Urteil vom Landgericht Hamburg (24. Zivilkammer) - 324 O 672/14

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung vom 17.11.2014 wird in Ziffer I.1.a) hinsichtlich der Äußerung „m. v. E.“, sowie in I.1.b) und 2.c) bestätigt.

2. Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen, und zwar nach einem Streitwert von € 20.000,--.

Tatbestand

1

Die Antragstellerinnen handeln mit Waffen und Waffenteilen, die Antragsgegnerin beschäftigte sich in einem Beitrag vom xx.xx.2014 unter dem Titel „W. i. V.“ mit den Antragstellerinnen. Wegen des Transkripts der streitgegenständlichen Sendung wird auf Bl. 14 ff. der Akte Bezug genommen.

2

Nachdem die Antragsgegnerin einzelne Äußerungen der von den Antragstellerinnen erwirkten einstweiligen Verfügung der Kammer vom 17.11.2014 unter Verzicht auf die Rechte aus §§ 924, 926 und 927 ZPO anerkannt hat, streiten die Parteien im Widerspruchsverfahren noch um die folgenden Äußerungen:

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1. mit Bezug auf die Antragstellerin zu 1) zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder verbreiten zu lassen:

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a) „M. l. s. k. S. i. d. O., m. v. E..“

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und/oder

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b) „D. w.d. m. G. v..“

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und/oder

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2. mit Bezug auf die Antragstellerin zu 2) zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder verbreiten zu lassen:

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c) „V. d. J. k. d. W. ü. xx.xxx S. i. S..

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wenn dies geschieht wie im S.-TV-Beitrag vom xx.xx.2014 unter dem Titel „W. i. V.“.

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Die Antragsgegnerin trägt vor,

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es seien verbotene Einzelteile gen Osten bzw. nach R. geliefert worden, nämlich Waffenteile, die aus den U. importiert worden seien und laut eines end-user-certificates in Deutschland hätten verbleiben müssen. Das würden die Antragstellerinnen auch nicht substantiiert in Abrede nehmen, vielmehr nur versichern, dass alle Waffengeschäfte korrekt gelaufen seien.

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Die Äußerung „D. w.d. m. G. v.“ sei eine Meinungsäußerung des Insiders, der im Beitrag zu Wort komme. Dass es für diese Einschätzung hinreichende tatsächliche Anknüpfungspunkte gebe, ergebe sich aus der eidesstattlichen Versicherung in Anlage AG 1. Die Einschätzung beziehe sich erkennbar auf die zu erzielenden Renditen und nicht auf die zu erzielenden Einnahmen, der Vortrag der Antragsteller sei daher nicht relevant.

14

Die Aussage „V. d. J. k. d. W. ü. xx.xxx S. i. S..“ sei zutreffend, dies ergebe sich aus einer Genehmigung des Bundeswirtschaftsministeriums vom 24.06.2012, danach hätten die Antragsteller 10.772 Sturmgewehre des Typs M 70 in S. gekauft.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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die einstweilige Verfügung der Kammer vom 17.11.2014 aufzuheben und den ihr zugrundeliegenden Antrag zurückzuweisen, soweit keine Abschlusserklärung abgegeben wurde.

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Die Antragstellerinnen beantragen,

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die einstweilige Verfügung zu bestätigen, soweit keine Abschlusserklärung abgegeben wurde.

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Sie verteidigen den Bestand der einstweiligen Verfügung.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Urteilsgründe war die Akte verschollen.

Entscheidungsgründe

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Nach dem Ergebnis der Widerspruchsverhandlung war die einstweilige Verfügung auch insoweit zu bestätigen, als sie nicht von der Antragsgegnerin anerkannt wurde. Den Antragstellerinnen steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Artt. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG zu, denn die angegriffene Berichterstattung verletzt bei fortbestehender Wiederholungsgefahr ihr Unternehmenspersönlichkeitsrecht.

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1. „M. l. s. k. S. i. d. O., m. v. E..“

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Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob es sich bei dem noch streitigen Teil der Äußerung – „m. v. E.“ – um eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung handelt. Denn auch wenn es sich bei der Frage, ob die gelieferten Einzelteile einem Ausfuhrverbot unterlagen, um eine Bewertung handelt würde, fehlt es – davon ist prozessual auszugehen – an hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkten für eine solche Bewertung der Einzelteile, die die Antragstellerin zu 1) nach R. geliefert hat. Es stehen sich insoweit die eidesstattlichen Versicherungen in Anlagen ASt 1 und AG 1 gegenüber. Da die Äußerung, die Antragstellerin zu 1) habe einem Ausfuhrverbot zuwider Einzelteile nach R. geliefert, für die Antragstellerin zu 1) abträglich ist, obliegt die Glaubhaftmachungslast in entsprechender Anwendung des § 186 StGB der Antragsgegnerin.

24

Der von ihr vorgelegten eidesstattlichen Versicherung gemäß Anlage AG 1 zufolge, handelt es sich bei den verbotenen Einzelteilen um eine von der Antragstellerin zu 1) vorgenommene Umdeklarierung aus den U. mit Endverbleibszertifikat erworbener Einzelteile, die für den Weiterverkauf nach R. als „origin German“ bezeichnet worden sein sollen. Die Kammer versteht diesen Vortrag so, dass die Einzelteile zum Verbleib in Deutschland und nicht zum Export nach R. bestimmt waren. Das führt jedoch nicht dazu, dass es sich um verbotene Einzelteile gehandelt hätte, deren Export nach R. einem Ausfuhrverbot zuwiderlief und die überhaupt nicht nach R. hätten geliefert werden dürfen. Dann als „origin German“ durften die Teile nach R. geliefert werden, jedenfalls ergibt sich aus dem entsprechenden Vortrag der Antragsgegnerin kein Anhaltspunkt dafür, dass die Teile auch mit dieser Deklarierung nicht hätten nach R. geliefert werden dürfen. Ob die Umdeklarierung an sich zulässig oder unzulässig war, ist hingegen nicht Gegenstand der angegriffenen Äußerung.

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Fehlt es danach bereits im Vortrag der Antragsgegnerin an hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkten für die untersagte Äußerung, ist lediglich der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass die eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin zu 1) in Anlage ASt 1 ausdrücklich erklärt, dass nur genehmigte Einzelteile nach R. geliefert worden seien. Selbst wenn es auf den gegenteiligen Vortrag der Antragstellerin zu 1) ankäme, würde ein non liquet vorliegen, da die Kammer keiner eidesstattlichen Versicherung mehr Glauben schenken kann als der anderen. Den Regeln der Glaubhaftmachungslast zufolge, wäre die Antragsgegnerin auch in dieser Situation unterlegen.

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2. „D. w.d. m. G. v..“

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Bei dieser Äußerung handelt es sich, worauf die Antragsgegnerin zu Recht hinweist, um eine Meinungsäußerung. Im Kontext der Berichterstattung ist die Äußerung das Ergebnis einer Bewertung, dass bei den illegalen Geschäften das meiste Geld verdient wird. Ob damit die Einnahmen oder die Renditen gemeint sind, worum die Parteien streiten, ist im Ergebnis ohne Belang. Denn es fehlt wiederum an hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkten, dass die Antragstellerin zu 1) überhaupt im Bereich illegaler Waffengeschäfte tätig ist.

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Die eidesstattliche Versicherung in Anlage AG 1 ist insoweit nicht ergiebig, denn bis auf die vorstehend thematisierte Umdeklarierung lässt sich ihr für den – schwerwiegenden – Vorwurf, die Antragstellerin zu 1) betreibe illegale Waffengeschäfte, nichts Konkretes entnehmen. Die in Anlage AG 1 dargestellten Umstände können möglicherweise als Hinweis auf illegale Geschäftspraktiken verstanden werden, müssen das aber nicht, so dass sich tragfähige Anknüpfungspunkte nicht ergeben. Dem stehen zudem die von der Antragstellerin zu 1) vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen in Anlagen ASt 15 und ASt 16 gegenüber, die illegale Waffengeschäfte in Abrede nehmen. Wiederum liegt die Glaubhaftmachungslast bei der Antragsgegnerin, deren Vortrag insoweit nicht ausreicht.

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3. „V. d. J. k. d. W. ü. xx.xxx S. i. S..“

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Hinsichtlich dieser Äußerung streiten die Parteien lediglich um die konkrete Anzahl an Sturmgewehren, die in S. gekauft wurden. Es ist insoweit prozessual von einer unwahren Tatsachenbehauptung auszugehen.

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Der von der Antragsgegnerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung in Anlage AG 1 lässt sich zur konkreten Menge nichts entnehmen, denn dort heißt es nur, die Lager seien voll mit den Sturmgewehren gewesen. Anlage AG 2 wiederum ist eine Genehmigung für die Beförderung von 10.772 Sturmgewehren vom Typ M 70 aus S.. Diese Genehmigung datiert vom 25.06.2012, so dass sich die angegriffene Äußerung hinsichtlich der zeitlichen Einordnung „vor drei Jahren“ auf den dieser Genehmigung zugrundeliegenden Vorgang eigentlich nicht beziehen kann.

32

Selbst wenn ein großzügiger Maßstab hinsichtlich der zeitlichen Zusammenhänge angelegt werden würde, fehlt es an Vortrag der Antragsgegnerin, der sich auf den „Kauf“ der in der Berichterstattung mitgeteilten Anzahl an Sturmgewehren beziehen lassen könnte. Denn die vorgelegte Transportgenehmigung in Anlage AG 2 lässt nicht erkennen, ob die dort genannte Menge auch tatsächlich transportiert wurde, also die genehmigte Menge auch ausgeschöpft wurde. Insoweit fehlt es an einer Glaubhaftmachung, dass die tatsächlich erworbene Menge derjenigen Menge entspricht, für die der Transport genehmigt worden war. Nur auf die erworbene Menge bezieht der Leser die Äußerung, denn darin geht es um den „Kauf“ der Gewehre, nicht deren Transport. Fehlt es auch insoweit an hinreichendem Vortrag der Antragsgegnerin ist auf der anderen Seite zudem die von Antragstellerseite vorgelegte eidesstattliche Versicherung in Anlage ASt 1 zu berücksichtigen. Dieser lässt sich entnehmen, dass es nur 5.832 zerlegten Waffen bzw. Teilesätze gewesen sein sollen.

33

4. Es besteht auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr. Diese wird durch die rechtswidrige Erstbegehung indiziert. Gründe, die dieser Indizwirkung entgegenstehen, sind vorliegend nicht gegeben. Die Antragsgegnerin hat insbesondere keine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben und nicht die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anerkannt.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zum Streitwert auf § 3 ZPO.

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