Urteil vom Landgericht Hamburg (18. Zivilkammer) - 318 O 318/13

Tenor

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf 20.420,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Zahlung von Schadensersatz wegen Beratungspflichtverletzung von dem Beklagten zu 4) als selbstständiger Kapitalanlageberater und wegen Verletzung von vorvertraglichen Aufklärungspflichten von den Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) als Gründungskommanditisten einer Publikums-Kommanditgesellschaft.

2

Der Kläger zeichnete auf Empfehlung des Beklagten zu 4) mit Beitrittserklärung vom 09.05.2005 eine treuhänderisch gehaltene Kommanditbeteiligung an der MS „S. S.“ Shipping GmbH & Co. KG, MS „J. S.“ Shipping GmbH & Co. KG und MS „V. S.“ Shipping GmbH & CO. KG (im Nachfolgenden „LF-Flottenfonds V“) in Höhe von 20.000,00 € nebst Agio von 3 %, also insgesamt 20.600,00 €. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beitrittserklärung wird auf die Anlage K1 Bezug genommen.

3

Der Kläger war zum Zeitpunkt der Zeichnung Rentner. Er stand mit dem Beklagten zu 4) in einer mehrjährigen Geschäftsbeziehung. Nach Antritt einer Erbschaft zeichnete der Kläger im Zeitraum 2002 bis 2005 insgesamt acht unternehmerische Beteiligungen sowohl vor als auch nach der streitgegenständlichen Beteiligung (vgl. Übersicht der Beteiligungen Bl. 51 d.A.). Sämtliche dieser Beteiligungen wurden dem Kläger von dem Beklagten zu 4) vermittelt. Anzahl, Zeitpunkt(e), Inhalt des/der Beratungsgesprächs/-e zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 4) in Bezug auf die streitgegenständliche Beteiligung sowie die Übergabe des Emissionsprospekts sind zwischen den Parteien streitig.

4

Der Kläger zahlte die Beteiligungssumme nebst Agio ein und erhielt aus seiner Beteiligung Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 2.400,00 €.

5

Der Kläger kündigte mit anwaltlichem Schreiben vom 11.10.2012 die Beteiligung außerordentlich, erklärte den Widerruf der Beitrittserklärung und forderte die Beklagten zu 1) unter Fristsetzung bis zum 29.10.2012 auf, das Auseinandersetzungsguthaben zu errechnen und ihm zu überweisen (Anl. K3). Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.12.2012 leitete der Kläger im Ergebnis erfolglos einen Güteantrag bei der Gütestelle F. X. R. gegen die Beklagten sowie die Fondsgesellschaft ein.

6

Der Kläger trägt vor, die Beratung des Beklagten zu 4) vor Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligung sei weder anleger- noch anlagegerecht gewesen sei. Sein Anlageziel sei die Altersvorsorge gewesen. Er habe mit geschlossenen Fondsbeteiligungen keinerlei Erfahrungen gehabt und habe dem Beklagten zu 4) deswegen besonderes Vertrauen entgegengebracht. Der Beklagte zu 4) habe ihm die Zeichnung des streitgegenständlichen Fonds als für seine Anlageziele geeignete sichere Anlage geraten. Über Risiken der geschlossenen Beteiligung, wie mangelnde Fungibilität, Kosten, Verlustrisiko, Fremdfinanzierungsrisiko, Kommanditistenhaftung sowie über die Struktur und Funktionsweise des Fonds sei er nicht aufgeklärt worden. Die Beratungsdokumentation vom 09.05.2005 (Anl. R&P 3) habe er nicht ausgefüllt, sondern sie sei ihm nur zur Unterzeichnung vom Beklagten zu 4) vorgelegt worden. Ebenso sei er nicht über den Erhalt von Provisionen des Beklagten zu 4) sowie über die immensen Weichkosten von 36,6 % des Emissionskapitals einschließlich Agio aufgeklärt worden. Den Prospekt habe er erst mit Zeichnung der Beteiligung erhalten. Er habe keine Gelegenheit gehabt, ihn vor Zeichnung zur Kenntnis zu nehmen. Der Prospekt sei zudem in mehreren Punkten grob fehlerhaft und irreführend. So seien die Charterraten unrealistisch und falsch angesetzt worden. Auch sei nicht hinreichend auf den enorm hohen Fremdkapitalanteil von etwa 60 % hingewiesen worden. Schließlich seien die Weichkosten von 36,6 % nicht konkret für den Anleger ersichtlich gewesen.

7

Der Kläger beantragt:

8

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an ihn 18.200,00 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 4 % p.a. hieraus vom 02.03.2006 bis Rechtshängigkeit und Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung seiner Beteiligung an der MS „S. S.“ Shipping GmbH & Co. KG, der MS „J. S.“ Shipping GmbH & Co. KG und an der MS „V. S.“ Shipping GmbH & CO. KG – genannt LF-Flottenfonds V – mit Beitrittserklärung vom 09.05.2005 über einen Beteiligungsbetrag von 20.000,00 € zzgl. Agio von 600,00 € auf die Beklagten.

9

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten mit der Annahme dieser Zug-um-Zug-Abtretung in Verzug befinden.

10

2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, ihn von sämtlichen weiteren Schäden aus und im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der Beteiligung an der MS „S. S.“ Shipping GmbH & Co. KG, der MS „J. S.“ Shipping GmbH & Co. KG und an der MS „V. S.“ Shipping GmbH & CO. KG – genannt LF-Flottenfonds V – mit Beitrittserklärung vom 09.05.2005 über einen Beteiligungsbetrag von 20.000,00 € zzgl. Agio von 600,00 € freizustellen.

11

3. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an ihn vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.176,91 € zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Die Beklagten beantragen,

13

die Klage abzuweisen.

14

Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.

15

Die Beklagten zu 1) und zu 2) bestreiten mit Nichtwissen den Sachvortrag des Klägers zum Vermittlungsgespräch mit dem Beklagten zu 4), insbesondere die fehlende Risikoaufklärung sowie seine Anlageziele. Sie tragen u.a. vor, der Prospekt kläre über die behaupteten Risiken auf den Seiten 54-59 auf. Dieser sei nicht fehlerhaft. Im Übrigen seien sie nicht passivlegitimiert. Sie hätten keine eigenen Pflichten verletzt; vermeintliche Pflichtverletzungen des Beklagten zu 4) seien ihnen nicht zurechenbar.

16

Die Beklagte zu 3) bestreitet die Behauptung des Klägers, dieser sei von dem Beklagten zu 4) nicht über Risiken der Beteiligung aufgeklärt worden, mit Nichtwissen. Prospektfehler lägen nicht vor. Selbst wenn sie vorgelegt hätte, so seien sie nicht kausal für den Schaden des Klägers geworden, weil dieser vortrage, den Prospekt nicht zur Kenntnis genommen zu haben.

17

Der Beklagte zu 4) rügt die örtliche Zuständigkeit. Er trägt u.a. vor, der Kläger sei kein auf Sicherheit bedachter Anleger. Er habe Erträge über dem normalen Zinsniveau erzielen wollen und sei bereit gewesen, hierfür höhere Risiken einzugehen. Sein Anlageziel sei auch der Vermögensaufbau gewesen. Der Kläger habe die Fondsbeteiligungen jeweils erst nach Erhalt des Prospektes gezeichnet und sei über die Risiken der Kommanditbeteiligung aufgeklärt worden. Den streitgegenständlichen Prospekt habe er dem Kläger anlässlich eines ausführlichen Beratungsgesprächs am 26.11.2014 bereits übergeben. Die Zeichnung habe erst in einem weiteren Termin stattgefunden.

18

Das Gericht hat den Kläger und den Beklagten zu 4) persönlich angehört (§ 141 Abs. 1 ZPO). Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 02.10.2015 (Bl. 225 ff. d.A.) verwiesen.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die Klage hat keinen Erfolg.

21

Sie ist zwar zulässig. Das Gericht ist im Hinblick auf den Beklagten zu 4) örtlich gem. § 32b Abs. 1 ZPO zuständig. Die Beklagten zu 1) bis zu 3) werden u.a. wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation im Sinne von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Anspruch genommen wird. Die Klage gegen den Beklagten zu 4) stützt sich u.a. auf die Verwendung einer öffentlichen Kapitalmarktinformation i.S.d. § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO, was für die Begründung eines gemeinsamen Gerichtsstands ausreichend ist (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2013 - X ARZ 320/13, juris).

22

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Rückabwicklung der Beteiligung LF-Flottenfonds V im Wege des Schadensersatzes in Höhe von 18.200,00 €, Zug-um-Zug gegen Abtretung seiner Rechte aus dieser treuhänderisch gehaltenen Kommanditbeteiligung im Nennwert von 20.000,00 €. Aus diesem Grund sind auch die Klageanträge zu 2) und zu 3) unbegründet.

I.

23

Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 4) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Schadensersatz.

24

1.) Der Kläger hat gegen den Beklagte zu 4) keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung von Pflichten aus dem Anlageberatungsvertrag gem. § 280 Abs. 1 BGB.

25

a.) Zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 4) ist vor der Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligung an dem LF-Flottenfonds V vom 09.05.2005 stillschweigend ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen.

26

Nimmt ein Anlageinteressent bei einer konkreten Anlageentscheidung die Hilfe eines Kreditinstituts oder eines Beratungsunternehmens in Anspruch und lässt dieses sich auf eine Beratung ein, kommt auch ohne eine entsprechende ausdrückliche Abrede und ohne Vereinbarung eines Entgelts ein Beratungsvertrag zustande (BGH, Urteil vom 06.07.1993 – XI ZR 12/93, Rn. 11, juris).

27

Zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 4) ist unstreitig, dass der Kläger die Beteiligung aufgrund der Empfehlung des Beklagten zu 4) gezeichnet hat.

28

b.) Der Kläger hat nicht bewiesen, dass die Beratung des Beklagten zu 4) nicht anlegergerecht und / oder anlagegerecht war.

29

aa.) In Bezug auf das Anlageobjekt muss der Anlageberater rechtzeitig, richtig und sorgfältig, dabei für den Kunden verständlich und vollständig beraten. Insbesondere muss er den Interessenten über die Eigenschaften und Risiken unterrichten, die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (BGH, Urteil vom 24.04.2014 – III ZR 389/12, Rn. 8, juris, m.w.N.).

30

Eine ordnungsgemäße Beratung kann dabei auch durch Übergabe von Prospektmaterial erfolgen, sofern der Prospekt nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (BGH, Urteil vom 24.04.2014 – III ZR 389/12, Rn. 8, juris; Urteil vom 12.12.2013 – III ZR 404/12, Rn. 12, juris). Wurde der Anleger von dem Vermittler ordnungsgemäß mittels Übergabe eines fehlerfreien Prospektes aufgeklärt, nimmt er die Informationen jedoch nicht zur Kenntnis, geht das grundsätzlich zu seinen Lasten (BGH, Urteil vom 26.02.2013 – XI ZR 345/10, Rn. 33, juris). Die Darlegungs- und Beweislast für die nicht rechtzeitige Prospektübergabe trägt der Anleger (BGH, Urteil vom 06.12.2012 – III ZR 66/12, Rn. 16, juris).

31

Nach diesen Maßstäben hat der Kläger für seine Behauptung, er habe den Prospekt erst bei Zeichnung erhalten, den ihm obliegenden Beweis nicht erbracht. Das Gericht ist nach Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 4) nicht davon überzeugt, dass der Kläger den Emissionsprospekt erst bei Zeichnung am 09.05.2005 erhalten hat.

32

Der Kläger gab in seiner persönlichen Anhörung an, es sei aus der Beitrittserklärung ersichtlich, dass er diese am 09.05.2005 gezeichnet habe. Wahrscheinlich habe es ein paar Tage vorher ein Gespräch gegeben. Dies erinnere er aber nicht mehr genau. Die Beitrittserklärung habe er unterschrieben. Ob das Gespräch am gleichen Tag stattgefunden habe oder an dem Tag, an dem er die Beteiligung gezeichnet habe, das erinnere er nicht mehr. Unterlagen für eine Beteiligung habe er immer erst nach Zeichnung erhalten.

33

Der Beklagte zu 4) gab im Rahmen seiner Anhörung an, er habe dem Kläger vorher Unterlagen zu dieser Beteiligung zukommen lassen. In seinem Kalender sei ein Eintrag für ein ausführliches Gespräch für den 26.11.2004 vermerkt. Ob in diesem Termin der Prospekt übergeben worden sei, erinnere er nicht mehr. Es sei aber generell so gewesen, dass er Unterlagen in dem Gesprächstermin herausgegeben habe. Deswegen müsse es der Termin vom 26.11.04 gewesen sein.

34

Das Gericht konnte anhand der Aussage des Klägers nicht die Überzeugung erlangen, dass der Prospekt erst bei Zeichnung am 09.05.2005 übergeben wurde, was nicht rechtzeitig gewesen wäre. Im Rahmen seiner Anhörung hat das Gericht den Eindruck gewonnen, dass der Kläger über keinerlei konkrete Erinnerung mehr an das damalige Geschehen verfügt. Entgegen seinem schriftsätzlichem Vortrag gab der Kläger nunmehr in der Anhörung an, ihm seien Unterlagen erst nach Zeichnung übergeben worden. Zum Ablauf und Inhalt von Beratungsgesprächen hatte der Kläger ersichtlich keine Erinnerungen mehr, geschweige denn wie viele Beteiligungen er überhaupt gezeichnet hat, ob nun mindestens 9 oder 5 Beteiligungen. Der Beklagte zu 4) hat die schriftsätzliche Behauptung des Klägers auch nicht bestätigt, sondern anhand von Kalendervermerken und generellen Vorgehensweisen den Schluss gezogen, dass der Prospekt vorher übergeben worden sein muss. Eine Überzeugungsbildung des Gerichts zugunsten der klägerischen Behauptung lässt sich auf keine Aussage stützen.

35

Der streitgegenständliche Emissionsprospekt (Anl. K1) war nach Form und Inhalt geeignet, dem Kläger die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln. Soweit der klägerische Vortrag hinsichtlich etwaiger Prospektfehler überhaupt hinreichend substantiiert war, vermag das Gericht keine der vom Kläger gerügten Prospektfehler festzustellen.

36

Der Kläger ist vollständig und richtig durch den Prospekt über die behaupteten Risiken, wie Fungibilität (Prospekt S. 55), steuerliche Risiken (Prospekt S. 58f.), Totalverlust (Prospekt S. 54) und Fremdfinanzierung (Prospekt S. 55) und Kommanditistenhaftung (Prospekt S. 43f.) aufgeklärt worden. Dass die im Prospekt prognostizierten Charterraten bereits aus einer ex ante Sicht unvertretbar waren, ist schon nicht dargetan. Über die Höhe des Fremdkapitalanteils wird der sorgfältige und aufmerksame Leser auf Seite 32f. des Prospektes informiert. Gleichermaßen erfährt der Anleger auch, in welcher Höhe das Kapital nicht direkt in die Anlage fließt.

37

Im Übrigen hat der Beklagte zu 4) keine Pflichten aus dem Anlageberatungsvertrag verletzt, indem er den Kläger nicht ungefragt über den Umstand und die Höhe seiner Provision aufgeklärt hat. Für den Anleger liegt es bei einer Beratung durch einen freien Anlageberater auf der Hand, dass dieser von der kapitalsuchenden Anlagegesellschaft Vertriebsprovisionen erhält, die jedenfalls wirtschaftlich betrachtet dem vom Anleger an die Anlagegesellschaft gezahlten Betrag entnommen werden. Da der Anlageberater mit der Beratung als solcher sein Geld verdienen muss, kann berechtigterweise nicht angenommen werden, dass er diese Leistung insgesamt kostenlos erbringt (BGH, Urteil vom 18.04.2013 - III ZR 83/12, Rn. 21, juris).

38

bb.) Der Kläger ist weiter beweisfällig für seine Behauptung geblieben, dass ihn der Beklagte zu 4) nicht anlegergerecht beraten habe.

39

Im Rahmen der von dem Anlageberater geschuldeten anlegergerechten Beratung müssen die persönlichen (wirtschaftlichen) Verhältnisse des Kunden berücksichtigt und insbesondere das Anlageziel, die Risikobereitschaft und der Wissensstand des Anlageinteressenten abgeklärt werden. Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung des Anlageziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten sein (vgl. Urteil vom 11.12.2014 – III ZR 365/13, Rn. 13, juris, m.w.N.). Besteht allerdings bereits eine ausreichende Altersabsicherung, ist die Empfehlung einer geschlossenen Fondsbeteiligung mit Totalverlustrisiko zur ergänzenden Altersvorsorge nicht von vornherein als nicht anlegergerecht anzusehen (BGH, Urteil vom 24.04.2012 – III ZR 389/12, Rn. 28, juris).

40

Der Kläger gab im Rahmen seiner Anhörung an, er habe mit der Beteiligung seine gesetzliche Rente aufstocken wollen, was er dem Beklagten zu 4) mitgeteilt habe. Er habe ausschließlich eine gesetzliche Rente bezogen. Er erklärte mehrfach, die Beteiligung habe er für seine Altersvorsorge gezeichnet. Ob das Geld für die Beteiligung aus der Erbschaft oder aus seinem Ersparten stammte, wisse er heute nicht mehr. Das Beratungsprotokoll (Anl. R&P 3) habe er blanko unterschrieben.

41

Der Beklagte zu 4) gab glaubhaft hingegen an, dem Kläger sei es hauptsächlich darum gegangen, keine steuerpflichtigen Erträge aus Anlagen zu zahlen. Der Kläger habe ihm gegenüber angegeben, er wolle höhere Renditen erzielen und sei auf das Geld nicht angewiesen. Er beziehe zusätzlich eine Betriebsrente von S.. Der Kläger sei ziemlich gut informiert gewesen und habe sich über die Zeitschrift Finanztest hinsichtlich möglicher Anlagen erkundigt. Das Beratungsprotokoll (R&P 3) sei er im Einzelnen durchgegangen. In keinem Fall habe der Kläger dieses blanko unterschrieben.

42

Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls ist das Gericht nicht überzeugt davon, dass es dem Kläger um eine sichere Kapitalanlage zur Altersvorsorge, bei der ein Kapitalverlust ausgeschlossen war, ging. Das Gericht ist vielmehr davon überzeugt, dass der Kläger bereit war, zur Erzielung höherer Renditen auch Verlustrisiken einzugehen. Der Beklagte zu 4) schilderte in glaubhafter Weise, dass es dem Kläger bei Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligung nicht vorrangig um die Altersvorsorge ging, sondern um steuerliche Vorteile. Dies korrespondiert auch mit den schriftsätzlich eingereichten Unterlagen (R&P 3), aus denen auch hervorgeht, dass der Kläger das Anlageziel des Vermögensaufbaus mit der Zeichnung der Kapitalanlage verfolgte. Zwar betonte der Kläger wiederholt, es sei ihm um die Altersvorsorge gegangen, da er nur eine gesetzliche Rente beziehe. Diesen Vortrag sieht das Gericht jedoch bereits deswegen als widerlegt an, weil sowohl der Beklagte glaubhaft angab, der Kläger beziehe zusätzlich zu seiner gesetzlichen Rente eine Betriebsrente der Firma S. als auch der Kläger dies selbst in seiner Anhörung am 19.06.2015 in dem Parallelverfahren zum Aktenzeichen 318 O 319/13, bei der die Einzelrichterin als Zuhörerin anwesend war, bestätigte. Dass der Kläger das Beratungsprotokoll (R&P 3) blanko unterschrieben hat, sieht das Gericht ebenfalls als widerlegt an. Eine solche Vorgehensweise widerspricht insbesondere der Tatsache, dass der Kläger sich seine Aussage im Rahmen seiner Anhörung, nachdem diese vom Gericht protokolliert worden war, noch einmal vollständig vom Tonträger hat vorspielen lassen.

43

2.) Deliktische Schadensersatzansprüche des Klägers gegen den Beklagten zu 4) gem. § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB bzw. § 263 StGB sind nicht dargetan.

II.

44

Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gem. §§ 311 Abs. 2 Ziff. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB wegen schuldhafter Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten (Prospekthaftung im weiteren Sinne).

45

Dieser Anspruch scheitert bereits deswegen, weil die Beklagten zu 1) bis zu 3) keine ihnen gegenüber dem Kläger obliegenden vorvertraglichen Aufklärungspflichten verletzt haben.

46

Als Mittel der Aufklärung kann genügen, wenn dem Anlageinteressenten statt einer mündlichen Unterrichtung ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht wird, sofern dieser nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass er sich mit seinem Inhalt noch vertraut machen kann (BGH, Urteil vom 12.12.2013 – III ZR 404/12, Rn. 12, juris).

47

Dies war hier der Fall. Der Kläger ist für seine Behauptung, der Prospekt sei ihm bei Zeichnung übergeben worden, beweisfällig geblieben (s.o.). Der Emissionsprospekt weist die von dem Kläger gerügten Prospektfehler nicht auf (s.o.). Ob die Beklagten zu 1) bis zu 3) darüber hinaus überhaupt eine anlegergerechte Beratung schulden, kann dahinstehen, da der Kläger eine fehlerhafte anlegergerechte Beratung ohnehin nicht zu beweisen vermochte (s.o.).

48

Deliktische Ansprüche gegen die Beklagten zu 1) bis zu 3) sind von dem Kläger bereits nicht dargetan.

III.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

50

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. 2 ZPO.

51

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 3 ZPO.

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