Urteil vom Landgericht Hamburg (8. Zivilkammer) - 308 O 281/15

Tenor

1. Der Beklagten wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann (zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten) - wegen jeder Zuwiderhandlung

untersagt,

Salz- und Pfeffer-Streu-Sets gemäß nachfolgender Abbildung

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anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Handlungen gemäß Ziffer 1. durch Vorlage einer verbindlich unterzeichneten Aufstellung, welche

a) Namen, Anschriften und Vertretungsverhältnisse der Hersteller, Lieferanten und gewerblichen Abnehmer des Verletzungsgegenstandes einschließlich der bestellten, erhaltenen und vertriebenen Mengen,

b) die Einkaufs- und Verkaufspreise sowie mit dem Verletzungsgegenstand erzielte Nettoumsätze einschließlich des erzielten Gewinns,

c) den genauen Umfang der mit dem Vertrieb des Verletzungsgegenstandes verbundenen Werbemaßnahmen

enthält. Diese Angaben sind durch Vorlage geeigneter Unterlagen wie Einkaufsrechnungen etc. zu belegen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, der aus dem Anbieten und/oder Inverkehrbringen des vorbezeichneten Salz- und Pfefferstreuer-Sets entstanden ist oder noch entstehen wird.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.044,40 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 05.08.2015 zu zahlen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen

6. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt – nach Durchführung des einstweiligen Verfügungsverfahrens – nun in der Hauptsache von der Beklagten, wegen angeblicher Urheberrechtsverletzung den Vertrieb von in Pferdeform gestalteten Salzstreuern zu unterlassen, und macht daneben Ansprüche auf Auskunft, Schadensersatzfeststellung sowie den Ersatz von Abmahnkosten geltend.

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Die Klägerin entwickelt und vertreibt als Großhändlerin Accessoires für Freunde des Pferdesports, darunter das nachfolgend dargestellte Salz- und Pfefferstreuer-Set (im Folgenden „Klagemuster“), das sich unter anderem so arrangieren lässt, dass der Eindruck sich kraulender Pferde entsteht (Anlage K 12 sowie die nachfolgend eingeblendeten Darstellungen aus dem Katalog 2010/2011, S. 4 der Klägerin, Anlage 6a).

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3

Die Beklagte, die unter anderem Werbeartikel vertreibt, bot über ihren Internetauftritt ein im Vergleich zum Klagemuster weitgehend ähnlich gestaltetes Salz- und Pfefferstreuer-Set (vgl. Bl. 10 dA; Anlage B 9) an, welches sie von der T. Handels GmbH & Co. KG bezog.

4

Die Klägerin macht geltend, der Vertrieb des beanstandeten Produkts verletze in erster Linie die ihr zustehenden ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte. Hilfsweise stützt sie ihr Begehren auf ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gemäß § 4 Nr. 3 UWG (§ 4 Nr. 9 UWG aF). Sie ist der Auffassung, die streitgegenständliche Gestaltung sei urheberrechtlich geschützt. Sie zeichne sich dadurch aus, dass sie zwei in moderner Linienführung stilisierte Pferdefiguren darstelle, deren Hälse seitlich so geneigt sind, dass sie – einander verschränkt gegenübergestellt – sich pferdetypisch gegenseitig zu „kraulen“ scheinen und zugleich als Salz- und Pfefferstreuerset verwendet werden können, ohne dass diese Funktion sogleich offensichtlich wird. Vor dem hier streitgegenständlichen Entwurf habe es weder auf dem Markt der Geschenkartikel für Reitsportfreunde noch überhaupt im Bereich der Küchenartikel derart gestaltete Salz- und Pfefferstreuer-Sets gegeben (vgl. Anlagen 4); auch im Übrigen sei zu diesem Zeitpunkt keine auch nur annähernd ähnliche Ausgestaltung von Pferdefiguren aus Keramik bekannt gewesen (Anlage K 5). Die Klägerin behauptet, die bei ihr zunächst als kaufmännische Angestellte und sodann aufgrund ihres Talents gestalterisch tätige Angestellte, die Zeugin M. R., habe das streitgegenständliche Set im Herbst 2009 für die Klägerin und im Rahmen ihrer Arbeitszeit entworfen. Die gestalterische Aufgabe habe darin bestanden, eine einfache, aber klare und sofort als Pferd erkennbare Form zu entwickeln, die andererseits aber zugleich die technische Funktion eines Salz- und Pfefferstreuers gewährleisten sollte. Mit Ergänzungsvereinbarung vom 15.10.2003 (Anlage K 2) habe Frau R. der Klägerin für alle innerhalb ihres Arbeitsverhältnisses entwickelten Artikel und Designs ausschließliche und uneingeschränkte Nutzungsrechte eingeräumt.

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Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen

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1. es bei Meidung von gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, Salz- und Pfeffer-Streu-Sets gemäß nachfolgender Abbildung:

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anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen.

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2. der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Handlungen gemäß Ziffer 1. durch Vorlage einer verbindlich unterzeichneten Aufstellung, welche

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d) Namen, Anschriften und Vertretungsverhältnisse der Hersteller, Lieferanten und gewerblichen Abnehmer des Verletzungsgegenstandes einschließlich der bestellten, erhaltenen und vertriebenen Mengen,
e) die Einkaufs- und Verkaufspreise sowie mit dem Verletzungsgegenstand erzielte Nettoumsätze einschließlich des erzielten Gewinns,
f) den genauen Umfang der mit dem Vertrieb des Verletzungsgegenstandes verbundenen Werbemaßnahmen enthält. Diese Angaben sind durch Vorlage geeigneter Unterlagen wie Einkaufsrechnungen etc. zu belegen.

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3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, der aus dem Anbieten und/oder Inverkehrbringen des vorbezeichneten Salz- und Pfefferstreuer-Sets entstanden ist oder noch entstehen wird.

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4. an die Klägerin 1531,90 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie nimmt die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der Gestaltung in Abrede und macht geltend, diese nehme lediglich vorbekannte Ausdrucksformen auf und wiederhole diese. Es seien – was zwischen den Parteien unstreitig ist - vor dem Entwurf des in Rede stehenden Produkts auf dem Markt bereits gleichartige Pfeffer- und Salzstreuer-Sets in Tierform erhältlich gewesen, die nachfolgend dargestellt werden:

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Insofern seien bereits nahezu identische, in schwarz-weiß und in moderner Linienführung gehaltene Gestaltungen von Tierfiguren als Salz- und Pfefferstreuer-Sets bekannt gewesen, die auch so zusammengestellt werden könnten, dass sie sich umarmen. Die Übertragung dieser Gestaltungsmerkmale auf eine andere Tierart, nämlich die der Pferde, können die erforderliche Gestaltungshöhe nicht begründen.

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Zudem seien auch schon in der Vergangenheit Tierskulpturen in minimalistischer und abstrahierender Gestaltungsform bekannt, wie sich den Gestaltungen des Bildhauers Ewald Mataré ergebe (vgl. Anlagen B 5, B 6):

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Auch die Darstellung „sich kraulender“ Pferde sei nicht neu, wie sich der Darstellung eines Skulptur nach dem Entwurf „L’Accolade“ von Pierre-Jules Mêne entnehmen lasse (Anlage B 7):

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Die Formgebung des Klagemusters sei ausschließlich funktionsbedingt. Insbesondere die Biegung der Hälse sei technisch bedingt und dürfe ebenso wenig wie die Farbgebung, die der üblichen Unterscheidung zwischen Salz und Pfeffer diene, als schutzbegründendes Element berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund könne die Gestaltung des Klagemusters nicht als künstlerisch im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG eingestuft werden. Jedenfalls aber weise die angegriffene Gestaltung gegenüber dem Klagemuster durchaus wahrnehmbare und den Gesamteindruck prägende Unterschiede auf. So sei das angegriffene Modell deutlich größer als das Klagemuster. Auch die Wölbungen von den Hinterbeinen über den Bauch bis hin zu den Vorderbeinen wiesen andere Dimensionen auf. Schließlich seien die Öffnungen, aus denen das Salz oder der Pfeffer heraus gestreut wird, unterschiedlich angeordnet.

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Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Anlagen verwiesen. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2016 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin M. R.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

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Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung (I.), Auskunft und Schadensersatzfeststellung sowie auf Ersatz von Abmahnkosten (II.), dieser allerdings nur im tenorierten Umfang, zu.

I.

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Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG zu.

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1. Die streitgegenständliche Gestaltung genießt als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlichen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG.

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a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind. Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann (st. Rspr., vgl. nur BGH GRUR 2014, 175 Rn. 15 – Geburtstagszug mwN). Auch wenn bei Werken der angewandten Kunst keine höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines Werkes zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst, ist bei der Beurteilung, ob ein solches Werk die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Gestaltungshöhe erreicht, zu berücksichtigen, dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen kann, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruht (vgl. BGH, GRUR 2012, 58Rn. 36 - Seilzirkus). Eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers setzt voraus, dass ein Gestaltungsspielraum besteht und vom Urheber dafür genutzt wird, seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, GRUR 2014, 175 Rn. 15 – Geburtstagszug mit Verweis auf EuGH, GRUR 2009, 1041 Rn. 45 - Infopaq/DDF; GRUR 2011, 220Rn. 48 bis 50 - BSA/Kulturministerium; GRUR 2012, 156Rn. 98 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2012, 166Rn. 89 bis 93 - Painer/Standard u.a.; GRUR 2012, 386Rn. 38 f. - Football Dataco u.a./Yahoo u.a.; GRUR 2012, 814Rn. 67 - SAS Institute/WPL). Bei Gebrauchsgegenständen, die durch den Gebrauchszweck bedingte Gestaltungsmerkmale aufweisen müssen, ist der Spielraum für eine künstlerische Gestaltung regelmäßig eingeschränkt. Deshalb stellt sich bei ihnen in besonderem Maß die Frage, ob sie über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind und diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die Urheberrechtsschutz rechtfertigt (vgl. BGH, GRUR 2014, 175 Rn. 15 – Geburtstagszug; GRUR 2012, 58Rn. 25 - Seilzirkus, mwN). Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine zwar Urheberrechtsschutz begründende, gleichwohl aber geringe Gestaltungshöhe zu einem entsprechend engen Schutzbereich des betreffenden Werkes führt (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 1986 - I ZR 160/84, GRUR 1987, 360, 361 - Werbepläne; Urteil vom 28. Februar 1991 - I ZR 88/89, GRUR 1991, 529, 530 - Explosionszeichnungen, mwN; BGH, GRUR 2011, 803Rn. 63 - Lernspiele). Daraus folgt, dass in diesen Fällen bereits geringfügige Veränderungen der Gestaltung zur Folge haben können, dass der Schutzbereich des Schutz beanspruchenden Musters nicht berührt wird.

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b) Nach diesen Grundsätzen weist die in Rede stehende Gestaltung hinreichende eigenschöpferische Prägung auf. Sie lässt erkennen, dass die Zeugin M. R. von einem nicht unerheblichen Gestaltungsspielraum hinreichend, das heißt nach Auffassung der für Kunst einigermaßen empfänglichen Kreise in künstlerischem Maße Gebrauch gemacht hat. Das kann die Kammer als ständig mit Urheberrechts- und Designsachen befasster Spruchkörper aus eigener Sachkunde beurteilen.

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aa) Das Klagemuster zeichnet sich dadurch aus, dass es die Pferde in einer ausgeprägt harmonisch geschwungenen Form darstellt, die von naturalistischer Detailtiefe absieht. Die bogenförmige Linienführung zwischen den geschlossenen Vorder- und Hinterbeinen, deren Doppelung nur angedeutet ist, der Schwung vom Kopf über den leicht seitlich abgewinkelten Hals und den Rücken bis zum angedeuteten Schweif, der mit Gesäß und Hinterbeinen verschmilzt sowie der in sich gewundene Bogen von den Vorderbeinen bis zum Kopf verleihen den Figuren trotz der formalen Reduzierung eine filigran-dynamische Anmutung. Der sichere Stand auf breiten Beinen lässt die Figuren kraftvoll und sogleich ruhend wirken, was durch die reduzierte Formensprache des gesamten Korpus unterstrichen wird. Werden die Pferde, wie bereits im Entwurf (Anlage K 13 – 15) ausgeführt, seitlich versetzt, Schulter an Schulter, einander gegenübergestellt, so wirkt es, als ob sie sich mit den kreuzenden Köpfen „kraulen“ – tatsächlich berühren die Köpfe sich aber nicht. Auch dieses Gestaltungselement gibt den Figuren eine eigentümliche Leichtigkeit, die in dieser Position durch die sich kreuzenden Schwünge der Hälse hervorgehoben wird. Dass solche Positionen der Wirklichkeit entsprechen, nimmt der vorliegenden Gestaltung - anders als die Beklagte meint - jedoch nicht ihre Individualität.

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bb) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin folgt diese individuelle und konkrete Ausgestaltung zweier Pferdefiguren keineswegs zwangsläufig aus der technischen Funktion der Figuren, die diese als Salz- und Pfefferstreuer erfüllen müssen. Dass Salz oder Pfeffer aus den Figuren gestreut werden kann, setzt lediglich voraus, dass der Körper innen hohl ist und über zwei Öffnungen verfügt – eine zum Streuen und eine weitere zum Befüllen. Darüber hinaus ist erforderlich, dass die Figuren einen sicheren Stand haben, die Elemente bruchsicher sind und Pfeffer und Salz sich daraus leicht streuen lassen. Darüber hinaus ist es der Funktion als Pfeffer- und Salzstreuer geschuldet, dass die Farbgebung der einzelnen Figuren unterschiedlich sein sollte, um eine leichte Unterscheidung zwischen dem Salz- und Pfefferstreuer zu ermöglichen, wobei eine Gestaltung in den Kontrastfarben schwarz und weiß aufgrund der Usancen in diesem Produktbereich naheliegend ist. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben besteht allerdings ein noch hinreichender Gestaltungspielraum bei der konkreten Ausformung des Korpus, wie schon die Entgegenhaltung der Beklagten sowie die Entwurfszeichnungen und -modelle zeigen. Die in den Anlagen B 2 und B 4 wiedergegebenen Variationen von Pfeffer- und Salzstreuer in Katzen- oder Delfinform zeigen ebenfalls eine Bandbreite möglicher Gestaltungen. Die Darstellung der beiden Katzen (Anlage B 3) lässt zudem erkennen, dass durchaus eine sehr viel naturnähere und detailreichere Gestaltung der Pferdeform möglich gewesen wäre.

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Die Beweisaufnahme hat erkennen lassen, dass die Dimensionierung der Beine zwar auch der Standfestigkeit, der Bruchsicherheit und der leichten Streubarkeit von Salz und Pfeffer und damit einer technischen Funktionen dient. Es ist allerdings ist nicht ersichtlich, dass die Standfestigkeit nur in dieser konkreten, massiv und reduziert wirkenden Ausgestaltung hätte erreicht werden könnte. Die Zeugin R. beschrieb es insoweit auch als besondere gestalterische Schwierigkeit, trotz einer aufgrund der Funktion erforderlichen Reduzierung eine schön anmutende Beinform zu entwickeln.

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Nicht technisch bedingt ist schließlich die geschwungene Biegung der Hälse. Die Funktion eines Gewürzstreuers setzt eine solche Gestaltung nicht voraus. Dass eine solche Biegung erforderlich ist, um ein gegenseitiges Kraulen der Pferde bei einer bestimmten Positionierung der Pferde zueinander darzustellen, trifft zwar zu. Allerding handelt es sich dabei um eine von der Gestalterin frei gewählte Position, die keinerlei technischer oder funktionaler Notwendigkeit folgt. Insofern kommt der farblichen Gestaltung bei der Bewertung der Individualität keine entscheidende Bedeutung zu.

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cc) Auch die von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Entgegenhaltungen geben keinen Anlass zu einer abweichenden Bewertung. Ob es bereits andere in den Kontrastfarben schwarz und weiß gehaltene Tierfiguren gab, die als Salz- und Pfefferstreuer verwendet werden können, ist unerheblich. Denn schutzbegründend ist nicht die abstrakte Idee, Tierfiguren in den Kontrastfarben schwarz und weiß als Gewürzstreuer zu verwenden, sondern die konkrete Formgebung der Pferde. Sowohl die von der Beklagten vorgelegten Katzen- und Delfindarstellungen unterscheiden sich in ihrer konkreten Form aber – bereits naturgemäß – deutlich von den hier streitgegenständlichen Pferdefiguren. Auch der Umstand, dass bereits vor der hier in Rede stehende Gestaltung Tiere in abstrahierender Art oder moderner Linienführung dargestellt wurden, spielt keine Rolle, weil schon ein solcher Stil für sich genommen weder allgemein noch vorliegend in irgendeiner Weise schutzbegründend ist. Die Plastiken Matarés weisen gegenüber dem Klagemuster sowohl in der stilistischen Manier als auch in der konkreten Formgebung eine deutlich verschiedene Anmutung auf.

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2. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie ist Inhaberin ausschließlicher und uneingeschränkter Nutzungsrechte bezüglich der in Rede stehenden Gestaltung. Davon ist die Kammer aufgrund der Aussage der Zeugin R. sowie unter Berücksichtigung des vorgelegten Arbeitsvertrages und der diesbezüglichen Ergänzungsvereinbarungen, insbesondere der vom 15.10.2003 (vgl. Anlage K2), mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit überzeugt.

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a) Die Klägerin hat zunächst bewiesen, dass die bei ihr angestellte Zeugin R. die hier in Rede stehende Gestaltung geschaffen hat. Die Zeugin konnte anhand von Entwurfszeichnungen (K 13 – 15) und -modellen (K 17 und 17) nachvollziehbar und glaubhaft erläutern, wie sie die Pferdefiguren für das Salz- und Pfeffersteuer-Sets entwickelt hat. So legte sie plastisch, detailliert und - nach dem persönlichen Eindruck der Kammer – auch authentisch die einzelnen Schritte bis zur Fertigstellung des Rohmodells, das als Vorlage für industrielle Herstellung diente (Anlage K 17), dar. Irgendwelche Zweifel an der Urheberschaft der Zeugin R. blieben der Kammer nicht.

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b) Die Klägerin hat ebenfalls zu beweisen vermocht, dass ihr die Zeugin R. die ausschließlichen Verbreitungsrechte an der von ihr geschaffenen Gestaltung eingeräumt hat. Die Zeugin hat ebenso glaubhaft bestätigt, dass sie zum Zeitpunkt der Entwurfstätigkeit bei der Klägerin angestellt war und bis heute auch ist und dass sie die als Anlage K 2 vorgelegten Vereinbarungen mit der Klägerin getroffen hat. Danach hat sie dieser in Bezug auf die im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses geschaffenen Gestaltungen ausschließliche und uneingeschränkte Nutzungsrechte eingeräumt.

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3. Die Beklagte hat die Rechte der Klägerin aus § 17 Abs. 1 UrhG verletzt.

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a) Das Verbreitungsrecht im Sinne dieser Vorschrift ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Da es sich bei dem Verbreitungsrecht um nach Art. 4 Abs. 1 der RL 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmung des § 17 Abs. 1 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 4 Abs. 1 RL 2001/29/EG im Einklang mit der bisherigen Auslegung des § 17 Abs. 1 UrhG durch den Bundesgerichtshof dahin auszulegen, dass der Inhaber des ausschließlichen Verbreitungsrechts an einem geschützten Werk Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke des Werkes auch dann verbieten kann, wenn nicht erwiesen ist, dass es auf Grund dieser Werbung zu einem Erwerb des Schutzgegenstands durch einen Käufer aus der Union gekommen ist, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt sei, zu seinem Erwerb anregt (EuGH, GRUR 2015, 665 Rn. 35 – Dimensione ua/Knoll; BGH GRUR 2016, 487 Rn. 30 ff. – Wagenfeld-Leuchte II mwN). Das Kaufangebot der beanstandeten Gestaltung (Anlage B 9) auf der Webseite der Beklagten erfüllt diese Voraussetzungen.

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b) Die angegriffene Gestaltung stellt auch eine Verbreitung des Klagemusters dar. Zwar kommt dem von der Zeugin R. geschaffenen Werk aufgrund des geringen Grades der künstlerischen Gestaltung nur ein beschränkter Schutzumfang zu. Die angegriffene Gestaltung ist von diesem Schutzumfang jedoch erfasst. In ihr lassen sich alle wesentlichen und prägenden Merkmale des geschützten Werkes erkennen. Zwar ist das Klagemuster leicht größer dimensioniert als die angegriffene Gestaltung, auch die bogenförmigen Wölbungen zwischen Vorder- und Hinterbeinen weichen minimal in der Linienführung des Klagemusters ab. Zudem sind die Einkerbungen zwischen den beiden Vorderbeinen im Klagemuster deutlich schwächer ausgeprägt als beim Klagemuster. Schließlich weist die angegriffene Gestaltung auch anders gestaltete Öffnungen für das Salz und den Pfeffer auf. Sämtliche dieser Merkmale sind für den Gesamteindruck jedoch gegenüber der vollständig übernommenen, von naturalistischen Elementen abstrahierenden und harmonischen Grundlinienführung des Pferdekorpus und dessen Haltung nur von untergeordneter Bedeutung.

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4. Die Beklagte handelte auch widerrechtlich. Eine Berechtigung zur Nutzung des geschützten Werks hat sie nicht geltend gemacht.

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5. Es liegt aufgrund der Rechtsverletzung auch eine Wiederholungsgefahr vor, zu deren Ausräumung die Abgabe einer ernsthaften und hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung erforderlich gewesen wäre. Eine solche Erklärung hat die Beklagte trotz Aufforderung nicht abgegeben.

II.

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1. Der Klägerin stehen nach §§ 242, 259 BGB, § 101 Abs. 1, Abs. 3 UrhG auch die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung zu.

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2. Da die Beklagte, indem sie sich über die Schutzrechtslage nicht hinreichend kundig gemacht hat, zumindest fahrlässig handelte, kann die Klägerin gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG auch Feststellung verlangen, dass die Beklagte der Klägerin den aus der Rechtsverletzung entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen hat.

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3. Ebenfalls aus § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG sowie daneben auch aus § 97a UrhG steht der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz der entstandenen Abmahnkosten zu. Dieser besteht allerdings nur im tenorierten Umfang, da der Gegenstandswert der Abmahnung gemäß §§ 2, 13, 14 RVG in Verbindung mit Ziff. 2300, 7002 VV RVG mit 25.000 € zu bemessen ist. Dies beruht auf dem Umstand, dass die Klägerin den Gegenstandswert des Unterlassungsbegehrens im vorliegenden Verfahren selbst in dieser Höhe bewertet hat. Dem entspricht ungefähr auch die Bewertung durch die Beklagte in ihrer außergerichtlichen Stellungnahme. Soweit dort der Gegenstandswert mit 100.000 € bemessen wurde, ist zu berücksichtigen, dass die Stellungnahme für drei Inanspruchgenommene erfolgte, ohne dass sich bei den gegen sie gerichteten Unterlassungsansprüchen um dieselbe Angelegenheit im Sinne des §§ 7, 15 RVG handelte (vgl. dazu BGH GRUR-RR 2008, 460 Rn. 7). Zwar hat die Beklagte das geschützte Werk bundesweit angeboten. Angesichts der von der Klägerin in den Jahren 2014 und 2013 verkauften Stückzahlen von 1.370 und 1.263 bei einem Umsatz von 7.772 € und 7.309 €, den die Klägerin als auf diesem Gebiet führendes Unternehmen getätigt hat, erscheint auch im Zeitpunkt des Anfalls der Gebühr (d.h. bei Erteilung des Auftrags zur Verfolgung der hier in Rede stehenden Rechtsverletzung) ein Gegenstandswert von 25.000 € als ausreichend und angemessen.

B.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 ZPO.

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