht hätte. Insofern war sie zu einem positiven Vortrag in der Lage. Dieser Vortrag war ihr auch zuzumuten, da angesichts der Bedeutung des Vorganges ein Exzess von nicht führenden Mitarbeitern der Beklagten als unwahrscheinlich erscheint. Es ist daher davon auszugehen, dass die namentlich nicht genannte Repräsentanten der Beklagten unterhalb der Ebene der Vorstände im aktienrechtlichen Sinne, die für die Entwicklung des Motors EA 189 sowie die Zulassung und den Vertrieb des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps zuständig waren, in den Vorgang involviert waren.
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bb. Der Entwicklungschef der Beklagten, Dr. H..., der frühere Markenvorstand von VW N... sowie die nicht genannten Repräsentanten der Beklagten unterhalb der Ebene des Vorstands im aktienrechtlichen Sinne haben vorsätzlich gehandelt. Ein vorsätzliches Handeln erfordert ein Wissens- und ein Wollenselement bezogen auf die maßgeblichen Umstände, hier die Schädigung des Klägers. Der Handelnde muss die Schädigung gekannt oder zumindest vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Beim bedingten Vorsatz muss er die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Da es sich beim Vorsatz um eine innere Tatsache handelt, lässt sich diese nur aus äußeren Umständen folgern. Hierbei kann beispielsweise die Leichtfertigkeit des Handelns oder die starke Gefährdung des betroffenen Rechtsguts die Schlussfolgerung im Einzelfall rechtfertigen. Allerdings ist der Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadens kein alleiniges Kriterium für die Frage, ob der Handelnde mit dem schädigenden Erfolg einverstanden ist. Maßgeblich sind sämtliche Umstände des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10 -, Rn. 10f, juris; MünchKommBGB/Wagner, aaO, § 826 Rn. 33)
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Aus den geschilderten Umständen des Einzelfalls lässt sich ein Vorsatz der handelnden Personen feststellen. Unstreitig wurde die Beklagte durch die Entwicklerin der Software mit der Abschalteinrichtung vor deren Verwendung gewarnt. Die Entwicklung eines gesonderten Betriebsmodus für den NEFZ widerspricht offensichtlich der Vorgabe der EG-VO 715/2007. Diese hat zum Ziel, bestimmte umweltrelevante Emissions- und Verbrauchswerte in einem normierten Prüfverfahren festzustellen, die möglichst nahe an den Werten im normalen Fahrzeugbetrieb liegen sollen. Die Beklagte hat demgegenüber eine Steuerung eingesetzt, die nur für den Prüfzyklus zu reduzierten Emissionswerten führte und für den Normalbetrieb eine hiervon abweichende Behandlung der Abgase vorsah. Damit lassen die im Prüfzyklus festgestellten Werte keinen Rückschluss auf die tatsächlichen Werte im praktischen Betrieb zu.
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Bei der Produktion eines derart hochwertigen und strengsten Qualitätsanforderungen unterliegenden Produkts ist es ausgeschlossen, dass die Bedeutung der eindeutigen Vorschriften missverstanden worden sein konnten. Auf die Rechtswidrigkeit wurde die Beklagte von extern und intern wiederholt hingewiesen. Aus der Verwendung einer solchen offensichtlich rechtswidrigen Manipulationssoftware lässt sich folgern, dass den handelnden Personen die Angreifbarkeit der so erschlichenen EG-Typgenehmigung bekannt war. Die Täuschungshandlung rechtfertigt auch den Schluss, dass die handelnden Personen den daraus für die Erwerber möglicherweise entstehenden Schaden billigend in Kauf genommen haben. Wer im Zulassungsverfahren täuscht, rechnet damit, dass bei Offenlegung der verheimlichten Tatsache die getäuschte Behörde eine andere Entscheidung getroffen hätte bzw. ihre ursprüngliche Entscheidung revidiert. Andernfalls hätte kein Anlass für eine Täuschung bestanden. Der Beklagten als Automobilhersteller war bekannt, dass Fahrzeuge, die über keine EG-Typgenehmigung verfügen, ihre allgemeine Betriebserlaubnis verlieren und stillgelegt werden können. Der mögliche Schaden für die Fahrzeugeigentümer in der Form eines Wertverlustes bei Bekanntwerden der Manipulationssoftware ist so offensichtlich, dass sich daraus nur ein Inkaufnehmen seitens der handelnden Personen folgern lässt. Diesen war ohne vernünftigen Zweifel bekannt, dass bereits kleinste Fehler einen erheblichen Schaden, beispielsweise durch Rückrufaktionen, auslösen können. Umso mehr drängte sich ihnen auf, dass ein enormer Schaden entstehen würde, wenn sämtliche Fahrzeuge, in denen der Motor des Typs EA 189 verbaut war, ihre Zulassung verlieren würden.
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5. Der Kläger kann gemäß § 249 BGB Schadensersatz verlangen. Er hat einen Anspruch so gestellt zu werden, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Aufgrund der Umstände steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass die EG-Typgenehmigung von der Beklagte unter Einsatz einer Manipulationssoftware erschlichen wurde und daher die Stilllegung im Falle eines Widerrufs der Genehmigung drohte. Hierfür spricht die allgemeine Lebenserfahrung, dass niemand unnötig derartig erhebliche Risiken eingeht, wenn ihm auf dem Markt vergleichbare Produkte ohne entsprechende Risiken angeboten werden. Dabei ist unerheblich, dass das Kraftfahrt-Bundesamt sich später nicht zu einem Widerruf der Genehmigung, sondern zu dem nachträglichen Erlass einer Auflage entschlossen hat. Maßgeblich ist auf den Zeitpunkt abzustellen, bei dem aufgrund der Handlung der Beklagten bei dem Kläger der Schaden eingetreten ist. Das ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
63 
Der Kläger ist auch nicht verpflichtet, zum Zwecke der Schadenminderung das Software-Update aufspielen zu lassen. Er kann die Rückgängigmachung des ihm entstandenen Schadens in der Form des Abschlusses eines unvorteilhaften Vertrages verlangen und muss sich nicht vom Schädiger das Festhalten an dem Vertrag aufdrängen lassen. Dies gilt umso mehr, als nicht feststeht, dass das Software-Update ohne nachteilige Folgen, die möglicherweise erst nach einem längeren Dauerbetrieb auftreten, aufgespielt werden kann. Dies ließe sich erst nach Einholung eines Sachverständigengutachtens feststellen, dessen kostspielige Einholung dem deliktisch geschädigten Kläger nicht zuzumuten ist. Aus dem gleichen Grund ist das nachträgliche - nach Klägervortrag heimliche - Aufspielen der Software entscheidungserheblich. Der Schaden ist bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entstanden. Aus den ungeklärten Umständen des Aufspielens der Software lässt sich kein gemäß § 242 BGB missbräuchliches Schadensersatzverlangen des Klägers ableiten. Zu dem Schaden gehört auch ein etwaiger Schaden, der beim Kläger infolge des Aufspielens des Software-Updates entstehen kann, da das Aufspielen des Software-Updates selbst eine Folge der ursprünglichen Installation einer Motorsteuersoftware mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung darstellt.
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6. Der Kläger hat gemäß §§ 826, 249, 257 BGB einen Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR. Hierbei hat das Gericht einen Gegenstandswert in Höhe des Kaufpreises von 18.200 EUR abzüglich eines Nutzungsvorteils in Höhe von 1.966,50 EUR und unter Abzug eines 20%-igen Abschlags für die Feststellungsklage angesetzt. Der Nutzungsvorteil wird auf der Grundlage der vom Kläger angegebenen Laufleistung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geschätzt. Bei einer angenommenen Gesamtlaufleistung von 300.000 km für einen Audi A4 Diesel und einer Restlaufleistung vom 275.300 km bei Vertragsschluss errechnet sich der Nutzungsvorteil auf 0,07 EUR/km und - ausgehend vom Kilometerstand von 24.700 km bei Vertragsschluss - eine durchschnittliche Fahrleistung von 28.092,8 km p.a.. Zum Zeitpunkt des Anwaltsschreibens des Klägervertreters hatte der Kläger das Fahrzeug ca. 1 Jahr. Eine 1,3-fache Geschäftsgebühr, die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer sind als erforderlich anzusetzen. Unter der Berücksichtigung, dass es sich vorliegend um ein Massenverfahren handelt, bei dem der wesentliche Aufwand beim Klägervertreter gleichzeitig für mehrere Verfahren anfällt, erscheint ein höherer Ansatz als der Mittelsatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr nicht gerechtfertigt.
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7. Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 92 Abs. 2 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 1, § 711 ZPO. Der Streitwert wurde in Höhe des Schadens, der im Wesentlichen dem Kaufpreis abzüglich des rechnerischen Nutzungsvorteils bei Klageeinreichung unter Abzug eines 20 %-Abschlags für die Feststellungsklage entspricht, festgesetzt.

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