Urteil vom Landgericht Hamburg (8. Zivilkammer) - 308 O 260/15

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger macht einen Teilbetrag seines von der Beklagten im Rahmen der Auseinandersetzung der Gesellschaft ermittelten positiven Kapitalkontosaldos geltend. Die Beklagte verweigert die Zahlung unter Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Auskunftsanspruchs, hilfsweise wegen entgegenstehender Zahlungs- und Abfindungsansprüche im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung.

2

Die Beklagte ist eine überregional tätige Sozietät von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Insolvenzverwaltern mit Sitz in H.. Sie verfügt deutschlandweit über Niederlassungen, die in sog. Profitcenter zusammengefasst sind. Die Profitcenter werden von überregionalen Partnern geleitet, denen regionale Partner zugeordnet sind. Einer der Beratungsschwerpunkte der Sozietät ist die Insolvenzverwaltung.

3

Der Kläger war bis zum Ablauf des 31.12.2012 überregionaler Partner der Beklagten. Er begann bei der Beklagten im Jahr 1990 zunächst als angestellter Rechtsanwalt zu arbeiten und wurde zum 1.1.2000 Partner. Hierzu schlossen der Kläger und sechs weitere Partner am 1.1.2000 einen schriftlichen Sozietätsvertrag, der am 27.10.2003 neugefasst wurde (Anlage K1 / B2). Der Kläger war zuletzt verantwortlich für das Profitcenter mit Standorten in Berlin, Potsdam, Essen, Leipzig und Dresden. Hierzu gehörten fünf regionale Partner (J., K., H., B. und F.), die zugleich als Insolvenzverwalter tätig waren und von denen drei (H., K. und J.) bei der Beklagten verblieben sind, während zwei (B. und F.) ebenfalls ausgeschieden sind. Während seiner Sozietätszugehörigkeit als Partner wurde der Kläger in diversen Insolvenzverfahren zum Insolvenzverwalter und vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. In zahlreichen dieser Verfahren wurde die (Schluss-) Vergütung noch nicht gezahlt. Der Kläger selbst beziffert die nach dem 31.12.2012 noch offenen Vergütungen aus diesen Verfahren mit 11.047 TEUR (Anlage K4).

4

Zu den durch die Insolvenzverwaltung erzielten Einnahmen sieht der zwischen den Parteien geschlossene Sozietätsvertrag für die Zeit der Zugehörigkeit des Partners u.a. folgende Regelungen vor (§§ ohne weitere Bezeichnung sind im Folgenden solche des Sozietätsvertrages):

5

§ 4.4. […] Alle Mandate und die gerichtlich übertragenen Ämter werden der Sozietät, nicht etwa einzelnen Partnern erteilt. […] Soweit Honorarforderungen oder Vergütungsansprüche dem Partner persönlich zustehen, tritt er diese hiermit unwiderruflich und unbedingt an die Sozietät ab, die diese Abtretung annimmt. […]

6

§ 9.3. Alle Einnahmen aus der im Rahmen der Sozietät ausgeübten Berufstätigkeit der Partner sind Einnahmen der Sozietät. Das gilt auch für Einnahmen aus Tätigkeiten im Sinne des § 4.4 dieses Vertrages sowie für Einnahmen der Partner aus einer Tätigkeit als Liquidator, Treuhänder, Testamentsvollstrecker, Insolvenz-, KO- und GesO-Verwalter, […].

7

Im Gegenzug trägt die Sozietät sämtliche Kosten aus oder im Zusammenhang mit der Amts- und/oder Mandatsführung ihrer Partner während der Zugehörigkeit zur Sozietät:

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§ 9.4 Alle Aufwendungen aus Anlass der im Rahmen der Sozietät ausgeübten Berufstätigkeit der Partner sind Aufwendungen der Sozietät. […]

9

Die Verteilung des Gewinns wird in § 9.6 geregelt. Danach stehen den überregionalen Partnern jährlich 40% des von ihrem Profitcenter erwirtschafteten Gewinns zu, die verbleibenden 60% werden zur Verteilung an alle Partner zur Verfügung gestellt.

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Bei Ausscheiden eines überregionalen Partners steht ihm gem. § 17.1 eine Abfindung in Höhe des tatsächlichen Wertes der Beteiligung an der Sozietät zu. § 17 sieht für die Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz u.a. folgende Regelungen vor:

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§ 17.2. Der Partnerausschuss hat […] eine Auseinandersetzungsbilanz aufzustellen. […] In dieser Bilanz sind alle aktiven und passiven Vermögenswerte der Sozietät mit ihrem wirklichen Wert anzusetzen. […] Das sich aus der Auseinandersetzungsbilanz ergebende Ergebnis der Sozietät ist entsprechend der nach § 9.6 bzw. der gesonderten Vereinbarung beschlossenen Gewinnverteilung zu verteilen […]

12

§ 17.3. Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Abfindungsguthabens des ausscheidenden überregionalen Partners oder seiner Rechtsnachfolger ist der gemäß § 17.2 dieses Vertrages ermittelte Substanzwert einerseits (nachfolgend: „Substanzwert“) und ein Drittel der Summe des nach § 9.6 bzw. der gesonderten Vereinbarung an ihn verteilten Jahresergebnisses der letzten drei vollen vor dem Auseinandersetzungsstichtag liegenden Geschäftsjahre der Sozietät (nachfolgend: „anteiliger Kanzleiwert“). Bei der Ermittlung des Abfindungsguthabens sind in der Auseinandersetzungsbilanz die erhaltenen Anzahlungen für Vergütung aus Insolvenz oder vergleichbaren Verfahren, die bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens nicht ertragswirksam verbucht worden sind, ertragswirksam aufzulösen, um den zu ermittelnden Substanzwert und den zu ermittelnden anteiligen Kanzleiwert insoweit unter Abweichung von der handels- und steuerbilanziellen Behandlung verursachungs- und ertragsgerecht zu ermitteln. […]

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Gemäß § 17.4 ist bei einem Streit über die Auseinandersetzungsbilanz auf Verlangen einer der Parteien ein Schiedsgutachten eines gemeinsam bestellten sozietätsfremden Wirtschaftsprüfers einzuholen, welches für alle Beteiligten verbindlich ist.

14

Bezogen auf die von den Partnern nach ihrem Ausscheiden weitergeführten übertragenen höchstpersönlichen Ämter - u.a. des Insolvenzverwalters (vgl. § 59 InsO) – und die daraus erzielten Vergütungen heißt es in § 19.2:

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§ 19.2 Führt der ausgeschiedene Partner ein während der Mitgliedschaft in der Sozietät erlangtes Amt fort, so gebühren der Sozietät in Abhängigkeit von der Dauer der Amtstätigkeit auch solche Vergütungen, die zwar nach dem Ausscheiden entstehen oder fällig werden, wirtschaftlich aber noch der Sozietät zuzurechnen sind, weil die Amtsbestellung des Partners in die Zeit seiner Zugehörigkeit zur Sozietät fällt. Der noch der Sozietät zustehende Betrag wird grundsätzlich nach einer pauschalen Methode anhand von Erfahrungswerten bereits abgeschlossener Verfahren ermittelt. Der Sozietät gebühren von der nach dem Ausscheiden fällig werdenden oder entstehenden Vergütung bei einer Amtsbestellung des Partners vor dem Ausscheiden aus der Sozietät in einem Zeitraum von

16

mehr als fünf Jahren:

90 v.H.

vier bis fünf Jahren:

80 v.H.

drei bis vier Jahren:

70 v.H.

zwei bis drei Jahren:

60 v.H.

ein bis zwei Jahren:

50 v.H.

einem Jahr:

40 v.H.

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der jeweils festgesetzten Bruttovergütung für die Wahrnehmung des Amtes.

18

[…]
§ 19.5. Die vorbezeichneten Vergütungsansprüche werden hiermit mit dem Beitritt zu diesem Sozietätsvertrag vom Partner an die Sozietät abgetreten. Diese nimmt die Abtretung an. […]

19

§ 19.6. […] Vergütungen und Teile von Vergütungen, auch Vorschüsse, die vor dem Ausscheiden aus der Sozietät entstehen, stehen im vollen Umfang der Sozietät zu.

20

§ 19.1 enthält eine Regelung für einen nachvertraglichen Mandatsschutz, wonach es dem Ausscheidenden für die Dauer von zwei Jahren untersagt ist, Mandate von Auftraggebern anzunehmen, die innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Ausscheiden Mandanten der Sozietät waren. § 19.3 regelt Ansprüche der Sozietät auf eine Beteiligung an Vergütungen, die der Partner durch Ämter erzielt, die auf ihn innerhalb von 12 Monaten nach seinem Ausscheiden in einem Landgerichtsbezirk übertragen werden, in dem er innerhalb der letzten 18 Monate vor seinem Ausscheiden Ämter ausgeübt hat. Zur Begründung dieses Beteiligungsanspruchs heißt es in § 19.3:

21

[…] Zwischen der Sozietät und dem Partner besteht Einvernehmen darüber, dass die Verleihung von Ämtern und deren Ausübung durch den von der Sozietät gegebenen Rückhalt ganz maßgeblich ermöglicht und gefördert wird. […]

22

Gemäß § 19.4 kann die Sozietät auf die Ansprüche aus § 19.1 und § 19.3 verzichten und dem ausscheidenden Partner die eigenständige Weiterführung seines Profitcenters unter Übernahme der im Ausscheidenszeitpunkt vorhandenen Mandate und Ämter inkl. aller Schuldverhältnisse gegen Erwerb der im Profitcenter vorhandenen Vermögenswerte ermöglichen. In diesem Fall verliert der ausscheidende Partner seinen Abfindungsanspruch nach § 17 für den auf ihn entfallenden anteiligen Kanzleiwert. Weiter heißt es in § 19.4:

23

[…] In diesem Fall behält der überregionale Partner lediglich seinen Anspruch auf den Substanzwert nach § 16.2 [sic: § 17.2] […]; die Sozietät behält ihren Anspruch auf nachvertragliche Vergütungen nach § 19.2 […] (Hervorhebung d.d. Gericht)

24

Bei dem Verweis in § 19.4 auf die Regelung des § 16.2 an Stelle des § 17.2 handelt es sich unstreitig um ein Redaktionsversehen (vgl. Klagschrift Seite 13 und Anlage B2).

25

§ 19.6 S. 1 regelt die Rechenschaftspflicht des ausscheidenden Partners:

26

§ 19.6 Der ausscheidende Partner ist vor und nach seinem Ausscheiden zur zeitnahen Abrechnung nach den üblichen Gepflogenheiten verpflichtet und nach seinem Ausscheiden zu den vorbezeichneten Punkten der Sozietät gegenüber rechenschaftspflichtig. […]

27

Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf den Sozietätsvertrag vom 27.10.2003 (Anlagen K1 / B2) Bezug genommen.

28

Durch Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 9.11.2009 (Anlage B6) präzisierte die Sozietät, wann ein Partner seine Vergütungen aus der Wahrnehmung übertragenen Ämter abzurechnen hat.

29

Der Kläger übernahm nach seinem Ausscheiden den in B. befindlichen Teil des von ihm zuvor geleiteten Profitcenters der Beklagten. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 10.9.2012 (Anlage B4) ihren Verzicht gem. § 19.4 auf ihre in § 19.1 und § 19.3 vereinbarten Ansprüche.

30

Der Kläger übermittelte der Beklagten nach seinem Ausscheiden mit Schreiben vom 12. April 2013 (Anlage B7), 20. November 2013 (Anlage B8) und 30. April 2014 (Anlage B9) Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse aus Insolvenzverfahren aus dem Zeitraum 1.1.2013 bis 31.3.2014 bezogen auf vor dem 31.12.2012 eröffnete Insolvenzverfahren und vorläufige Insolvenzverwaltungen. Mit E-Mail vom 31. Juli 2013 übersandte der Kläger der Beklagten darüber hinaus eine Aufstellung angeblich aller Verfahren aus dem Profitcenter B. mit Zahlungseingängen bis 22.2.2013 (Anlage B10). Ob diese Angaben vollständig sind und ob der E-Mail vom 31. Juli 2013 auch die Liste der Anlage K4 beigefügt war, ist zwischen den Parteien streitig.

31

Zum 15.8.2014 ließ die Beklagte durch eine von ihr beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine Auseinandersetzungsbilanz zum Stichtag 31.12.2012 erstellen (Anlage K2 und Anlage B5). Aus der Bilanz ergab sich ein Substanzwert-Abfindungsguthaben des Klägers in Höhe von 511.300,32 €, der zuzüglich zum laufenden Gewinnanteil des Klägers für das Geschäftsjahr 2012 als Abfindungsguthaben festgelegt wurde (vgl. F.II. [a.E.], S. 10, Anlage K2). Die Beklagte ermittelte einen Gewinnanteil des Klägers für das Geschäftsjahr 2012 in Höhe von 910.456,96 € und schrieb diesen dem Kapitalkonto des Klägers gut, woraus sich ein positives Saldo des Kapitalkontos des Klägers in Höhe von 1.027.681,24 € zusätzlich zum anteiligen Substanzwert in Höhe von 511.300,32 € ergab. Die Beklagte teilte dem Kläger mit E-Mail vom 12.09.2014 (Anlage K3) seinen Kapitalkontostand und den ermittelten anteiligen Substanzwert mit und verwies zugleich auf ihr zustehende übersteigende Ansprüche aus gemäß § 19.2 an sie abzuführenden Insolvenzverwaltervergütungen, deren Höhe sie mangels Rechenschaftslegung des Klägers nicht endgültig beziffern könne, und auf den noch ausstehenden Kaufpreis für das Anlagevermögen des übernommenen Teils des Profitcenters.

32

Vorgerichtlich verlangte die Beklagte zuletzt mit anwaltlichem Schreiben vom 13.11.2014 von dem Kläger die Erfüllung seiner Auskunftspflicht und Zahlung des Teilwerts des übernommenen Anlagevermögens (Anlage B 11). Am 24.4.2015 erhob sie eine Stufenklage auf Auskunft und Zahlung (Az. 308 O 170/15).

33

Am 29.5.2015 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, mit der er eine anteilige Zahlung in Höhe von 500.000,00 € seines von der Beklagten errechneten Kapitalkontoguthabens verlangt.

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Die Beklagte beruft sich unter Verweis auf ihren im Verfahren 308 O 170/15 geltend gemachten Auskunftsanspruch auf ein Zurückbehaltungsrecht. Hilfsweise rechnet sie mit Gegenansprüchen aus der Abführungspflicht des Klägers aus Insolvenzverwaltervergütungen sowie mit ihrem (unstreitig bestehenden) Ausgleichsanspruch für das vom Kläger übernommene Anlagevermögen auf.

35

Der von dem Kläger im vorliegenden Verfahren bezifferte Wert des übernommenen Anlagevermögens von 343.726,06 € (S. 31 der Klagschrift), berechnet nach den aus der Auseinandersetzungsbilanz ersichtlichen Werten (Ziffer C, S. 5, Anlage K 2), wird von der Beklagten für das vorliegende Verfahren unstreitig gestellt (vgl. S. 22 der Klagerwiderung, Bl. 83 dA).

36

Ein Schiedsverfahren über die Auseinandersetzungsbilanz wurde bislang von keiner der Parteien verlangt.

37

Der Kläger ist der Meinung, die Beklagte könne seinem gemäß § 17 ermittelten Abfindungsanspruch lediglich Gegenansprüche als Ausgleich für das Anlagevermögen in Höhe von 343.726,06 € entgegenhalten. Weitergehende Ansprüche insbesondere aus § 19.2 stünden der Beklagten nicht zu. Durch die nach § 17.2 erstellte Auseinandersetzungsbilanz seien alle zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers betreffenden Ansprüche abschließend geregelt worden. Ausweislich der Regelung des § 17.2 seien in die Auseinandersetzungsbilanz auch der Sozietät zuzurechnende Vergütungen aus noch nicht abgeschlossenen Verfahren (sog. teilfertige Leistungen) zu bewerten, was gemäß Seite 6 bis 7 der Auseinandersetzungsbilanz iVm Anlage IV (Anlage K2) auch geschehen sei. § 17.2 regele damit nicht nur eine Beteiligung an dem Substanzwert im Sinne des § 738 BGB, sondern auch an den schwebenden Geschäften im Sinne des § 740 BGB. Die Beklagte sei dadurch bereits an den Gewinnen der Verfahren des Klägers beteiligt. Die Abfindungsregelung des § 17.2 nehme eine Bewertung aller Verfahren vor und komme zu einer Gewinnmarge von 33 %. Damit wahre sie bereits eine wechselseitige Teilhabe an nach dem Ausscheiden fällig werdenden Vergütungen. Dies erfasse damit auch die gem. § 19.2 „wirtschaftlich noch der Sozietät zuzurechnenden Verfahren, weil die Amtsbestellung des Partners in die Zeit seiner Zugehörigkeit zur Sozietät fällt“. Eine andere Lesart hätte für den Kläger ruinöse Folgen und wäre daher auch als (nicht dispositive) unzulässige Kündigungsbeschränkung gemäß § 723 Abs. 3 BGB sowie als sittenwidrige Regelung gem. § 138 BGB nichtig.

38

Zu den angeblichen Folgen der Abführungspflicht gemäß § 19.2 trägt der Kläger wie folgt vor:

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Ausweislich der – nach Darstellung der Beklagten erstmals im vorliegenden Verfahren vorgelegten, nach Darstellung des Klägers bereits mit E-Mail vom 31.7.2013 (Anlage K6) an die Beklagte übersandten – Liste aller Insolvenzverfahren, in denen der Kläger persönlich vor dem 31.12.2012 zum Insolvenzverwalter bestellt wurde und aus der sich die zu erwartenden Vergütungen und die bereits abgerechneten Vorschüsse ergeben soll (Anlage K4), stünden der Beklagten bei Anwendung des § 19.2 rund 80% der sich daraus ergebenden Insolvenzverwaltervergütungen von insgesamt 11.047 TEUR zu. Dies entspreche 8.819 TEUR. Er selbst behalte lediglich 2.228 TEUR. Hierfür gebe es keinen wirtschaftlichen Grund. Er, der Kläger, habe mit seinem Profitcenter in den Jahren seiner Mitgliedschaft in der Beklagten durchschnittlich profitabler als die restlichen überregionalen Partner zusammen gearbeitet und zwar sowohl bezogen auf sämtliche Verfahren seines Profitcenters einschließlich der Prozessverfahren (Tabelle Seite 16 der Klagschrift) als auch nur bezogen auf die ca. 8.900 Insolvenzverfahren seines Profitcenters, die von ihm zusammen mit den fünf weiteren Insolvenzverwaltern bearbeitet worden seien (Tabelle S. 17 der Klagschrift). Das Verhältnis von Umsatz/Gewinn in seinem Profitcenter habe während seiner Beteiligung als Partner in den Jahren 2000 bis 2012 durchschnittlich 31% (bezogen auf alle Verfahren) bzw. 26% (bezogen nur auf die Insolvenzverfahren) gegenüber einem Verhältnis von 28% bezogen auf die Verfahren der restlichen Sozietät (Tabelle S. 18 der Klagschrift) betragen. Eine Anwendung des § 19.2 würde für den Kläger wirtschaftlich vernichtende Verluste bedeuten. Da das Neugeschäft von Insolvenzverfahren kontinuierlich zurückgehe (s. hierzu die Schätzung gem. Spalte 1 der Tabelle S. 27 der Klagschrift und Ausführungen S. 23 der Klagschrift), seine Kosten jedoch, vor allem bedingt durch Personal und Miete des übernommenen Teils des Profitcenters, zunächst gleich blieben und erst ab 2015 aufgrund der Beendigung des Mietvertrages auf 74% der von ihm erzielten Umsätze sinken würden (siehe Tabelle S. 27 der Klagschrift und Ausführungen S. 26 der Klagschrift), könne er seine Kosten nicht länger durch seine Umsätze aus den Neugeschäften, insbesondere aus den zu erwartenden Vergütungen aus vorläufiger Insolvenzverwaltung, Gutachtertätigkeit und Abschlägen auf die Verwaltervergütung für bereits eröffnete Insolvenzverfahren, decken. Die laufenden Kosten für die Bearbeitung von Insolvenzverfahren seien als Dienstleistung über die Jahre nahezu gleich. Es würden entgegen der Behauptung der Beklagten nicht in den ersten Jahren besonders hohe Kosten anfallen. Die immer gleich teuren vorgehaltenen Ressourcen würden lediglich für ein neues Verfahren mehr beansprucht werden als für ältere Verfahren. Nur für die Phase der vorläufigen Insolvenzverwaltung würden besonders hohe Ressourcen beansprucht werden, wofür jedoch nach InsVV eine gesonderte Vergütung gezahlt werde, die die Beklagte für Verfahren des Klägers bereits voll erhalten habe. Die ihm bei einer Abführungspflicht an die Beklagte gemäß § 19.2 des Sozietätsvertrages verbleibenden 2.228 TEUR aus den Altverfahren würden zur Deckung der Kostenlücke nicht ausreichen. Bis 2018 sei ein Verlust in Höhe von insgesamt 5,2 Mio. zu erwarten (vgl. Tabelle und Ausführungen S. 28 und 43 der Klagschrift). Ein Überschuss sei bei einer angenommenen durchschnittlichen Insolvenzverfahrensdauer von sechs Jahren (entsprechend der Schätzung in der Auseinandersetzungsbilanz der Beklagten zur durchschnittlichen Realisierungsdauer der Schlussvergütungen, vgl. Seite 7 der Anlage K2) und den dann realisierbaren Schlussvergütungen von ca. 2.000 TEUR frühestens ab 2019 zu erwarten.

40

Die Auseinandersetzungsbilanz gehe von falschen Ansätzen aus, worüber zwar der vorliegende Rechtsstreit aufgrund der Vorrangigkeit eines Schiedsverfahrens nicht zu führen sei, die jedoch vom Gericht für die Beurteilung der Auslegung der Auseinandersetzungsregelungen und Unangemessenheit des § 19.2 zu berücksichtigen seien. Die Beklagte habe als dem Kläger zustehenden Substanzwert lediglich 511.300,32 € errechnet. Dies stelle keine Kompensation für die Abführungspflicht des Klägers gem. § 19.2 dar. Die Unangemessenheit der von der Beklagten errechneten Auseinandersetzungswerte zeige sich auch daraus, dass sein Profitcenter mit einem Teilwert von 907.946,06 € in der Auseinandersetzungsbilanz bewertet werde (Anlage K2, Seite 9, F. II, Abs. 2-4) und damit über dem für den Kläger errechneten Substanzwert i.H.v. 511.300,32 €. Die Beklagte behalte von diesem Teilwert seines Profitcenters bereits die Teilbereiche der drei nicht ausgeschiedenen regionalen Partner J., K., H., welche einem Teilwert von 227.632,93 € entsprächen. Aufgrund der nach Auffassung des Klägers für die Auseinandersetzung abschließenden Regelung des § 17.2 stehe der Beklagten gegen den Kläger damit allenfalls noch ein Anspruch auf Zahlung des vom Kläger übernommenen Teilwerts des Profitcenters in Höhe von 630.313,30 € (907.946,06 € abzgl. 227.632,93 €) zu. Bei Verrechnung mit dem von der Beklagten errechneten Substanzwertguthaben des Klägers iHv 511.300,32 € ergebe sich hieraus für die von dem Kläger übernommenen Verfahren allenfalls ein Zahlungsanspruch der Beklagten in Höhe von 119.012,81 €. Eine zusätzliche Abführungspflicht des Klägers gemäß § 19.2 bestehe nicht. Der Kläger schulde darüber hinaus lediglich noch die Abstandszahlung für das bewegliche Anlagevermögen i.H.v 343.726,06 €. Damit verbliebe auch nach Verrechnung sämtlicher Positionen noch ein Kapitalkontoguthaben des Klägers in Höhe von 564.942,37 €.

41

Seiner Rechenschaftspflicht sei er zumindest für den Zeitraum 1.1.2013 bis 31.3.2014 vollständig nachgekommen.

42

Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Euro 500.000 nebst Zinsen in Höhe von 5,5 % p.a. für den Zeitraum vom 1.1.2013 bis zum 1.7.2013, sowie Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz p.a., jedenfalls aber 5,5 % p.a., seit dem 2.7.2013 zu bezahlen.

44

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

46

Die Beklagte trägt vor, der Kläger sei seiner aus § 19.6 i.V.m. den Gesellschafterbeschlüssen vom 6.11.2009 (Anlage B6) und aus § 242 BGB folgenden Rechenschafts- und Rechnungslegungspflicht bislang nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Die vom Kläger übersandten Abrechnungen vom 12. April 2013 (Anlage B 7), 20.11.2013 (Anlage B 8) und 30.4.2014 (Anlage B 9) sowie die am 31.7.2013 übersandte Liste (Anlage B 10) seien unvollständig. Es fehlten Auskünfte zu nach dem Ausscheiden des Klägers vereinnahmten Vergütungen aus Verfahren, die vor dem 31.12.2012 abgerechnet, aber nicht geleistet wurden und die der Beklagten gemäß § 19.6 Satz 2 des Sozietätsvertrages in vollem Umfang zustünden. Ferner fehlten Angaben zu Vergütungen aus vorläufiger Insolvenzverwaltung, deren Bestellung vor dem 31.12.2012 erfolgte und die nicht bis zum 31.12.2012 beendet waren. Schließlich fehlten sämtliche Informationen zur Höhe vereinnahmter, noch offener oder nicht durchsetzbarer Ansprüche auf Vergütungen einschließlich bereits geleisteter Vorschüsse. Die im vorliegenden Verfahren erstmals vorgelegte Liste der Anlage K4 enthalte keine Informationen zu den tatsächlich vereinnahmten Vergütungen.

47

Die Beklagte ist der Auffassung, die Abrechnung schwebender Rechtsgeschäfte bzw. laufender gerichtlich übertragener Ämter des Klägers werde nicht bereits von § 17.2 erfasst und habe daher im Sozietätsvertrag gesondert vereinbart werden können. Die hierzu in § 19.2 getroffene Vereinbarung sei interessengerecht. Sie entspreche dem Gedanken des § 740 BGB, welcher einen eigenständigen Abfindungsanspruch für Einnahmen aus schwebenden Rechtsgeschäften neben dem Abfindungsanspruch aus § 738 BGB vorsehe. Die pauschalierte Höhe der Abfindungen gemäß § 19.2 entspreche einer angemessenen Verteilung der vor dem Ausscheiden des Klägers von der Beklagten getragenen Kosten der Insolvenzverfahren und den Einnahmen aus den Insolvenzverwaltervergütungen. Die internen Kosten des Insolvenzverwalters seien gerade zu Beginn der Tätigkeit besonders hoch, in der Regel liefen in den ersten ein bis zwei Jahren eines Verfahrens über 50% der Kosten auf. Dem trage die Staffelung in 19.2 Rechnung. Diese führe auch vorliegend zu gerechten Ergebnissen. Da sich die Anzahl der abführungsrelevanten Verfahren des Klägers bei einer angenommenen durchschnittlichen Insolvenzverfahrensdauer von sechs Jahren in den kommenden Jahren fortlaufend verringere, betrage die Abführungspflicht des Klägers gerade nicht durchgängig durchschnittlich 80%.

48

Sie ist weiter der Meinung, die Klage sei aufgrund der nicht erfolgten Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens über die Auseinandersetzungsbilanz (§ 17.4) jedenfalls als derzeit unbegründet abzuweisen. Zweck der Regelung des § 17.4 sei eine verbindliche Entscheidung des Schiedsgutachters über die gesamte Abfindung und deren Berechnung. Bei Einwänden gegen die Berechnung könne der Kläger nicht einen Teil seiner Abfindung vorab gerichtlich einklagen.

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Die Klage sei im Übrigen auch unbegründet. Gegen den in der Auseinandersetzungsbilanz ausgewiesenen Abfindungsanspruch des Klägers stünden der Beklagten Ansprüche in erheblich höherem Umfang zu, die sich aus den Einnahmen des Klägers gem. §§ 4.4, 9.3 und 19.6 aus dessen Tätigkeit vor seinem Ausscheiden und den aus § 19.2 ergebenden Vergütungen, bei denen die Insolvenzverwalterbestellung vor dem Ausscheiden gelegen habe, die jedoch erst nach seinem Ausscheiden entstanden oder fällig geworden seien, zusammensetzten. Aus den bereits erteilten unvollständigen Auskünften des Klägers für den Zeitraum Januar 2013 bis März 2014 ergebe sich schon jetzt ein der Beklagten zustehendes Netto-Vergütungsvolumen von ca. 3 Mio. € (Anlage B14).

50

Die Regelung des § 19.2 sei als zulässige Vereinfachung des § 740 BGB wirksam, sie stelle keine mit § 723 Abs. 3 BGB nicht zu vereinbarende Erschwerung der Kündigung dar. Die nach der Dauer der Verfahren gestaffelte Abfindung stelle einen angemessenen Ausgleich für die von der Beklagten in den betroffenen Verfahren getragenen Aufwendungen dar. Kämen die Vergütungen aus diesen noch nicht abgerechneten Insolvenzverfahren allein dem Kläger zu Gute, würde er zu Lasten der Beklagten grundlos einen Vorteil erlangen. Da die Beklagte die Umsatzsteuer für die auf sie entfallende Vergütung trage, sei auch die Brutto-Abführungspflicht angemessen.

51

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze mitsamt ihren Anlagen, welche zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 15.4.2016 Bezug genommen.

52

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 27.5.2016 hat der Kläger weitere Ausführungen gemacht, auf die die Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 26.7.2016 erwidert hat. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 1.8.2016 um Einräumung einer Schriftsatzfrist gebeten.

Entscheidungsgründe

A.

53

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen derzeit durchsetzbaren Anspruch auf Auszahlung seines bei der Beklagten bestehenden Kapitalkontoguthabens in Höhe von 500.000,- €, denn die Beklagte verweigert die Zahlung zu Recht unter Berufung auf ein aus § 19.6 des Sozietätsvertrages folgendes Zurückbehaltungsrecht.

I.

54

Ein Zahlungsanspruch des Klägers folgt zwar dem Grunde nach aus §§ 730, 738 Abs. 1 S. 2 BGB. Gemäß § 738 Abs. 1 S. 2 BGB ist die Beklagte nach dem Ausscheiden des Klägers als Gesellschafter verpflichtet, dem Kläger das zu zahlen, was er bei einer Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Mit Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz hinsichtlich des abschließenden Saldos wird der Anspruch fällig und einklagbar (vgl. Sprau in: Palandt, 75. Aufl., § 730 Rn. 5). Der Gewinn des Klägers für 2012, der mit 910.456,96 € den überwiegenden Teil des Kapitalkontoguthabens des Klägers ausmacht, stellt einen Teil der Auseinandersetzung dar (vgl. S.10 der Auseinandersetzungsbilanz, Anlage K2). Das Kapitalkontoguthaben ist dem Kläger daher im Rahmen der Auseinandersetzung auszuzahlen. Dies nimmt auch die Beklagte nicht in Abrede. Dass die Parteien gemäß § 17.4 des Sozietätsvertrages die Möglichkeit haben, die Auseinandersetzungsbilanz im Rahmen eines auf Verlangen einer der Parteien durchzuführenden Schiedsverfahrens überprüfen zu lassen, steht der Geltendmachung des Zahlungsanspruchs nicht entgegen. Ein solches wurde bislang von keiner der Parteien verlangt. Allein aufgrund der Möglichkeit eines Schiedsverfahrens ist der Zahlungsanspruch nicht „derzeit unbegründet“.

II.

55

Die Beklagte kann die Auszahlung indes gemäß § 273 BGB verweigern, weil der Kläger seiner aus § 19.6 S. 1 i.V.m. § 19.1, 19.2 des Sozietätsvertrages folgenden Auskunfts- und Rechenschaftspflicht über Vergütungen aus jedem von ihm als Amt im Sinne des § 19.1 des Sozietätsvertrags geführten Verfahren, in denen die Amtsbestellung des Klägers bis einschließlich zum 31. Dezember 2012 erfolgte und die nicht vollständig bis zum 31. Dezember 2012 beendet wurden, nicht vollständig nachgekommen ist. Es handelt sich bei der Auskunfts- und Rechenschaftspflicht, deren Inhalt § 259 BGB spezifiziert, um einen Anspruch aus demselben rechtlichen Verhältnis, der Teil der zwischen den Parteien im Rahmen des Sozietätsvertrages getroffenen Auseinandersetzungsvereinbarung ist und damit dem Zahlungsanspruch des Klägers gemäß § 273 BGB entgegengehalten werden kann.

56

Soweit der Kläger unter Verweis auf die Anlagen B7 bis B9 vorträgt, er habe seine Auskunfts- und Rechenschaftspflicht jedenfalls bis zum 31.3.2014 erfüllt, bedarf dies – insbesondere die Frage der Vollständigkeit dieser Auskünfte - im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung. Denn unstreitig hat der Kläger seine Auskunftspflicht in Bezug auf Vergütungen gemäß § 19.2, die auf einer Bestellung zum Insolvenzverwalter aus der Zeit vor seinem Ausscheiden beruhen, für den Zeitraum ab dem 1.4.2014 nicht erfüllt. Die angeblich im Juli 2013 an die Beklagte übersandte Liste der Anlage K4 enthält keine Mitteilungen über die tatsächlichen Schlussabrechnungen, weshalb sie keine Auskunft im Sinne des § 19.6 über einen aus § 19.2 folgenden Anspruch der Beklagten gegen den Kläger darstellt.

57

Der Anspruch aus § 19.6 ist auch fällig. Gemäß § 19.6 ist der Kläger zur „zeitnahen Abrechnung nach den üblichen Gepflogenheiten“ der Sozietät verpflichtet und nach seinem Ausscheiden zu den vorbezeichneten Punkten der Sozietät gegenüber rechenschaftspflichtig. Welcher Zeitraum „üblich“ war, lässt sich dem Vortrag der Beklagten und der hierzu eingereichten Anlage B6 zwar nicht konkret entnehmen, denn die Gesellschafterbeschlüsse der Anlage B6 enthalten nur Vorgaben für die Stellung der Vergütungsanträge der Insolvenzverwalter gegenüber den Amtsgerichten zur Vorbereitung der Abrechnungen gegenüber der Sozietät. Den von dem Kläger zunächst selbst vorgenommen halbjährlichen Abrechnungen (vgl. Auskünfte gemäß Anlagen B7 bis B9) ist jedoch zu entnehmen, dass jedenfalls eine seit März 2014 unterbliebene Abrechnung nicht mehr „zeitnah“ ist.

III.

58

Eine diesbezügliche Auskunftspflicht des Klägers ist nicht wegen einer „aus dem Sozietätsvertrag folgenden systematischen Unanwendbarkeit des § 19.2“ entfallen (dazu unter 1.). Die Regelung des § 19.2 stellt auch keine unwirksame Kündigungsbeschränkung gemäß § 723 Abs. 3 BGB dar (dazu unter 2.) und ist auch nicht gem. § 138 BGB nichtig (dazu unter 3.)

59

1. Die von § 19.2 erfassten Abfindungsansprüche der Beklagten sind nicht bereits in der nach Maßgabe des § 17.2 erstellten Auseinandersetzungsbilanz (Anlage K2) umfassend und abschließend berücksichtigt worden.

60

a) Weder der Wortlaut des Sozietätsvertrages noch der Sinn und Zweck der Regelungen lassen eine solche Auslegung zu.

61

(1) Der Wortlaut des Sozietätsvertrages ist eindeutig. Gerade für den Fall, dass ein Gesellschafter sein Profitcenter weiterführt, regelt § 19.4 explizit, dass die Sozietät ihre Ansprüche aus § 19.2 nicht verliert. Die in § 17 des Sozietätsvertrages vorgegebene Berechnungsmethode des Abfindungsguthabens umfasst die unter 19.2 fallenden zukünftigen Vergütungsansprüche aus schwebenden Geschäften ebenfalls gerade nicht. Die Abfindung im Rahmen der Auseinandersetzung soll gemäß § 17.3 nach dem Substanzwert und nicht nach dem Ertragswert ermittelt werden. Bei Anwendung der Substanzwertmethode werden die voraussichtlichen Ergebnisse der beim Ausscheiden noch in Vollzug befindlichen Geschäfte gerade nicht im Wege der Schätzung im Rahmen der Auseinandersetzungsbilanz vorweggenommen (vgl. Schäfer in: Müko, BGB, 6. Aufl., § 740 Rn. 1 und 3; Westermann in Ermann, BGB, § 740 Rn. 1, jew. mwN). Der zukünftige Ertrag findet in der Auseinandersetzungsbilanz vielmehr nur bei Berechnung des Abfindungsguthabens nach der Ertragswertmethode (hierzu Schäfer in: Müko, § 738 Rn. 35; Westermann in Ermann, BGB, § 738 Rn. 5) Berücksichtigung. Die Ertragswertmethode sollte hier gerade nicht zur Anwendung kommen und ist – was unstreitig ist – auch tatsächlich nicht zur Anwendung gekommen. Die bei Ausscheiden des Klägers noch nicht abgeschlossenen Verfahren der Sozietät wurden im Rahmen der Abfindungsbilanz vielmehr unter Herausrechnung eines geschätzten durchschnittlichen Gewinnanteils von 33,3% sowie unter Berücksichtigung eines Abschlags von 50% für einen geschätzten durchschnittlichen halbfertigen Bearbeitungsstand aller offenen Verfahren und eines weiteren Abschlags für etwaige Forderungsausfälle (25%) bewertet (vgl. S. 6/7 und Anlage IV der Anlage K2). Lediglich diese heruntergerechnete Summe von im Ergebnis ca. 8 Mio. € wurde in die Bilanz als Substanzwert eingestellt, nicht der tatsächliche Nettoauftragsbestand der Sozietät von ca. 52 Mio € (vgl. Anlage IV der Anlage K2). Eine Beteiligung der Beklagten an den noch nicht gezahlten Vergütungen der noch offenen Verfahren des Klägers, insbesondere an den dadurch erzielbaren Erträgen und Gewinnen, fand im Rahmen der Auseinandersetzungsbilanz damit gerade nicht statt, wie durch den Verweis auf eine Abfindung nach dem Substanzwert in § 17 des Sozietätsvertrages auch beabsichtigt.

62

(2) Eine Nichtanwendbarkeit des § 19.2 neben § 17 des Sozietätsvertrages ergibt sich auch nicht aus Sinn und Zweck des Sozietätsvertrages. Zweck der Gesellschaft ist es, durch gemeinschaftliche Aufwendungen gemeinschaftliche Einnahmen zu erwirtschaften. Dieser Zweck lässt sich vorliegend insbesondere den Regelungen der § 9.3 und § 9.4 entnehmen, wonach alle Einnahmen solche der Sozietät sind und alle Aufwendungen von der Sozietät zu tragen sind. Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters stellt sich die Frage, wie die noch ausstehenden Einnahmen der noch nicht abgeschlossenen (sog. schwebenden) Geschäfte im Verhältnis zu den gemeinschaftlichen Aufwendungen gerecht verteilt werden.

63

Dies muss, wie die Regelungen der §§ 738, 740 BGB zeigen, nicht im Rahmen der Auseinandersetzungsbilanz erfolgen. Vielmehr können gemäß § 740 BGB nach Ausscheiden des Gesellschafters noch schwebende Geschäfte zusätzlich zum Abfindungsanspruch gemäß § 738 BGB gesondert abgerechnet werden. Sinn und Zweck des § 740 BGB ist es, die Auseinandersetzung mit dem ausgeschiedenen Gesellschafter und die Erstellung der Bilanz davon zu entlasten, die bei dem Ausscheiden schwebenden Geschäfte im Wege der Schätzung (§ 738 Abs. 2 BGB) berücksichtigen zu müssen. Die Berechnung des Abfindungsanspruchs soll mit diesen Geschäften nicht belastet werden, über sie soll vielmehr selbstständig und gesondert entschieden werden (BGH NJW 1993, 1194, 1194). Das Gesetz hat daher den Anspruch aus schwebenden Geschäften gegenüber dem Abfindungsanspruch verselbstständigt (BGH ZIP 1993, 195). Für diese Verselbständigung besteht jedenfalls bei Berechnung des Abfindungsanspruchs nach der Substanzwertmethode – und damit auch vorliegend – ein Bedürfnis. § 740 BGB ist in diesem Fall - anders als teilweise bei einer Unternehmensbewertung nach der Ertragswertmethode angenommen wird (vgl. OLG Hamm NZG 2005, 175; Sprau in Palandt, a.a.O, § 740 Rn. 1; MüKo § 740 Rn. 3 m.w.N.) – nicht als kraft teleologischer Reduktion oder konkludent abbedungen anzusehen, da die Erträge aus den schwebenden Geschäfte nicht bereits im Rahmen der Abfindungsbilanz berücksichtigt wurden.

64

Die Abführungspflicht des § 19.2 entspricht dem Gedanken des § 740 BGB, den Abfindungsanspruch der Sozietät aus den Ämtern, die dem Ausscheidenden persönlich übertragen wurden und die der Ausscheidende nicht der Sozietät überlassen kann, gesondert abzurechnen und nicht in die Abfindungsbilanz mit aufzunehmen. § 19.2 stellt insoweit eine besondere Bestimmung für die sich bei Insolvenzverfahren und anderen übertragenen Ämtern ergebende Besonderheit dar, dass diese Verfahren – anders als normale Prozessverfahren und damit abweichend vom gesetzlichen Leitbild der §§ 738 ff. BGB (vgl. BGH, Beschluss vom 29.7.2014 – II ZR 360/13, BeckRS 2014, 19313, Rn. 2) - bei Ausscheiden des Sozius nicht in der Sozietät verbleiben können. Sie bleiben vielmehr aufgrund der persönlichen Bestellung des Ausscheidenden dessen eigene Geschäfte, selbst wenn wie vorliegend die hieraus resultierenden Vergütungen bereits bei Abschluss des Sozietätsvertrages der Sozietät abgetreten wurden (§ 4.4 und 19.5) und die Sozietät jedenfalls anteilig die zur Bearbeitung der Verfahren erforderlichen Aufwendungen getragen hat (§ 9.4). Als Ausgleich für diese Aufwendungen und auch aufgrund der sich aus § 19.3 ergebenden übereinstimmenden Annahme der Parteien,

65

„dass die Verleihung von Ämtern und deren Ausübung durch den von der Sozietät gegebenen Rückhalt ganz maßgeblich ermöglicht und gefördert wird“,

66

sieht § 19.2 eine anteilige Beteiligung der Sozietät an den bis zum Ausscheiden noch nicht abgerechneten Vergütungen entsprechend der Regelung des § 740 BGB vor. Eine solche Regelung, die sich nur auf die vom ausscheidenden Partner mitgenommenen Verfahren bezieht und nicht auf sämtliche Verfahren der Sozietät, steht jedenfalls dann, wenn sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt, dass die Gesellschafter in dieser Weise verfahren wollten, mit den gesetzlichen Regelungen der §§ 738 ff. BGB in Einklang (BGH, Hinweisbeschluss vom 29.7.2014 – II ZR 360/13, BeckRS 2014, 19313, Rn. 2). Ob sie ohne ausdrückliche Vereinbarung sogar analog § 740 BGB geboten wäre, weil der Ausscheidende andernfalls zu Lasten der Sozietät grundlos einen Vorteil erlangen würde (so die Vorinstanz: OLG Dresden, Urteil vom 29.11.2012 – 13 U 903/11, BeckRS 2014, 19327, Rn. 41), bedarf im vorliegenden Verfahren angesichts der eindeutigen Regelung des § 19.2 keiner Entscheidung.

67

Die Regelung des § 19.2 begründet allerdings keinen Anspruch des Klägers, an den schwebenden Geschäften der Beklagten ebenfalls – analog § 19.2 oder in direkter Anwendung des § 740 BGB – beteiligt zu werden, was indes nicht gegen die Billigkeit der Regelung spricht. Der ausscheidende Partner hat ohne ausdrückliche entsprechende Vereinbarung keinen Anspruch auf eine Beteiligung an schwebenden Verfahren der Sozietät gemäß § 740 BGB. § 740 BGB ist abdingbar, wovon häufig Gebrauch gemacht wird; abweichende Vereinbarungen sind verbreitet (vgl. H.P. Westermann in Ermann, § 740 Rn. 1; Schäfer in: MükO, § 740 Rn. 8 mw.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Teilung der Sachwerte und die rechtlich nicht begrenzte Möglichkeit, um die bisherigen Mandanten zu werben, eine sachlich naheliegende und angemessene Art der Auseinandersetzung einer Freiberuflersozietät. Der bis zu seinem Ausscheiden am Gewinn beteiligte Sozius wird regelmäßig durch das Recht, anteilig Mandate mitzunehmen und sich damit die Grundlage für seine weitere Existenz als Anwalt zu erhalten, in der einer Anwaltssozietät angemessenen Weise abgefunden (BGH, NJW 1994, 796/797; BGH WM 1979, 1064, 1065; ZIP 1990, 1200, 1201; BGH ZIP 1995, 833, Rn. 8 = NJW 1995, 1551; BGH BeckRS 2014, 19213 Tz.12). Gehen die Gesellschafter in dieser Weise vor, ist damit der Geschäftswert abgegolten. Eine weitergehende Abfindung kann grundsätzlich nicht beansprucht werden und bedarf einer entsprechenden Vereinbarung (BGH, NJW 1994, 796; BGH ZIP 2010, 1594; OLG Dresden, BeckRS 2014, 19327 Rn. 51). An einer solchen fehlt es vorliegend. Die Abfindung des Klägers erfolgt ausweislich der Bestimmungen des Sozietätsvertrages durch eine Beteiligung des Klägers am Substanzwert gemäß § 17 und durch den Verzicht der Beklagten auf die Mandatsschutzklausel (§ 19.1) und auf ihre Beteiligung an den Vergütungen aus innerhalb der ersten 12 Monate auf den Kläger übertragenen Ämtern (19.3), wodurch sie dem Kläger die Weiterführung seines Profitcenters unter Übernahme der im Ausscheidenszeitpunkt vorhandenen Mandate und Ämter ermöglicht (§ 18.4). Eine zusätzliche Beteiligung des Klägers an schwebenden Geschäften der Sozietät gemäß § 740 BGB ist im Sozietätsvertrag nicht vorgesehen.

68

Dass die von § 19.2 erfassten Verfahren auch mit einem Teilwert in der Abfindungsbilanz der Beklagten berücksichtigt wurden, steht der Zulässigkeit des § 19.2 ebenfalls nicht entgegen. Aus der Selbständigkeit des Anspruchs aus § 740 BGB aus schwebenden Geschäften folgt zwar, dass diese Geschäfte bei der Erstellung der Abschichtungsbilanz grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben (BGH NJW 1993, 1194, 1195). Ob dies auch für Geschäfte abweichend vom gesetzlichen Leitbild gilt, die von dem Ausscheidenden mitgenommen werden, oder ob insoweit die mitgenommenen Mandate bei der Ermittlung des Praxiswertes gerade nicht mindernd zu berücksichtigen sind, sondern nur auf einen etwaigen Abfindungsanspruch anzurechnen sind (vgl. z.B. BGH Urteil vom 6.3.1995 – II ZR 97/94, ZIP 1995, 833 Rn. 8 = NJW 1995, 1551), braucht vorliegend indes nicht entschieden zu werden (offen gelassen auch von BGH, Beschluss vom 29.7.2014 – II ZR 360/12, BeckRS 2014, 19313 Tz. 14). Denn da die Abfindungsbilanz lediglich den Substanzwert der Verfahren berücksichtigt hat und gemäß § 17.2 auch nur berücksichtigen sollte, ergibt sich aus ihr, wie ausgeführt, kein Anhaltspunkt für eine Abbedingung des § 19.2. Die doppelte Berücksichtigung dieser Verfahren könnte insoweit allenfalls einen Fehler in der Auseinandersetzungsbilanz darstellen, die aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist und aufgrund des gemäß § 17.4 vorgesehenen Schiedsverfahrens auch nicht sein kann.

69

b) Ein anderes Verständnis des Sozietätsvertrages folgt auch nicht aus Billigkeitserwägungen. Zwar sind die Regelungen eines Gesellschaftsvertrages auch unter Berücksichtigung von Treu und Glauben im Hinblick auf die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse zu beurteilen (BGH NJW 1993, 2193, 3193). Die Regelung des § 19.2 ist jedoch weder für sich genommen noch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Folgen ihrer Anwendung unbillig.

70

(1) Soweit der Kläger vorträgt, es gebe „keinen wirtschaftlichen Grund“ für eine Abführungspflicht nach § 19.2, da er mit seinem Profitcenter stets profitabel gearbeitet habe, sogar profitabler als der Rest der Sozietät, und seine Aufwendungen daher stets habe selbst tragen können, lässt er dabei unberücksichtigt, dass die durch sein Profitcenter geleisteten Aufwendungen nicht seine eigenen Aufwendungen, sondern Aufwendungen der Sozietät waren. Der hinter der Abführungspflicht des § 19.2 stehende wirtschaftliche Grund besteht im Übrigen nicht allein darin, dass die Sozietät die auf die Verfahren entfallenden Aufwendungen getragen hat, sondern auch in der in § 19.3 zum Ausdruck kommende Gedanke, dass die Verleihung von Ämtern und deren Ausübung durch die Sozietät überhaupt erst ermöglicht und gefördert wurde. Hierüber bestand bei Abschluss des Sozietätsvertrages – wie § 19.3 ausdrücklich zu entnehmen ist – zwischen der Sozietät und dem Kläger Einvernehmen. Die große Zahl an Insolvenzverfahren, in denen der Kläger seit Beginn seiner Partnerschaft als Insolvenzverwalter bestellt wurde (vgl. Anlage K4) und die ausweislich des Klägervortrages und seiner tabellarischen Übersichten in der Klagschrift ein Grund für die hohe Profitabilität seines Profitcenters waren, sind danach jedenfalls auch ein Verdienst der Sozietät und nicht allein des Klägers persönlich.

71

(2) Eine Unbilligkeit der Regelung des § 19.2 ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht daraus, dass er bei Erfüllung der Abführungspflicht seinen ihm bei Verbleib in der Sozietät grundsätzlich zustehenden Gewinnanteil an diesen Verfahren verlieren würde. Denn es entspricht, wie ausgeführt, gerade nicht dem Normalfall bei Ausscheiden eines Partners aus einer Sozietät, dass der Ausscheidende an dem Gewinn „seiner“ noch nicht abgeschlossenen Verfahren beteiligt wird. Dies ergibt sich aus der bereits zitierten zu §§ 738 ff BGB ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach schwebende Geschäfte bei Ausscheiden eines Anwalts in der Regel vollständig – ohne Beteiligung des Ausscheidenden gemäß § 740 BGB - bei der Kanzlei verbleiben und der bis zu seinem Ausscheiden am Gewinn beteiligte Partner bereits durch das Recht, anteilig Mandate mitzunehmen, in der einer Anwaltssozietät angemessenen Weise abgefunden wird (BGH, NJW 1994, 796/797; BGH WM 1979, 1064, 1065; ZIP 1990, 1200, 1201). Die Gewinne aus den schwebenden Verfahren stehen danach in der Regel vollständig der Sozietät und nicht dem ausscheidenden Gesellschafter zu. Dass dies auch das Verständnis des vorliegenden Sozietätsvertrages ist, zeigt die Regelung des § 19.5, wonach sämtliche Vergütungsansprüche, auch die aus § 19.2, bereits mit dem Beitritt zur Sozietät an die Sozietät abgetreten werden. Die unter 19.2 fallenden Verfahren werden insoweit nicht „freiwillig“ zum Zwecke der zumindest anteiligen Gewinnerzielung dem Ausscheidenden überlassen, sondern nur deshalb, weil es sich um persönliche Ämter handelt, die nicht bei der Sozietät bleiben können. Hieraus folgt kein gesellschaftsrechtlicher Anspruch, dann auch die gesamten Vergütungen einschließlich der Gewinne aus diesen Verfahren behalten zu dürfen.

72

(3) Dass der Kläger durch die Weiterführungspflicht seiner Ämter mit den zukünftigen Kosten der unter § 19.2 fallenden Verfahren belastet ist, führt ebenfalls nicht zur Unbilligkeit dieser Abfindungsvereinbarung. Denn der Kostentragungslast wird in § 19.2 dadurch Rechnung getragen, dass der Ausscheidende nicht sämtliche Vergütungen aus diesen Verfahren an die Sozietät abführen muss, sondern gestaffelt nach der jeweiligen Dauer der Amtsbestellung vor seinem Ausscheiden einen variierenden Prozentsatz. Der Ausscheidende darf danach bei jüngeren Verfahren, in denen die Amtsbestellung im letzten Jahr vor seinem Ausscheiden erfolgt, bis zu 60% der Vergütung behalten und muss lediglich bei älteren Verfahren höhere Anteile (bis hin zu 90%) abführen. Dass dies den Ausgeschiedenen unbillig belastet, ist nicht ersichtlich. Denn dass die vom Ausgeschiedenen auf die weiterzuführenden Verfahren aufzuwendenden Kosten höher sind als die ihm gemäß § 19.2 verbleibende Vergütung, hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Die Staffelung der Abführungspflicht geht – wie auch die Beklagte vorträgt - davon aus, dass die für ein Insolvenzverfahren aufzuwendenden Kosten zu Beginn des Verfahrens am höchsten sind und anschließend kontinuierlich abnehmen. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Eine Aufschlüsselung der tatsächlichen Kosten der Insolvenzverfahren im Verhältnis zu deren Dauer nimmt der Kläger nicht vor. Vielmehr hat er selbst angegeben, dass die von ihm behauptete stets gleiche Kostenquote allein daraus resultiere, dass er stets gleiche „Ressourcen“ (im wesentlichen Räumlichkeiten und Personal) vorhalten müsse, die in der Anfangsphase eines Insolvenzverfahrens stärker als bei älteren Verfahren beansprucht werden würden. Diesem Umstand wird in § 19.2 dadurch Rechnung getragen, dass bei jüngeren Verfahren, die größere Ressourcen beanspruchen, nur eine Abführungspflicht von lediglich 40% vorgesehen ist, wohingegen in älteren Verfahren, für die mehr Ressourcen der Sozietät in Anspruch genommen wurden, auch mehr an die Sozietät abzuführen ist.

73

(4) Eine Unbilligkeit des § 19.2 ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger unter Verweis auf die Anlage K4 errechneten durchschnittlichen Abführungspflicht von 80% (exakt 79,83 %) aller im Profitcenter am 31.7.2013 (dem vom Kläger unter Verweis auf Anlage K6 behaupteten Datum der Übersendung der Liste K4) noch offenen Vergütungen aus Insolvenzverwaltungen und den von ihm behaupteten ab 1.1.2013 zu tragenden Kosten, die aufgrund der Übernahme seines Profitcenters in den Jahren 2013 und 2014 trotz zu erwartendem Rückgang des Neugeschäfts im Vergleich zu 2012 gleich bleiben und erst ab 2015 wieder durchschnittlich 74% seiner Umsätze ausmachen würden (vgl. S. 20 ff. der Klagschrift). Denn auch bei unterstellter Richtigkeit der von dem Kläger behaupteten durchschnittlichen Abführungspflicht von 80% im Jahr 2013 und einer für die Jahre 2014 und 2015 gleichbleibend hohen Kostenlast wie im Jahr 2012 und anschließender Kostenlast von 74% seiner Umsätze, sind die von dem Kläger aus diesen Daten abgeleiteten (und nicht unter Beweis gestellten) „Auswertungen“ ab Seite 26 Ziffer V der Klagschrift unschlüssig und damit auch der vom Kläger bis Ende 2018 errechnete angebliche Verlust von 5,2 Mio €. Dies ergibt sich aus folgendem:

74

(a) Die Auswertung des Klägers lässt außer Acht, dass sich aus der von ihm im Jahr 2013 errechneten durchschnittlichen Abführungspflicht von 80% der unter 19.2 fallenden Vergütungen keine bis 2018 gleichbleibend hohe Abführungspflicht von 80% (wie der Kläger in der Tabelle auf S. 27 der Klagschrift annimmt) ableiten lässt. Denn die Staffelung des § 19.2 führt zu einer jährlich variierenden Abführungspflicht je nach Dauer der Verfahren. Diese wird vom Kläger nicht berücksichtigt. Zudem lässt eine unterstellte Abführungspflicht von 80% im Jahr 2013 darauf schließen, dass es sich um überwiegend ältere Insolvenzverfahren handeln muss, in denen die Amtsbestellung mindestens vier Jahre vor dem 31.12.2012 lag. In Verbindung mit der vom Kläger selbst angenommenen durchschnittlichen Dauer von Insolvenzverfahren von sechs Jahren bis zur Realisierung der Schlussvergütung ergibt sich daraus, dass eine Vielzahl der in Anlage K4 aufgeführten Verfahren zwei Jahre nach dem Ausscheiden des Klägers abgerechnet sein dürften, mithin in den darauffolgenden Jahren (ab 2015) nicht mehr abführungsrelevant wären. Dies wird bei der „Auswertung“ des Klägers ebenfalls nicht berücksichtigt.

75

(b) Der Kläger berücksichtigt in der Darstellung seiner Umsätze und Kosten in den Jahren 2013 bis 2018 (vgl. Tabelle Seite 27 der Klagschrift) zudem nicht die Umsätze seines Profitcenters aus anwaltlicher Beratung und Prozessführung, sondern stellt allein auf die Insolvenzverfahren ab. Ausweislich der Tabelle auf Seite 17 der Klagschrift haben die Verfahren aus anwaltlicher Beratung und Prozessführung (vom Kläger als „PA“ bezeichnet) jedoch im Jahr 2012 in dem von ihm geführten Profitcenter einen Umsatz von 1.039 TEU ausgemacht, wodurch ein Gewinn von 519,5 TEUR und damit eine Gewinnmarge von fast 50% erzielt wurde. Diese Gewinne werden den angeblich ab 2013 anfallenden Kosten nicht entgegengehalten, obwohl der Kläger seine hohen Kosten (trotz angeblich stark zurückgehender neuer Insolvenzverfahren) vor allem mit Kosten für Personal und Miete begründet (S. 26 der Klagschrift). Hierbei handelt es sich jedoch um Kosten, die auch für die anwaltliche Beratung und Prozessführung aufgewandt werden und dementsprechend auch von den daraus erzielten Gewinnen mitzufinanzieren sind.

76

(c) Die von dem Kläger ab 2015 (nach Auslaufen des übernommenen Mietvertrages) vorgetragene Kostenquote von 74% der von ihm erzielten Umsätze und die daraus in der Tabelle auf S. 27 abgeleiteten Zahlen sind unschlüssig. Der Kläger berechnet seine angeblichen Kosten in Höhe von 2.397 TEUR jährlich auf der Grundlage einer Addition der geschätzten Umsätze aus den unter § 19.2 fallenden Altverfahren und den ab 1.1.2013 erworbenen Neuverfahren und berechnet hiervon 74%. Für die Altverfahren geht der Kläger jedoch selbst davon aus, dass sie seine Ressourcen weniger stark beanspruchen (S. 7 der Replik, Bl. 102 d.A.). Für die hierdurch entstehenden Kosten behält er zudem von den nach § 19.2 abzuführenden Vergütungen je nach Dauer der Verfahren einen unterschiedlich hohen Anteil ein. Die vom Kläger behauptete Kostenquote von 74% der erzielten Umsätze kann sich damit allenfalls auf seine Neuverfahren beziehen. Abweichendes trägt der Kläger auch nicht vor. Unter Berücksichtigung nur der Umsätze aus Neuverfahren ergibt sich jedoch eine deutlich geringere jährliche tatsächliche Kostenlast des Klägers als von ihm berechnet. Im konkreten Fall würde sich ab 2015 bei unterstellter Richtigkeit der Umsätze aus Neugeschäft in Höhe von 1.398 TEUR jährlich (Tabelle S. 27 der Klagschrift) und weiter unterstellter Kostenquote von 74% der Umsätze eine Kostenlast von lediglich 1.034 TEUR anstatt 2.397 TEUR jährlich ergeben. Die dem Kläger danach verbleibenden Umsätze würden schon für sich genommen (ohne Berücksichtigung weiterer Umsätze aus anwaltlicher Beratung und Prozessführung) den vom Kläger berechneten Verlust von 628.000 € jährlich übersteigen.

77

(5) Unterstellt, sämtliche Berechnungen des Klägers träfen zu (was insbesondere aufgrund der nicht berücksichtigten Gewinne aus anwaltlicher Beratung und Prozessführung unwahrscheinlich ist), ergibt sich aus der behaupteten Kostendeckungslücke von 5.2 Mio € bis 2018 auch aus folgenden Erwägungen kein aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgendes Gebot, § 19.2 im Rahmen der Auseinandersetzung unberücksichtigt zu lassen:

78

(a) Der vom Kläger behauptete Verlust ist jedenfalls nicht in erster Linie auf die Abführungspflicht gemäß § 19.2 zurückzuführen. Eine Abführungspflicht von 80% und mehr für die vom Kläger weitergeführten Insolvenzverfahren sieht die Regelung des § 19.2 nur für Verfahren vor, in denen die Insolvenzverwalterbestellung länger als vier Jahre vor dem Ausscheiden erfolgte. Diese Verfahren beanspruchen jedoch, wie der Kläger selbst vorträgt, geringere Ressourcen als die neu erworbenen Verfahren. Der Kläger kann seine Ressourcen daher nach wie vor ganz überwiegend für seine Neuverfahren nutzen. Wenn die Einnahmen aus den neu erworbenen Verfahren und die zusätzlich hierzu einbehaltenen anteiligen Vergütungen aus den Altverfahren dennoch, wie vom Kläger behauptet, aufgrund des angeblich zu erwartenden dauerhaften Umsatzrückgang aus neuen Insolvenzverfahren nicht zur Kostendeckung ausreichen sollten, so beruht dies aus den üblichen mit dem Betrieb einer Kanzlei verbundenen Betriebsführungsrisiken. Diese können indes § 19.2 nicht entgegengehalten werden.

79

(b) Hinzu kommt, dass die Berechnung des Klägers, mit der er zu einer angeblichen Verschuldung in Höhe von 5,2 Mio € kommt, im Jahr 2018 endet (S. 28 der Klagschrift). Die zuvor vom Kläger erwähnten ab spätestens 2019 zu erzielenden Schlussvergütungen für die Insolvenzverwaltungen in Höhe von vom Kläger geschätzten zusätzlich 2.000 TEUR jährlich (S. 23 der Klagschrift) bleiben damit unberücksichtigt. Bei einer zusätzlichen Einnahme von 2 Mio € jährlich ab 2019 wäre eine behauptete Überschuldung von 5.2 Mio € indes nach nicht einmal drei Jahren beseitigt und würde ab diesem Zeitpunkt einen Gewinn darstellen.

80

(6) Aus dem Verhältnis des dem Kläger gemäß § 17 des Sozietätsvertrages zustehenden Substanzwertes, welcher vorliegend von der Beklagten mit 511.300,32 € ermittelt wurde, und der sich aus § 19.2 ergebenden Abführungspflicht, welche vom Kläger mit 8.819 TEUR angegeben wird, ergibt sich ebenfalls kein Gebot, § 19.2 nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht zu berücksichtigen. Denn der Kläger berücksichtigt bei dieser Gegenüberstellung nicht die Werthaltigkeit des Verzichts der Beklagten auf ihre Rechte aus § 19.1 und § 19.3 des Vertrages und der dem Kläger damit gegebenen Möglichkeit, sein Profitcenter unter Mitnahme der Mandate und ohne Beteiligung der Beklagten an Einnahmen aus zukünftigen Bestellungen zum Insolvenzverwalter weiterzuführen, sowie den weiteren Umstand, dass ihm von den Altverfahren nach eigener Berechnung weitere 2.228 TEUR verbleiben.

81

(7) Dass es sich um eine Bruttoabführungspflicht handelt, führt ebenfalls zu keiner unbilligen Belastung. Denn da der Kläger die von § 19.2 erfassten Vergütungsansprüche bereits bei Sozietätsbeitritt an die Beklagte abgetreten hat (§ 19.5), unterliegt die Beklagte hinsichtlich des an sie abgeführten Teils der Umsatzsteuerpflicht. Dies hat der Kläger auch nicht in Abrede genommen. Etwaige hierauf zuvor bereits von dem Kläger abgeführte Umsatzsteuern kann sich der Kläger vom Finanzamt erstatten lassen.

82

(8) Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 27.5.2016 als weiteres Argument für die Unangemessenheit darauf verweist, er allein trage das Risiko der Realisierung der festgesetzten Vergütung, insbesondere, ob die Masse zur Realisierung überhaupt ausreiche, ist dies unschlüssig. Denn die Schlussvergütung wird erst am Schluss des Verfahrens festgesetzt, wenn die noch vorhandene Masse bekannt ist. Nur die endgültige Insolvenzmasse ist für die Vergütung relevant. Da die Regelung des § 19.2 auf die jeweils tatsächlich festgesetzte Vergütung abstellt und gerade keine Vorab-Schätzung der Honorare zu Grunde legt, werden die im Insolvenzverfahren bestehenden Unsicherheiten der Realisierung gerade durch die Regelung des § 19.2 – und eben nicht, wenn sie bereits in der Abfindungsbilanz abschließend geschätzt werden würden – berücksichtigt (so auch OLG Dresden BeckRS 2014, 19327, Tz. 56, das gerade aus diesem Grund in einem vergleichbaren Fall § 740 BGB analog anwendet). Dies spricht eher für die Billigkeit des § 19.2 als gegen sie.

83

(9) Die zur Begründung der Unbilligkeit vom Kläger im Schriftsatz vom 27.5.2016 weiter vorgenommene Berechnung seiner Abführungspflicht unter Berücksichtigung variierender Abführungsquoten (vgl. die Tabelle auf S. 13 oben, Bl. 156 d.A.) ist ebenfalls unschlüssig. Zum einen sind die nunmehr angenommenen Abführungsquoten zwischen 40% und 90% angesichts der ursprünglich vom Beklagten im Jahr 2013 errechneten Abführungsquote von 80% nicht nachvollziehbar. Zum anderen berücksichtigt die bis 2018 vorgenommene Berechnung nicht, dass die Abführungspflicht zwei Jahre nach dem Ausscheiden des Beklagten in den meisten Verfahren aufgrund ihres Alters beendet sein dürfte. Hinzu kommt, dass der Beklagte der Berechnung die Annahme zu Grunde legt, er müsse zusätzlich zur Brutto-Abführungspflicht an die Klägerin gem. § 19.2 die gesamte auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen, ohne seine diesbezüglichen Steuererstattungsansprüche zu berücksichtigen. Die Berechnung ist damit in sich fehlerhaft und die angeblichen Verluste schon deshalb nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass die vom Kläger weiter zu Grunde gelegte Kostenquote von pauschal 72% wiederum keine Differenzierung nach den für die betroffenen Verfahren konkret anfallenden Kosten erkennen lässt und keine Angaben enthält, ob hierin auch Kosten enthalten sind, die auch normalen Beratungsmandaten zu Gute kommen. Die daran anschließende Berechnung der Verluste unter Berücksichtigung variierender Kostenquoten (vgl. die Tabelle auf S. 14 oben, Bl. 157 d.A.) ist aus dem gleichen Grund unschlüssig, denn auch hier wird von einer Kostenquote von 72 % bei neueren Verfahren ausgegangen, ohne dass deren Größe nachvollziehbar ist. Der Schriftsatz vom 27.5.2016 gab insoweit keinen Anlass für eine Wiedereröffnung des Verfahrens.

84

2. Aus den unter A.III.1. dargestellten Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die Regelung des § 19.2 keine mit § 723 Abs. 3 BGB nicht zu vereinbarende Erschwerung des Kündigungsrechtes des Klägers darstellt, die zur Nichtigkeit des § 19.2 führen würde.

85

Das in § 723 Abs. 3 BGB enthaltene Verbot der Kündigungsbeschränkung setzt – im Gegensatz zu einer möglichen Korrektur des Sozietätsvertrages nach dem Grundsatz von Treu und Glauben bei einer nachträglichen unzumutbaren Änderung der tatsächlichen Verhältnisse – ein ursprüngliches Missverhältnis voraus, welches die Kündigung bereits bei Vertragsschluss de facto ausschloss (BGH NJW 1993, 3193, 3193; Schäfer in: MüKo § 738 Rn. 49 mwN). Ein solches von Anfang an bestehende Missverhältnis war vorliegend nicht gegeben. Der Abfindungsanspruch aus § 19.2, der einer analogen Anwendung des § 740 BGB auf bestimmte Verfahren entspricht, geht nicht über die gemäß § 740 BGB zulässigen und aus der Anwendung dieser Vorschrift entstehenden Folgen hinaus (so auch BGH, BeckRS 2014, 19313 Tz. 9). Dass der Ausscheidende dabei nicht gleichermaßen an den schwebenden Geschäften der Sozietät beteiligt wird, ist unter Berücksichtigung der von § 18.4 und § 19.4 ermöglichten und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung als angemessen angesehenen Abfindung des bis zum Ausscheiden am Gewinn beteiligten Ausscheidenden durch anteilige Mitnahme der Mandate (BGH, NJW 1994, 796/797; BGH WM 1979, 1064, 1065; ZIP 1990, 1200, 1201) nicht zu beanstanden (so für einen vergleichbaren Fall auch BGH, BeckRS 2014, 19313 Tz. 9).

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Abweichendes ergibt sich nicht aus den vom Kläger mit Schriftsatz vom 27.5.2016 vorgetragenen angeblichen tatsächlichen unverhältnismäßigen Folgen einer Kündigung im Zeitpunkt des Abschlusses des Sozietätsvertrages. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob als maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung der Abschluss des neugefassten Sozietätsvertrages im Jahr 2003 anzusehen ist (so der Kläger) oder der Zeitpunkt der Unterzeichnung der Ursprungsfassung des Vertrages im Jahr 2000. Denn auch unter Berücksichtigung der vom Kläger für das Jahr 2003 vorgetragenen Zahlen ergibt sich kein offenkundiges Missverhältnis. Auch insoweit lassen die vom Kläger angestellten Berechnungen (S. 20 des Schriftsatzes vom 27.5.2016, Bl. 163 d.A.) außer Acht, dass sich aus seiner auf S. 17 der Klagschrift vorgetragenen Gewinnspanne von 40% für diesen Zeitraum kein Rückschluss auf seine Kostenlast in Bezug auf die abführungsrelevanten Verfahren ergibt. Eine Darlegung der konkret für diese Verfahren aufzuwendenden Kosten fehlt. Die Behauptung des Klägers, die für diese Verfahren aufzuwendenden Kosten würden den ihm gemäß § 19.2 verbleibenden Anteil der Vergütungen übersteigen, bleibt damit ohne Substanz. Gleiches gilt für den vom Kläger behaupteten Verlust von 2.246,4 TEUR. Denn auch insoweit ist nicht ersichtlich, welche Positionen der Kläger bei seiner angeblichen Kostenlast berücksichtigt hat und ob hierin wiederum auch Kosten für Personal und Miete enthalten sind, die auch normalen Beratungsmandaten zu Gute kämen, welche ausweislich der Tabelle S. 17 der Klagschrift im Jahr 2003 immerhin 554 TEUR Gewinn erzielten. Anlass für eine Wiedereröffnung des Verfahrens ergab sich daher auch aus diesem Vortrag nicht.

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3. § 19.2 ist schließlich auch nicht gemäß § 138 BGB sittenwidrig und deshalb als nichtig anzusehen. Auch bei der Beurteilung einer möglichen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB ist auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts abzustellen und nicht auf den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtswirkungen (BGH NJW 1989, 1277; BGH NJW 2012, 1570 Tz 13). Ein nachträgliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung begründet keine Sittenwidrigkeit (Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 8 m.w.N.). Ein Verstoß der Regelung des § 19.2 „gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ bei Abschluss des Sozietätsvertrages lag jedoch aus den unter A.III.2. ausgeführten Gründen nicht vor.

B.

88

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

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