Urteil vom Landgericht Hamburg - 328 O 12/14
Tenor
I.
1. die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 52.500 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 16.10.2013 Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus den Beteiligungen des Klägers an den acht Einzelschiffsgesellschaften M. H.C1 GmbH & Co. KG, M. H.C2 GmbH & Co. KG, M. H.C3 GmbH & Co. KG, M. H.C4 GmbH & Co. KG, P. H.D1 GmbH & Co. KG, P. H.D2 GmbH & Co. KG, P. H.D3 GmbH & Co. KG und der H.C1 GmbH & Co. KG zum Nennwert von 50.000 € zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten sich mit der Annahme des Angebots auf Abtretung der Rechte aus der jeweiligen Beteiligung des Klägers an den acht Einzelschiffsgesellschaften M. H.C1 GmbH & Co. KG, M. H.C2 GmbH & Co. KG, M. H.C3 GmbH & Co. KG, M. H.C4 GmbH & Co. KG, P. H.D1 GmbH & Co. KG, P. H.D2 GmbH & Co. KG, P. H.D3 GmbH & Co. KG und der H.C1 GmbH & Co. KG in Verzug befinden.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinn in Anspruch.
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Die Beklagten zu 1) bis 3) sind Gründungsgesellschafter von 8 Einschiffsgesellschaften, die zu dem Schiffsfonds „H. S. S. 26“ zusammengefasst sind, an dem sich Kapitalanleger entweder direkt oder als Treugeber über die dann als Treuhänderin fungierende Beklagte zu 2) beteiligen konnten. Die Beklagte zu 4) hat von der Beklagten zu 2) den Teilbetrieb „A. M. und T. S.“ im Wege der Abspaltung zur Übernahme übernommen.
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Bei vier der Fondsschiffe handelt es sich um sog. Produkten-/Chemikalientanker, die nach der Klassifikation der International Maritime Organisation (IMO) den Anforderungen des Typs II entsprechen, also insbesondere über beschichtete Tanks mit Doppelhülle verfügen. Weitere vier Schiffe sind sog. Plattformversorger, deren Aufgabe die Belieferung der Bohr- und Förderplattformen auf See mit Material und Versorgungsgütern ist.
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Wegen der Einzelheiten der Anlage wird auf den als pdf-Datei zur Akte gereichten Emissionsprospekt vom 7.2.2008 samt der dort beispielhaft abgedruckten Verträge (Gesellschaftsvertrag, Treuhandvertrag) bezüglich eines der Fondsschiffe verwiesen. Auf den Seiten 36 ff. des Prospekts wird das Marktumfeld unter Bezugnahme auf eine Studie des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) dargestellt. Einleitend heißt es: „Die folgenden Ausführungen sind dem Marktbericht des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) vom 9. Januar 2008 entnommen, der im Auftrag der HCI Hanseatische C... Gesellschaft mbH erstellt worden ist.“
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Der Kläger beteiligte sich in der Weise an dem Fonds, dass er sich von einem Anlagenvermittler, dem Gesellschafter und Geschäftsführer der P.V. GmbH J.M., einen von diesem zunächst für eigene Rechnung als Treugeber erworbenen Anteil im Nennwert von 50.000 € übertragen ließ. Dies vollzog sich in der Weise, dass zunächst M. die Beklagte zu 2) mit dem Erwerb und der treuhänderischen Verwaltung von Kommanditanteilen an den Fondsgesellschaften beauftragte, also sich treuhänderisch an den Schiffsgesellschaften beteiligte, wobei ausweislich des Zeichnungsscheins vom 2.4.2008 (Anlage K 47) der hier streitgegenständliche Emissionsprospekt vom 7.2.2008 der Zeichnung zugrunde lag. Zusätzlich zu der Beteiligungssumme war hierbei ein Agio von 5 % zu leisten. Anschließend schlossen der Kläger und M. einen Treuhandvertrag, nach dem der Erwerb hinsichtlich eines Anteils an dem Fonds im Nominalbetrag von 50.000 € treuhänderisch für den Kläger erfolge (Anlage K 47). Mit weiterem Vertrag vom 28.4./2.6.2009 vereinbarten der Kläger und M., die Beteiligung auf den Kläger zu übertragen. Bereits am 14.4.2008 trat M. Schadensersatzansprüche, insbesondere aus Prospekthaftung im weiteren Sinn wegen der Beteiligung an dem Fonds H. S. S. 26 an den Kläger ab (Anlage K 48).
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Ausschüttung hat der Kläger nicht erhalten.
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Mit Schreiben vom 7.10.2013 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagten zur Begleichung der Klageforderung auf.
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Der Kläger trägt vor, der Emissionsprospekt weise eine Reihe von Fehlern auf. Insbesondere ergebe ein Abgleich des Marktberichts des ISL und der Prospektausführungen, dass bewusst die Informationen aus dem Bericht nicht mit in den Prospekt aufgenommen worden seien, die eine Relativierung der Marktaussichten beinhalteten. Wegen der Einzelheiten der gerügten Prospektfehler wird auf die Schriftsätze des Klägers, insbesondere die Klageschrift und den Schriftsatz vom 30.4.2014 Bezug genommen. Infolge der Prospektfehler stehe ihm ein Schadensersatzanspruch zu, der neben der Beteiligungssumme inkl. Agio auch den entgangenen Anlagegewinn in Höhe von 2 % des Bruttoanlagebetrags umfasse.
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Der Kläger beantragt nach mehrfacher Umstellung seines Zahlungsantrags,
1.
- 10
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 57.217,81 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 16.10.2013 Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus den Beteiligungen des Klägers an den acht Einzelschiffsgesellschaften M. H.C1 GmbH & Co. KG, M. H.C2 GmbH & Co. KG, M. H.C3 GmbH & Co. KG, M. H.C4 GmbH & Co. KG, P. H.D1 GmbH & Co. KG, P. H.D2 GmbH & Co. KG, P. H.D3 GmbH & Co. KG und der H.C1 GmbH & Co. KG zum Nennwert von 50.000 € zu zahlen;
2.
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festzustellen, dass die Beklagten sich mit der Annahme des Angebots auf Abtretung der Rechte aus der jeweiligen Beteiligung des Klägers an den acht Einzelschiffsgesellschaften M. H.C1 GmbH & Co. KG, M. H.C2 GmbH & Co. KG, M. H.C3 GmbH & Co. KG, M. H.C4 GmbH & Co. KG, P. H.D1 GmbH & Co. KG, P. H.D2 GmbH & Co. KG, P. H.D3 GmbH & Co. KG und der H.C1 GmbH & Co. KG in Verzug befinden;
3.
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festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger auch jeden weiteren Schaden, der künftig aus der Beteiligung des Klägers an den acht Einzelschiffsgesellschaften M. H.C1 GmbH & Co. KG, M. H.C2 GmbH & Co. KG, M. H.C3 GmbH & Co. KG, M. H.C4 GmbH & Co. KG, P. H.D1 GmbH & Co. KG, P. H.D2 GmbH & Co. KG, P. H.D3 GmbH & Co. KG und der H.C1 GmbH & Co. KG resultiert, zu ersetzen.
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Die Beklagten und die Nebenintervenientin beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie tragen vor, die Klageanträge seien mangels hinreichender Bestimmtheit bereits unzulässig, denn es bleibe unklar, auf welche Rechte sich die Übertragung Zug um Zug gegen Zahlung des begehrten Schadensersatzes beziehe. Hinsichtlich der Feststellungsanträge fehle es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Prospektmängel bestünden nicht, zudem müssten die Beklagten mangels in Anspruch genommenen persönlichen Vertrauens für solche, sofern sie vorlägen, nicht haften. Im Übrigen erheben die Beklagten die Einrede der Verjährung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 2.2.2015 und 29.9.2015 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Die Klage hat überwiegend Erfolg. Hinsichtlich des Leistungsantrags (Klageantrag zu 1) ist die Klage insgesamt zulässig und überwiegend begründet (hierzu u. a); hinsichtlich des Antrags zu 2) ist sie zulässig und begründet (hierzu u. b); hinsichtlich des Antrags zu 3) ist sie allerdings unzulässig (hierzu u. c.).
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a) Die Schadensersatzklage ist zulässig und überwiegend begründet.
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aa) Die Zahlungsklage ist in der aus dem in der Klageschrift angekündigten Sachantrag zu 1. weiterhin rechtshängig. Die im Termin vom 2.2.2015 erklärte Teilklagerücknahme ändert hieran nichts. Sie ist bereits nicht wirksam erklärt worden, denn es bleibt völlig unklar, auf welchen Teil des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs sie sich beziehen sollte. Seite 54 des Schriftsatzes vom 30.4.2015, auf den der Klägervertreter ausweislich des Protokolls ausdrücklich Bezug genommen hat, ist eine Ermäßigung der Klageforderung nicht zu entnehmen. Vor diesem Hintergrund ist der im Termin vom 29.9.2015 gestellte Klageantrag zu 1. nicht erneute als Klageerweiterung nach vorausgegangener Teilklagerücknahme, sondern lediglich als Klarstellung zu beurteilen.
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bb) Soweit die Beklagten Zulässigkeitsbedenken aus der Formulierung der Zug um Zug angebotenen Gegenleistung des Klägers herleiten wollen, vermag die Kammer ihnen nicht zu folgen. Die Klage ist insoweit hinreichend bestimmt. Der Kläger bietet die Abtretung sämtlicher Rechte aus der im Wege des Zweiterwerbs durch den Zedenten M. auf ihn übertragenen Beteiligung als Gegenleistung zu der begehrten Zahlung an. Welche Rechte dies sind, lässt sich zweifelsfrei aus dem streitgegenständlichen Prospekt und dem darin (exemplarisch) abgedruckten Vertragswerk entnehmen. Eine Formulierung des Antrags, bei der sämtliche mit der Stellung als Treugeber verbundenen Rechte ausdrücklich einzeln wiedergegeben würden, erscheint weder praktikabel noch erforderlich.
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cc) Die Klage ist in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe auch begründet.
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(1) Dem Kläger steht ein auf Rückabwicklung der Beteiligung, mithin auf Rückzahlung der Beteiligungssumme zzgl. Agio Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Beteiligung gerichteter Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinn wegen der Verletzung ihnen obliegender vorvertraglicher Aufklärungspflichten zu.
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(a) Die Beklagten zu 1) - 3) waren als Gründungsgesellschafter der als Publikumsgesellschaft konzipierten Emittentin aufgrund einer vorvertraglichen Sonderbeziehung gem. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB später kommanditistisch beitretenden Anlegern gegenüber zur Aufklärung über alle für die Anlageentscheidung maßgeblichen Umstände verpflichtet. Sie mussten dem Beitrittsinteressenten infolgedessen ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermitteln, d.h. ihn über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig, verständlich und vollständig aufklären (BGH, a.a.O.; Urt. v. 1.3.2011, II ZR 16/10; Urt. v. 9.7.2013, II ZR 9/12, juris).
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Dies gilt auch, soweit sich der Anleger – wie hier – nicht unmittelbar, als Direktkommanditist, sondern nur als Treugeber über einen Treuhandkommanditisten an der Fondsgesellschaft beteiligt, wenn der Treugeber nach den Regelungen den vertraglichen Regelungen wie ein unmittelbar beigetretener Kommanditist behandelt werden soll (vgl. nur BGH, Urt. v. 23.4.2012, II ZR 211/09, juris Rn. 10 m.w.N.). Dies ist, wie der Kläger zutreffend geltend macht, hier der Fall. So wird nach § 5 Nr. 2 des Treuhandvertrags, auf den die Gesellschaftsverträge ausdrücklich Bezug nehmen (§ 3 Nr. 4) der Treugeber im Innenverhältnis wirtschaftlich einem unmittelbaren Kommanditisten gleichgestellt. Nach § 4 der Treuhandverträge unterliegt die Treuhänderin (Bekl. zu 2) bei der Ausübung von Rechten aus dem Gesellschaftsvertrag den Weisungen des Treugebers. Dieser kann gem. § 10 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags die auf seinen Anteil entfallenden Rechte auch selbst ausüben.
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(b) Dieser Verpflichtung sind die Beklagten vorliegend nicht nachgekommen mit der Folge, dass sie dem Kläger den aus seiner fehlerhaften Anlageentscheidung entstandenen Schaden (neg. Interesse) zu ersetzen haben, §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 BGB. Für die Beklagte zu 4) folgt dies aus den genannten Vorschriften in Verbindung mit § 133 Abs. 1 UmwG.
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Dabei kann offenbleiben, ob die Aufklärungspflicht die Beklagten auch im Verhältnis zu dem Kläger traf, der die Fondsbeteiligung nicht direkt zeichnete, sondern von dem Treugeber M. erwarb. Denn jedenfalls kann der Kläger Schadensersatz aus abgetretenem Recht aufgrund der Abtretungserklärung vom 14.4.2008 (Anlage K 47) verlangen. Die abgetretene Forderung war in der Person des Zedenten bereits entstanden, denn der Schaden besteht bei einem fehlerhaften Beitritt zu einer Anlagegesellschaft in der Beteiligung als solcher (vgl. BGH, Urt. v. 23.4.2012, II ZR 211/09, juris Rn. 33). Bereits dem Beitritt des Zedenten lag der streitgegenständliche Prospekt zugrunde. Eine ordnungsgemäße Aufklärung konnte hierdurch nicht erfolgen, denn der Prospekt ist fehlerhaft. Soweit die Beklagten meinen, dass der Zedent nicht aufklärungsbedürftig gewesen sei, lässt ihr Vortrag, worauf sie in der mündlichen Verhandlung vom 15.9.2015 hingewiesen worden sind, ausreichende tatsächliche Substanz vermissen. Dass der Zedent Emissionen von Schiffsgesellschaften „begleitet“ habe und „Experte“ im Bereich geschlossener Schiffsfondsbeteiligungen gewesen sei, sagt über seine Kenntnisse der konkreten Anlage erkennbar nicht genügend aus. Insbesondere haben die Beklagten nicht schlüssig dargelegt, dass dem Zedenten die Abweichung der Darstellung des Marktumfeldes in dem Prospekt von dem hierfür als Referenz herangezogenen ISL-Marktbericht bekannt gewesen sei (vgl. zu diesem Prospektfehler sogleich).
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(c) Wie der Kläger zu Recht geltend macht, vermittelt der Prospekt dem Anleger ein unzutreffendes, nämlich zu positives Bild des relevanten Marktumfeldes der Fondsschiffe und damit der Chancen des Investments, indem er sich bei der Darstellung dieses Komplexes auf die Marktstudie eines von den Prospektherausgebern unabhängigen Instituts (ISL Bremen) beruft, dessen Einschätzung aber nur unvollständig und – durch die Auslassungen – auch partiell sinnentstellend wiedergibt. An dieser Einschätzung hält die Kammer auch unter Berücksichtigung der nachgereichten Schriftsätze der Beklagten und der Nebenintervenientin fest, die demzufolge keinen Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bieten.
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Zwar ist es weder zwingend erforderlich, vor der Emission eines Kapitalanlageprodukts dessen Chancen und Risiken gutachterlich untersuchen zu lassen, noch muss ein Prospekt, falls eine solche Untersuchung gleichwohl – freiwillig – in Auftrag gegeben worden ist, deren Inhalt in jedem Fall vollständig in dem Emissionsprospekt wiedergeben. Insofern ist es im vorliegenden Fall nicht prinzipiell zu beanstanden, dass die Marktstudie des ISL nur auszugsweise wiedergegeben worden ist, was auf S. 36 des Prospekts durch die Formulierung „entnommen“ auch offengelegt wird.
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Fehlerhaft ist aber, dass die Auslassungen den Sinn der gekürzt wiedergegebenen Aussagen der Studie verzerren. Dabei kommt es weder darauf an, ob der Markbericht bewusst und in der Absicht, die Anleger zu täuschen, unvollständig wiedergegeben wurde, noch darauf, ob auch das von der wahren Einschätzung des ISL abweichende Bild, das durch die Auslassungen entsteht, insbesondere im Hinblick auf die prognostischen Elemente, als eine ihrerseits noch vertretbare Darstellung des Marktumfeldes angesehen werden muss.
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Entscheidend ist vielmehr allein, dass das Institut tatsächlich eine weniger positive bzw. weniger sichere Einschätzung der Anlage hat, als dies dem Leser des Prospekts vermittelt wird, und daher eine unzutreffende Richtigkeitsgewähr für die im Prospekt enthaltenen Angaben behauptet wird. Die Darstellung des Marktumfeldes in dem Prospekt ist mit anderen Worten nicht deshalb unzutreffend, weil ihre Annahmen objektiv falsch wären, wohl aber deshalb, weil der Leser ihr die Behauptung entnehmen muss, das ISL schätze das Marktumfeld wie im Prospekt angegeben ein, während es in Wahrheit zu einem jedenfalls in der Begründung zurückhaltenderen Urteil gelangt ist. Bereits durch diese Abweichung wird in das Selbstbestimmungsrecht des Anlageinteressenten, in eigener Entscheidung und Abwägung des Für und Wider darüber zu befinden, ob er in das Projekt investieren will oder nicht (vgl. BGH, a.a.O.; Urt. v. 2.3.2009, II ZR 266/07, juris Rn. 6), eingegriffen.
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Der Berufung auf das Urteil eines außenstehenden Dritten, der an dem Erfolg der Anlage kein wesentliches eigenes Interesse hat, die Anlage also von einem mehr oder weniger neutralen Standpunkt aus bewertet hat, wird für die Anlageentscheidung üblicherweise ein erhebliches Gewicht zukommen, weil sie die Einschätzung des Emittenten, dass sich die Beteiligung voraussichtlich lohnen werde, nach Art eines Gütesiegels bestätigt. Gerade hierin liegt offenkundig der Grund für die Aufnahme der Angaben des ISL in den Prospekt. Diesen Zweck können sie aber selbstverständlich nur erfüllen, wenn sie unverfälscht wiedergegeben werden. Dabei muss nicht nur das Gesamturteil zutreffend mitgeteilt werden. Vielmehr müssen auch die Argumente, mit denen der Dritte seine Einschätzung substantiiert (soweit sie überhaupt wiedergegeben werden und sich der Prospekt nicht nur auf die Mitteilung beschränkt, dass ein Dritter zu einer positiven Einschätzung der Erfolgsaussichten der Anlage gekommen sei) in einer Weise referiert werden, die dem Leser den Nachvollzug des auf sie gestützten Gesamturteils ermöglicht. Dort, wo der sachkundige Dritte Gesichtspunkte, die einer von ihm letztlich angenommenen positiven Marktentwicklung und Wirtschaftlichkeitsprognose der Anlage entgegenstehen könnten, dürfen diese nicht verschwiegen werden. Vielmehr muss ein abgewogenes, aus der Gegenüberstellung von Pro- und Contra-Argumenten entwickeltes Urteil auch als solches dargestellt werden, damit der Anleger dessen Plausibilität nachvollziehen und prüfen kann. Ob hierin - wie die Beklagten meinen - eine Schlechterstellung desjenigen Prospektverantwortlichen liegt, der den Prospekt, ohne hierzu verpflichtet zu sein, durch das Gutachten eines Sachverständigen vorbereiten lässt, ist für die Frage eines Prospektfehlers unerheblich. Im Übrigen vermag die Kammer eine unangemessene Schlechterstellung aber auch nicht zu erkennen. Denn es darf nicht übersehen werden, dass derjenige Prospektverfasser, der sich entschließt, die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens in seine Darstellung des Anlageprojekts einfließen zu lassen, dies wie bereits angedeutet, durchaus nicht nur uneigennützig tun wird, sondern durch die Berufung auf das Urteil eines Dritten den Eindruck einer gesteigerten Zuverlässigkeit seiner Validitätsbehauptung vermittelt.
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Eine nach diesem Maßstab fehlerfreie Wiedergabe ist den Prospektverantwortlichen im vorliegenden Fall indes nicht gelungen, wie ein Vergleich des mit „Marktumfeld“ überschriebenen Abschnitts des streitgegenständlichen Prospekts (Anlage K 1, S. 36 ff.) und der ISL-Marktstudie (Anlage K 19) belegen.
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(aa) Nachdem der Kläger unter Hervorhebung von Beispielen insgesamt gerügt hat, dass ein Abgleich zwischen dem Marktbericht des ISL und den Prospektausführungen deutlich mache, dass bewusst Informationen aus dem Bericht nicht in den Prospekt aufgenommen worden seien, die eine Relativierung der Marktaussichten beinhalteten, sieht sich die Kammer durch den zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz nicht gehindert, weitere Abweichungen als die vom Kläger im Schriftsatz vom 30.4.2014 ausdrücklich erörterten in die rechtliche Würdigung einzubeziehen. Diese Würdigung kann auch ohne weiteres anhand eines Vergleichs beider Dokumente vorgenommen werden. Soweit die Beklagten sich auf das Zeugnis Prof. L. (ISL) dafür berufen, dass die Prospektdarstellungen die Markteinschätzungen des Instituts nicht verfälschten, war dem Antrag nicht nachzugehen, denn es ist nicht erkennbar, welche (über den Vergleich beider Dokumente hinausgehenden) Tatsachen der Zeuge sollte bekunden können.
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(bb) Der Vergleich des Marktberichts (Ausdruck K 19) und des Prospekts (K 1) zeigt, dass in letzterem bereits eingangs der Darstellung der Entwicklung der relevanten Märkte, nämlich bei den Ausführungen zum Seehandel mit Chemikalien, wesentliche Aspekte verschwiegen und damit der Eindruck eines sichereren Prognosefundaments erweckt wird als in der Studie selbst. Auf S. 39 des Prospekts wird als ein für eine gute Marktentwicklung sprechendes Argument angegeben, dass die IMO (International Maritime Organisation) seit Anfang 2007 schärfere Transportvorschriften umsetze. Es wird mitgeteilt, dass sich für pflanzliche Öle, Fette und andere wichtige Chemikalienladungen die Transportregeln verschärfen. Hierin wird vor dem Hintergrund, dass die Fondsschiffe der Schiffsklasse angehören, die die schärferen Anforderungen bereits erfüllt (Typ II-Tanker), ein Vorteil für die Beschäftigungsprognose der Schiffe gesehen. Verschwiegen wird allerdings zum einen, dass neben den den Fondsschiffen potentiell zugutekommenden Verschärfungen auch Lockerungen eingetreten sind, durch die bestimmte Marktsegmente auch konkurrierenden Schiffen ohne Klassifizierung oder der niedrigeren Klasse „Typ III“ geöffnet werden. Auch wenn dies nur Chemikalien mit relativ geringem Aufkommen betreffen mag, handelt es sich um eine Information, die in das Gesamturteil der Studienverfasser eingeflossen ist und von ihnen daher für erwähnenswert gehalten worden ist (vgl. K 19, S. 8, 2. Absatz). Weiter unterscheidet sich die Darstellung im Prospekt von jener in der Studie dadurch, dass der Begriff „andere wichtige Chemikalien“ in der Aussage über die verschärften Transportvorschriften nur in der Studie, nicht aber in dem Prospekt erläutert wird. Heißt es auf S. 39 des Prospekts wörtlich: „Insbesondere für pflanzliche Öle, Fette und andere wichtige Chemikalienladungen verschärfen sich die Transportregeln. Sämtliche in dieser Gruppe vorhandenen Güter dürfen nur noch in IMO Typ II Tankern – in Ausnahmefällen in Typ II/III Tankern – transportiert werden“, so bleibt nicht nur unklar, was mit „Typ II/III-Tankern“ gemeint sein könnte und wann ein solcher Ausnahmefall vorliegt. Der Anleger erfährt vielmehr – anders als der Leser der Studie – auch nicht, dass sich die Verschärfung zugunsten der Tanker, die im Mindestmaß dem Typ II angehören, nur auf zwei Marktsegmente bezieht, nämlich die Stoffe UAN und Xylol (vgl. K 19, S. 8, 2. u. 3. Abs.), welche ausweislich der ISL-Studie lediglich 6 % Anteil an der Chemikalienfahrt haben (Xylol, vgl. a.a.O., S. 7) bzw. nur überhaupt unter „Sonstige“ aufgelistet werden (UAN). Ebenso wenig wird der Befund der Studie mitgeteilt, dass Methanol und Ethylenglycol, die nach der Studie zu den Hauptgütern im Bereich der organischen Verbindungen gehören (a.a.O., S. 7, Graphik und S. 8, 3. Abs.), auch weiterhin nicht auf Typ II Tanker angewiesen ist, sondern auch von Tankern des Typs III gefahren werden können. Zwar kann sich auch dies bereits positiv auf die Beschäftigung der im Fonds enthaltenen Chemikalientanker auswirken, weil immerhin Schiffe, die nicht einmal die Anforderungen des Typs III erfüllen künftig nicht mehr im Markt der Methanoltransporte konkurrieren können. Dennoch muss es für den Leser des Prospekts fern liegen, dass ausgerechnet die aufkommensstärksten organischen Chemikalien nicht in der Gruppe der „wichtigen Chemikalienladungen“ enthalten sind, die „sämtlich“ einer Verschärfung auf Typ II (und nur in Ausnahmefällen auch Typ II/III) unterliegen.
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Dieser unzutreffende Eindruck wird im Folgenden bestärkt. Wenn auf S. 40 des Prospekts (2. Abs.) die relativierende Bemerkung der Studie wiedergegeben wird, dass sich nur schwer sagen lasse, ob die von der Reklassifizierung betroffenen Chemikalien (81,9 Mio. t) komplett oder nur zu größeren Teilen zusätzliches Marktpotential für Schiffe des Typs II erschließen werden, handelt es sich zwar um ein zutreffendes Zitat (vgl. Anl. K 19, S. 8). Allerdings ergibt sich aus der Studie, dass die genannte Menge (81,9 Mio. t) auch Substanzen umfasst, die lediglich auf Typ III hochgestuft wurden, also zuvor keinen Anforderungen unterlagen, nun aber von Tankern gefahren werden müssen, die mindestens die Anforderungen des Typs III erreichen (vgl. K 19, S. 22, Fußnote 5). Wird diese Information aber, wie im vorliegenden Prospekt, dem Leser vorenthalten, wird er naheliegenderweise davon ausgehen, dass es sich bei dem angegebenen Volumen insgesamt um auf Typ II hochgestufte Chemikalien handelt. Denn die Unsicherheit in der Frage, ob „diese Mengen“ komplett oder nur zu größeren Teilen zusätzliches Marktpotential für Typ II-Tanker darstellen, wird allein damit erklärt, dass die betroffenen Substanzen zum Teil auch bisher schon (auch ohne zwingende Vorgabe) von diesem Schiffstyp transportiert worden sein können – auf die Möglichkeit, dass die Transporte stattdessen durch Typ III-Tanker durchgeführt werden könnten, wird hingegen gerade nicht verwiesen.
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Hinzu kommt, dass auch die Einschätzung des ISL zu der Gesamtmenge der im Jahr 2006 transportierten organischen Chemikalien zwar zutreffend mit 74,5 Mio. t angegeben wird (vgl. Ausdruck K 19, S. 39, vorvorletzter Absatz), der Vorbehalt, den das Institut in seinem Marktbericht hinsichtlich der Belastbarkeit dieser Zahl ausdrücklich anmeldet („Aufgrund dessen ist es schwierig, Angebot Produktion und Nachfrage aller organischer Chemikalien abzuschätzen.“, vgl. Marktbericht, S. 8 o.), dem Prospektleser aber vorenthält. Insoweit ist dem Prospekt zwar zuzugestehen, dass Prognosen immer eine gewisse Unsicherheit anhaftet und dass dieses Wissen bei einem durchschnittlichen Prospektleser vorausgesetzt werden darf. Zu beachten ist allerdings, dass die grundsätzliche Ungewissheit prognostischer Einschätzungen selbstverständlich auch einem Sachverständigen wie hier dem ISL nicht unbekannt ist. Angesichts dessen drängt sich aber die Annahme auf, dass mit der expliziten Hervorhebung der Schwierigkeit, den Markt „aller organischer Chemikalien“ einzuschätzen, auf eine besondere, über die allgemein bestehenden Unsicherheiten bei der Prognostizierung von Marktentwicklungen hinausgehende Ungewissheit hingewiesen werden sollte, die dann auch den Anlageinteressenten mitgeteilt werden muss, um sie in die Lage zu versetzen, die Belastbarkeit der Ergebnisse der Marktstudie zu beurteilen.
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Entsprechendes gilt für die Ausführungen über den Seehandel mit Öl und Ölprodukten (Anlage K 1, S. 40). Auch hier werden zwar die differenzierenden Überlegungen der ISL-Studie, wonach sich auch in diesem Marktsegment Schwäche- und Boomphasen der Wirtschaft niederschlagen können, wiedergegeben. Soweit dann im darauffolgenden Absatz unter der Überschrift „Entwicklung des Welt-Ölverbrauchs“ der Entwicklungstrend „insgesamt als positiv“ bezeichnet wird, stimmt auch dies zwar mit der entsprechenden Aussage auf S. 10 der Studie im Wesentlichen überein. Dasselbe gilt für die auf S. 40 des Prospekts übernommene graphische Darstellung der Prognose. Nicht mitgeteilt wird indes, dass das ISL einen hervorhebenswerten Unsicherheitsfaktor in den „gegenwärtigen Turbulenzen auf den Finanzmärkten“ sieht. Indem die Aussage der Studie, wonach sich diese Turbulenzen möglicherweise auf die Ölnachfrage auswirken könnten, nicht wiedergegeben wird, muss die – graphisch – unterlegte Prognose der Marktentwicklung im Prospekt sicherer erscheinen, als sie dies nach der eigenen Einschätzung der Studienverfasser tatsächlich ist.
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Der Prospektfehler setzt sich schließlich bei der Darstellung des Marktumfeldes der Plattformversorger fort. So hält es die ISL-Studie für erwähnenswert, dass in den 1970er Jahren deutsche Reedereien in diesem Segment tätig waren, von denen allerdings eine aufgelöst wurde und die andere sich mangels Unterstützung durch nationale Charterer aus dem Geschäft zurückgezogen habe, und dass in der Folge die Eigner heute fast ausschließlich in den ölfördernden Ländern ansässig seien (vgl. K 19, S. 24, 2. Abs.). Den Lesern des Prospekts werden diese Informationen aber nicht übermittelt (vgl. K 1, S. 49). Aus der abgedruckten Graphik (Abb. 14) der zehn führenden Eignerländer für Versorger kann allenfalls der zweite Teil der Aussage erschlossen werden, nämlich dass die Eigner von Plattformversorgern „fast ausschließlich“ oder zumindest ganz überwiegend in den ölfördernden Ländern ansässig sind – und dies auch nur von demjenigen Anlageinteressenten, der weiß, welche Länder Öl fördern, und von sich aus diesen gedanklichen Zusammenhang herstellt. Nun erscheint es zwar an sich nicht als zwingend, die bisherigen Eignerländer und länger zurückliegende Misserfolge deutscher Reeder zu beleuchten, um die Erfolgsaussichten des Anlageprojekts einzuschätzen. Vielmehr lässt sich durchaus vertreten, dass derartige Umstände ohne wesentliche Aussagekraft für den Markterfolg der Anlageschiffe sei. Dies ändert aber nichts daran, dass das ISL dies offenbar anders beurteilt und diese Gesichtspunkte durchaus für relevant gehalten hat, da es sie anderenfalls unerwähnt gelassen hätte. Grund hierfür kann nur sein, dass das Institut als ein immerhin mögliches Risiko darstellen wollte, dass die Ölförderer Aufträge bevorzugt an in ihren Ländern ansässige Reeder vergeben und ein Markteintritt eines Reeders aus einem nicht ölfördernden Land daher mit Schwierigkeiten verbunden sein könnte. Diesen Gesichtspunkt kann der Anlageinteressent aber aufgrund des Prospekts nicht nur nicht für sich bewerten, weil er ihm nicht mitgeteilt wird; vielmehr entsteht durch die selektive Wiedergabe der Studie auch ein positiverer Gesamteindruck von den Markteintrittschancen, indem ohne die soeben wiedergegebenen Vorbehalte der Studie zitiert wird: „Noch dominieren die USA…“ (vgl. Anl. K 2, S. 49; Hervorh. nur hier).
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Überdies erfährt der Leser des Prospekts im Gegensatz zu demjenigen der Studie (vgl. K 19, S. 27) nicht, dass beim Auftragsbestand im Zeitpunkt der Erstellung der Studie die kombinierten Ankerzieh-Versorger stärker gefragt sind als die reinen Plattformversorger, zu denen die im Fonds befindlichen Versorgerschiffe gehören.
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Die Kammer verkennt nicht, dass auch diese Informationen keinesfalls ausschließen, dass die Fondsschiffe gleichwohl erfolgreich betrieben werden konnten. Sie hält aber die Umstände, die das ISL hier selbst als hervorhebenswert erachtet, um seine Marktanalyse zu substantiieren und zu plausibilisieren, unter den gegebenen Umständen auch für prospektierungspflichtig. Denn wie bereits ausgeführt müssen dem Anleger, dem die Beteiligung unter Berufung auf das sachverständige Urteil des ISL als aussichtsreich dargestellt wird, auch diejenigen Erwägungen mitgeteilt werden, durch die das Institut gleichsam Wasser in den Wein seiner insgesamt optimistischen Einschätzung oder deren Anknüpfungstatsachen gießt. Die Wiedergabe der Studie verfolgt ja offensichtlich den Sinn, dem Anlageinteressen nicht nur das Urteil des ISL mitzuteilen – dem er vertrauen oder misstrauen kann –, sondern ihn gerade in die Lage zu versetzen, dieses Urteil unter Anlegung seiner eigenen Maßstäbe an Risikofreudigkeit und Chancenstreben nachzuvollziehen und aufgrund fundierter Überlegungen zu übernehmen oder aber abzulehnen.
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Schließlich ist auch die Wiedergabe der Ausführungen der Studie zu den Schiffsbaupreisen (K 1, S. 52) erheblich unvollständig geraten. Zwar wird gleich eingangs der Darstellung mitgeteilt, dass die Baupreise am Schiffsmarkt zum Teil erheblichen Schwankungen unterworfen seien und von verschiedenen Faktoren beeinflusst würden. Wenn im Folgenden aber der Stahlpreis als ein wesentlicher Teil dieser Faktoren dargestellt wird, so entfernen sich die diesbezüglichen Ausführungen so weit von der Studie, dass auch hier von einer Verzerrung des Aussagegehalts gesprochen werden muss. So endet der Absatz, in dem die Einflussfaktoren auf den Baupreis dargestellt werden, im Prospekt mit der Aussage, dass Stahl insbesondere aus China weiterhin stark nachgefragt werde, was den Leser eher zu der Annahme steigender als fallender Baupreise veranlassen wird und damit aus Sicht eines Interessenten an der Beteiligung an bereits hergestellten Schiffen als Vorteil wahrgenommen werden wird. Im Folgenden wird dann zwar nicht verschwiegen, sondern vielmehr textlich und graphisch ausdrücklich mitgeteilt, dass es bis zum Jahr 2003 zu einem Rückgang der Neubaupreise gekommen sei (K 1, S. 52), sodann heißt es aber, dass seither wieder ein leichter Zuwachs verzeichnet würde; zudem zeigten aktuelle Verkäufe von neuen Schiffen des fraglichen Typs, dass die tatsächlich realisierten Werte oberhalb der Indikatoren lägen (a.a.O., S. 53). Insgesamt wird also die Erwartung tendenziell steigender Preise geweckt. Demgegenüber kommt die Studie geradezu zu einer gegenteiligen Tendenzaussage, indem dort (im Prospekt nicht wiedergegeben) ausgeführt wird: „Vor dem Hintergrund dieser verschiedenen Einflussfaktoren ist ein eindeutiger Trend bei den Baupreisen nicht immer erkennbar. Hinzu kommen u.U. versteckte oder offene Beteiligungen oder Finanzierungsmodalitäten seitens der Werften, die sich in einem höheren Preis niederschlagen können. Tendenziell ist durch Produktivitätsfortschritte und den Markteintritt von Wettbewerbern aus Niedriglohnländern mit im Zeitverlauf sinkenden Baupreisen im Schiffbau auszugehen.“ (Ausdruck K 19, S. 29; Hervorh. nur hier).
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Dass die Baupreise nur einen Teil des Kaufpreises ausmachen, wie die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht haben, ist gewiss zutreffend, ändert aber nichts daran, dass die Studie selbst die Baupreise als für den Markterfolg der Anlageschiffe relevanten Faktor relativ breit und abwägend erörtert und dies dem Anleger, dem die Erfolgsaussichten der Anlage unter Berufung auf das ISL vermittelt werden sollen, daher nicht unter Weglassung einschränkender oder relativierender Angaben mitgeteilt werden darf.
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(cc) Diese Defizite bei der Wiedergabe des Marktberichts sind jedenfalls in ihrer Summe als Prospektfehler einzustufen. Kammer verkennt dabei nicht, dass es bei der Beurteilung eines Emissionsprospekts stets auf die Gesamtschau ankommt. Ob ein Prospekt unrichtige oder unvollständige Angaben enthält, ist nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das sich bei einer von dem Anleger zu erwartenden sorgfältigen und eingehenden Lektüre des Prospekts ergibt (BGH, ZIP 2013, 315 NJW-RR 2012, 1312). Auch nach dieser Maßgabe stellt sich die beschriebene Wiedergabe der zur Gewähr herangezogenen ISL-Marktstudie aber als Fehler des Prospekts dar. Denn die selektive und dadurch sinnentstellende Wiedergabe des ISL-Marktberichts wird auch nicht durch den übrigen Inhalt des Prospekts richtiggestellt. Der Prospekt vermittelt dem Anlageinteressenten zwar insgesamt durchaus nicht den Eindruck, dass es sich um ein sicheres Investment handele, das sich wirtschaftlich zwingend positiv entwickeln müsse. Vielmehr wird das Risiko, dass sich aufgrund nicht vollständig prognostisch abschätzbarer Entwicklungen der Märkte auch ungünstigere Verläufe ergeben könnten, insgesamt durchaus mitgeteilt. In der Möglichkeit, einschätzen zu können, als wie wahrscheinlich ein solcher Misserfolg angesehen werden muss, wird der Anleger aber dadurch behindert, dass ihm eine in vielfacher Hinsicht zu positive Beurteilung durch eine sachkundige, neutrale Institution vorgespiegelt wird. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann dies auch nicht dadurch gleichsam ausgeglichen werden, dass bei der als Ergebnis der Überlegungen mitgeteilten Bewertung Abschläge gegenüber von dem ISL prognostizierten Zahlen vorgenommen werden, wie dies etwa bei den prognostizierten Charterraten für Plattformversorger der Fall ist, die das ISL (vgl. K 19, S. 34) höher angegeben haben mag als der Prospekt (vgl. K 1, S. 65 Abb. 8) - sofern es sich in beiden Fällen um Nettoangaben handelt, denn die Unterversorgung des Prospektlesers mit den Prognosegrundlagen wird hierdurch gerade nicht beseitigt.
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Auf die weiteren gerügten Prospektfehler kommt es daher nicht mehr an.
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(d) Die Aufklärungspflichtverletzung geschah auch schuldhaft. Die Beklagten haben sich nicht gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB entlastet. Die Pflichtverletzung war des Weiteren auch kausal für die Anlageentscheidung des Klägers. Die hierfür streitende Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens (vgl. BGH, Urt. v. 8.5.2012, XI ZR 262/10, juris) haben die Beklagten nicht entkräftet.
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(2) Der tenorierte Zinsanspruch ergibt sich aus § 286, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagten sind dem Vortrag der Klägerseite, wonach sie mit Anwaltsschreiben vom 7.10.2013 zur Zahlung aufgefordert worden sind, nicht entgegengetreten. Soweit der Kläger weiter vorträgt, in dem Schreiben eine Frist gesetzt zu haben, legt die Kammer seinen Vortrag dahingehend aus, dass die Frist vor dem geltend gemachten Zinsbeginn endete. Zum Zeitpunkt der Schreiben waren die Schadensersatzforderungen gegen die Beklagten auch bereits fällig (§ 271 BGB). Dass die Beklagten ohne Aufforderung des Klägers keinen Anlass hatten, den Schaden durch Rückabwicklung der Beteiligung zu begleichen, ändert nichts daran, dass sämtliche Voraussetzungen des Anspruchs bereits gegeben waren. Im Übrigen kann eine verzugsbegründende Mahnung auch mit einer die Fälligkeit erst bewirkenden Handlung verbunden werden (vgl. Palandt-Grüneberg, § 286 Rn. 16 m.w.N.). Mit dem Zugang der Schreiben sind die Beklagten daher mit dem tenorierten Schadensersatz in Verzug geraten. An den in der mündlichen Verhandlung vom 2.2.2015 insoweit geäußerten Zweifeln hält die Kammer nicht fest.
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(3) Der Schadensersatzanspruch, der gem. § 249 BGB auf die Rückabwicklung der Beteiligung gerichtet ist, ist auch nicht verjährt. Die Voraussetzungen der Regelverjährung gem. § 199 Abs. 1, 3 BGB sind nicht dargetan. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Kläger die Abweichung des Prospekts von den Aussagen der darin zitierten Marktstudie in verjährter Zeit bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen wäre. Dies gilt auch im Verhältnis zu der Beklagten zu 2). Insoweit ergibt sich aus der Verjährungsregelung des § 10 Abs. 4 der Treuhandverträge nichts anderes. Zwar verjährt danach ein Schadensersatzanspruch des Treugebers gegen die Treuhänderin bereits nach drei Jahren ab Kenntnis und sind innerhalb von sechs Monaten nach Kenntniserlangung durch eingeschriebenen Brief geltend zu machen, was der Kläger im vorliegenden Fall unterlassen hat. Allerdings bestehen schon Zweifel, ob eine Klausel im Treuhandvertrag überhaupt geeignet ist, die Verjährung von Ansprüchen aufgrund der Verletzung von Aufklärungspflichten zu regeln, die der Beklagten zu 2) bereits vor Abschluss des Treuhandvertrags und unabhängig von diesem, nämlich aus ihrer Stellung als Altgesellschafterin der kapitalsuchenden Gesellschaft obliegen. Letztlich kann dies im vorliegenden Fall aber offenbleiben. Denn es handelt sich bei der Verjährungsregelung um eine vorformulierte Haftungsbeschränkung, die sich an § 309 Nr. 7 b) BGB messen lassen muss (vgl. Palandt-Grüneberg, § 309 Rn. 45 m.w.N.) und dieser Kontrolle nicht standhält, weil sie sich ihrem Wortlaut nach auch auf Schadensersatzansprüche infolge groben Verschuldens bezieht.
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cc) Unbegründet ist die Leistungsklage (Antrag zu 1.) allerdings insofern, als der Kläger mit ihr entgangenen Anlagegewinn als Schadensersatz verlangt. Der Kläger hat trotz entsprechenden Hinweises der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 2.2.2015 seiner Darlegungs- und Beweislast dafür, dass und in welcher Höhe ihm durch das schädigende Ereignis ein solcher Zinsgewinn entgangen ist, nicht genügt. Insbesondere hat er nicht unter Beweisantritt vorgetragen, in welche Anlageform er investiert hätte, wenn er nicht dem streitgegenständlichen Fonds beigetreten wäre. Auf einen pauschalen Mindestschaden kann sich der Kläger auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 252 S. 2 BGB nicht berufen, da es - zumal bei einem Anleger, der wie der Kläger in andere als festverzinsliche Anlageformen investiert hat - nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht, dass eine Geldanlage überhaupt Gewinn abwirft (vgl. BGH, Urt. v. 24.4.2012, XI ZR 360/11, juris Rn. 18).
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Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten macht der Kläger nicht geltend. Zwar enthält die Klagebegründung (S. 83 der Klageschrift) Ausführungen hierzu. Ausweislich der Aufstellung S. 83 der Klageschrift aber nicht in die Klageforderung eingeflossen.
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b) Auch der Antrag zu 2) ist zulässig und begründet. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus §§ 756, 765 Nr. 1 ZPO. Die Beklagten befinden sich mit der Annahme der Gegenleistung in Verzug i.S.d. § 293 BGB. Das erforderliche wörtliche Angebot ist den Beklagten spätestens mit der Klageschrift zugegangen; mit Stellung ihres Klageabweisungsantrags haben sie es abgelehnt (vgl. BGH, NJW 1997, 581). Dass der Kläger eine geringfügig zu hohe Gegenleistung gefordert hat (s.u.), steht der Wirksamkeit seines Angebots nicht entgegen (vgl. Staudinger-Feldmann, § 295 BGB Rn. 19 m.w.N.).
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c) Der Feststellungsantrag zu 3. ist mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig. Es ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass dem Kläger weitere Schäden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohen. Insbesondere sind Ausschüttungen, deren Rückforderung der Kläger ggf. befürchten müsste, nicht erfolgt.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Das Teilunterliegen des Klägers betrifft zum einen den entgangenen Gewinn, bei dem es sich um eine gem. § 4 ZPO für den Gebührenstreitwert irrelevante Nebenforderung handelt (vgl. BGH, Beschluss v. 8.5.2012, XI ZR 261/10), zum anderen den Feststellungsantrag hinsichtlich der Haftung für künftige Schäden. Da der Kläger sein diesbezügliches Interesse nicht näher begründet hat, bewertet die Kammer den Antrag lediglich mit 5 % der Beteiligungssumme, so dass sich auch dieses Teilunterliegen des Klägers gem. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht auf die Kostentragung auswirkt.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus 709 ZPO.
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Referenzen
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- II ZR 16/10 1x (nicht zugeordnet)
- XI ZR 262/10 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 293 Annahmeverzug 1x
- BGB § 295 Wörtliches Angebot 1x
- BGB § 252 Entgangener Gewinn 1x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 2x
- BGB § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes 1x
- ZPO § 756 Zwangsvollstreckung bei Leistung Zug um Zug 1x
- II ZR 266/07 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 765 Vollstreckungsgerichtliche Anordnungen bei Leistung Zug um Zug 1x
- § 133 Abs. 1 UmwG 1x (nicht zugeordnet)
- XI ZR 261/10 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen 1x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 2x
- BGB § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis 2x
- BGB § 271 Leistungszeit 1x
- ZPO § 4 Wertberechnung; Nebenforderungen 1x
- II ZR 211/09 2x (nicht zugeordnet)