Urteil vom Landgericht Hamburg (18. Kammer für Handelssachen) - 418 HKO 39/15

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin, vormals firmierend als B. Verwaltungsservice GmbH, verlangt von der Beklagten, einer Fondsgesellschaft, Honorar für Buchhaltungsserviceleistungen.

2

Unter dem 02.11.2011 (Anlage K 1) schlossen die Klägerin und die W.I. KG, vertreten durch Prof. Dr. H.M.S., einen Rahmenvertrag für die Bearbeitung der Buchhaltung diverser Fondsgesellschaften, zu denen auch die Beklagte zählt.

3

Prof. S. ist durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts H. vom 20.04.2015 (Az. ...) wegen Untreue in einem besonders schweren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden.

4

Am 24.01.2012/06.12.2011 (Anlage K 2) vereinbarten die Klägerin und die Beklagte einen den Rahmenvertrag konkretisierenden Dienstleistungsvertrag mit einem Dienstleistungskatalog nach § 1 des Rahmenvertrages und einer Laufzeit vom 01.11.2011 bis zum 31.10.2016, kündbar mit einer Frist von drei Monaten zum Ende der Vertragslaufzeit, wobei folgende Jahreshonorare, fällig jeweils quartalsweise vorschüssig, festgelegt wurden:

5

- KG-Buchführung

€ 9.573,18

- KG-Jahresabschluss

€ 2.500,00

- KG-Jahresabschluss-Offenlegung

€    210,00

- KG Vorbereitung und Ausführung des Zahlungsverkehrs  

€    900,00

insgesamt eine Jahresvergütung von
(€ 13.183,18 netto =)
€ 15.687,98 brutto.

6

In der Folgezeit kam es zu Verhandlungen über eine Honoraranpassung anlässlich der seit Ende Oktober 2013 – in Abweichung von § 1 Rahmenvertrag – nicht mehr von der W.I. KG, über deren Vermögen am 18.12.2013 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, gestellten Infrastruktur.

7

Die Klägerin legte Rechnung (alle im Anlagenkonvolut K 6) über ihre auftragsgemäß ausgeführten Arbeiten, die für das dritte und vierte Quartal 2014 sowie das erste und zweite Quartal 2015 auf der Basis eines geforderten Jahreshonorars von € 17.136,00 brutto (je € 4.284,00 brutto) nicht bezahlt wurden.

8

Des Weiteren stellte die Klägerin der Beklagten unter dem 29.08.2014 für den „Jahresabschluss 2012 … gem. Auftrag vom 29.01.2014 erteilt durch Herrn Dr. S1“ zusätzlich € 1.785,00 brutto in Rechnung; Dr. S1 ist Mitarbeiter der P.-Gruppe, die Ende 2013 das Fondsmanagement übernommen hatte. Die letztgenannten Positionen sind Grundlage des Zahlungsantrages zu 1. der Klage über insgesamt € 18.921,00.

9

Mit Schreiben vom 26.08.2014 (Anlage K 7) wandte die P.F. GmbH gegenüber den geltend gemachten Honoraransprüchen die Nichtigkeit des Dienstleistungsvertrages ein, dem die Klägerin mit Schreiben vom 01.09.2014 (Anlage K 8) widersprach und mit Schreiben vom 22.09.2014 (Anlage K 9) – nachdem (auch in der Folgezeit) ausbleibenden Übersenden der für die Buchhaltungsarbeiten erforderlichen Unterlagen, Belege und Informationen – erneut die Erbringung der geschuldeten Dienstleistung anbot.

10

Die Klägerin verfolgt ihre Vergütungsforderung weiter und behauptet, im Dezember 2013 habe sich die Klägerin mit dem die W.I. KG vertretenen Herrn O.H. auf eine Anpassung des jährlichen Honorars auf € 17.076,50 brutto verständigt.

11

Am 24.04.2014 seien die Klägerin, durch deren Geschäftsführer Herrn H.K., und die die Fondsgesellschaften nunmehr betreuenden P.-Gruppe, dort die für die P.F. GmbH handelnden Herren R. und Dr. S1, übereingekommen, die Summe aller Netto-Honorare der Fondsgesellschaften auf ca. € 320.000,00 jährlich anzuheben, so dass sich das von der Beklagten zu zahlende Honorar auf € 14.400,00 netto = € 17.136,00 brutto belaufen würde, wie der Geschäftsführer K. mit E-Mail vom 30.04.2014 (Anlage K 4) ausführte. Ein in Beantwortung dessen unter dem 15.05.2014 (Anlage K 5) von der P.-Gruppe abweichendes Honorarangebot über insgesamt € 296.236,00 nahm die Klägerin nicht an.

12

Der Anspruch auf Honoraranpassung folge im Übrigen aus einem Wegfall der Geschäftsgrundlage im Hinblick auf die nicht mehr gestellte Infrastruktur.

13

Das weitere Honorar von € 1.785,00 sei geschuldet, weil die Klägerin zusätzliche beauftragte Arbeiten in Gestalt weiterer Abstimmungen zum Jahresabschluss 2012 erbracht habe.

14

Das Vertragsverhältnis sei wirksam. Es liege weder kollusives Handeln noch Missbrauch der Vertretungsmacht oder ein Verstoß gegen das Steuerberatungsgesetz (StBerG) vor. Die Klägerin sei zwar weder Steuerberatungsgesellschaft noch Rechtsanwalts-, Wirtschaftsprüfungs- oder Buchprüfungsgesellschaft. Die konkreten Tätigkeiten unterfielen jedoch nicht den Beschränkungen des StBerG.

15

Jedenfalls hätte ein Verstoß gegen § 134 BGB keine Gesamtnichtigkeit zur Folge, da der § 9 des Rahmenvertrages und § 8 des Dienstleistungsvertrages eine salvatorische Klausel enthielten.

16

Die Klägerin beantragt,

17

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 18.921,00 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 02.07.2014 auf € 4.284,00, seit dem 02.10.2014 auf weitere € 4.284,00, seit dem 02.01.2015 auf weitere € 4.284,00, seit dem 02.04.2015 auf weitere € 4.284,00 und seit dem 07.09.2014 auf € 1.785,00 zu zahlen

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2. die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, an die Klägerin jeweils zum

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01.07.2015   € 4.284,00
01.10.2015   € 4.284,00
01.01.2016   € 4.284,00
01.04.2016   € 4.284,00
01.07.2016   € 4.284,00 und
01.10.2016   € 1.428,00

20

nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz und zwar jeweils ab dem auf den jeweiligen Fälligkeitstag folgenden Tag zu zahlen.

21

Die Beklagte beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Sie ist der Auffassung, die geschlossenen Verträge seien unwirksam, und zwar wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht. Sie seien durch ein kollusives Zusammenwirken der Vertreter zu Lasten der vom seinerzeitigen Generalbevollmächtigten der W. I. KG T. K1 vertretenen Fondsgesellschaften zu Stande gekommen, da zu deren Lasten überhöhte Vergütungen vereinbart worden seien, um die W. I. KG entsprechend zu entlasten.

24

Jedenfalls sei die Klägerin wegen eines evidenten Missbrauchs der Vertretungsmacht nach Treu und Glauben gehindert, sich auf die Verträge zu berufen.

25

Der Geschäftsführer der Klägerin, Herr H. K., sei vor seiner Geschäftsführertätigkeit angestellter Bilanzbuchhalter bei der A. Steuerberatungsgesellschaft mbH (nachfolgend A.) gewesen, deren Geschäftsführer und maßgeblicher Gesellschafter sein Bruder R. K., langjähriger Steuerberater und Vertrauter des verurteilten Prof. S. gewesen sei.

26

Ausgehandelt worden sei der Rahmenvertrag, beginnend ab dem 18.08.2011, zwischen dem Geschäftsführer der A. R. K. und dem seinerzeitigen Generalbevollmächtigten der W. I. KG T. K1 für die vertretenen Fondsgesellschaften. Gemeinsames Verständnis der beiden sei gewesen, dass die Entgelte für die Fondsgesellschaften viel zu hoch festgesetzt wurden, um dadurch die W. I. KG, die seinerzeit bereits insolvent gewesen sei (ausweislich der E-Mail des Mitarbeiters R1 vom 09.06.2011, Anlage B 3) von Kosten für die eigene Buchhaltung zu entlasten. Diese Vorgabe sei belegt durch den E-Mail Verkehr.

27

So habe Herr R. K. mit E-Mail vom 23.08.2011, 17:55 Uhr (Anlage B 1), Herrn K1 die Leistungen der Klägerin für € 739.945,50 angeboten. Herr K1 habe so dann Herrn R. K. mit E-Mail vom 24.08.2011, 10:03 Uhr (Anlage B 1) geantwortet, in der es u.a. heißt:

28

„Zur Liquiditätssicherung sollte der an die Fonds zu belastende Betrag relativ hoch sein.“

29

Herr R. K. habe mit einer Kalkulation für die Dienstleistungsentgelte („…um die notwendige Liquidität zu erreichen…“) per E-Mail an Herrn K1 vom 24.08.2011, 12.58 Uhr (Anlage B 14) geantwortet. Die als „aktuelle Kosten“ bezeichneten Beträge der betrachteten Gesellschaften beliefen sich danach auf € 121.019,73 und hätten sich nach der Kalkulation unter dem zu schließenden Rahmen- und Dienstleistungsvertrag auf € 281.450,00 verdoppeln sollen, sprich für die Beklagte von aktuell € 6.000,00 auf € 7.810,00. Tatsächlich stehe den bisherigen Kosten nach dem Dienstleistungsvertrag nunmehr ein Entgelt von € 13.183,18 netto pro Jahr für dieselben Leistungen gegenüber.

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Damit seien die Entgelte bewusst zum Nachteil der vertretenen Fondsgesellschaften, also auch der Beklagten, vereinbart worden.

31

Die Kenntnis des Geschäftsführer der Klägerin von den Untreuehandlungen des Prof. S. sei ersichtlich aus der offenen Postenliste (nachfolgend: OPOS-Liste) aus November 2011 der W. I. B.V., die dem Geschäftsführer der Klägerin per E-Mail (Anlage B 12) zugegangen sei. Daraus sei zweifelsfrei zu erkennen, dass die Zahlungen von den Fonds an die W. I. B.V. veruntreuenden Charakter gehabt hätten.

32

Die Verträge, insbesondere der Dienstleistungsvertrag, seien im Übrigen unwirksam gemäß § 134 BGB i.V.m. § 5 StBerG, da sie in Hinblick auf den Jahresabschluss die Erbringung unzulässiger Hilfeleistungen in Steuersachen zum Gegenstand hätten. Es lägen selbständige steuerliche Bewertungen, eigene Entscheidungen in steuerlicher Hinsicht bzw. sonstige steuerberatende Tätigkeiten der Klägerin und nicht nur rein mechanische Vorgänge zu Grunde. Dieser Gesetzesverstoß habe die Gesamtnichtigkeit des Vertragsverhältnisses zur Folge.

33

Darüber hinaus sei es zu einer Anpassung der vertraglichen Regelungen über die von der Klägerin geltend gemachte Anpassung der jährlichen Honorarforderung nicht gekommen. Eine wirksame Einigung mit der Klägerin über die Anpassung habe es gerade nicht gegeben, zumal eine Änderung der vertraglichen Regelungen über die Vergütung der Schriftform bedurft hätte und bereits eine entsprechende schriftliche Vereinbarung über eine Anpassung nicht existent sei.

34

Die Klageforderungen seien im Übrigen auch nicht aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. Bereicherungsrecht zu stützen.

35

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird ergänzend auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze und Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, hinsichtlich des Klageantrages zu 2. auf der Grundlage des § 259 ZPO, aber unbegründet.

37

I. Die Klägerin kann nicht von der Beklagten Zahlung der Vergütung von € 18.921,00 und fortlaufend weiterer € 4.284,00 pro Quartal ab dem 01.07.2015 bis zum 01.07.2015 sowie € 1.428,00 per 01.10.2016 verlangen.

38

1. Der Vertrag zwischen den Parteien ist insgesamt unwirksam.

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a) Dabei kann offen bleiben, ob der Klägerin bei der Vertrags- bzw. Preisgestaltung ein Missbrauch der Vertretungsmacht zur Last fällt bzw. zuzurechnen ist, und zwar vor dem Hintergrund, dass Herr K1 an Herrn R. K. mit E-Mail vom 24.08.2011, 10:03 Uhr (Anlage B 1) geschrieben hat:

40

„Zur Liquiditätssicherung sollte der an die Fonds belastende Betrag relativ hoch sein.“

41

bb) Denn die Unwirksamkeit des Vertragsverhältnisses folgt jedenfalls aus § 5 StBerG i.V.m. § 134 BGB.

42

Die Klägerin hat unbefugt Hilfeleistungen in Steuersachen erbracht, ohne zu dem hierzu befugten Personenkreis zu gehören. Der Verstoß macht die Vertragsbeziehungen insgesamt nichtig gemäß § 134 BGB (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 21.03.1996 – IX ZR 240/95, BGHZ 132, 229, 231 = NJW 1996, 1954).

43

Gemäß § 5 Abs. 1 S.1 StBerG dürfen andere als die in §§ 3, 3a und 4 StBerG bezeichneten Personen und Vereinigungen nicht geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, insbesondere nicht geschäftsmäßig Rat in Steuersachen erteilen. Die in § 4 StBerG bezeichneten Personen und Vereinigungen dürfen gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 StBerG nur im Rahmen ihrer Befugnis geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten. Der Begriff der Hilfeleistung ist nicht eng auszulegen. Er ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen und umfasst jede unterstützende Tätigkeit bei der Beratung und Vertretung eines Dritten in Bezug auf dessen steuerliche Rechte und Pflichten. Zur Hilfeleistung bei der Bearbeitung der Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung der steuerlichen Pflichten gehört insbesondere auch die Hilfeleistung bei der Erstellung der Buchführung einschließlich der Handelsbilanzen (OLG Hamburg, 4 U 81/16, Anlage B 25).

44

Für die steuerberatenden Berufe gilt, dass ein hohes öffentliches Interesse an einer sachgerechten Beratung besteht. Angehörige der steuerberatenden Berufe nehmen einerseits die Interessen ihrer Mandanten wahr, haben aber zugleich auch eine Vertrauensstellung gegenüber den Finanzbehörden und Finanzgerichten. Es liegt daher im Interesse des Gemeinwohls, dass Personen mit fehlender Sachkunde, Erfahrung oder persönlicher Eignung von der Hilfeleistung in Steuersachen ausgeschlossen werden (OLG Hamburg, 4 U 81/16, Anlage B 25).

45

Allerdings ist es zum Schutz der Steuerrechtspflege jedoch nicht gerechtfertigt, jede nur erdenkbare Mitwirkung bei der Erfüllung der Buchführungspflichten allein den in §§ 3, 4 StBerG genannten Personen und Vereinigungen vorzubehalten (BGH, Urteil vom 01. Oktober 1970 – VII ZR 21/69, BGHZ 54, 306, 310; Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6. Auflage 2009, § 2 Rn.2). Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht das geschäftsmäßige Kontieren von Belegen auch durch Personen für zulässig erklärt, die eine Abschlussprüfung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf bestanden haben (BVerfG, Urteil vom 18. Juni 1980 – 1 BvR 697/77, BVerfGE 54, 301). Dieser Personenkreis darf daher gemäß § 6 Nr. 4 StBerG auf einem begrenzten Teilgebiet Hilfe in Steuersachen leisten (Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6. Auflage 2009, § 2 Rn.2).

46

Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet dabei im Rahmen der Buchführung drei Tätigkeitsbereiche, nämlich das Einrichten der Buchführung (Aufstellen des Kontenplans), die laufende Buchführung und die Erstellung von Abschlüssen (BVerfG, Urteil vom 18. Juni 1980 – 1 BvR 697/77, NJW 1981, 33, 34 vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Oktober 2001 – 23 U 29/01, NJOZ 2002, 527, 528). Der erste und der dritte Bereich ist den hierzu nach § 3 StBerG befugten Personen vorbehalten. Nur die laufende Buchführung (einschließlich laufender Lohnabrechnung und Fertigung Lohnsteueranmeldungen) darf gemäß § 6 Nr. 4 StBerG ausnahmsweise den dort genannten Personen mit entsprechender Ausbildung überlassen werden, nicht dagegen die Durchführung von Jahresabschlüssen. Diese Tätigkeit ist den steuerberatenden Berufen vorbehalten, weil bei ihrer Ausübung eine Vielzahl handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Vorschriften zu beachten und im Einzelfall anzuwenden ist (BVerfG, Urteil vom 18. Juni 1980 – 1 BvR 697/77, NJW 1981, 33, 34). Für das sachgerechte Kontieren der laufenden Geschäftsvorfälle sind hingegen hauptsächlich gründliche Kenntnisse des Systems der Buchführung notwendig, weshalb dies auch einem Kontierer überlassen werden darf (OLG Hamburg, 4 U 81/16, Anlage B 25, BVerfG, Urteil vom 18. Juni 1980 – 1 BvR 697/77 NJW 1981, 33, 37).

47

aaa) Nach diesen Maßstäben ergibt sich ein Verstoß gegen das Verbot des § 5 StBerG. Der Gesetzesverstoß liegt in der erfolgten Befassung der Klägerin mit den Jahresabschlüssen.

48

Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 StBerG umfasst die Hilfeleistung in Steuersachen auch die Hilfeleistung bei der Aufstellung von Abschlüssen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind. Bei der Erstellung von Jahresabschlüssen handelt es sich um eine Vorbehaltsaufgabe im Sinne des § 1 StBerG, die den steuerberatenden Berufen vorbehalten ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juni 1980 – 1 BvR 697/77, OLG Köln, Urteil vom 18.10.2001, Az.: 8 U 45/01; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.01.2005, Az.: 23 U 164/04; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.10.2001, Az.: 23 U 29/01; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.05.2010, Az.: 23 U 174/09; OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.08.2012, Az.: I-20 U 122/11; LG Dessau-Roßau, Urteil vom 10.05.2015, Az.: 3 O 50/14; LG Köln, Urteil vom 26.08.1993, Az.: 31 O 144/93; Erbs/Kohlhaas, StBerG, § 1, Rn.13). Die Erstellung eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses nach den §§ 242 ff. HGB ist zudem grundsätzlich für die Besteuerung von Bedeutung, vgl. § 4 Abs. 3, § 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG, da bereits die in dem Jahresabschluss enthaltende Handelsbilanz für die nach dem EStG zu erstellende Steuerbilanz maßgeblich ist (BVerfG, Urteil vom 18.06.1980 – 1 BvR 697/77, NJW 1981, 33; 34; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.10.2011, Az.: 23 U 29/01, NJOZ 2002, 527, 528).

49

Die Klägerin hat indes die Jahresabschlüsse der Beklagten für die Jahre 2011, 2012 und 2013 erstellt. Insbesondere hat sie den Jahresabschluss für das Jahr 2012 (bestehend aus Bilanz, Gewinn und Verlustrechnung und Anhang) erledigt und diesen mit E-Mail vom 18.04.2014 (Anlage B 7) an die Beklagte versandt. In der entsprechenden E-Mail heißt es:

50

anbei erhalten Sie den finalen festgeschriebenen Jahresabschluss der o.a. Gesellschaft. (…) Wie vorgeschlagen bitten wir Sie uns ein unterschriebenes Exemplar zuzusenden, damit wir die Offenlegung für Sie erledigen können“.

51

Die Klägerin hat demnach den Jahresabschluss für das Jahr 2012 insoweit finalisiert bzw. vollständig ausgefüllt, dass nur noch die Unterschrift des Geschäftsführers zu leisten war und den Jahresabschluss nach erfolgter Unterschrift für die Beklagte offengelegt.

52

bbb) Dass die Klägerin geltend macht, die Jahresabschlüsse seien lediglich auf der Basis einer automatischen Funktion des EDV-Buchhaltungssystems erstellt worden, hindert die Einstufung der Tätigkeit als Vorbehaltsaufgabe nicht. Auch die automatische Erstellung durch ein EDV-Programm ist vom Verbot des § 5 StBerG umfasst (OLG Hamburg, 4 U 81/16, Anlage B 25, S.15 ff. – zur Umsatzsteuervoranmeldung). Die Klägerin kann sich daher nicht darauf berufen, sie habe die Jahresabschlüsse auf Basis der laufenden Buchführung durch einen entsprechenden EDV-Programmbefehl („durch Knopfdruck“) erstellt (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 29.09.2016, Az.: 4 U 81/16, S.15 ff.).

53

So hat auch das OLG Hamm (Urteil vom 18.07.2006, Az.: 4 U 17/06, DStRE, 2006, 1562 ff.) darauf (im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung) verwiesen, dass die Verbuchung mit einem vorhandenen Programm eine Erstellung einer Voranmeldung ist, wenn der eigentliche Rechenvorgang der automatischen Datenverarbeitung überlassen bliebt, da die Eingabe der Buchungsbeträge ihrerseits eine wertende Entscheidung desjenigen voraussetze, der die Eingabe vornimmt. Dabei kommt die Erwägung zum Tragen, dass eine den steuerberatenden Berufen vorbehaltene kritische Überprüfung der Dateneingabe und Verarbeitungsergebnis nicht gewährleistet ist, wenn diese mittels automatischer Datenverarbeitung sozusagen „nebenbei“ gefertigt wird (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom Urteil vom 29.09.2016, Az.: 4 U 81/16, S.17). Es muss insoweit zwischen der mechanischen Zusammenfassung und der kritischen Überprüfung andererseits und der steuerrechtlichen Würdigung der aus der Buchführung übernommenen Zahlen unterschieden werden. Spätestens bei der Übernahme der Daten aus der Buchführung ist eine umfassenden steuerrechtliche Prüfung und Würdigung erforderlich, die nur den Angehörige der steuerberatenden Berufe vorbehalten ist (OLG Hamburg, 4 U 81/16, Anlage B 25, S.17).

54

Der den Urteilen des OLG Hamm und OLG Hamburg jeweils zu Grunde liegende Sachverhalt betraf zwar nicht das Erstellen von Jahresabschlüssen, sondern die Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen. Da es sich allerdings sowohl bei der Erstellung von Jahresabschlüssen als auch bei der Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen um Vorbehaltsaufgaben nach § 1 StBerG handelt, deren Erstellung allein den steuerberatenden Berufen, aufgrund deren Kenntnissen der zu Grunde liegenden handels- und steuerrechtliche Bestimmungen, vorbehalten sind, sind die getroffenen Wertungen auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar.

55

ccc) Die Ausnahmereglungen des § 6 StBerG sind nicht einschlägig.

56

Vorliegend fallen die Tätigkeiten der Beklagten bei der Aufstellung der Jahresabschlüsse nicht mehr unter die Durchführung mechanischer Arbeitsvorgänge gemäß § 6 Nr. 3 StBerG. Mechanische Arbeitsvorgänge sind steuerlich ohne Bedeutung, sie umfassen lediglich Tätigkeiten, die keine Subsumption unter gesetzliche Vorschriften darstellen (vgl. Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6. Auflage 2009, § 6 Rn.6).

57

Bei der Erstellung der Jahresabschlüsse mittels des entsprechenden EDV-Programms durch die Klägerin sind bereits eine Vielzahl von handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Vorschriften zu beachten und im Einzelfall anzuwenden. Auch durch den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung obliegt es dem Eingebenden die dem Jahresabschuss zu Grunde liegenden Daten auf diese Anforderung hin zu überprüfen. Die kritische Prüfung aus den eingegebenen Daten und der sich daraus ergebenen Erstellung eines Jahresabschlusses stellt deshalb eine Hilfeleistung in Steuersachen und keinen rein mechanischen Arbeitsvorgang dar. Diese Wertung des StBerG vermag auch die Erstellung eines Jahresabschlusses per „Knopfdruck“ durch ein EDV-Programm und der damit einhergehende technische Fortschritt in der Datenverarbeitung gerade nicht zu ändern.

58

Da es sich bei der Erstellung von Jahresabschlüssen nicht um Tätigkeiten der laufenden Buchführung handelt, die gemäß § 6 Nr. 4 StBerG auch weniger qualifizierten Personen überlassen werden kann, ist die Anwendbarkeit dieser Vorschrift dem Wortlaut nach bereits zu verneinen.

59

ddd) Dem Beweisangebot auf Einholung eines Sachverständigengutachtens der Steuerberaterkammer nach § 76 Abs. 1 und 2, Nr. 7 StBerG war nicht nachzugeben, da die Beurteilung, ob eine Vorbehaltsaufgabe in Rede steht, eine vom Gericht zu beantwortende Rechtsfrage ist.

60

cc) Die Klägerin bestreitet nicht, dass eine dem danach allein befugten Personenkreis der §§ 3, 3a, 4 StBerG zuzuordnende Person bei der Erstellung der Jahresabschlüsse gerade nicht mitgewirkt hat.

61

dd) Die Klägerin hat die unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen auch geschäftsmäßig ausgeübt. Diese Voraussetzung ist bereits dann erfüllt, wenn jemand ausdrücklich oder erkennbar die Absicht verfolgt, die Tätigkeit in gleicher Art zu wiederholen und zu einem wiederkehrenden oder dauernden Bestandteil seiner selbständigen (nach eigenem Willen, eigenverantwortlich und weisungsabhängigen Beschäftigung zu machen, wobei selbst eine einmalige Tätigkeit genügt, wenn aus den Umständen, insbesondere der Einrichtung eines Büros, der Wille erkennbar ist, eine derartige Tätigkeit zu wiederholen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2011 – 23 U 29/01, NJOZ 2002, 527, 529). So liegt der Fall hier.

62

ee) Mit diesem Verstoß tritt Gesamtnichtigkeit nach § 134 BGB ein, denn das streitgegenständliche Dienstleistungsverhältnis lässt sich nicht in einem wirksamen und unwirksamen Teil aufspalten. Ein verbotswidrig vorgenommenes Rechtsgeschäft ist gemäß § 134 BGB grundsätzlich insgesamt und von Anfang an nichtig (OLG Hamburg, 4 U 81/16, Anlage B 25, S. 18; Ellenberger in: Palandt, 75. Auflage, § 134 Rn.13). Nach dem Sinn und Zweck der konkreten Verbotsnorm kann unter Umständen auch eine nur teilweise Nichtigkeit des jeweils verbotswidrigen Teils des Rechtsgeschäfts gemäß § 139 BGB in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 24. April 2008 – VII ZR 42/07; NJW-RR 2008, 1050; BGH, Urteil vom 28. Januar 1986 – VI ZR 151/84, NJW 1986, 1486). Aus § 139 BGB ergibt sich, dass eine Teilnichtigkeit den Ausnahmefall darstellt, der nur dann eintreten kann, wenn anzunehmen ist, dass das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre (vgl. Wendtland, Beck’scher Online Kommentar zum BGB, 41. Edition, Stand: 01.11.2016, § 139, Rn.1). Voraussetzung einer Teilnichtigkeit ist ferner, dass das Rechtsverhältnis sich in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil aufspalten lässt (Wendtland, Beck’scher Online Kommentar zum BGB, 41. Edition, Stand: 01.11.2016, § 139, Rn.13). Nach dem Grundsatz des § 139 BGB ist die Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts zu vermuten. Die Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich ergeben soll, dass ein Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre, liegt bei dem, der die Gültigkeit des übrigen Geschäfts für sich in Anspruch nimmt (Busche in: MüKoBGB, 7. Auflage 2015, § 139 Rn.35 m.N.).

63

Die salvatorische Klausel im Vertrag führt nicht zur Rettung der Wirksamkeit des Vertrags. Eine Erhaltungsklausel steht der Gesamtnichtigkeit des Vertrages dann nicht entgegen, wenn der nichtige Vertragsteil von derart grundlegender Bedeutung ist, dass die Aufrechterhaltung nicht mehr als vom durch Vertragsauslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien umfasst angesehen werden kann (BGH NJW 2010, 1660, 1661; Wendtland, Beck’scher Online Kommentar zum BGB, 41. Edition, Stand: 01.11.2016, § 139, Rn.7 m.N.). Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn nicht nur eine Nebenabrede, sondern eine wesentliche Vertragsbestimmung unwirksam ist und durch die Teilnichtigkeit der Gesamtcharakter des Vertrages verändert werden würde (BGH NJW 2010, 1660, 1661; Wendtland, Beck’scher Online Kommentar zum BGB, 41. Edition, Stand: 01.11.2016, § 139, Rn.7 m.N.).

64

Dies ist hier der Fall. Denn die Beklagte hat dargelegt, dass es dem Parteiwillen entsprochen hat, einen Dienstleistungsvertrag zu schließen, der sämtliche Leistungen von der Kontierung der Belege bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses erfasst. Dies ergibt sich bereits aus ihrer Replik vom 18. Juni 2015 (Bl. 19 ff. d.A.). Auf S. 14 der Replik legt die Beklagte dar, dass es ihr gerade darauf ankam, das Rechnungswesen von der Kontierung der Belege bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses „in eine Hand“ zu geben. Hierdurch wollte sie „Mehrtätigkeiten und Reibungsverluste“ vermeiden. Sie wendet insofern ein, sie hätte den Dienstvertrag nicht abgeschlossen, wenn dieser die Abschlussarbeiten nicht beinhaltet hätte (vgl. Bl. 32 d.A.). Der nichtige Vertragsteil war für die Beklagte somit erkennbar von derart grundlegender Bedeutung, dass die Aufrechterhaltung nur des Rechtsgeschäfts nicht mehr als vom durch Vertragsauslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien umfasst angesehen werden kann.

65

Der Klägerin ist es nicht gelungen, dies zu wiederlegen. Im Schriftsatz vom 24. August 2015 (Bl. 36 ff. d.A.) legt die Klägerin lediglich dar, dass das Motiv der Beklagten zur Beauftragung der Klägerin die erhebliche Überlastung der Buchhaltung der W.-Gruppe und der hieraus resultierende Buchhaltungsrückstand gewesen sei (vgl. Bl. 38 d.A.). Zudem wird dargelegt, die Klägerin habe keineswegs alleinverantwortlich für alle im Zusammenhang mit der Buchhaltung und Abschlusserstellung anfallenden Arbeiten zuständig sein sollen (vgl. Bl. 49 d.A.). Beides vermag nicht zu widerlegen, dass die Beklagte einen Vertrag, der lediglich die laufende Buchhaltung zum Gegenstand gehabt hätte, nicht abgeschlossen hätte. Dabei genügt es nicht, dass sie vorbringt, eine gewünschte Alleinverantwortlichkeit sei ihr gegenüber nicht zum Ausdruck gebracht worden.

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Auch daraus, dass die Beklagte angesichts der Überlastung der Buchhaltung der W.-Gruppe nach Auffassung der Klägerin in jedem Fall einen isolierten Vertrag über reine Buchhaltungsleistungen (ohne Abschlussarbeiten) hätte abschließen müssen, um die anfallenden Buchhaltungsarbeiten erledigen zu können (vgl. Bl. 49 f. d.A.), ergibt sich nichts Abweichendes. Die Klägerin selbst zeigt nämlich auf, dass die Beklagte alternativ einen alle Leistungen umfassenden Vertragsschluss mit einer (nach Auffassung der Klägerin) deutlich teureren Steuerberatungsgesellschaft hätte in Betracht ziehen können (vgl. Bl. 50 d.A.). Dies deckt sich mit dem plausiblen Vorbringen der Beklagten, sämtliche Leistungen „aus einer Hand“ erhalten zu wollen.

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Es liegt mangels gegenteiliger, hier fehlender Gesichtspunkte oder dem Vertragspartner zum Ausdruck gebrachter Erklärungen auf der Hand und in der Natur des Dienstleistungsgegenstandes, dass Reibungen, Mehrtätigkeiten und Mehrkosten bei der Bearbeitung des Mandates auftreten, die in Kauf zu nehmen nicht mehr als vom Parteiwillen gedeckt zu erkennen sind.

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2. Die Klägerin kann ihren Zahlungsanspruch für geleistete Tätigkeit auch nicht aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677 ff. BGB herleiten, denn sie hat schon nicht dargelegt, damit kein eigenes, sondern ein fremdes Geschäft besorgt zu haben.

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3. Ebenso wenig hat die Klägerin einen Zahlungsanspruch aus Bereicherungsrecht gemäß §§ 812, 818 Abs. 2 BGB, der sich nach der Höhe der üblichen Vergütung oder hilfsweise nach der angemessenen, vom Vertragspartner ersparten Vergütung richten würde.

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Nach § 817 S. 2 BGB ist ein solcher Anspruch ausgeschlossen, wenn dem Leistenden ein Gesetzesverstoß, wie er hier in Rede steht, zur Last fällt, bei dem der Leistende leichtfertig vor dem Verbotensein seines Handelns die Augen verschlossen hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2001 – 23 U 29/01, NJOZ 2002, 527, 530; Palandt/Sprau, BGB, 75.Auflage 2016, § 817 BGB Rn. 8 m.N.) Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Dem Geschäftsführer der Klägerin musste aus seiner Ausübung als Bilanzbuchhalter geläufig sein, dass nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes ein sog. Steuerberaterprivileg eingerichtet ist. Wenn er dies – wider Erwarten – nicht zur Kenntnis genommen haben sollte, wäre diese Unkenntnis als leichtfertig einzustufen.

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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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