Beschluss vom Landgericht Düsseldorf - 004 Qs - 80 Js 472/09 - 12/11
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
1
Gründe
2I.
3Das Amtsgericht hat die notwendigen Auslagen des Angeklagten nach Freispruch der Staatskasse auferlegt. Dem Verfahren lag der Vorwurf zugrunde, der Angeklagte habe durch das Skandieren einer Parole und durch das Zeigen des Hitlergrußes gegen die §§ 86a I Nr. 1, II, 86 I Nr. 4 StGB verstoßen. Der in G1 wohnende Angeklagte hat sich vor dem Amtsgericht Düsseldorf durch einen in Hamburg geschäftsansässigen Rechtsanwalt vertreten lassen. Dies wird mit einer 20 Jahre andauernden Freundschaft zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger begründet. Die Beauftragung eines ortsansässigen Rechtsanwaltes sei ohnehin nicht in Frage gekommen, da dieser möglicherweise aufgrund seiner politischen Gesinnung die Interessen des Angeklagten nicht hätte sachgerecht vertreten können. Ferner sei zu befürchten gewesen, dass bei Beauftragung eines Rechtsanwaltes aus Gelsenkirchen der Tatvorwurf im persönlichen Umfeld des Angeklagten ruchbar geworden wäre.
4Mit Schriftsatz vom 12.05.2010 hat der Verteidiger die Festsetzung folgender Kosten und Gebühren gegen die Staatskasse beantragt:
5Grundgebühr gem. Nr. 4100 VV RVG 165,00 €
6Verfahrensgebühr gem. Nr. 4104 VV RVG 140,00 €
7Verfahrensgebühr gem. Nr. 4106 VV RVG 140,00 €
8Terminsgebühr gem. Nr. 4108 VV RVG (HV-Termin 25.1.2010) 230,00 €
9Terminsgebühr gem. Nr. 4108 VV RVG (HV-Termin 26.4.2010) 230,00 €
10Terminsgebühr gem. Nr. 4108 VV RVG (HV-Termin 10.5.2010) 230,00 €
11Gebühr gem. Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG (126 Fotokopien) 36,40 €
12Gebühr gem. Nr. 7001 VV RVG 40,00 €
13Gebühr gem. Nr. 7005 VV RVG (3 x mehr als 8 Std.) 180,00 €
14Gebühr gem. Nr. 7003 VV RVG (3 x Fahrstrecke Hamburg-
15Düsseldorf-Hamburg á 400,00 km = 2.400 km x 0,30 € 720,00 €
16Akteneinsichtspauschale (3 x 12,00 €) 24,00 €
17Zwischensumme netto 2.147,40 €
1819 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 408,01 €
19Gesamtsumme brutto 2.555,41 €
20Mit Schriftsatz vom 13.7.2010 hat er den Antrag in Höhe von 20,00 € der Gebühr gem. Nr. 7001 VV RVG sowie 12,00 € der Akteneinsichtspauschale, mithin in Höhe von 32,00 € netto/38,08 € brutto zurückgenommen. Durch den angefochtenen Beschluss vom 12.8.2010 hat das Amtsgericht die zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 1.611,97 € festgesetzt. Dabei wurden – soweit der Antrag nicht ohnehin zurückgenommen war - folgende Kürzungen vorgenommen:
21Die Fahrtkosten wurden nach der Fahrstrecke bis zum Wohnort des Angeklagten von 44 km berechnet, so dass je Termin 88 km x 0,30 € = 26,40 €, mithin insgesamt 79,20 € netto, festgesetzt wurden anstelle der beantragten 720,00 €.
22Die Abwesenheitsgelder gem. Nr. 7005 VV RVG wurden von 3 x 60,00 € auf 3 x 20 = insgesamt 60,00 € netto reduziert.
23Diese Kürzungen in Höhe von insgesamt 760,80 € netto / 905,35 € brutto hält der Beschwerdeführer unter Hinweis auf einen Beschluss des Amtsgerichts Witten vom 21.4.2010, Az: 9 Ds – 64 Js 63/09 – 44/09, für unzulässig, weil ein Wahlverteidiger nicht schlechter gestellt werden dürfe, als ein Pflichtverteidiger.
24II.
25Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 464 b S. 3 StPO, 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde ist der Einzelrichter berufen, § 464 b S. 3 StPO i.V.m. § 568 S. 1 ZPO. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Gemäß §§ 464a II Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 II ZPO sind Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, nur insoweit erstattungsfähig, als die Zuziehung notwendig war. Dies war vorliegend nicht der Fall.
26An dieser Rechtslage ändert die Neufassung von § 142 I StPO nichts. Die Entscheidung des AG Witten (a.a.O.) stellt ein nur scheinbar entgegenstehendes Judikat dar, weil letztlich auf das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses abgestellt wird. Auf ein besonderes Vertrauensverhältnis kommt es aber für die Bestellung zum Pflichtverteidiger nicht an, da ein vom Angeklagten vorgeschlagener Pflichtverteidiger regelmäßig bestellt wird, wenn kein wichtiger Grund entgegensteht (§ 142 I 2 StPO). Gäbe es den Rechtsgrundsatz, dass ein Wahlverteidiger im Rahmen der Kostenerstattung nicht schlechter gestellt werden dürfe, als ein Pflichtverteidiger bei der Festsetzung seiner Vergütung, hätte das Amtsgericht Witten auf das besondere Vertrauensverhältnis nicht abstellen dürfen. Ob es so weit gehen wollte oder mit dem besonderen Vertrauensverhältnis nicht doch die Notwendigkeit der Hinzuziehung i.S.d. § 91 II ZPO begründen wollte, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen.
27Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass ein Wahlverteidiger im Kostenfestsetzungsverfahren nicht schlechter gestellt werden dürfe, als ein Pflichtverteidiger bei der Festsetzung seiner Vergütung, gibt es nicht. Dieser Schluss folgt insbesondere nicht aus der Natur der Sache. Während der vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger bei der Festsetzung gemäß § 55 RVG seinen Honoraranspruch gegen die Staatskasse geltend macht, besitzt der Wahlverteidiger keinen Honoraranspruch gegen die Staatskasse, sondern einen solchen gegen den Mandanten. Im Rahmen der Kostenfestsetzung gemäß §§ 464a II Nr. 2 StPO i.V.m. 91 II ZPO wird darüber befunden, welche der dem Angeklagten aus dem Mandatsverhältnis entstehenden Rechtsanwaltskosten als notwendige Auslagen von der Staatskasse zu erstatten sind. Für den Wahlverteidiger bedeutet dies, dass er wie ein Pflichtverteidiger die Fahrtkosten in voller Höhe erstattet bekommt - von seinem Mandanten. Er steht damit wirtschaftlich nicht schlechter da als der Pflichtverteidiger.
28Entscheidend ist die Frage, welche Kosten aus dem Mandatsverhältnis von der Staatskasse erstattet werden. Diese Frage knüpft das Gesetz an die Notwendigkeit der entstandenen Kosten.
29Es kann beispielsweise notwendig sein, dass sich ein Angeklagter in einem sachlich und rechtlich schwierigen Strafverfahren durch zwei Verteidiger vertreten lässt. Diese könnten auch beide zu Pflichtverteidigern bestellt werden. Hieraus im Umkehrschluss einen Anspruch jedes Angeklagten herzuleiten, ihm die Fahrtkosten zweier Wahlverteidiger in beliebiger Höhe zu erstatten, ist ersichtlich unzulässig.
30Der vom Angeklagten gezogene Umkehrschluss ist ebenso unzulässig. Er möchte so behandelt werden, als hätte ein Fall notwendiger Pflichtverteidigung vorgelegen. Die Fälle notwendiger Verteidigung zeichnen sich dadurch aus, dass der Angeklagte in besonderer Weise auf die Verteidigung durch einen Rechtsanwalt angewiesen ist, beispielsweise weil ihm ein Verbrechen zur Last gelegt wird (§ 140 I Nr. 2 StPO) und daher die Straferwartung groß ist. In solchen Fällen ist das Vertrauen des Angeklagten in die Fähigkeiten des Rechtsanwaltes besonders schützenswert, weshalb nach der Änderung des § 142 StPO der Vorschlag eines nicht ortsansässigen Pflichtverteidigers nicht an fiskalischen Interessen scheitern soll. Hieraus den Umkehrschluss zu ziehen, jeder Angeklagte erhalte auch in sachlich und rechtlich simplen Fällen die Fahrtkosten seines Wahlverteidigers ungeachtet von deren Höhe erstattet, entbehrt jeder Grundlage.
31Das alles ist auch nicht unbillig. Darauf, dass von der Staatskasse nur die notwendigen Auslagen übernommen werden und dass der Mandant daher ggf. Fahrtkosten zumindest anteilig selbst zu tragen hat, kann der Verteidiger bei seiner Beauftragung hinweisen. Es ist auch nicht einzusehen, warum der Staat ohne Notwendigkeit mit Kosten belastet werden soll, die eine kostenbewusste Partei durch Beauftragung eines ortsnahen Rechtsanwalts vermieden hätte.
322.
33Nach alledem ist entscheidend, ob es notwendig war, sich durch Rechtsanwalt S1 aus H1 verteidigen zu lassen. Dies war nicht der Fall. Der Angeklagte hätte sich durch einen Rechtsanwalt aus D1 oder G1 vertreten lassen können, so dass zu Recht nur Fahrstrecken von jeweils 44 km anerkannt wurden. Entsprechend war das Tage- und Abwesenheitsgeld gem. Nr. 7005 VV RVG zu kürzen.
34Die Notwendigkeit der Hinzuziehung des Wahlverteidigers folgt nicht aus der seit 20 Jahren bestehenden Freundschaft mit dem Angeklagten. Dies mag die Verständigung besonders angenehm und einfach gestaltet haben. Eine Notwendigkeit folgt hieraus indes nicht, zumal das Verfahren weder in tatsächlicher, noch in rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufwies.
35Die Besorgnis des Angeklagten, die Beauftragung eines Rechtsanwaltes vor Ort sei geeignet, die ihm angelastete Tat in seinem Bekanntenkreis ruchbar werden zu lassen, ist unbegründet. Rechtsanwälte sind zur Verschwiegenheit verpflichtet und Verstöße hiergegen stehen unter Strafe (§ 203 I Nr. 3 StGB).
36Unberechtigt war schließlich die Befürchtung des Angeklagten, er könne an einen Verteidiger geraten, dessen politische Gesinnung einer sachgerechten Verteidigung abträglich sein könne. Bei dem Strafverfahren kam es ausschließlich darauf an, ob der Angeklagte den Hitlergruß gezeigt und rechte Parolen skandiert hat. Dies war im Wege der Beweisaufnahme zu klären. Politische oder ideologische Fragen spielten dabei keine Rolle. Dass ein anderer Rechtsanwalt anstelle von Rechtsanwalt S1 den Hitlergruß – so er denn feststellbar gewesen wäre - nicht als "Kennzeichen" im Sinne von § 86a I Nr. 1, II StGB angesehen hätte, stand angesichts der eindeutigen Rechtslage nicht zu befürchten.
37III.
38Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 464 b S. 3 StPO, 97 ZPO.
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