Urteil vom Landgericht Hamburg (16. Zivilkammer) - 316 O 337/16

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 8.883,70 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.12.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Ansprüche aus § 110 HGB sowie einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend.

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Der Kläger ist mit einer Einlage in Höhe von DM 100.000,00 Kommanditist der Beklagten. Die Beklagte ist ein geschlossener Immobilienfond in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft. Die Beklagte ist seit dem 02.09.1993 Eigentümerin eine Immobilie in der S.str. ... in B.. Der Kauf und die Errichtung der Immobilie durch die Beklagte wurden durch ein Darlehen S. Bank AG finanziert. Das Objekt in der S.str. ... in B. war bis zum 30.09.2003 vermietet. Ein unmittelbarer Nachfolger fand sich nicht. Dies führte zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten, so dass ein von der S. Bank AG gewährtes Darlehen nicht mehr zurückgezahlt werden konnte.

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Um den Bestand des Fonds zu sichern und gegebenenfalls eine geregelte Liquidation durchzuführen, führte die Beklage im Jahr 2008 mit der S. Bank AG Gespräche. Dabei war zunächst geplant, dass ein Teil des rückständigen Darlehens durch den Verkauf der Immobilie in der S.str. und ein weiterer Teil durch Zahlungen der Kommanditisten aufgebracht werden sollte, und zwar durch Rückzahlung eines Teils der erhaltenen Ausschüttungen. Im Gegenzug zu den Zahlungen der Kommanditisten würde die S. AG Bank AG gegenüber diesen auf weitergehende Ansprüche verzichten.

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Der Verkauf der Immobilie kam jedoch nicht zustande. Daher führten die Beklagten erneut Verhandlungen mit der S. Bank AG. Die Verhandlungen mündeten in einem Angebot der S. Bank AG an die Kommanditisten, wonach man diesen vorschlug, dass sie insgesamt einen Teil der erhaltenen Ausschüttungen in Höhe von 23,25 % der Beteiligung an die Beklagte zurückzahlen sollten, woraufhin die Beklagte das Geld sodann an die S. Bank AG weiterleiten würde. Im Gegenzug würde die S. Bank AG gegenüber den zahlenden Kommanditisten auf weitergehende Ansprüche gemäß §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB verzichten.

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Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten sieht keine Verpflichtung der Kommanditisten zur Rückzahlung von Ausschüttungen an die Beklagte vor.

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Der Kläger hat die durch die Beklagte angebotenen Freistellungsvereinbarungen nicht unterzeichnet. In der Folge wurde er durch die S. Bank AG gerichtlich gemäß § 172 Abs. 4 HGB in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen in Höhe von € 8.883,70 in Anspruch genommen. Mit Urteil des OLG Hamm vom 3.12.2012 (Az.: I-8 U 283/11) wurde der Kläger verurteilt, die geltend gemachte Forderung an die S. Bank AG zu leisten. Der Kläger leistete am 16.12.2013 die Zahlung des titulierten Betrages an die S. Bank AG.

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Der Kläger ist der Ansicht, er habe gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung des mit der Klage geltend gemachten Betrages gemäß §§ 161 Abs. 2, 110 HGB. Es habe sich um eine freiwillige Aufwendung des Klägers in Gesellschaftsangelegenheiten gehandelt. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung an die S. Bank AG gezahlt habe.

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Auch sei der Anspruch des Klägers fällig. Die Teil-Fälligstellung durch die S. Bank AG im Jahr 2010 sei ausschließlich zu dem Zweck erfolgt, fällige Zinsansprüche zu generieren, um diese auf Grundlage der §§ 171, 172 Abs. 4 HGB gegenüber den Kommanditisten gerichtlich geltend machen zu können. Die finanzielle Situation der Beklagten sei durchaus als geordnet anzusehen. Das Objekt sei wieder voll vermietet und die monatlichen Mieteinnahmen reichten aus, sowohl die laufenden Verpflichtungen als auch angemessene Rücklagen zu unterhalten. Zins- und Tilgungsforderungen seien von der S. Bank AG weitgehend gestundet worden. Im Hinblick auf die jährlichen Mieteinnahmen der Beklagten aus der Vermietung in Höhe von € 1,44 Mio. und einem Immobilienwert von ca. € 30 Mio. scheine es auch ausgeschlossen, dass sich die finanzielle Situation der Beklagten bei Rückzahlung der Ausschüttungen signifikant verschlechtern könne. Der von der Beklagten geplante freihändige Verkauf der Immobilie stelle sich als rechtswidrig und nicht vom Gesellschaftszweck gedeckt dar. Eine geordnete Liquidation sei - unstreitig - nicht beschlossen worden. Seit Dezember 2012 würde die Kommanditisten auch nur noch unzureichend über das Schicksal der Beklagten informiert. Die Beklagte wolle im Interesse der S. Bank AG ihre Insolvenz so lange hinausschieben, wie es möglich sei, von den vertragstreuen Gläubigern noch Zahlungen zu erhalten. Der von der Beklagten erhobene Vorwurf der Treuwidrigkeit entbehre daher jeder Grundlage.

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Der Kläger beantragt, wie folgt zu erkennen:

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1. Die beklagte Partei wird verurteilt, an den Kläger € 8.883,70 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13.12.2016 zu bezahlen.

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2. Die beklagte Partei wird verurteilt, an den Kläger € 808,13 vorgerichtliche Anwaltskosten zu bezahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte ist der Ansicht, die Voraussetzungen des § 110 HGB lägen nicht vor. § 3 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrages enthalte keinen expliziten Ausschluss darüber, dass der Gesellschafter nicht zur Rückzahlung erhaltener Ausschüttungen verpflichtet sei. Darüber hinaus liege kein Tätigwerden in Gesellschaftsangelegenheiten vor. Der Kläger habe sich nämlich nicht bereit erklärt, die vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Beklagten verlangte Rückzahlung der Ausschüttungsbeträge in Höhe von 23,25 % der Beteiligungssumme freiwillig zu leisten und in diesem Zusammenhang die ihm angebotene Freistellungsvereinbarungen zu unterzeichnen. Deshalb sei er gerichtlich von der S. Bank AG in Anspruch genommen worden und zahle in der Folge an diese. Vorsorglich sei einzuwenden, dass ein etwaiger Anspruch aus § 110 HGB nicht fällig sei. Die Beklagte sähe sich anstelle der ursprünglichen, fälligen Kreditrückzahlungsansprüche der S. Bank AG den nunmehr fälligen Ansprüchen der von der S. Bank AG in Anspruch genommenen Gesellschafter gegenüber. Liquiditätsmäßig trete keinerlei Entlastung der Beklagten ein. Eine geordnete Abwicklung der Geschäfte der Gesellschaft sei damit gefährdet. Demzufolge stelle sich die Geltendmachung des Anspruchs aus § 110 HGB durch den Kläger als rechtsmissbräuchlich und als ein Verstoß gegen seine Treuepflichten dar.

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Ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten áls Verzugsschaden stehe dem Kläger ebenfalls nicht zu. In Verzug befinde sich die Beklagte nämlich erst seit Ablauf der im Anwaltsschreiben vom 2.12.2016 (Anlage K 2) gesetzten Zahlungsfrist.

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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokolls vom 18.05.2017 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe der gezahlten € 8.883,70 gemäß § 110 HGB zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 13.12.2016 nach § 288 BGB (hierzu 1.). Kein Anspruch besteht hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von € 808,13 als Verzugsschaden nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB (hierzu 2.).

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1. Die Voraussetzungen des § 110 HGB liegen vor. Der Kläger hat als Gesellschafter in den Gesellschaftsangelegenheiten der Beklagten Aufwendungen in Höhe von € 8.883,70 erbracht, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte.

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a) Die Zahlung der € 8.883,70 durch den Kläger stellt eine Aufwendung dar. Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer des Gesellschafters. Die Freiwilligkeit des Handelns richtet sich danach, ob der Gesellschafter kraft Gesellschaftsvertrages oder aufgrund einer mit der Gesellschaft getroffenen Abrede dazu verpflichtet ist (Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 110 HGB Rn. 10 u. 11). Sowohl der Kläger als auch der Beklagte legen unstreitig dar, dass der Gesellschaftsvertrag keine Verpflichtung zur Rückzahlung erhaltener Ausschüttungen enthält, so dass es sich um eine freiwillige Leistung gehandelt hat. Der Einwand der Beklagten, dass die Rückzahlung der Ausschüttungen an die Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag nicht explizit ausgeschlossen sei, ist dabei unerheblich. Dem Merkmal der Freiwilligkeit steht auch nicht entgegen, wenn ein Kommanditist leistet, um im Außenverhältnis nicht nach § 172 Abs. 4 HGB in Anspruch genommen werden zu können (BGH, Urteil vom 20.06.2005, Az.: II ZR 252/03; HansOLG, Beschluss vom 3.6.2015, Az. 11 U 25/15). Allein maßgeblich ist, dass im vorliegenden Fall die Kommanditisten im Innenverhältnis unstreitig nicht zur Erstattung der empfangenen Ausschüttungen verpflichtet sind.

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b) Zudem liegt durch die Zahlung des Klägers ein Tätigwerden in Gesellschaftsangelegenheiten vor. Der Gesellschafter muss sowohl objektiv zweifelsfrei im Interessenkreis der Gesellschaft tätig geworden sein, als auch subjektiv mit entsprechender Willensrichtung gehandelt haben (Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 110 HGB Rn. 12). Der Kläger zahlte an die Beklagte, um diese vor finanziellen Schwierigkeiten zu bewahren. Die Tatsache, dass der Kläger zur Zahlung des titulierten Betrages an die S. Bank AG aufgrund des rechtskräftig gewordenen Urteils verpflichtet wurde, steht dem nicht entgegen, da dies nichts daran ändert, dass der Kläger im maßgeblichen Verhältnis zur Beklagten zu dieser Zahlung nicht verpflichtet war und die Zahlung daher gegenüber den anderen Gesellschaftern ein Sonderopfer darstellt (HansOLG, Urteil vom 4.7.2014, Az. 11 U 35/14).

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d) Der Anspruch ist auch fällig. Es ist zwar richtig, dass die Treuepflicht unter besonderen Voraussetzungen die Fälligkeit eines Anspruchs verhindern kann. Das von der Beklagten insoweit angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.06.2005 (Az.: II ZR 252/03) ist vorliegend jedoch nicht einschlägig. Die in dem Urteil angenommene Treuepflicht bezog sich auf einen Kläger, der auf bloßes Anfordern hin freiwillig einen Teil der empfangenen Ausschüttungen an die Beklagte zurückzahlte. In dem hier vorliegenden Fall zahlte der Kläger hingegen erst, nachdem er gerichtlich durch die S. Bank AG in Anspruch genommen wurde.

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Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Zahlung einer geordneten Abwicklung entgegenstehen könnte und daher eine Verletzung der Treuepflicht vorliege. Die Zivilkammer 32 hat in einem Parallelverfahren mit Urteil vom 25.1.2017 zum Az. 332 O 291/16 hierzu ausgeführt:

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„Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Zahlung einer geordneten Abwicklung entgegen stehen könnte. Diese ist nicht beschlossen worden, so dass sie dem Kläger auch nicht entgegen gehalten werden kann (vgl. HansOLG vom 13.8.2015, 11 U 25/15). Das Hanseatische Oberlandesgericht hat entschieden, dass die Beklagte nicht jahrelang die Ausgleichszahlungen verweigern darf, um die Gesellschaft außerhalb eines geordneten Liquidationsverfahrens abzuwickeln (HansOLG vom 3.11.2016, 11 U 105/16). Die Gesellschaft fordert in Umgehung der Mitbestimmungsrechte der Gesellschafter gemäß § 8 Abs. 4 c des Gesellschaftsvertrages für Maßnahmen, die auf einseitigen Maßnahmen der Geschäftsführung beruhen, eine Treuepflicht, die lediglich unter den Voraussetzungen eines Beschlusses gemäß § 8 Abs. 4 c anzunehmen wären (Hans OLG vom 13,8,2015, 11 U 25/15 - Anlage K5 in 311/16). Dem schließt sich die Kammer an, zumal die Geschicke der Gesellschaft einseitig durch die Geschäftsführung in Abstimmung mit der Bank gesteuert werden, ohne dass für die Gesellschafter Inhalt und Folgen der wirtschaftlichen Entscheidungen transparent gemacht werden.

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Das Verlangen des Klägers widerspricht auch nicht der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.6.2005, II ZR 252/03, der ausgeführt:“ Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, dass Kommanditisten auf diesen Erstattungsanspruch verzichtet haben. Dem Beschluß vom 23. Juni 1998 ist dies nicht zu entnehmen. Nach der Vorgeschichte des - nur zu freiwilligen Zahlungen auffordernden - Beschlusses waren die zahlenden Gesellschafter allerdings gehindert, sofort Erstattung von der Gesellschaft für ihr Sonderopfer zu fordern, weil anders der Zweck der Zahlung, die finanzielle Stärkung der Gesellschaft, die Abwendung der Kreditkündigung durch die H.bank und des dann sofort zu stellenden Insolvenzantrags und der dadurch erstrebte Zeitgewinn für eine freihändige Veräußerung des Gesellschaftsgrundstücks, nicht erreicht werden konnte.“

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Dies ist nicht auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Dort hatten sich die Gesellschafter auf der Grundlage eines Beschlusses, der der Insolvenzreife der Gesellschaft Rechnung getragen hat, zu einer freiwilligen Leistung entschieden, so dass sich unter diesen Umständen die sofortige Rückforderung auch als widersprüchliches Verhalten darstellen würde. Diese Konstellation bestand im vorliegenden Fall nicht, so dass dem nach der vorgenannten Entscheidung grundsätzlich gerade bestehenden Anspruch kein entsprechender Einwand der Treuwidrigkeit entgegen gehalten werden könnte.

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Es kommt auch nicht darauf an, ob durch die Erfüllung der Forderung die Haftung des Klägers wieder aufleben würde. Dieses Risiko ist allein vom Kläger zu tragen, ohne dass es der Beklagte zur Zahlungsverweigerung dienen könnte. Dies gilt ebenso für die grundsätzliche Möglichkeit, insoweit vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen werden zu können. Dass dies unmittelbar droht, ist nicht vorgetragen.

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Eine Treuwidrigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger dem Verkauf nicht zugestimmt hat. Seine Einschätzung, dass der Verkauf in Anbetracht der von ihm eingeschätzten wirtschaftlichen Situation des Fonds nicht angezeigt sei, widerspricht nicht seinem Zahlungsverlangen.“

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Diese Ausführungen sind vollen Umfangs auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar und die Kammer schließt sich dem an.

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e) Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Der Verzug gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB ist mit Ablauf der mit Anwaltschreiben vom 2.12.2016 gesetzten Frist, somit am 13.12.2016 eingetreten.

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2. Ein Anspruch auf Schadensersatz hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von € 808,13 gemäß den §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB besteht hingegen nicht, da die Beklagte mit dem Anwaltsschreiben vom 2.12.2016 erst in Verzug gesetzt wurde.

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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 709 S. 1 ZPO.

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