Urteil vom Landgericht Freiburg - 3 S 230/14

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 28.08.2014, Az. 54 C 2489/13 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

"Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 6.133,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.418,00 EUR seit dem 01.06.2012 und aus weiteren 84,86 EUR monatlich für die Zeit vom 01.06.2012 bis zum 31.01.2015 seit jeweils dem 4. Werktag des betreffenden Monats zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, für die Zeit vom 01.02.2015 bis zum 31.05.2015 an die Kläger monatlich 84,86 EUR, fällig jeweils bis zum 3. Werktag des betreffenden Monats, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit jeweils dem 4. Werktag des betreffenden Monats zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 403,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 09.09.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen."

2. Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 76 %, die Kläger als Gesamtschuldner 24 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

 
I.
Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird nach §§ 540 Abs. 3, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

 
II.
Die zulässige Berufung der Kläger ist überwiegend begründet.
1.
Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB i.V.m. § 535 BGB in Höhe von 6.133,52 EUR, zuzüglich künftiger Zahlungen in Höhe von jeweils 84,86 EUR für die Monate Februar bis Mai 2015 zu.
a.
Ein Vermieter, der schuldhaft eine Kündigung ausspricht, die wegen fehlendem Kündigungsgrundes unwirksam ist, ist dem Mieter gem. § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet (BGH NJW 2005, 2395; BGHZ 98, 296). Dies gilt auch dann, wenn ein vom Vermieter mit der Kündigung geltend gemachter Eigenbedarf in Wahrheit nicht besteht (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1982, 54; Häublein in MünchKomm, 6. Aufl., § 573 Rn 103 ff; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl., § 573 Rn 77 ff.)
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
aa.
Gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat; als ein berechtigtes Interesse ist es insbesondere anzusehen, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, die zu seinem Hausstand gehörenden Personen oder seine Familienangehörigen benötigt. Hierfür reicht aus, dass der Vermieter vernünftige, nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraums für sich oder eine der im Gesetz genannten Personen hat (BGHZ 103, 91; BVerfGE 79, 292; BVerfGE, NJW-RR 1994, 333). Solche Gründe hat die Beklagte in ihrem Kündigungsschreiben vom 10.04.2012 (I, 107 ff) geltend gemacht.
bb.
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die von der Beklagten in der Kündigung genannten Gründe für den Eigenbedarf nur vorgeschoben waren, obliegt den Klägern. Denn grundsätzlich hat derjenige, der auf der Verletzung vertraglicher Verpflichtungen Rechte herleiten will, deren tatsächliche Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Für eine Umkehr der Beweislast ist auch in Fällen, in denen eine vorgeschobene Eigenbedarfskündigung geltend gemacht wird, kein Raum (BGH NJW 2005, 2395). Allerdings obliegt dem Vermieter im Hinblick auf den Selbstnutzungswillen als „innere Tatsache“ eine sekundäre Behauptungslast. Da nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Verdacht eines vorgeschobenen Eigenbedarfs nahe liegt, wenn der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat umsetzt (vgl. BGH a.a.O., ebenso BVerfG, Beschluss v. 26.09.2001, 1 BvR 1185/01), obliegt es dem Vermieter, im Fall des nichtverwirklichten Eigenbedarfs substantiiert und plausibel (“stimmig“, vgl. BVerfG, Beschluss v. 30.05.1997, 1 BvR 1797/95) darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll bzw. welche in seinem Kenntnisbereich liegenden Umstände den Sinneswandel bewirkt haben sollen. Insoweit sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 30.05.1997, a.a.O.). Erst wenn der Vortrag des Vermieters den dargelegten Anforderungen genügt, obliegt dem Mieter der Beweis für seine Behauptung, dass ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestanden hatte.
cc.
Hier hat die Beklagte ihrer sekundären Behauptungslast nicht genügt.
Der Vortrag der Beklagten zum nachträglichen Entfallen des Kündigungsgrundes wechselt im Laufe des Verfahrens. In der Klageerwiderung vom 24.10.2013 hat die Beklagte zunächst vorgetragen, der Kündigungsgrund sei nachträglich entfallen, weil das Gewerberaummietverhältnis für ihren Laden im Juni 2013 gekündigt worden sei und sich ihre berufliche Perspektive dadurch geändert habe (I, 101). Im Rahmen ihrer Anhörung in der ersten mündlichen Verhandlung vom 05.11.2013 (I, 121 ff) hat sie dagegen angegeben, im August 2013 mit dem Verpächter ihres Ladens einen Aufhebungsvertrag geschlossen zu haben, weil eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit angestanden habe.
10 
Nicht stimmig ist auch der Vortrag der Beklagten zur fehlenden Umsetzung des Selbstnutzungswillens. Im Rahmen ihrer ersten Anhörung in der mündlichen Verhandlung 05.11.2013 hat die Beklagte angegeben, es sei wegen der Baustelle in G. zu Umsatzeinbußen in ihrem Geschäft in F. gekommen, so dass sie weniger habe arbeiten müssen. Zu näheren Umständen konnte sie allerdings keine Angaben machen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens, wie auch in der Berufungsverhandlung, hat die Beklagte dann erklärt, sie sei im Jahr 2012 nach Kündigung ihrer einzigen fest angestellten Mitarbeiterin besonders belastet gewesen. Zum Einzug in die Wohnung sei es nur deshalb nicht gekommen, weil in der Wohnung - vor allem im Hinblick auf die von den Klägern gerügte Trittschallproblematik - noch Renovierungsarbeiten vorzunehmen gewesen wären. Diese habe ihr Mann aus Kostengründen in Eigenleistung übernehmen wollen, sei dazu jedoch krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen. Abgesehen davon, dass schon nicht plausibel ist, in der streitgegenständlichen Wohnung Arbeiten wegen der Trittschallproblematik vornehmen zu wollen - die Problematik beruhte auf den baulichen Gegebenheiten in der Wohnung unter der Wohnung der Beklagten - ist das Verhalten der Beklagten nach dem Auszug vor allem nicht mit dem geltend gemachten Kündigungsgrund zu vereinbaren: Ausweislich des Kündigungsschreibens vom 10.04.2012 hat die Beklagte ihren Eigenbedarf damit begründet, dass ihr das abendliche Pendeln von F. nach L. nach den langen Geschäftstagen in ihrem Laden nicht mehr zumutbar sei. Die lange Autofahrt in übermüdetem Zustand sei mit erheblicher Gefahr verbunden, sie brauche daher dringend die Wohnung in F. als Zweitwohnung, um dort wochentags übernachten zu können. Dass die Beklagte angesichts dieses von ihr selbst geschilderten dringenden Eigenbedarfs die aus ihrer Sicht notwendigen Renovierungsarbeiten mehr als ein Jahr lang nicht vornahm, ist nicht nachvollziehbar(vgl. zu einer ähnlichen Konstellation AG Münster, WuM 2014, 274). Zwar ist die Erwägung in der angefochtenen Entscheidung, ein Vermieter sei grundsätzlich nicht verpflichtet, nach dem Auszug eines Mieters Renovierungsarbeiten sofort fremd zu vergeben, grundsätzlich zutreffend. Das lange Aufschieben von Renovierungsarbeiten spricht aber gegen den behaupteten dringenden Eigenbedarf. Soweit die Beklagte sich darauf berufen hat, die Arbeiten sollten aus finanziellen Gründen in Eigenarbeit durchgeführt werden, passt auch diese Erklärung nicht zu den weiteren Ausführungen der Beklagten in der Berufungsverhandlung, es sei aus finanzieller Sicht kein Problem für sie gewesen, die Wohnung ein Jahr lang leer stehen zu lassen, ohne dafür Miete zu bekommen oder sie selbst zu nutzen.
11 
Nachdem die Beklagte aufgrund dieser Widersprüche und Unstimmigkeiten ihrer sekundären Behauptungslast nicht genügt hat, ist von einer vorgeschobenen Eigenbedarfskündigung auszugehen, die als schuldhafte Nebenpflichtverletzung des Mietvertrages einen Schadensersatzanspruch der Kläger begründet.
b.
12 
Erstattungsfähig sind alle Schäden, die kausal auf der Pflichtverletzung beruhen. Dass die Parteien im Anschluss an die vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung einen Mietaufhebungsvertrag geschlossen haben, lässt die Kausalität zwischen der Vertragsverletzung und dem Schaden nicht entfallen (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., § 573 Rn. 81).
aa.
13 
Zu den erstattungsfähigen kausalen Schäden gehören die Aufwendungen anlässlich des Wohnungswechsels (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., § 542 Rn 117), hier die geltend gemachten Maklerkosten in Höhe von 2.618,00 EUR und die Umzugskosten in Höhe von 800,00 EUR. Zwar hat die Beklagte im Hinblick auf die Umzugskosten den geltend gemachten Arbeitsaufwand (80 Umzugshelferstunden zu je 10,00 EUR) bestritten. Angesichts der Tatsache, dass die Kläger sich nicht auf einen Umzug unter Einsatz von Laien hätten beschränken müssen und bei Einsatz selbst eines günstigen Umzugsunternehmens weit höhere Kosten angefallen wären, ist der geltend gemachte Betrag von 800,00 EUR jedenfalls als Mindestschaden im Rahmen einer Schadensschätzung gem. § 287 ZPO ersatzfähig.
bb.
14 
Der von den Klägern im Hinblick auf die Einbauküche geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.000,00 EUR besteht dagegen nicht. Zwar können nutzlos gewordene Aufwendungen für die alte Wohnung bei unberechtigter Eigenbedarfskündigung einen ersatzfähigen Schaden darstellen (vgl. Häublein in MünchKomm zum BGB, a.a.O. § 573 Rn 109). Allerdings hat der Kläger Ziff. 1 im Rahmen der Berufungsverhandlung selbst erklärt, Verkaufsbemühungen bezüglich der Einbauküche seien gescheitert, weil niemand die Küche habe kaufen wollen. Dies spricht gegen die Behauptung der Kläger, die im Jahr 2000 für 10.274,00 DM gekaufte Küche habe im Zeitpunkt des Auszugs noch einen Restwert von 2.000,00 EUR gehabt.
15 
Darüber hinaus hat die Beklagte den Vortrag der Kläger, sie hätten einen (etwaigen) Restwert der Küche nicht realisieren können, weil sie die Küche nach erfolglosen Verkaufsbemühungen kostenfrei abgegeben hätten, bestritten. Nachdem die Kläger für die von ihnen behauptete kostenfreie Abgabe der Küche keinen Beweis angetreten haben, fehlt es am Nachweis eines Schadens, so dass im Hinblick auf die Einbauküche kein Schadensersatzanspruch besteht.
cc.
16 
Erstattungsfähig sind dagegen die geltend gemachten Mehrkosten für die neue Wohnung in Höhe von 84,86 EUR monatlich für die Zeit vom 01.06.2012 bis zum 31.05.2015. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass bei einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung auch Mehrkosten für die neue Wohnung unter Berücksichtigung der Grundsätze von Vorteilsausgleichung und Schadensminderungspflicht gem. § 280 BGB erstattungsfähig sind (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O. § 542 Rn 118). Die teilweise streitige Frage, ob der Anspruch nur zeitlich begrenzt besteht (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, ebenda mit weiteren Nachweisen), bedarf hier keiner Entscheidung, da die Kläger ihren Anspruch auf die Dauer von drei Jahren begrenzt haben. Die von den Klägern vorgenommene Berechnung der Mehrkosten, die nicht nur die größere Fläche und die geänderten Wohnwertmerkmale der neuen Wohnung berücksichtigt, sondern auch die Möglichkeit der Beklagten, die Miete im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu erhöhen, trägt den Gedanken der Vorteilsausgleichung und der Schadensminderungspflicht der Kläger hinreichend Rechnung. Substantiierte Einwendungen gegen die Berechnung werden von der Beklagten auch nicht erhoben. Ihr pauschaler Vortrag, es werde "bestritten, dass die neue Wohnung 84,86 EUR pro Monat teurer ist“ - was die Kläger nie behauptet haben - ist unbeachtlich (vgl. Wagner in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 138 Rn. 19). Der von den Klägern geltend gemachte Zahlungsanspruch ist daher in voller Höhe ersatzfähig. Allerdings können die Kläger diesen Schaden nicht in einer Summe, sondern nur in monatlichen Raten, entsprechend der Fälligkeit der neuen Miete, ersetzt verlangen (Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., § 542 Rn. 118). Soweit die Miete im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung für die Monate Februar bis Mai 2015 noch nicht fällig ist, ist die Beklagte daher gem. § 257 ZPO auf künftige Zahlungen zu verurteilen.
dd.
17 
Gem. §§ 280, 535 BGB besteht auch ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten der Kläger, allerdings beschränkt auf den Gegenstandswert von 6.472,96 EUR. Ein Erstattungsanspruch besteht daher in Höhe von 403,11 EUR.
3.
18 
Die geltend gemachten Zinsansprüche folgen aus §§ 286, 288, 291 BGB.
III.
19 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
20 
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Gründe

 
II.
Die zulässige Berufung der Kläger ist überwiegend begründet.
1.
Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB i.V.m. § 535 BGB in Höhe von 6.133,52 EUR, zuzüglich künftiger Zahlungen in Höhe von jeweils 84,86 EUR für die Monate Februar bis Mai 2015 zu.
a.
Ein Vermieter, der schuldhaft eine Kündigung ausspricht, die wegen fehlendem Kündigungsgrundes unwirksam ist, ist dem Mieter gem. § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet (BGH NJW 2005, 2395; BGHZ 98, 296). Dies gilt auch dann, wenn ein vom Vermieter mit der Kündigung geltend gemachter Eigenbedarf in Wahrheit nicht besteht (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1982, 54; Häublein in MünchKomm, 6. Aufl., § 573 Rn 103 ff; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl., § 573 Rn 77 ff.)
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
aa.
Gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat; als ein berechtigtes Interesse ist es insbesondere anzusehen, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, die zu seinem Hausstand gehörenden Personen oder seine Familienangehörigen benötigt. Hierfür reicht aus, dass der Vermieter vernünftige, nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraums für sich oder eine der im Gesetz genannten Personen hat (BGHZ 103, 91; BVerfGE 79, 292; BVerfGE, NJW-RR 1994, 333). Solche Gründe hat die Beklagte in ihrem Kündigungsschreiben vom 10.04.2012 (I, 107 ff) geltend gemacht.
bb.
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die von der Beklagten in der Kündigung genannten Gründe für den Eigenbedarf nur vorgeschoben waren, obliegt den Klägern. Denn grundsätzlich hat derjenige, der auf der Verletzung vertraglicher Verpflichtungen Rechte herleiten will, deren tatsächliche Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Für eine Umkehr der Beweislast ist auch in Fällen, in denen eine vorgeschobene Eigenbedarfskündigung geltend gemacht wird, kein Raum (BGH NJW 2005, 2395). Allerdings obliegt dem Vermieter im Hinblick auf den Selbstnutzungswillen als „innere Tatsache“ eine sekundäre Behauptungslast. Da nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Verdacht eines vorgeschobenen Eigenbedarfs nahe liegt, wenn der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat umsetzt (vgl. BGH a.a.O., ebenso BVerfG, Beschluss v. 26.09.2001, 1 BvR 1185/01), obliegt es dem Vermieter, im Fall des nichtverwirklichten Eigenbedarfs substantiiert und plausibel (“stimmig“, vgl. BVerfG, Beschluss v. 30.05.1997, 1 BvR 1797/95) darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll bzw. welche in seinem Kenntnisbereich liegenden Umstände den Sinneswandel bewirkt haben sollen. Insoweit sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 30.05.1997, a.a.O.). Erst wenn der Vortrag des Vermieters den dargelegten Anforderungen genügt, obliegt dem Mieter der Beweis für seine Behauptung, dass ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestanden hatte.
cc.
Hier hat die Beklagte ihrer sekundären Behauptungslast nicht genügt.
Der Vortrag der Beklagten zum nachträglichen Entfallen des Kündigungsgrundes wechselt im Laufe des Verfahrens. In der Klageerwiderung vom 24.10.2013 hat die Beklagte zunächst vorgetragen, der Kündigungsgrund sei nachträglich entfallen, weil das Gewerberaummietverhältnis für ihren Laden im Juni 2013 gekündigt worden sei und sich ihre berufliche Perspektive dadurch geändert habe (I, 101). Im Rahmen ihrer Anhörung in der ersten mündlichen Verhandlung vom 05.11.2013 (I, 121 ff) hat sie dagegen angegeben, im August 2013 mit dem Verpächter ihres Ladens einen Aufhebungsvertrag geschlossen zu haben, weil eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit angestanden habe.
10 
Nicht stimmig ist auch der Vortrag der Beklagten zur fehlenden Umsetzung des Selbstnutzungswillens. Im Rahmen ihrer ersten Anhörung in der mündlichen Verhandlung 05.11.2013 hat die Beklagte angegeben, es sei wegen der Baustelle in G. zu Umsatzeinbußen in ihrem Geschäft in F. gekommen, so dass sie weniger habe arbeiten müssen. Zu näheren Umständen konnte sie allerdings keine Angaben machen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens, wie auch in der Berufungsverhandlung, hat die Beklagte dann erklärt, sie sei im Jahr 2012 nach Kündigung ihrer einzigen fest angestellten Mitarbeiterin besonders belastet gewesen. Zum Einzug in die Wohnung sei es nur deshalb nicht gekommen, weil in der Wohnung - vor allem im Hinblick auf die von den Klägern gerügte Trittschallproblematik - noch Renovierungsarbeiten vorzunehmen gewesen wären. Diese habe ihr Mann aus Kostengründen in Eigenleistung übernehmen wollen, sei dazu jedoch krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen. Abgesehen davon, dass schon nicht plausibel ist, in der streitgegenständlichen Wohnung Arbeiten wegen der Trittschallproblematik vornehmen zu wollen - die Problematik beruhte auf den baulichen Gegebenheiten in der Wohnung unter der Wohnung der Beklagten - ist das Verhalten der Beklagten nach dem Auszug vor allem nicht mit dem geltend gemachten Kündigungsgrund zu vereinbaren: Ausweislich des Kündigungsschreibens vom 10.04.2012 hat die Beklagte ihren Eigenbedarf damit begründet, dass ihr das abendliche Pendeln von F. nach L. nach den langen Geschäftstagen in ihrem Laden nicht mehr zumutbar sei. Die lange Autofahrt in übermüdetem Zustand sei mit erheblicher Gefahr verbunden, sie brauche daher dringend die Wohnung in F. als Zweitwohnung, um dort wochentags übernachten zu können. Dass die Beklagte angesichts dieses von ihr selbst geschilderten dringenden Eigenbedarfs die aus ihrer Sicht notwendigen Renovierungsarbeiten mehr als ein Jahr lang nicht vornahm, ist nicht nachvollziehbar(vgl. zu einer ähnlichen Konstellation AG Münster, WuM 2014, 274). Zwar ist die Erwägung in der angefochtenen Entscheidung, ein Vermieter sei grundsätzlich nicht verpflichtet, nach dem Auszug eines Mieters Renovierungsarbeiten sofort fremd zu vergeben, grundsätzlich zutreffend. Das lange Aufschieben von Renovierungsarbeiten spricht aber gegen den behaupteten dringenden Eigenbedarf. Soweit die Beklagte sich darauf berufen hat, die Arbeiten sollten aus finanziellen Gründen in Eigenarbeit durchgeführt werden, passt auch diese Erklärung nicht zu den weiteren Ausführungen der Beklagten in der Berufungsverhandlung, es sei aus finanzieller Sicht kein Problem für sie gewesen, die Wohnung ein Jahr lang leer stehen zu lassen, ohne dafür Miete zu bekommen oder sie selbst zu nutzen.
11 
Nachdem die Beklagte aufgrund dieser Widersprüche und Unstimmigkeiten ihrer sekundären Behauptungslast nicht genügt hat, ist von einer vorgeschobenen Eigenbedarfskündigung auszugehen, die als schuldhafte Nebenpflichtverletzung des Mietvertrages einen Schadensersatzanspruch der Kläger begründet.
b.
12 
Erstattungsfähig sind alle Schäden, die kausal auf der Pflichtverletzung beruhen. Dass die Parteien im Anschluss an die vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung einen Mietaufhebungsvertrag geschlossen haben, lässt die Kausalität zwischen der Vertragsverletzung und dem Schaden nicht entfallen (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., § 573 Rn. 81).
aa.
13 
Zu den erstattungsfähigen kausalen Schäden gehören die Aufwendungen anlässlich des Wohnungswechsels (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., § 542 Rn 117), hier die geltend gemachten Maklerkosten in Höhe von 2.618,00 EUR und die Umzugskosten in Höhe von 800,00 EUR. Zwar hat die Beklagte im Hinblick auf die Umzugskosten den geltend gemachten Arbeitsaufwand (80 Umzugshelferstunden zu je 10,00 EUR) bestritten. Angesichts der Tatsache, dass die Kläger sich nicht auf einen Umzug unter Einsatz von Laien hätten beschränken müssen und bei Einsatz selbst eines günstigen Umzugsunternehmens weit höhere Kosten angefallen wären, ist der geltend gemachte Betrag von 800,00 EUR jedenfalls als Mindestschaden im Rahmen einer Schadensschätzung gem. § 287 ZPO ersatzfähig.
bb.
14 
Der von den Klägern im Hinblick auf die Einbauküche geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.000,00 EUR besteht dagegen nicht. Zwar können nutzlos gewordene Aufwendungen für die alte Wohnung bei unberechtigter Eigenbedarfskündigung einen ersatzfähigen Schaden darstellen (vgl. Häublein in MünchKomm zum BGB, a.a.O. § 573 Rn 109). Allerdings hat der Kläger Ziff. 1 im Rahmen der Berufungsverhandlung selbst erklärt, Verkaufsbemühungen bezüglich der Einbauküche seien gescheitert, weil niemand die Küche habe kaufen wollen. Dies spricht gegen die Behauptung der Kläger, die im Jahr 2000 für 10.274,00 DM gekaufte Küche habe im Zeitpunkt des Auszugs noch einen Restwert von 2.000,00 EUR gehabt.
15 
Darüber hinaus hat die Beklagte den Vortrag der Kläger, sie hätten einen (etwaigen) Restwert der Küche nicht realisieren können, weil sie die Küche nach erfolglosen Verkaufsbemühungen kostenfrei abgegeben hätten, bestritten. Nachdem die Kläger für die von ihnen behauptete kostenfreie Abgabe der Küche keinen Beweis angetreten haben, fehlt es am Nachweis eines Schadens, so dass im Hinblick auf die Einbauküche kein Schadensersatzanspruch besteht.
cc.
16 
Erstattungsfähig sind dagegen die geltend gemachten Mehrkosten für die neue Wohnung in Höhe von 84,86 EUR monatlich für die Zeit vom 01.06.2012 bis zum 31.05.2015. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass bei einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung auch Mehrkosten für die neue Wohnung unter Berücksichtigung der Grundsätze von Vorteilsausgleichung und Schadensminderungspflicht gem. § 280 BGB erstattungsfähig sind (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O. § 542 Rn 118). Die teilweise streitige Frage, ob der Anspruch nur zeitlich begrenzt besteht (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, ebenda mit weiteren Nachweisen), bedarf hier keiner Entscheidung, da die Kläger ihren Anspruch auf die Dauer von drei Jahren begrenzt haben. Die von den Klägern vorgenommene Berechnung der Mehrkosten, die nicht nur die größere Fläche und die geänderten Wohnwertmerkmale der neuen Wohnung berücksichtigt, sondern auch die Möglichkeit der Beklagten, die Miete im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu erhöhen, trägt den Gedanken der Vorteilsausgleichung und der Schadensminderungspflicht der Kläger hinreichend Rechnung. Substantiierte Einwendungen gegen die Berechnung werden von der Beklagten auch nicht erhoben. Ihr pauschaler Vortrag, es werde "bestritten, dass die neue Wohnung 84,86 EUR pro Monat teurer ist“ - was die Kläger nie behauptet haben - ist unbeachtlich (vgl. Wagner in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 138 Rn. 19). Der von den Klägern geltend gemachte Zahlungsanspruch ist daher in voller Höhe ersatzfähig. Allerdings können die Kläger diesen Schaden nicht in einer Summe, sondern nur in monatlichen Raten, entsprechend der Fälligkeit der neuen Miete, ersetzt verlangen (Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., § 542 Rn. 118). Soweit die Miete im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung für die Monate Februar bis Mai 2015 noch nicht fällig ist, ist die Beklagte daher gem. § 257 ZPO auf künftige Zahlungen zu verurteilen.
dd.
17 
Gem. §§ 280, 535 BGB besteht auch ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten der Kläger, allerdings beschränkt auf den Gegenstandswert von 6.472,96 EUR. Ein Erstattungsanspruch besteht daher in Höhe von 403,11 EUR.
3.
18 
Die geltend gemachten Zinsansprüche folgen aus §§ 286, 288, 291 BGB.
III.
19 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
20 
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

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