Urteil vom Landgericht Freiburg - 9 S 10/20

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Kenzingen vom 18.02.2020, Az. 2 C 126/19, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Kenzingen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Kläger verlangt die Auszahlung eines Gewinns, den er am 19.01.2019 an einem von dem Beklagten in der Lokalität „...“ in ... betriebenen Geldspielautomaten erzielt haben will.
Dieser Automat verfügt über einen Geldspeicher und über einen Punktespeicher. Eingezahltes Geld bewirkt zunächst ein entsprechendes Guthaben im Geldspeicher. Das Euro-Guthaben kann sodann zum Zwecke des Einsatzes im Glückspiel in sogenannte Punkte umgewandelt werden. Mit den Punkten kann der Spieler das Spiel betreiben. Im Punktebereich setzt sich der Spielablauf mit der Möglichkeit fort, weitere Punkte zu erwerben oder Punkte herzugeben. Schließlich können die angesammelten oder verbliebenen Punkte wieder in Geld umgebucht werden.
Als das Spiel des Klägers am 19.01.2019 im Hinblick auf die Sperrzeit um 24:00 Uhr durch eine Mitarbeiterin des Beklagten beendet wurde, hatte der Kläger Punkte erspielt, die noch nicht in den Geldspeicher umgebucht waren. Im Falle der Umbuchung wären die Punkte dem Kläger annähernd in Höhe der klageweise geltend gemachten Forderung gutgeschrieben worden. Der Kläger erhielt stattdessen von der Mitarbeiterin des Beklagten einen als „Automaten-Störungsmeldung“ überschriebenen Formular-Zettel ausgehändigt. Darauf wurde in dem mit „Rückforderungsbetrag“ beschrifteten Feld „-3.803,-“ eingetragen. Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Kläger in Kopie vorgelegte Notiz vom 19.01.2019 (AS I 11) Bezug genommen.
Der Kläger meint vor diesem Hintergrund, er habe am 19.01.2019 einen Gewinn im Wert von „mindestens 3.803,00 EUR“ erspielt, der ihm jedoch nicht ausgezahlt worden sei (AS I 3).
Das Amtsgericht Kenzingen hat die Klage mit Urteil vom 18.02.2020 abgewiesen. Dabei hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass noch kein Gewinn des Klägers vorgelegen, sondern lediglich eine Gewinnchance in Form von Punkten im Raum gestanden habe. Der Punktestand hätte auf den Geldspeicher umgebucht werden müssen. Die Chance auf den entsprechenden Gewinn sei verfallen. Hinsichtlich möglicher Schadensersatzansprüche fehle es jedenfalls am Verschulden des Beklagten.
Hiergegen richtet sich die am 02.03.2020 eingelegte und am 24.03.2020 begründete Berufung des Klägers. Er ist insbesondere der Ansicht, dass kein „Umbuchungsvorgang für die Anspruchsentstehung des Gewinns notwendig“ sei, weil „die Umbuchung von Punkten zu Geldgewinn fast identisch“ verlaufe (AS II 18). Der durch den Algorithmus des Spielautomaten errechnete Geldgewinn liege weniger als 1 Prozent unter dem Punktewert. Auch habe die gesetzliche Sperrzeit durch den Kläger gar nicht überschritten werden sollen, weil nur noch die Umbuchung in den Geldspeicher habe erfolgen müssen. Dass diese Umbuchung für die Auszahlung notwendig sei, berühre nicht den entstandenen Anspruch (ebd.). Der Umbuchungsvorgang bei solch hohen Gewinnsummen nehme eine längere Zeit in Anspruch, bei welcher sich der Beklagte jedoch gar nicht mehr aktiv am Spielgerät befinden müsse (AS II 19). Selbst wenn man der Begründung folgen sollte, dass der Gewinnverlust durch Unterbrechung des Umbuchungsvorgangs eintrete und man es unterlassen haben sollte, seine Punkte vom Punktekonto auf das Gewinnkonto umzubuchen, begründe das einen vertraglichen Schadensersatzanspruch. Außerdem sei ein Schuldversprechen nach § 780 BGB abgegeben worden.
Die Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 18. Februar 2020 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Kenzingen den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger den aus dem Glücksspielvertrag resultierenden Gewinn i.H.v. 3.803,00 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
10 
die Berufung zurückzuweisen.
11 
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
12 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
13 
Der Kläger ist durch die Kammer in der Verhandlung vom 21.07.2020 informatorisch angehört worden.
II.
14 
Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache unbegründet.
15 
1. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die klageweise geltend gemachte Gewinnauszahlung gemäß § 763 S. 1 BGB.
16 
a) Das vom Beklagten betriebene Geldspielgerät war zwar unstreitig zum Glückspiel zugelassen, so dass das die Regelungen in den §§ 763 S. 2, 762 Abs. 1 S. 1 BGB der Wirksamkeit des Spielvertrags nicht entgegenstehen (vgl. allg. zum Regel-Ausnahme-Verhältnis: Laukemann, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 763 Rdn. 1). Nach § 763 S. 1 BGB war deshalb der Kläger zur Leistung des versprochenen Einsatzes und der Beklagte zur Durchführung des Spiels und zur Auszahlung eines etwaigen Gewinns verpflichtet.
17 
b) Zu Recht geht das Amtsgericht aber davon aus, dass die vom Kläger erspielten Punkte noch keinen auszuzahlenden Gewinn darstellten. Erst durch die Umbuchung auf den Geldspeicher entsteht der Gewinn (so auch: Richter, GewArch 2019, 422, 425 Meyer, GewArch 2019, 184, 188).
18 
Andernfalls wäre das Spielgerät wegen Verstoßes gegen die Vorgaben der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit für gewerbliche Spielautomaten (SpielV) außerhalb seiner Zulassung betrieben worden, weil mit den Punkten als Geld-Surrogat die gesetzten Grenzwerte (insbesondere: Höchstgewinn pro Spiel: 2 Euro, Höchstgewinn pro Stunde: 400 Euro, Löschung des Speichers nach drei Stunden) überschritten werden. Nach den §§ 763 S. 2, 762 Abs. 1 S. 1 BGB bestünde dann mangels staatlicher Genehmigung des Spiels von vornherein keine Verbindlichkeit und der klageweise geltend gemachte Anspruch wäre aus diesem Grund zu verneinen (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 04.09.2013, 7 U 155/12, juris Rdn. 23).
19 
c) Dass die beschriebenen Umbuchungsprozesse bei dem Betrieb des Geldspielautomaten – wie die Zulässigkeit des Spielens mit Geldäquivalenten überhaupt – dem von der SpielV bezweckten Spielerschutz zuwiderlaufen, ändert hieran nichts. Zur Beseitigung von an dieser Stelle etwa auszumachenden Missständen wäre der Gesetz- beziehungsweise der Verordnungsgeber berufen (vgl. eingehend: Meyer, GewArch 2019, 184, 188).
20 
2. Entgegen der Berufung steht dem Kläger der klageweise geltend gemachte Anspruch überdies nicht etwa aufgrund eines von der Mitarbeiterin des Beklagten abgegebenen Schuldversprechens in Form der so bezeichneten „Automaten-Störungsmeldung“ (AS I 11) vom 19.01.2019 gemäß § 780 BGB zu.
21 
Nach der Regelung in § 762 Abs. 2 BGB sind zum Zwecke der Erfüllung einer unverbindlichen Spiel- oder Wettschuld eingegangene neue Verbindlichkeiten ebenfalls unverbindlich. Erfasst wird neben dem ausdrücklich genannten Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB), auch das Schuldversprechen nach § 780 BGB.
22 
Im Streitfall lag im maßgeblichen Zeitpunkt keine verbindliche Spielschuld vor. Als der Betrieb des Automaten wegen der gesetzlichen Sperrzeit eingestellt wurde, war eine Umbuchung der erspielten Punkte auf den Geldspeicher in einem Zuge und eine anschließende Auszahlung des Betrages als Gewinn nicht ohne Verstoß gegen die Grenzwerte der SpielV möglich.
23 
Wie der Kläger bei seiner informatorischen Anhörung vor der Kammer angab, hatte er den rechtlichen Rahmen der Gewinnmöglichkeiten tatsächlich voll ausgeschöpft, den stündlich möglichen Betrag in den Geldspeicher jeweils umgebucht und dann die Auszahlung veranlasst. Damit hatte er die gesetzlich zulässigen Auszahlungen erlangt.
24 
Weil eine darüber hinausgehende Auszahlung im Zeitpunkt des Betriebsschlusses infolgedessen nur außerhalb der staatlichen Genehmigung erfolgen konnte, bestand auf sie, wie bereits ausgeführt, von vornherein auch kein Anspruch des Klägers (vgl. allg.: OLG Brandenburg, Urt. v. 04.09.2013, 7 U 155/12, juris Rdn. 23). Die nur unverbindliche Spielschuld konnte wegen der Regelung in § 762 Abs. 2 BGB nicht in ein Schuldversprechen (oder auch eine andere Verbindlichkeit) umgestaltet werden.
25 
3. Schließlich hat der Kläger auch keinen auf Gewinnauszahlung gerichteten Schadensersatzanspruch gemäß den §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB oder den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.
26 
a) Die Frage, ob die Angestellte des Beklagten mit dem als „Automaten-Störungsmeldung“ überschriebenen Formular-Zettel vom 19.01.2019 (AS I 11) unter Umständen die Verpflichtung begründete, dem Kläger den dokumentierten Punktestand über die gesetzlich vorgesehene Sperrzeit hinweg zu erhalten, damit dieser das Spiel am nächsten Morgen bei diesem Punktestand hätte fortsetzen oder ihn auf den Geldspeicher hätte umbuchen können, kann ebenso als nicht entscheidungserheblich dahinstehen wie die Frage, ob diese Pflicht vom Beklagten in vertretbarer Weise verletzt wurde. Dafür, dass dem Kläger jedenfalls die Fortführung des Spiels ermöglicht werden sollte, spricht immerhin der Umstand, dass der Beklagte keinerlei auch nur ansatzweise einsichtige Erklärung dafür hat, welchem Zweck die von der eigenen Mitarbeiterin ausgestellte Notiz denn überhaupt haben sollte. Naheliegend wäre allerdings, dass die Mitarbeiterin auf Verlangen des Klägers die im Gerät angezeigten Stände bestätigte.
27 
Weil die erspielten Punkte nach dem Vorstehenden aber noch keinen Gewinn darstellten, wäre als Schaden jedenfalls lediglich der Spieleinsatz zu ersetzen, den der Kläger in einem ersten Schritt in Punkte umgebucht hatte (vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 762 Rdn. 23; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urt. v. 04.09.2013, 7 U 155/12, juris Rdn. 26). Dieser wird hier aber gar nicht geltend gemacht und unterläge den gesetzlichen Auszahlungsbeschränkungen.
28 
b) Dass dem Beklagten die Umwandlung der erspielten Punkte in Geldguthaben nicht während der Sperrzeit ermöglicht wurde, stellt keine Pflichtverletzung dar.
29 
aa) Von einer vertraglich übernommenen primären Verpflichtung, die Nutzung des Automaten zum Zwecke der Umbuchung über den Zeitpunkt des Beginns der in § 46 LGlüG vorgesehenen Sperrzeit hinaus zu ermöglichen, kann bei der gebotenen verständigen Würdigung aus der Sicht eines vernünftigen Dritten keine Rede sein.
30 
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei Abschluss des Glücksspielvertrages davon ausgehen durfte, den Automaten ohne zeitliche Beschränkungen bis zum nächsten Morgen nutzen zu dürfen, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Vielmehr hat sich jeder Spieler in seinem Spielverhalten auf die gegebenen zeitlichen Beschränkungen einzustellen. Es ist an ihm, die erforderliche Umbuchung rechtzeitig einzuleiten.
31 
bb) Soweit der Kläger erstmals mit der Berufungsbegründung vorträgt, dass er nicht um den Eintritt der Sperrzeit um 24:00 Uhr gewusst habe und hierauf nicht hingewiesen worden sei, so dass von einer Schutzpflichtverletzung auszugehen sei, ist er mit diesem vom Beklagten bestrittenen (AS II 34) Vorbringen in der zweiten Instanz jedenfalls ausgeschlossen, weil ein Zulassungsgrund nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3 ZPO vom Kläger nicht dargetan wurde und auch sonst nicht ersichtlich ist.
32 
Danach kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, dass als Schaden auch in diesem Zusammenhang lediglich der vom Kläger vorliegend nicht verlangte Spieleinsatz nicht aber – mangels Vermögensbeeinträchtigung – der klagegegenständliche mutmaßliche Gewinn zu ersetzen wäre (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht a.a.O.).
33 
c) Erstmalig in zweiter Instanz äußert der Kläger zudem die Rechtsauffassung, es begründe einen vertraglichen Schadensersatzanspruch, dass die Umbuchung von Punkten in Geld durch den Beklagten unterlassen worden sei. Dass die Mitarbeiterin des Beklagten dem Kläger versprochen hätte, die Umbuchung vom Punkte-Speicher auf den Geld-Speicher während der Schließzeit vorzunehmen oder zu überwachen, wird von ihm in diesem Zusammenhang allerdings schon gar nicht behauptet. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, warum die Mitarbeiterin des Beklagten als ermächtigt anzusehen gewesen sein sollte, solche Zusagen zu geben, stünde dies auch jedenfalls im Widerspruch zum Vortrag des Beklagten (AS II 35). Nachdem es schon an der ausdrücklichen Behauptung einer Abrede zur Umbuchung fehlt, hat der Kläger irgendeinen Beweis hierfür aber nicht angeboten. Mit einem etwaigen Beweisantritt wäre er in zweiter Instanz ohnedies ausgeschlossen (§§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3 ZPO).
III.
34 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
35 
Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen