Teil-Versäumnis- und Urteil vom Landgericht Düsseldorf - 41 O 120-15
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Düsseldorf (Az.: 41 O 120/15) vom 0 wird hinsichtlich Ziffer 3. in Gänze und hinsichtlich Ziffer 1. mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 8.817,90 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.05.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 0 darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.
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Tatbestand
4Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Internet-System-Vertrag.
5Ein Mitarbeiter der Beklagten rief die Klägerin im Jahr 2011 an, um dieser die Erstellung einer Internetpräsenz anzubieten. Er erklärte telefonisch, im Rahmen eines Vor-Ort-Termins sollte geprüft werden, ob die Klägerin als Referenzkundin in Frage käme, um mit Hilfe ihrer Internetpräsenz andere Kunden zu werben. Bei dem Vor-Ort-Termin am 27.07.2011 im Hause der Klägerin stellte ein Mitarbeiter der Beklagten das Produkt „Premium“ vor. Er machte dabei deutlich, dass es ein günstiges Angebot sei und es sich um eine zeitlich befristete Marketingaktion handele und man die Klägerin als Referenzkunden gewinnen wolle, sodass diese Auskunft über ihr Unternehmen gab.
6Am Ende des Gesprächs schlossen die Parteien einen Internet-System-Vertrag mit einer Laufzeit von 48 Monaten bei einem monatlichen Entgelt in Höhe von 190,00 Euro netto (226,10 Euro brutto). Als Zahlungsmethode wurde der Einzug per SEPA-Firmenlastschrift-Mandat vereinbart.
7In der Folgezeit schlossen die Parteien am 15.08.2012, 29.08.2013, 12.11.2014 und 18.11.2014 weitere Internet-System-Vereinbarungen. Implementiert wurden darin eine Online-Redaktion, ein QR-Code, ein Online-Werbesystem und die Leistung YourRate-Starter. Die Vereinbarung vom 12.11.2014 sah die Neugestaltung der Website vor. Neuer Laufzeitbeginn sollte jeweils das Datum der Unterzeichnung sein, sodass die 48-monatige Vertragslaufzeit mit jeder Vereinbarung neu begann. Mit der Implementierung des QR-Codes erhöhte sich das monatliche Entgelt um 5 Euro und mit der Einführung des Online-Werbesystems um 29 Euro; die übrigen Vereinbarungen ließen das ursprüngliche Entgelt unberührt. Die Vereinbarungen waren im Layout und in den Textbausteinen ähnlich aufgebaut und wurden unter der Vertragsnummer des Vertrages vom 27.07.2011 geschlossen. In den Vereinbarungen vom 15.08.2012, 29.08.2013 und 18.11.2014 heißt es, dass der Systemumfang um die jeweilige Leistung „erweitert“ wird.
8In den Verträgen vom 29.08.2013, 12.11.2014 und 18.11.2014 heißt es unter anderem:
9„Das Partnerunternehmen und die F GmbH schließen hiermit eine Internet-System-Vereinbarung, welche inhaltlich der ursprünglich mit der F unter oben genannter Vertragsnummer abgeschlossenen Vereinbarung entspricht, jedoch an deren Stelle tritt.
10…
11Der ursprüngliche Leistungsumfang der bestehenden Internet-System-Vereinbarung bleibt konstant. Alle übrigen Vertragsbedingungen bleiben unverändert. Dies gilt insbesondere für Gegenstand, Systemumfang, Vertragslaufzeit und Allgemeine Geschäftsbedingungen. Laufzeitbeginn ist das Datum der Unterzeichnung dieser Vereinbarung. Mit Unterzeichnung erlischt das ursprünglich bestehende Vertragsverhältnis.“
12Die Klägerin zahlte der Beklagten monatlich das vereinbarte Entgelt. Das Abbuchungsdatum änderte sich infolge der weiteren Vereinbarungen nicht. Eine Abrechnung nach dem jeweiligen Abschluss einer neuen Vereinbarung legte die Beklagte der Klägerin nicht vor.
13Am 04.12.2014 erklärte der Geschäftsführer der Klägerin die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und die außerordentliche Kündigung des Vertrages vom 18.11.2014. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.05.2015 erklärte die Klägerin die Anfechtung sämtlicher Vereinbarungen sowie den Rücktritt und vorsorglich die außerordentliche Kündigung und setzte der Beklagten eine Frist zur Rückzahlung der gezahlten Beträge von einer Woche. Die Beklagte verlangte von der Klägerin mit Schreiben vom 02.06.2015 außergerichtlich einen Vergütungsanspruch in Höhe von 9.382,41 Euro.
14Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe während des Telefongesprächs im Vorfeld des Vor-Ort-Termins vom 27.07.2011 eine kostenlose Erstellung der Homepage versprochen, ein ausschließliches Verkaufsinteresse gegenüber anderen Kunden suggeriert und so für ein erhebliches Informationsgefälle gesorgt.
15Auch während des Vor-Ort-Termins habe der Mitarbeiter der Beklagten die Funktion der Klägerin als Referenzkundin betont, sodass sie sich allein an den Kosten für Hosting und Datenpflege beteiligen müsse. Die Erstellung der Homepage solle kostenlos sein. Dabei sei ein Zeitdruck angeführt worden, um die Klägerin schnell zum Abschluss des Vertrages zu drängen. Tatsächlich handele es sich nicht um ein besonders günstiges Angebot für Referenzkunden, da vielmehr das Standardangebot der Beklagten vorgestellt worden sei und jeder potentielle Kunde von der Beklagten als Referenzkunde angesprochen werde. Die Qualität der erstellten Homepage sei von minderer Güte. Insbesondere habe die Beklagte auch keine kostenlosen Leistungen erbracht; der Kunde müsse die Erstellungskosten tragen.
16Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie bei Vertragsschluss arglistig getäuscht worden sei. Auch sei die Klägerin zum Rücktritt berechtigt. Zudem sei der Vertrag hilfsweise gem. § 649 S. 1 BGB gekündigt worden. Die Beklagte habe keine ordnungsgemäße Gesamtkalkulation gemäß § 649 S. 2 BGB offen gelegt, sodass ihr keine Ansprüche aus § 649 S. 2 BGB zustünden. Insbesondere sei die bloße Bezugnahme auf die Endabrechnung als Anlage nicht ausreichend. In der Endabrechnung werde unwahr behauptet, dass ein Erwerb durch anderweitige Verwendung der Arbeitskraft nicht vorliege, obwohl die Mitarbeiter tatsächlich auch für Drittfirmen tätig seien.
17Auch in der Folgezeit habe die Beklagte die Klägerin erneut arglistig getäuscht. Bei den Folgeverträgen handele es sich jeweils um Ergänzungen im Rahmen des bestehenden Vertrages und nicht um eigenständige Neuverträge. Ansonsten hätte die Beklagte die bereits erhaltenen Beträge gutschreiben, die Rechnungslegung auf den Zeitpunkt des Neuvertrages umstellen und eine neue Internetpräsenz schaffen müssen.
18Die verwendete Zahlungsart per SEPA-Firmenlastschrift sei ein fern liegendes und unübliches Bankabbuchungsauftragsverfahren, was die Klägerin mangels Rückbuchungsmöglichkeit massiv benachteilige.
19Die Klägerin habe ihrem Prozessbevollmächtigten vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten auf Grundlage einer 1,5 Geschäftsgebühr in Höhe von 1.064,00 EUR gezahlt. Diese Kosten seien ihr auch im Falle des Nichtvorliegens einer arglistigen Täuschung zu erstatten, weil die Beklagte Forderungen geltend gemacht habe, die diese nicht hätte für plausibel halten dürfen. Dadurch, dass die Beklagte Forderungen für Leistungen verlange, die nach den mündlichen Vereinbarungen kostenlos sein sollten, habe die Beklagte vorwerfbar pflichtwidrig gehandelt und die vertraglichen Rücksichtnahmepflichten verletzt.
20Ursprünglich hat die Klägerin beantragt,
21- 22
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 8.817,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von jeweils 226,10 EUR seit dem 25.01.2012, 27.02., 27.03., 23.04., 21.05., 25.06., 23.07., 28.08., 25.09., 23.10., 26.11., 27.12.2012, 21.01.2013, 25.02., 25.03., 22.04., 27.05., 24.06., 22.07., 27.08., 24.09., 22.10., 25.11., 20.12.2013., 27.01.2014., 24.02., 24.03., 23.04., 26.05., 24.06., 21.07., 25.08., 22.09., 27.10., 24.11.2014 sowie 05.02.2015, 16.02., 16.03. und 02.04.2015 zu zahlen,
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2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorprozessuale Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.064,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (am 1.02.2016) zu zahlen sowie
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3. festzustellen, dass der Beklagten aus einem vermeintlichen Vertrag zur Vertrags-Nr. 330/82375 keine weiteren Zahlungsansprüche in Höhe von 9.382,41 EUR gegen die Klägerin zustehen.
Die Klage ist der Beklagten am 01.02.2016 (vgl. Bl. 20 GA Rs) verbunden mit der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens zugestellt worden mit der Aufforderung, binnen zwei Wochen nach Zustellung ihre Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen. Nach Ablauf der Frist ist die Beklagte mit Versäumnisurteil vom 16.02.2016 antragsgemäß verurteilt worden.
28Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.02.2016, eingegangen auf der Geschäftsstelle der 11. Kammer für Handelssachen am 17.02.2016, ihre Verteidigungsbereitschaft angezeigt hatte, hat sie gegen dieses ihr am 19.02.2016 (vgl. Bl. 28 GA Rs) zugestellte Versäumnisurteil mit Schriftsatz vom 03.03.2016, eingegangen bei Gericht am 04.03.2016 (Telefaxschreiben), Einspruch eingelegt. Mit Schriftsatz vom 21.06.2016, eingegangen bei Gericht am 21.06.2016 (Telefaxschreiben), hat die Beklagte ihren Einspruch gegen den Klageantrag zu 1. in Höhe von 1.584,13 EUR (brutto) sowie gegen den Klageantrag zu 3. zurückgenommen.
29Die Klägerin beantragt nunmehr,
30das Versäumnisurteil vom 16.02.2016 aufrechtzuerhalten, insoweit der Einspruch gegen das Versäumnisurteil nicht zurückgenommen worden ist.
31Die Beklagte beantragt,
32das Versäumnisurteil vom 16.02.2016 – mit Ausnahme des Klageantrags zu 1. in Höhe von 1.584,13 Euro und mit Ausnahme des Klageantrags zu 3. - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
33Die Beklagte behauptet, sie habe die Klägerin vor Vertragsschluss vollumfänglich über sämtliche Vertragsinhalte aufgeklärt. Eine arglistige Täuschung liege nicht vor. Es habe sich bei dem Vertragsangebot tatsächlich um ein günstiges Angebot gehandelt, da die Beklagte neben dem abgeschlossenen Vertrag auch ein teureres Kaufkundenangebot unterbreitet habe. Als Kaufkunde hätte die Klägerin bei einem vergleichbaren Angebot erhebliche Mehraufwendungen aufbringen müssen.
34Auch vor Abschluss der Folgeverträge habe die Beklagte die Klägerin stets über die vertraglichen Leistungen und Gegenleistungen sowie den neuen Vertragsbeginn aufgeklärt. Es handele sich um jeweils neu abgeschlossene Verträge, die den jeweils zuvor abgeschlossenen Vertrag ersetzten. Daher sei die Anfechtung der auf den ursprünglichen Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung nicht möglich und die von der Klägerin erklärte Kündigung auch nur auf den Vertrag vom 18.11.2014 bezogen.
35Sie ist der Ansicht, eine Anfechtung sei gemäß § 144 BGB ausgeschlossen, da die Klägerin trotz Kenntnis der Anfechtbarkeit noch unter dem 05.02.2015 gezahlt habe. Auch sei mit der Saldotheorie im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB nicht vereinbar, dass die Klägerin die Homepage über Jahre beanstandungsfrei in Anspruch genommen habe und mit den Leistungen der Beklagten zufrieden gewesen sei.
36Die im Klageantrag zu 2. geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien der Klägerin aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu ersetzen. Insbesondere habe die Klägerin die Beklagte nicht in Verzug gesetzt.
37In der mündlichen Verhandlung vom 0 (vgl. Bl. 92 GA) hat das Gericht Hinweise zum Sach- und Streitstand erteilt und insbesondere deutlich gemacht, dass von Seiten der Beklagten noch nicht genügend tatsächlicher Vortrag zur Abrechnung nach § 649 BGB erfolgt ist.
38Wegen des weiteren Parteivorbringens wird ergänzend auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
39Entscheidungsgründe
40A.
41Durch den form- und fristgerecht eingelegten Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16.02.2016 wird – soweit dieser nicht zurückgenommen worden ist – der Rechtsstreit in die Lage zurückversetzt, in welcher er sich vor dem Eintritt der Säumnis befand (§ 342 ZPO).
42Nach der teilweisen Rücknahme des Einspruches stehen derzeit vom Klageantrag zu 1. noch 7.233,77 Euro (brutto) und die mit der Klageschrift verlangten Zinsen sowie der Klageantrag zu 2. im Streit.
43B.
44Die restliche Klage ist – mit Ausnahme eines Teiles der geltend gemachten Zinsen und des Klageantrages zu 2. - begründet.
45I. Restlicher Klageantrag zu 1.
46Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch der geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von insgesamt 7.233,77 Euro (brutto) aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Internet-System-Vertrag. In Höhe von 1.584,13 Euro (brutto) ist der Einspruch zurückgenommen worden.
471.
48Der zwischen den Parteien geschlossene Internet-System Vertrag ist ein Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB, da maßgeblich ein Erfolg der Beklagten geschuldet war (vgl. z.B. auch BGH, Urteil vom 04.03.2010, NJW 2010, 1449).
492.
50Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin folgt direkt aus dem geschlossenen Werkvertrag. Die Beklagte hat keine ausreichende Abrechnung unter Berücksichtigung der Voraus- und Abschlagszahlungen vorgelegt.
51Vereinbaren die Parteien nämlich im Rahmen eines solchen Internet-System-Vertrags Voraus- oder Abschlagszahlungen, hat der Besteller ein berechtigtes Interesse daran, dass der Unternehmer die ihm nach Kündigung des Vertrages zustehende endgültige Vergütung unter Berücksichtigung geleisteter Voraus- oder Abschlagszahlungen in einer endgültigen Rechnung abrechnet. Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast entspricht dabei den Anforderungen im Rahmen des § 649 S. 2 BGB (vgl. etwa BGH vom 08.01.2015, MDR 2015, 325). Im Rahmen des § 649 S. 2 BGB trifft den Unternehmer eine sekundäre Darlegungslast. Er hat eine Abrechnung der vereinbarten Vergütung unter Abgrenzung von erbrachten und nicht erbrachten Leistungen und Anrechnung ersparter Aufwendungen darzulegen hat. Erst wenn er eine diesen Anforderungen genügende Abrechnung vorgelegt hat, ist es Sache des Bestellers, darzulegen und zu beweisen, dass der Unternehmer höhere Ersparnisse erzielt hat, als er sich anrechnen lassen will (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24.03.2011, MDR 2011, 648).
52Vorliegend hat die Klägerin mangels tragfähiger Abrechnung im Sinne des § 649 Satz 2 BGB einen Rückzahlungsanspruch in Höhe der geleisteten Beträge, die derzeit noch mit dem restlichen Klageantrag zu 1) begehrt werden. Denn die Beklagte hat die vorstehenden Anforderungen trotz Hinweises des Gerichts nicht erfüllt und nicht ausreichend zur Abrechnung vorgetragen. Sie hat lediglich auf die Anlage der vorgerichtlich erstellten Abrechnung Bezug genommen. Eine derartige Bezugnahme auf eine Anlage kann lediglich zur Erläuterung des Parteivortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 30.06.1994, NJW 1994, 2683). Die Beklagte hätte einzelne Kostenpositionen zu erbrachten Leistungen und ersparten Aufwendungen darlegen und dabei aufnehmen müssen, wie sich die einzelnen Positionen zusammensetzen und welche konkreten Einzelpositionen erfasst werden. Beispielsweise hätte es hinsichtlich von Personalkosten Hinweisen zur konkreten Arbeitszeit, Stundensätzen und Höhe der entstandenen Personalkosten bedurft (vgl. etwa LG Düsseldorf, Urteil vom 0, Az. 7 O 311/10).
533.
54Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die Klägerin nicht allein die Vereinbarung vom 18.11.2014 gekündigt. Vielmehr liegt seit dem 27.07.2011 ein Werkvertrag vor, auf den sich die Kündigung im Ganzen bezog. Die Vereinbarungen nach Abschluss des Internet-System-Vertrags vom 27.07.2011 bilden mit diesem einen einheitlichen Werkvertrag; zwischen den Parteien liegt eine Vertragsbeziehung vor.
55Die Auslegung nach § 133, 157 BGB ergibt, dass es sich bei den weiteren Vereinbarungen vom 15.08.2012, 29.08.2013, 12.11.2014 und 18.11.2014 nicht um jeweils eigenständige Verträge bzw. Novationen handelt, die nur einzeln gekündigt werden können. Vielmehr stellen die Vereinbarungen Änderungsverträge dar, die das ursprüngliche Schuldverhältnis unter Wahrung seiner Identität fortbestehen lassen. Bei der Abgrenzung zwischen einer Vertragsänderung und einer Novation ist durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien im Einzelfall gewollt haben. Aufgrund der mit der Novation verbundenen einschneidenden Folgen kann von einer solchen nur ausnahmsweise ausgegangen werden, wenn die Parteien einen solchen Willen unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht haben. Im Zweifel ist nur von einer Vertragsänderung auszugehen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14.03.2013, NZM 2013, 545; BGH, Urteil vom 01.10.2002, NJW 2003, 59).
56Den einzelnen Vereinbarungen ergibt sich nicht unzweifelhaft, dass die Parteien jeweils ein ganz neues Vertragswerk schaffen wollten. Allein die aufgenommenen Formulierungen, dass die neue Vereinbarung an die Stelle des ursprünglichen Vertrages tritt und das ursprünglich bestehende Vertragsverhältnis mit Unterzeichnung erlischt, vermag den eindeutigen Willen beider Parteien, einen ganz neuen Vertrag schaffen zu wollen, nicht abzubilden. Gleichzeitig heißt es nämlich andererseits, dass die jeweilige Vereinbarung inhaltlich dem ursprünglichen Vertrag entsprechen und die Vertragsbedingungen hinsichtlich Gegenstand, Systemumfang, Vertragslaufzeit und Allgemeinen Geschäftsbedingungen konstant und unverändert bleiben sollen. Beide Passagen sind inhaltlich widersprüchlich. Wenn gleichzeitig ein Vertragsverhältnis erlöschen und dabei Inhalt und Leistungspflichten des ursprünglichen Vertrages aber erhalten bleiben sollen, ist nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht ohne Zweifel erkennbar, dass ein ganz neues Vertragsverhältnis begründet werden soll. Ein Indiz dafür ist auch, dass jede Vereinbarung mit der ursprünglichen Vertragsnummer abgeschlossen wurde. Zweck dieser ergänzenden Vereinbarungen war es vielmehr, die Leistungspflicht der Beklagten um eine zusätzliche kostenpflichtige Leistung zu erweitern und die Vertragslaufzeit durch einen neuen Laufzeitbeginn zu verlängern. Hauptzweck war nicht, das gesamte Vertragsverhältnis aufzulösen. Insbesondere in den Vereinbarungen vom 15.08.2012, 29.08.2013 und 18.11.2014 wird wörtlich vereinbart, dass der Systemumfang um die jeweilige Leistung „erweitert“ wird. Auch die Vereinbarung vom 12.11.2014 hinsichtlich der Neugestaltung der Internet-Website stellt eine bloße Erweiterung dar, selbst wenn eine solche nicht explizit vereinbart wurde, da Layout und Formulierungen den vorherigen Erweiterungen entsprechen.
57Die Beklagte hat darüber hinaus nicht nach jeder ihrer Ansicht nach neu geschlossenen Vereinbarung der Klägerin eine Abrechnung vorgelegt und anhand dieser erläutert, auf welchen Vertrag was gezahlt wurde und etwaige Rückerstattungen oder Nachforderungen vorgenommen. Dass eine solche Verrechnung nun während des Prozesses nachgereicht wird, vermag nicht das Indiz zu beseitigen, dass die Klägerin mangels Einzelabrechnungen nicht vom Abschluss ganz neuer Verträge ausgehen musste. Auch erfolgten die Abbuchungen jeweils zu den für den Erstvertrag vereinbarten Zahlungsterminen und orientierten sich nicht am Abschlussdatum der weiteren Vereinbarungen.
58II. Zinsen zum Klageantrag zu 1.
59Die zugesprochenen Zinsen sind der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Verzuges nach den §§ 280, 286, 288 BGB zu ersetzen. Die Zinsen stehen der Klägerin jedoch erst ab dem 24.05.2015 zu. Die Beklagte befand sich erst mit Ablauf der am 16.05.2015 im Zusammenhang mit der Kündigung gesetzten Frist am 24.05.2015 in Verzug. Eines gerichtlichen Hinweises bedurfte es nicht (§ 139 II 1 ZPO).
60III. Klageantrag zu 2.
61Dagegen steht der Klägerin gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vorprozessualer Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.064,00 Euro nebst Zinsen nicht zu.
621.
63Die Klägerin hat nicht hinreichend konkret vorgetragen, dass und in welcher Höhe ihr diese Kosten durch die Inanspruchnahme ihres Prozessbevollmächtigten tatsächlich entstanden sind. Für eine ausreichende Substantiierung hätte die Klägerin etwa entsprechende Rechnungen oder Kontoauszüge vorlegen müssen. Das Zeugnis des Prozessbevollmächtigten der Klägerin genügt in diesem Fall nicht den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag. Aufgrund des Bestreitens der Gegenseite sowie der Tatsache, dass es sich hierbei lediglich um eine Nebenforderung handelt, war ein richterlicher Hinweis entbehrlich (§ 139 II 1 ZPO).
642.
65Unabhängig davon steht der Klägerin der Anspruch auch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
66a) Die Klägerin hat keinen Anspruch aus §§ 286, 288 BGB. Insoweit ist die Beklagte von der Klägerin vorgerichtlich nicht in Verzug gesetzt worden.
67b) Auch ergibt sich kein Anspruch der Klägerin aus § 280 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat ihre Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB jedenfalls nicht fahrlässig verletzt.
68Erforderlich wäre gewesen, dass die Beklagte fahrlässig etwas verlangt hätte, was ihr nach dem Vertrag nicht zugestanden hätte (vgl. etwa BGH, Urteil vom 16.01.2009, NJW 2009, 1262). Grundsätzlich hat im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB jede Vertragspartei auf die Rechte und Interessen der anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Hierzu gehört auch das Interesse des Schuldners, nicht in weitergehendem Umfang in Anspruch genommen zu werden als vertraglich vereinbart. Eine fahrlässige Pflichtverletzung ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn Rechtsstandpunkt und Inanspruchnahme nicht für plausibel gehalten werden durften (vgl. etwa BGH, Urteil vom 16.01.2009, NJW 2009, 1262; BGH, Urteil vom 23.01.2008, NJW 2008, 1147). Bleibt nach einer solchen Plausibilitätskontrolle ungewiss, ob eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Gläubiger die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 16.01.2009, NJW 2009, 1262).
69Die Beklagte durfte vorliegend das Bestehen einer Forderung gegen die Klägerin aus § 649 S. 2 BGB für plausibel halten. Die Parteien haben vertraglich monatliche Zahlungen vereinbart. Ob diese für die Erstellung der Homepage oder Hosting und Datenpflege anfielen, ist diesbezüglich nicht von Bedeutung. Insbesondere aufgrund bereits ergangener höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung zu Ansprüchen nach Kündigungen von Internet-System-Verträgen durfte die Beklagte einen Anspruch für plausibel halten. So hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach einen Anspruch aus § 649 S. 2 BGB zugesprochen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24.03.2011, MDR 2011, 648; Urteil vom 08.01.2015, MDR 2015, 325).
70C.
71Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und § 516 Abs.3 ZPO analog; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S.1 und 3 ZPO.
72D.
73Streitwert: 18.200,31 Euro
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